Hausverbot für Vorsitzenden der NPD in einem Wellnesshotel

OLG Brandenburg: Hausverbot für Vorsitzenden der NPD in einem Wellnesshotel

Der Vorsitzende einer rechtsradikalen Partei forderte gerichtlich die Aufhebung des Hausverbots, das ein Wellnesshotel über ihn verhängt hatte.

Das Oberlandesgericht Brandburg entschied in zweiter Instanz, das Hausverbot sei rechtmäßig und wies die Berufung des Klägers ab.

OLG Brandenburg 1 U 4/10 (Aktenzeichen)
OLG Brandenburg: OLG Brandenburg, Urt. vom 18.04.2011
Rechtsweg: OLG Brandenburg, Urt. v. 18.04.2011, Az: 1 U 4/10
LG Frankfurt, Urt. v. 22.06.2010, Az: 12 O 17/10
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Oberlandesgericht Brandenburg

1. Urteil vom 18. April 2011

Aktenzeichen 1 U 4/10

Leitsatz:
2. Der Betreiber eines Hotels kann von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Personen ausschließen, die aufgrund ihres öffentlichen Auftretens geeignet sind, anderen Gästen Unwohlsein zu bereiten, solange dies nicht auf der Grundlage der Diskrimierung anhand Rasse oder Geschlecht erfolgt.

Zusammenfassung:
3. Der Parteivorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) klagte gegen den Betreiber eines Wellnesshotels, weil dieser ein Hausverbot über ihn verhängt hatte. Begründet hatte der Beklagte dies mit der politischen Überzeugung des Klägers, die geeignet sei, das Wohlfühlerlebnis anderer Gäste erheblich zu beeinträchtigen.

Mit seiner Forderung nach Widerruf des Hausverbots scheiterte der Kläger zunächst vor dem Landgericht Frankfurt / Oder und ging sodann vor dem Oberlandesgericht Brandeburg in Berufung. Dieses entschied, dass der Hotelbetreiber das Hausverbot gemäß seines Hausrechts gegen den Kläger rechtskräftig verhängen dürfe. In der Tat sei die unstreitig polarisierende politische Haltung des Klägers geeignet, anderen Gästen Unwohlsein zu bereiten und den Ruf des Beklagten und seines Hotels zu schädigen. Den Komfort seiner Gäste zu gewährleisten sei jedoch das zentrale Anliegen eines Hotelbetreibers, weswegen ihm bei der Selektion potentiell störender Besucher höhere Sensibilität zugestanden sei.

Das Hausverbot verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, da dies ausdrücklich nur die Diskriminierung gegen Rassen und Geschlechter untersage, nicht aber gegen politische Meinungen.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Juni 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 12 O 17/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

5. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Widerruf eines Hausverbotes in Anspruch.

6.Der Kläger ist Vorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Die Beklagte betreibt das Hotel … in B…. Die Ehefrau des Klägers buchte im September 2009 bei der M… GmbH für den Zeitraum vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 für sich und den Kläger einen Aufenthalt in dem Hotel der Beklagten, in dem sie sich zuvor bereits vom 19. bis zum 23. August 2007 sowie vom 17. bis zum 20. April 2008 aufgehalten hatten. Die M… GmbH bestätigte die Buchung mit Schreiben vom 23. September 2009. Mit E-​Mail vom 19. November 2009 teilte sie dem Kläger und seiner Ehefrau mit, dass eine Unterbringung im Hotel der Beklagten nicht möglich sei, und bot ihnen verschiedene Unterbringungsalternativen oder eine kostenfreie Stornierung an. Auf eine Nachfrage des Klägers erteilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 23. November 2009 ein Hausverbot. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 begründete sie das Hausverbot wie folgt: „Die politische Überzeugung von Herrn V… ist mit dem Ziel unseres Hauses, jedem Gast nach Möglichkeit eines exzellentes Wohlfühlerlebnis zu bieten, nicht zu vereinbaren…“.

7. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 113 ff. d. A.) Bezug genommen.

8. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund ihres Hausrechts berechtigt gewesen sei, gegenüber dem Kläger ein Hausverbot zu erteilen. Eine Einschränkung des Hausrechtes ergebe sich weder aus einem Kontrahierungszwang noch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Ablehnung des Vertragsschlusses, die in dem erteilten Hausverbot praktisch gesehen werden müsse, stelle sich nicht als widerrechtliche Verletzung des gemäß Art. 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Der ebenfalls grundrechtlich geschützte Grundsatz der Privatautonomie erlaube es der Beklagten, den Kläger wegen der polarisierenden Wirkung der NPD in der Bevölkerung zum Schutz des Wohlfühlerlebnisses ihrer Gäste von der Beherbergung auszuschließen. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechte des Klägers sei hiermit nicht verbunden. Ein Zusammenhang mit dem Boykottaufruf des B…verbandes (D…) aus dem Jahr 2007 sei von dem Kläger nicht hinreichend dargelegt worden. Das diesbezügliche Vorbringen in dem Termin vom 26. Mai 2010 sei verspätet. Auf das AGG könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, da die „Weltanschauung“ vom zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz in § 21 Abs. 1 Satz 1 AGG bewusst nicht erfasst worden sei.

9. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Eine mögliche Störung der Gäste durch die polarisierende Wirkung der NPD könne das Hausverbot gegenüber dem Kläger nicht rechtfertigen. Gemäß Art. 3 Abs. 3 GG, der mittelbar auch im Privatrechtsverkehr Wirkung entfalte, dürfe niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden. Das Vorbringen zu dem Boykottaufruf der D… sei nicht verspätet und daher zu berücksichtigen. Der Boykottaufruf aus dem November 2007 selbst sei unstreitig. Die weitere Information zu der Kooperationsvereinbarung zwischen der D… und dem Land Brandenburg, mit der „Rechtsextreme“ aus Hotels und Gaststätten des Landes Brandenburg ferngehalten werden sollen, habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers erst am Tag der mündlichen Verhandlung erhalten. Zu näherem Vortrag habe das Gericht sodann Schriftsatznachlass bis zum 2. Juni 2010 gewährt, sodass das Vorbringen schon deshalb nicht verspätet sein könne. Ferner sei durch die unterbliebene Aufnahme der „Weltanschauung“ als möglichen Diskriminierungsgrund in § 19 AGG eine verfassungswidrige Gesetzeslücke entstanden. In den Fassungen der EU-​Richtlinie 200/78/EG vom 27. November 2007 der anderen Mitgliedsstaaten sei zudem der Begriff „Überzeugung“ und nicht „Weltanschauung“ enthalten. Gemäß Art. 249 EGV hätte die Richtlinie auch für den Zivilrechtsverkehr diesbezüglich umgesetzt werden müssen.

10. Der Kläger beantragt,

11. unter Abänderung des am 22. Juni 2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 12 O 17/10 – die Beklagte zu verurteilen, ihr Hausverbot zu widerrufen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Berufung zurückzuweisen.

14. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie bestreitet, dass die D… am 17. August 2009 eine Kooperationsvereinbarung mit dem Land Brandenburg geschlossen habe und diese Vereinbarung für die Berufungsbeklagte „verhaltensleitend“ gewesen sei.

15. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Widerruf des Hausverbotes gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i. V. m. Art. 1 und 2 GG zu.

16. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Beklagte aufgrund ihres Hausrechtes gemäß §§ 858 ff., 903, 1004 BGB grundsätzlich frei darüber entscheiden, wem sie den Zutritt zu dem von ihr betriebenen Hotel gewährt und wem sie ihn verwehrt. Sie bzw. die für sie handelnden Personen können sich diesbezüglich ebenso auf den aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) resultierenden Grundsatz der Privatautonomie wie auf ihr Eigentums- bzw. Besitzrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) berufen. 

17. Der Grundsatz der freien Ausübung des Hausrechtes unterliegt allerdings den allgemeinen gesetzlichen Grenzen und ist somit an die Schranken der §§ 826, 242 BGB gebunden. Die Ausübung des Hausrechtes darf danach nicht in einer Treu und Glauben widersprechenden oder gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise erfolgen. Aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr findet die diesbezügliche Befugnis ihre Grenze da, wo ein Gast seinerseits in seinen Grundrechten verletzt wird und hieraus Abwehrrechte aus § 1004 BGB analog resultieren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung verbieten dem Hotelbetreiber daher, einen einzelnen Besucher willkürlich auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009, Az. V ZR 253/08, zitiert nach juris, Rdnr. 11, für den Besuch eines Fußballstadions). Auch ein Hotelbetreiber öffnet seinen Betrieb zwar grundsätzlich für den allgemeinen Publikumsverkehr, ohne sich seine Gäste im Einzelnen auszusuchen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass er sich damit seiner privaten Freiheit, selbst zu entscheiden, wen er beherbergen will, vollständig begeben würde. Vielmehr folgt daraus lediglich, dass zur Rechtfertigung des mit dem Hausverbot verbundenen Eingriffs in die Grundrechte des Gastes ein sachlicher Grund vorliegen muss. 

