Flugverspätung auf regionalen Flügen

AG Frankfurt: Flugverspätung auf regionalen Flügen

Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung für eine 3-stündige Verspätung von Funchal nach Frankfurt. Die Klage wurde abgewiesen, weil sie mit einem wilden Streik auf außergewöhnlichen Umständen beruhte.

AG Frankfurt 29 C 1251/17 (97) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 05.12.2017
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 05.12.2017, Az: 29 C 1251/17 (97)
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 5. Dezember 2017

Aktenzeichen 29 C 1251/17 (97)

Leitsatz:

2. Eine überdurschschnittliche Krankmeldungsrate als nicht gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahme ist ein außergewöhnlicher Umstand.

Zusammenfassung:

3. Zwei Flugreisende mussten auf ihrem Flug von Funchal nach Frankfurt am Main eine 3-stündige Verspätung hinnehmen. Dafür forderten sie eine Ausgleichszahlung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung. Die Fluggesellschaft verweigerte die Zahlung mit Verweis auf eine überdurchschnittliche Krankmeldungsrate bzw. einen wilden Streik ihrer Mitarbeiter als außergewöhnlichen Umstand.

Das Amtsgericht Frankfurt wies die Klage ab. Die Beklagte war von der Ausgleichspflicht befreit, weil die Verspätung in der Tat auf außergewöhnlichen Umstand darstellte. Sowohl eine echte Krankheitswelle als auch ein unangekündigter, nicht gewerkschaftlicher Streik stellen solche dar. Sie hatte auch alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um Annullierungen und Verspätungen zu vermeiden, indem sie den Flugumlauf umgeplant hatte.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger je zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1) (im Folgenden: „Fluggastrechte-VO“).

6. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Luftfahrtunternehmen, das im streitgegenständlichen Zeitraum einen Teil seiner Flotte von insgesamt 38 Flugzeugen, nämlich 14 Flugzeuge, dauerhaft an A. verchartert hatte und damit überwiegend Kurzstreckenflüge durchführte. Mit der restlichen Flotte wurden sogenannte ..-Flüge in Urlaubsregionen durchgeführt.

7. Die Kläger verfügten jeweils über eine bestätigte Buchung für einen solchen ..-Flug, nämlich den Flug XXXXX, den die Beklagte am 04.10.2016 von Funchal nach Frankfurt am Main hätte durchführen sollen. Die Flugstrecke beträgt mehr als 3.500 km.

8. Für den 04.10.2016 hatte die Beklagte ursprünglich insgesamt 215 Flüge angesetzt und dafür als Crew 179 Piloten und 344 Personen des Kabinenpersonals eingeplant. Davon handelte es sich in 117 Fällen um ..-Flüge, für welche 116 Piloten und 232 Personen des Kabinenpersonals eingeplant waren. Als diensthabende Crew hätten insgesamt 247 Piloten und 516 Personen des Kabinenpersonals im Einsatz sein sollen.

9. Jedoch war es als Reaktion auf einen „Management-Letter“ des Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten vom 30.09.2016, in welchem die Mitarbeiter der Beklagten über geplante Umstrukturierungsmaßnahmen informiert worden waren, im Zeitraum zwischen dem 03.10.2016 und dem 10.10.2016 zu einem „wilden Streik“ in Form einer massiven Krankmeldungswelle seitens des Flugzeugbesatzungspersonals (Cockpit- und Kabinenpersonal) der Beklagten gekommen. Während der Beklagten normalerweise lediglich Krankmeldungen von etwa 30 Personen des Cockpit-Personals und etwa 70 bis 110 Personen des Kabinenpersonals, damit von bis zu 10 % der Crews vorliegen, sah sie sich in diesen Tagen mit Krankmeldungen folgenden Ausmaßes konfrontiert:

