21-stündige Flugverspätung

AG Rüsselsheim: 21-stündige Flugverspätung

Im vorliegenden Fall buchte der Kläger bei der Beklagten einen Flug, welcher 21 Stunden Verspätung hatte. Die Beklagte, als ausführendes Luftfahrtunternehmen begründete diese Verspätung mit einem technischen Defekt. Der Kläger verlangt nun von ihr eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung bzw. wegen Flugannullierung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Kläger einen solchen Anspruch zugesprochen, da ein technischer Defekt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der VO ist und eine Inanspruchnahme der Beklagten somit nicht ausschließt.

AG Rüsselsheim 3 C 390/10 (35) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 28.05.2010
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 28.05.2010, Az: 3 C 390/10 (35)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1.Urteil vom 28. Mai 2010

Aktenzeichen 3 C 390/10 (35)

Leitsatz:

2. Verspätet sich ein Flug wegen eines technischen Defekts, stellt dies keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastverordnung dar, welcher das Luftfahrtunternehmen von einer Inanspruchnahme befreien könnte.

Zusammenfassung:

3. Vorliegend buchte der Kläger bei der Beklagten einen Flug, wodurch die Parteien einen Luftbeförderungsvertrag schlossen. Dieser Flug hatte eine Verspätung von insgesamt 21 Stunden, aufgrund eines technischen Defekts. Der Kläger verlangt nun von der Beklagten eine Ausgleichszahlung wegen Flugannullierung bzw. Flugverspätung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach dem Kläger einen Anspruch auf Ausgleichzahlung nach der Fluggastverordnung zu. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine Flugverspätung oder Flugannullierung vorlag. Wenn der Flug mehr als 3 Stunden Verspätung hatte, steht den Fluggästen ebenso ein Ausgleichsanspruch zu, wie bei einer Flugannullierung. Hier erlitten die Fluggäste einen Zeitverlust von 21 Stunden durch den verspäteten Flug.

Mithin begründet der hier vorliegende technische Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der VO, die das Luftfahrtunternehmen von einer Inanspruchnahme befreien könnten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat.

 

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,00 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 5.3.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Entfällt gemäß § 313 a ZPO.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

7. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale nach Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004. Diese beträgt 600 Euro. Es handelt sich vorliegend um einen Flug aus Asien über eine Distanz von mehr als 3500 km. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.11.2009 (C-​402/07) steht dieser Anspruch dem Fluggast bei einer großen Verspätung zu. Diese ist bei 21 Stunden Verzögerung gegeben. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeuges auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien könnte, die Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß durchgeführt (BGH Urteil vom 12.11.2009, Xa ZR 76/07). Ein technisches Problem mit einem Ölfilter eines Triebwerks ist kein außergewöhnlicher Umstand, ebenso die Verhinderung des vor Ort befindlichen Monteurs. Unklar ist zudem, ob eine Fehlwarnung, gegebenenfalls durch welche Störung ausgelöst, oder ein Defekt vorhanden war.

8. Die Zinsforderung ist als Verzugsschaden erst ab Rechtshängigkeit begründet. Eine frühere Inverzugsetzung wird nicht vorgetragen. Abzuweisen war die Nebenforderung über 1,45 Euro, die im Mahnbescheid mit Vordruck und Porto, in der Klagebegründung als Vordruck Mahnbescheid erläutert wird. Im elektronischen Mahnverfahren mit dem Amtsgericht Hünfeld sind derartige Auslagen nicht nachvollziehbar. Im Übrigen – die vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten betreffend – war die Klage in der Nebenforderung abzuweisen. Denn dieser Anspruch ist gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 VO auf die Pauschale anzurechnen. Die Anrechnung ist durch die Beklagte erklärt worden. Schaden ist jede Vermögenseinbuße, die infolge eines bestimmten Ereignisses eintritt, somit geldwerte Aufwendungen jeglicher Art. Hierunter fallen Verdienstausfälle, Verpflegungsaufwendungen, zusätzliche Beförderungskosten und auch Rechtsanwaltskosten. Eine Beschränkung der Anrechnung einzig auf die in der Verordnung selbst geregelten Ansprüche sieht die Verordnung ausdrücklich nicht vor.

9. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 29.4.2010 eine Klageerweiterung angekündigt hat, ist der erforderliche Kostenvorschuss nicht eingezahlt, der betreffende Schriftsatz nicht zugestellt, die Forderung nicht rechtshängig geworden.

10. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11 und 713 ZPO.

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