Ausgleichszahlung bei Flugverspätung
EuGH: Ausgleichszahlung bei Flugverspätung
Ein Reisender buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil dieser rund 25 Stunden Verspätung hatte, verlangt der Reisende nun eine Ausgleichszahlung im Sinne der Fluggastrechte Verordnung.
Die Airline weigert sich der Zahlung. Da der Flug wegen eines technischen Defekts am Flugzeug verzögert wurde, sei sie von der Haftung befreit.
Der Europäische Gerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. Der Ausgleichsanspruch sei unstreitig, da die Flugverspätung eine Dauer von 3 Stunden überschritten habe und ein technischer Defekt keine taugliche Rechtfertigung darstelle.
EuGH | C-402/07 (Aktenzeichen) |
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EuGH: | EuGH, Urt. vom 19.10.2007 |
Rechtsweg: | EuGH, Urt. v. 19.10.2007, Az: C-402/07 |
BGH, Urt. v. 17.07.2007, Az: X ZR 95/06 | |
LG Darmstadt, Urt. v. 12.07.2006, Az: 21 S 82/06 | |
AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.03.2006, Az: 3 C 109/06 | |
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Leitsätze:
2. Fluggäste verspäteter Flüge können im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, bezüglich der Ausgleichsansprüche, den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden.
Ein technischer Defekt des Flugzeugs zählt nicht als „Außergewöhnlicher Umstand“.
Zusammenfassung:
3. Ein Reisender buchte bei einer Fluggesellschaft einen Linienflug innerhalb der Europäischen Union. Weil an der für ihn reservierten Maschine ein technischer Defekt auftrat, verzögerte sich der Abflug um mehr als 20 Stunden. Der Fluggast verlangt nun von der Airline eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.
Die Airline weigert sich der Zahlung. Der technische Defekt, wegen dem die Maschine nicht starten konnte, sei ein außergewöhnlicher Umstand nach Art. 5 der Fluggastrechte Verordnung zu sehen. Vor diesem Hintergrund sei sie von der Haftung für Verspätung befreit.
Der Europäische Gerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. Gemäß Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung stehe Fluggästen bei einer Abflugverzögerung von mehr als 3 Stunden eine Ausgleichszahlung zu. Von der Zahlung dieses Anspruchs könne sich die Luftfahrtgesellschaft nur befreien, wenn es ihr gelingt nachzuweisen, dass die Verspätung auf einen für sie unvorhersehbaren Umstand zurückzuführen ist.
Vorliegend konnte die Maschine aufgrund eines Defekts nicht rechtzeitig starten. Ein technischer Defekt sei für die Airlines durch regelmäßige Kontrolle jedoch zu verhindern. Auch liege das Auftreten technischer Störungen nicht außerhalb der üblichen Vorkommnisse im Luftverkehr.
Vor diesem Hintergrund stehe dem Kläger der besagte Anspruch zu.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen:
Rechtssache C-402/07
4. Die Mitglieder der Familie Sturgeon buchten bei Condor einen Flug von Frankfurt am Main (Deutschland) nach Toronto (Kanada) und zurück.
5. Der Rückflug von Toronto nach Frankfurt am Main war für den 09. Juli 2005 mit der Abflugzeit 16.20 Uhr geplant. Nach der Abfertigung wurde den Fluggästen dieses Fluges mitgeteilt, dass der Flug annulliert sei; so stand es auch auf der Anzeigetafel des Flughafens. Ihnen wurde ihr Gepäck wieder ausgehändigt, anschließend wurden sie in ein Hotel gebracht, wo sie die Nacht verbrachten. Am folgenden Tag wurden die Fluggäste am Schalter einer anderen Fluggesellschaft für einen Flug mit der auf ihrer Buchung angegebenen Flugnummer eingecheckt. Condor hatte für diesen Tag keinen neuen Flug unter der gleichen Flugnummer geplant. Den Fluggästen wurden andere Sitzplätze zugeteilt als am Vortag. Die Fluggäste wurden auch nicht auf einen von einer anderen Fluggesellschaft geplanten Flug umgebucht. Der Flug erreichte Frankfurt am Main am 11. Juli 2005 gegen 07.00 Uhr, d.h. rund 25 Stunden später als geplant.