Tag Krankmeldungen des Cockpitpersonals Krankmeldungen des Kabinenpersonals
Montag, 03.10.2016 93 136
Dienstag, 04.10.2016 123 126
Mittwoch, 05.10.2016 194 227
Donnerstag, 06.10.2016 225 299
Freitag, 07.10.2016 223 350
Samstag, 08.10.2016 167 326
Sonntag, 09.10.2016 136 298
Montag, 10.10.2016 82 226

10. Am Tag des streitgegenständlichen Fluges, der in der vorstehenden Tabelle fett markiert ist, standen der Beklagten auf Grund der aufgeführten Krankmeldungen rund 50 % des diensthabenden Cockpitpersonals und rund 24 % des diensthabenden Kabinenpersonals nicht mehr zur Verfügung. Die Beklagte sah sich durch die Krankmeldungswelle dazu veranlasst, ihre ursprüngliche Flugplanung vollständig aufzugeben und stattdessen ab dem 03.10.2016 eine neue Notfallplanung aufzustellen. Zwar gelang es ihr am hier streitgegenständlichen Flugtag, dem 04.10.2016, doch noch, mit dem ihr verbliebenen, teils aus dem Urlaub zurückgeholten Personal und durch den Einsatz von Subchartermaschinen sämtliche Flüge mit Passagieren durchzuführen, davon 73 mit eigenen Flugzeugen und die übrigen 44 mit Subcharter-Flugzeugen; 32 dieser Flüge hatten jedoch eine große Ankunftsverspätung von drei Stunden oder mehr, so auch der streitgegenständliche Flug. Dieser wurde verspätet mit einem Flugzeug der Beklagten durchgeführt, so dass die Kläger Frankfurt mit einer Ankunftsverspätung von 7 Stunden und 33 Minuten erreichten.

11. Die Kläger erhielten auf Grund dieser Flugverspätung von ihrem Reiseveranstalter bereits eine Erstattung in Höhe von rund 55 €. Die Beklagte dagegen wies mit Schreiben vom 05.12.2016 Ausgleichsansprüche der Kläger zurück. Diese beauftragten daher ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Beklagte. Auf Grund dieses Auftrages forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 18.01.2017 vergeblich zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auf.

12. Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihre außergerichtlich geltend gemachten Ausgleichsansprüche wegen großer Verspätung in Höhe von je 400,00 € unter Anrechnung der vom Reiseveranstalter erhaltenen Zahlung weiter und verlangen zusätzlich deren Verzinsung sowie Freistellung hinsichtlich der ihnen entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

13. Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 372,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2016 zu zahlen;

die Beklagte ferner zu verurteilen, sie von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 147,56 € freizustellen.

14. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, dass etwaige Ausgleichsansprüche der Kläger nach der Fluggastrechte-VO ausgeschlossen seien, da die Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO beruht habe.

16. Die Kläger sind der Ansicht, das Vorbringen der Beklagten zu den angeblichen außergewöhnlichen Umständen sei bereits insofern unzureichend, als die Beklagte Vortrag dazu vermissen ließe, welches Personal für den in Rede befindlichen Flug eingeplant gewesen sei und welche Personen sich zu welchem Zeitpunkt krankgemeldet hätten. Vorsorglich bestreiten sie mit Nichtwissen, dass die Beklagte für den streitgegenständlichen Flug rechtzeitig Cockpit- und Kabinenpersonal einplant habe und dass sich dieses bzw. ein Teil hiervon krankgemeldet habe, dass die für den streitgegenständlichen Flug eingeplanten Besatzungsmitglieder nicht tatsächlich krank und damit fluguntauglich gewesen seien und dass das für den Flug eingeplante Fluggerät tatsächlich lufttüchtig und nicht defekt gewesen sei.

17. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe:

I.

18. Die Klage ist zulässig.

19. Insbesondere ist das angerufene Gericht gem. § 29 ZPO für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig. Denn der Erfüllungsort für den Luftbeförderungsvertrag zwischen den Parteien lag jedenfalls auch am Ankunftsort in Frankfurt am Main (vgl. für die auf EU-Ebene heranzuziehende Parallelvorschrift des Art. 5 Nr. 1 VO (EG) 44/2001: EuGH, Urteil vom 9. 7. 2009 – C-204/08 Peter Rehder/Air Baltic Corporation, EuZW 2009, 569, 570f, wonach sowohl der Ort des Abflugs als auch der Ort der Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als Erfüllungsorte eines Beförderungsvertrags im Luftverkehr anzusehen sind).

II.

20. Die Klage ist allerdings unbegründet.

1.

21. Den Klägern stehen gegenüber der Beklagten keine Ausgleichsansprüche analog Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. c) Fluggastrechte-VO wegen großer Verspätung des streitgegenständlichen Fluges zu.

a)

22. Zwar können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.11.2009 C-402, 432/07 Christopher Sturgeon u.a./Condor Flugdienst-GmbH und Stefan Böck u.a./Air France SA, EuZW 2009, 890) Fluggäste in analoger Anwendung des Art. 7 Abs. 1 auch bei großer Verspätung Ausgleichszahlungen verlangen, obwohl der Wortlaut der Fluggastrechte-VO das so nicht vorsieht, sofern sie – wie im vorliegenden Fall – einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden.

b)

23. Jedoch beruft sich die Beklagte mit Erfolg auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO.

24. Nach der letztgenannten Vorschrift ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass eine Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Analog gilt dies auch für den Fall einer großen Verspätung.

aa)

25. Vorliegend ist von solchen „außergewöhnlichen Umständen“ in Form der massiven Krankmeldungswelle bei der Beklagten Anfang Oktober 2016 auszugehen.

26. Der Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ ist in der Fluggastrechte-VO nicht legaldefiniert. Allerdings geht aus ihrem 14. Erwägungsgrund hervor, dass solche Umstände insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten können. Der EuGH hat daraus sowie aus dem Wortlaut geschlossen, dass als außergewöhnliche Umstände solche Vorkommnisse angesehen werden können, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind (vgl. EuGH, Beschluss vom 14.11.2014 – C-394/14, BeckRS 2014, 82441, beck-online, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH).

27. Die massive und zu einer gravierenden Reduktion des benötigten Personals führende Krankmeldungswelle beim Cockpit- und Kabinenpersonal der Beklagten im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fluges ist nach diesen Maßstäben bereits unabhängig davon außergewöhnlich, dass es sich um einen „wilden Streik“ handelte. Zwar ist die Erkrankung einzelner Crew-Mitglieder sehr wohl Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich zu beherrschen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH. Dementsprechend muss ein Luftfahrtunternehmen auch immer mit einer gewissen Krankenstandsquote rechnen und entsprechend Vorsorge treffen. Nicht mehr dem normalen Betriebsrisiko zuzurechnen sind jedoch Personalausfälle in einem Ausmaß wie dem vorliegenden, nämlich 50 % des Cockpitpersonals und 24 % des Kabinenpersonals. Mit solchen massiven Krankheitsraten ist im Rahmen des normalen Betriebes eines Luftfahrtunternehmen vernünftigerweise nicht zu rechnen; sie sind absolut unerwartbar und untypisch (so auch AG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.05.2017 – 29 C 3361/16, RRa 2017, 197). Dementsprechend kommt der Zweck der Fluggastrechte-VO, die Fluggäste – auch durch die Pflicht zu Ausgleichszahlungen – vor dem „Ärgernis“ (EuGH, Urteil vom 10. 1. 2006 – C-344/04, EuZW 2006, 112, Rn. 69 – IATA und ELFAA; Urteil vom 22. 12. 2008 – C-549/07, EuZW 2009, 111, Rn. 18 – Wallentin-Hermann/Alitalia) – grundsätzlich – vermeidbarer Annullierungen zu schützen, bei einer solchen weit überdurchschnittlichen, die normale Betriebstätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens zum Erliegen bringenden Krankmeldungswelle nicht zum Tragen.