6. Nach Ansicht der Mitglieder der Familie Sturgeon war der Flug angesichts aller oben angeführten Umstände, insbesondere der Verzögerung von mehr als 25 Stunden, nicht verspätet, sondern wurde annulliert.
7. Sie erhoben daher beim Amtsgericht Rüsselsheim (Deutschland) Klage gegen Condor auf Zahlung von Ausgleich in Höhe von 600 Euro pro Person und auf Schadensersatz, da der erlittene Schaden ihrer Auffassung nach nicht auf eine Verspätung, sondern auf eine Annullierung eines Fluges zurückzuführen war.
8. Condor beantragte die Abweisung dieser Klage, da der fragliche Flug verspätet gewesen und nicht annulliert worden sei. Nachdem Condor die Verspätung vorgerichtlich mit dem Durchzug eines Hurrikans über dem Karibischen Meer erklärt hatte, gab sie im Prozess technische Defekte am Flugzeug und eine Erkrankung der Besatzung als Ursachen an.
9. Das Amtsgericht Rüsselsheim kam zu dem Ergebnis, dass keine Annullierung, sondern eine Verspätung vorgelegen habe, und wies deshalb die Ausgleichsansprüche der Mitglieder der Familie Sturgeon zurück. Diese legten gegen diese Entscheidung beim Landgericht Darmstadt Berufung ein, das das in erster Instanz ergangene Urteil bestätigte.
10. Die Mitglieder der Familie Sturgeon legten daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein.
11. In der Annahme, dass die Entscheidung über dieses Rechtsmittel von der Auslegung des Art. 2 Buchst. l und des Art. 5 Abs. 1 B Verordnung Nr. 261/2004 Buchst. c der abhänge, hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
12. Ist bei der Auslegung des Begriffs „Annullierung“ entscheidend darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung aufgegeben wird, so dass eine Verzögerung unabhängig von ihrer Dauer keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
13. Falls die Frage zu 1 verneint wird: Unter welchen Umständen ist eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr als Verspätung, sondern als Annullierung zu behandeln? Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der Verspätung ab?
Rechtssache C-432/07
14. Herr Böck und Frau Lepuschitz buchten bei Air France einen Linienflug von Wien (Österreich) über Paris (Frankreich) nach Mexico City (Mexiko) und zurück.
15. Die planmäßige Abflugzeit des Fluges von Mexico City nach Paris, den Herr Böck und Frau Lepuschitz nehmen sollten, war am 07. März 2005 um 21.30 Uhr. Bei der geplanten Abfertigung wurde ihnen, ohne dass sie überhaupt abgefertigt worden wären, sogleich mitgeteilt, dass ihr Flug annulliert sei. Die Annullierung beruhte auf einer Änderung der Planung der Flüge zwischen Mexico City und Paris infolge eines technischen Defekts eines Flugzeugs, das für die Verbindung zwischen Paris und Mexico City vorgesehen war, und wegen der Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit des Flugpersonals.
16. Um ihr Ziel früher zu erreichen, akzeptierten Herr Böck und Frau Lepuschitz das ihnen von Air France gemachte Angebot, einen Flug der Fluggesellschaft Continental Airlines mit geplanter Abflugzeit am nächsten Morgen, dem 08. März 2005, um 12.20 Uhr zu nehmen. Ihre Flugscheine wurden zunächst annulliert, bevor ihnen neue Flugscheine am Schalter der letztgenannten Fluggesellschaft ausgestellt wurden.
18. Die anderen Fluggäste des genannten Fluges von Mexico City nach Paris, die nicht auf den Flug von Continental Airlines auswichen, verließen Mexiko City zusammen mit einigen zusätzlichen Fluggästen am 08. März 2005 um 19.35 Uhr. Dieser Flug mit der um den Buchstaben „A“ ergänzten ursprünglichen Flugnummer fand zusätzlich zu dem ebenfalls von Air France am selben Tag durchgeführten regulären Flug statt.