28. An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Krankmeldungen zum größten Teil vorgeschoben waren, es sich nämlich um einen sogenannten „wilden Streik“ handelte, also eine kollektive Arbeitsniederlegung einer Belegschaft, die unabhängig von Gewerkschaften einen Arbeitskampf führt. Dass ein Streik im Allgemeinen einen Entlastungsgrund in Form außergewöhnlicher Umstände bilden kann, ergibt sich bereits aus dem oben zitierten Erwägungsgrund 14 der Fluggastrechte-VO. Präzisierend hierzu hat der Bundesgerichtshof bereits anerkannt, dass dies nicht nur für externe Streiks, sondern gleichermaßen für interne Streiks des eigenen Personals einer Luftverkehrsgesellschaft gilt, und dies für den Fall eines Pilotenstreiks unter anderem wie folgt begründet: „Der Streikaufruf wirkt – auch soweit er zu einem Ausstand der eigenen Beschäftigten führt – ‚von außen‘ auf das Luftverkehrsunternehmen ein und ist nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit. Denn er zielt gerade darauf, als Kampfmittel der Auseinandersetzung um einen neuen oder anderen Tarifvertrag die ’normale Ausübung der Tätigkeit‘ zu beeinträchtigen und wenn möglich vollständig lahmzulegen. Er betrifft demgemäß in aller Regel auch nicht nur einen einzelnen oder einzelne Flüge, sondern typischerweise die gesamte oder zumindest wesentliche Teile der gesamten Tätigkeit des Luftverkehrsunternehmens“ (BGH, Urteil vom 21.08.2012 – X ZR 138/11, NJW 2013, 374, Rn. 20). Diese Argumentation, der sich das Gericht anschließt, gilt ungleich mehr für einen „wilden Streik“ wie den vorliegenden, denn derartige illegale Arbeitskampfmaßnahmen haben faktisch dieselben Auswirkungen wie ein legaler, von der Koalitionsfreiheit gedeckter Streik im technischen Sinne, sind aber sogar noch weniger üblich und vorhersehbar, also erst Recht nicht mehr Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens.

bb)

29. Auf die folglich vorliegend gegebenen außergewöhnlichen Umstände ging die Verspätung des streitgegenständlichen Fluges auch zurück.

30. Dabei kommt es – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht darauf an, ob und wieviele derjenigen Crewmitglieder, die ursprünglich für den Flug eingeplant waren, tatsächlich im Rahmen der Krankmeldungswelle ausgefallen sind und ob diese an dem „wilden Streik“ teilnahmen oder tatsächlich krank waren. Wenn – wie im vorliegenden Fall – außergewöhnliche Umstände sich derart auf den gesamten Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens auswirken, dass Anlass zu dessen kompletter Reorganisation besteht, sind Verspätungen und Annullierungen einzelner Flüge nicht isoliert zu betrachten. So können nach der zuletzt zitierten und auf den vorliegenden Fall übertragbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Fall der Annullierung eines Fluges auf Grund eines Pilotenstreiks „an die Darlegung der Gründe, warum ein bestimmter Flug annulliert worden ist, keine hohen Anforderungen gestellt werden“, wenn „außergewöhnliche Umstände besorgen [lassen], dass dem Luftverkehrsunternehmen demnächst ein erheblicher Teil seiner Piloten nicht zur Verfügung stehen wird“ (BGH, a.a.O., Rn. 32). „In einer solchen Situation steht das Luftverkehrsunternehmen vor der Aufgabe, den Betriebsablauf möglichst schon im Vorfeld entsprechend zu reorganisieren“ (BGH, a.a.O., Rn. 33).

c)

31. Schließlich hat die Beklagte auch erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um Flugausfälle und -verspätungen – darunter auch die Verspätung des streitgegenständlichen Fluges – zu verhindern.

32. Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftverkehrsunternehmen in diesem Zusammenhang zuzumuten sind, also in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erwartet werden können, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt (EuGH, Urteil vom 22. 12. 2008 – C-549/07, a.a.O., Rn. 42; Urteil vom 12.05.2011 – C-294/10, NJW 2011, 2865 [EuGH 12.05.2011 – Rs. C-294/10], Rn. 25, 29 f. – Eglītis und Ratnieks).