19. Herr Böck und Frau Lepuschitz erreichten Wien mit fast 22 Stunden Verspätung gegenüber der vorgesehenen Ankunftszeit.
20. Herr Böck und Frau Lepuschitz erhoben beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien (Österreich) Klage gegen Air France auf Zahlung von 600 Euro pro Person gemäß Art. 5 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 als Ausgleich wegen der Annullierung ihres Fluges. Das genannte Gericht wies diese Klage mit der Begründung ab, dass die Verordnung Nr. 261/2004 trotz der erheblichen Verspätung des Fluges nicht den Schluss auf dessen Annullierung zulasse. Herr Böck und Frau Lepuschitz erhoben gegen diese Entscheidung Berufung beim Handelsgericht Wien.
21. Unter diesen Umständen hat das Handelsgericht Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
22. Sind Art. 5 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. l und Art. 6 dahin gehend auszulegen, dass eine Abflugverzögerung von 22 Stunden eine „Verspätung“ im Sinne des Art. 6 darstellt?
23. Ist Art. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 261/2004 dahin gehend auszulegen, dass Fälle, in denen Fluggäste zu einem erheblich späteren Zeitpunkt (22 Stunden) unter ergänzter Flugnummer (ursprüngliche Flugnummer mit Zusatz „A“) befördert werden, wobei nur ein – wenn auch großer – Teil der ursprünglich gebuchten Fluggäste, zusätzlich aber weitere, ursprünglich nicht gebuchte Fluggäste befördert werden, anstelle einer „Verspätung“ eine „Annullierung“ darstellen?
24. Im Fall der Bejahung der Frage 2:
25. Ist Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin gehend auszulegen, dass ein technisches Gebrechen des Flugzeugs und die dadurch hervorgerufenen Flugplanänderungen außergewöhnliche Umstände darstellen (die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären)?
26. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2007 sind die Rechtssachen C-402/07 und C-432/07 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen:
27. Vor den vorlegenden Gerichten beanspruchen die Kläger der Ausgangsverfahren von Condor und Air France die in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlungen, da diese Gesellschaften sie zu ihrem jeweiligen Zielflughafen mit einer Verspätung von 25 bzw. 22 Stunden gegenüber der vorgesehenen Ankunftszeit befördert hätten.
28. Condor und Air France machen geltend, dass die Kläger keinen Ausgleichsanspruch hätten, da die fraglichen Flüge nicht annulliert worden, sondern verspätet gewesen seien und die Verordnung Nr. 261/2004 nur im Fall der Annullierung eines Fluges einen Ausgleichsanspruch vorsehe. Zudem tragen diese Fluggesellschaften vor, dass die verspätete Ankunft der genannten Flüge auf technische Defekte des jeweiligen Flugzeugs zurückzuführen gewesen sei, die unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 fielen, was sie von der Pflicht zur Ausgleichszahlung befreie. Ob eine Verspätung eines Fluges als Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen ist, wenn es sich um eine große Verspätung handelt; ob die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und ob ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 fällt.
29. Die Verordnung Nr. 261/2004 enthält keine Definition der „Verspätung eines Fluges“. Dieser Begriff kann jedoch anhand seines Kontexts bestimmt werden.
30. Dazu ist erstens darauf hinzuweisen, dass ein „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 ein Beförderungsvorgang im Luftverkehr ist, der von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (Urteil vom 10. Juli 2008, Emirates Airlines, C-173/07, Slg. 2008, I-5237, Randnr. 40). Die Flugroute ist somit ein wesentliches Element des Fluges, der nach einem von dem Luftfahrtunternehmen im Voraus aufgestellten Flugplan durchgeführt wird.
31. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Annullierung nach Art. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 261/2004 im Gegensatz zur Verspätung eines Fluges Folge der Nichtdurchführung eines geplanten Fluges ist. Daraus folgt, dass annullierte und verspätete Flüge insoweit zwei klar getrennte Kategorien von Flügen darstellen. Somit lässt sich aus dieser Verordnung nicht ableiten, dass ein verspäteter Flug allein deshalb, weil die Verspätung von – und sei es auch erheblich – längerer Dauer ist, als „annullierter Flug“ qualifiziert werden kann.
32. Folglich kann ein verspäteter Flug unabhängig von der Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, nicht als annulliert angesehen werden, wenn der Abflug entsprechend der ursprünglichen Flugplanung stattfindet.
33. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht.
34. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h., wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen, und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten.
35. Dagegen kann auf der Grundlage der Anzeige einer „Verspätung“ oder einer „Annullierung“ auf der Anzeigetafel des Flughafens oder entsprechender Angaben des Personals des Luftfahrtunternehmens grundsätzlich nicht auf das Vorliegen einer Verspätung oder einer Annullierung eines Fluges geschlossen werden. Ausschlaggebend ist grundsätzlich auch nicht, dass den Fluggästen ihr Gepäck wieder ausgehändigt wird oder dass sie neue Bordkarten erhalten. Diese Umstände stehen nämlich in keinem Zusammenhang mit den objektiven Merkmalen des Fluges als solchen. Sie können Fehlbeurteilungen oder Faktoren zuzuschreiben sein, die auf dem entsprechenden Flughafen vorherrschen, oder angesichts der Wartezeit und der Notwendigkeit, dass die betroffenen Fluggäste eine Nacht im Hotel verbringen, geboten sein.
36. Entscheidend ist grundsätzlich auch nicht, dass die Zusammensetzung der Gruppe von Fluggästen, die ursprünglich gebucht hatten, mit der der später beförderten Gruppe im Wesentlichen übereinstimmt. Denn in dem Maß, in dem sich die Verspätung gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verlängert, kann die Zahl der Fluggäste, die die erste dieser Gruppen bilden, abnehmen, weil einige Fluggästen eine ihnen angebotene Umbuchung auf einen anderen Flug angenommen und andere Fluggäste aus persönlichen Gründen darauf verzichtet haben, den verspäteten Flug zu nehmen. Umgekehrt ist das Luftfahrtunternehmen – soweit für den ursprünglich geplanten Flug Plätze freigeworden sind – durch nichts daran gehindert, vor dem Abheben des Flugzeugs, dessen Flug verspätet ist, zusätzliche Fluggäste aufzunehmen.
37. Nach alledem ist auf den ersten Teil der vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 2 Buchst. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
38. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor, dass den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 dieser Verordnung gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zusteht.
39. Dagegen ergibt sich aus dem Wortlaut der Verordnung Nr. 261/2004 nicht unmittelbar, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein solcher Anspruch zusteht. Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung hervorgehoben hat, sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts allerdings nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
40. Der verfügende Teil eines Gemeinschaftsrechtsakts ist insoweit untrennbar mit seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben (Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C-298/00 P, Slg. 2004, I-4087, Randnr. 97 und dort angeführte Rechtsprechung).
41. Die Möglichkeit der Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“, unter denen die Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 frei werden können, ist zwar nur in Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehen, der die Annullierung eines Fluges betrifft, doch heißt es im 15. Erwägungsgrund dieser Verordnung, dass dieser Rechtfertigungsgrund auch dann geltend gemacht werden kann, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es zu „einer großen Verspätung [oder] einer Verspätung bis zum nächsten Tag“ kommt. Da der Begriff der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände genannt wird, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft hat.
42. Implizit wird dies durch das Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 bestätigt, da sich aus den ersten vier Erwägungsgründen und insbesondere aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, dass sie darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung oder Verspätung eines Fluges betroffen sind, da sie alle von vergleichbaren Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit dem Luftverkehr betroffen sind.
43. Das gilt umso mehr, als die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann, C-549/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 17).
Kosten:
44. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidungen sind daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
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