33. Für den Fall der Annullierung eines Fluges auf Grund eines internen Pilotenstreiks hat der Bundesgerichtshof in seiner bereits mehrfach zitierten und auf den vorliegenden Fall übertragbaren Entscheidung vom 21.08.2012 die zumutbaren Maßnahmen dahingehend präzisiert, dass das Luftverkehrsunternehmen „vor allem darauf hinzuwirken [hat], dass die Beeinträchtigung für die Gesamtheit der Fluggäste möglichst gering ausfällt und dass nach dem Wegfall der Beeinträchtigungen möglichst schnell wieder der Normalbetrieb aufgenommen werden kann. Schöpft das Luftverkehrsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang aus, kann die Nichtdurchführung eines einzelnen Flugs in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können. In Anbetracht der komplexen Entscheidungssituation, bei der eine Vielzahl von Flügen sowie deren Verknüpfung untereinander zu berücksichtigen sind, ist dem Luftverkehrsunternehmen vielmehr der erforderliche Spielraum bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen zuzubilligen. Eine Verkürzung der Verbraucherrechte ist hierdurch nicht zu besorgen, da es nicht zuletzt im eigenen wirtschaftlichen Interesse des Luftverkehrsunternehmens liegt, die Auswirkungen des Streiks und die streikbedingten Beeinträchtigungen der Fluggäste so gering wie möglich zu halten“ (BGH, a.a.O., Rn. 33, 34).

34. Diesen Anforderungen ist die Beklagte ausweislich ihres substantiierten und von den Klägern nicht bestrittenen Vortrags mit ihrem Notfallplan gerecht geworden. Denn sie hat hiernach unter Einsatz sämtlicher materieller und personeller Ressourcen Subcharter bei anderen Airlines eingekauft und das im Urlaub befindliche Crew-Personal kontaktiert und, soweit möglich, zurück in den Dienst geholt, um möglichst viele Flüge doch noch durchführen zu können, was ihr am streitgegenständlichen Tag letztendlich dann auch bei allen ..-Flügen gelungen ist. Dass mit dem vorhandenen Personal der streitgegenständliche Flug möglicherweise pünktlich hätte durchgeführt werden können, wenn ein anderer Flug annulliert oder verspätet durchgeführt worden wäre, kann der Beklagten nicht vorgehalten werden. Vielmehr stand ihr bei der Reorganisation des Flugplanes insoweit der vom Bundesgerichtshof beschriebene Ermessensspielraum zu.

35. Weitere zweckdienliche Maßnahmen konnten von der Beklagten auch nicht erwartet werden. Insbesondere konnte und musste sie keine arbeitsrechtlichen Schritte gegen die krankgemeldeten Mitarbeiter ergreifen, um vorgetäuscht Kranke wieder zurück in den Dienst zu holen. Denn angesichts dessen, dass nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten auch in ihrem regulären Geschäftsbetrieb – also außerhalb „wilder Streiks“ – immer eine Krankmeldungsquote von etwa 10 % vorliegt, ist schon nicht ersichtlich, wie die Beklagte kurzfristig hätte herausfinden sollen, bei welchen ihrer Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht und bei welchen sie zu Recht geltend gemacht worden war.

2.

36. Mangels Bestehens der Hauptforderung fehlt es auch an einer Grundlage für die als Nebenforderungen geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen.

III.

37. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

38. Die Berufung war gem. § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil die Sicherung einer – nicht nur deutschland-, sondern auch europaweit – einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Der vorliegende Rechtsstreit hat die Auslegung des Begriffes der „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-VO zum Gegenstand. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung dieser Verordnung lassen eine Entscheidung des Berufungsgerichts als geboten erscheinen, das dann auch über eine eventuell erforderliche Vorlage nach Art. 234 EG an den EuGH zu befinden hätte.

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