18. Die von der Beklagten zur Rechtfertigung angeführte politische Überzeugung des Klägers, die dieser als Vorsitzender der NPD „außenwirksam“ verkörpert, stellt im Zusammenhang mit der damit verbundenen Gefahr einer Beeinträchtigung des „Wohlfühlerlebnisses“ der anderen Gäste einen solchen sachlichen Grund dar. Als Betreiberin eines Hotels, zu dessen Zielrichtung es vorrangig gehört, seinen Gästen ein eben solches „Wohlfühlerlebnis“ zu verschaffen und eine „Oase der Entspannung“ zu bieten, hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, für ihre Gäste eine friedliche und ruhige Atmosphäre zu schaffen. Um dies zu gewährleisten, darf sie solche Gäste von der Nutzung ausschließen, bei denen sie aufgrund der von ihnen vertretenen politischen Überzeugungen befürchten muss, dass sich andere Gäste durch ihre Anwesenheit provoziert fühlen. Zu Recht führt die Beklagte in diesem Zusammenhang an, dass ein Hotel- und Gastronomiebetrieb der von ihr betriebenen Art eines „Wellnesshotels“ bei der Frage des Publikums sehr viel sensibler sein muss als zum Beispiel der Veranstalter eines Fußballspiels. Wie der Ausrichter einer solchen Veranstaltung dazu berechtigt ist, potentielle Störer hiervon auszuschließen (vgl. BGH, a. a. O., Rdnr. 17), hat auch der Betreiber eines „Wellnesshotels“ ein legitimes Interesse daran, mögliche Störungen von seinen Gästen fernzuhalten, indem er als politische Extremisten bekannte Personen von der Nutzung ausschließt. Der Kläger ist als Vorsitzender der NPD in exponierter Stellung für eine Partei tätig, deren politische Überzeugungen als extrem anzusehen sind und die – insoweit auch vom Kläger unbestritten – in der Gesellschaft eine stark polarisierende Wirkung haben. Die Besorgnis der Beklagten, andere Gäste könnten sich an der Anwesenheit des Klägers stören, ist daher gerechtfertigt.

19. An das berechtigte Interesse der Beklagten sind auch nicht deshalb höhere Anforderungen zu stellen, weil dem Kläger gegen die Beklagte hinsichtlich seiner Unterbringung bereits ein vertraglicher Erfüllungsanspruch zugestanden hätte. Zum einen steht einem Hausverbot der Umstand, dass der Zutritt aufgrund eines Vertragsverhältnisses gewährt wird, nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, a. a. O., Rdnr. 11 ff.). Zum anderen sollte die Unterbringung des Klägers und seiner Ehefrau nicht auf der Grundlage eines mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages erfolgen. Das zu Grunde liegende Vertragsverhältnis ist nach den Reisebedingungen der M… GmbH vielmehr allein zwischen der Ehefrau des Klägers und der M… GmbH begründet worden. Der zwischen diesen zustande gekommene Vertrag stellt in Bezug auf den Kläger als Ehemann zwar nach wohl einhelliger Auffassung einen Vertrag zugunsten Dritter dar (vgl. Münch-​Komm/Gottwald, BGB, 5. Aufl., § 328 Rdnr. 60 m. w. N.).

20. Ob jedoch auch die zwischen der M… GmbH und der Beklagten als Leistungsträgerin der Unterkunftsleistung getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf den Kläger und seine Ehefrau als Vertrag zugunsten Dritter angesehen werden können (vgl. Münch-​Komm, a. a. O., § 651 a Rdnr. 39), kann letztlich offen bleiben. Denn höhere Anforderungen an das zu einem Hausverbot berechtigende Interesse – etwa im Sinne von konkret zu befürchtenden Störungen – wären nur dann zu stellen, wenn die Beklagte selbst mit dem Kläger ein Vertragsverhältnis begründet hätte. Dann könnte sie nämlich bereits vor der Erteilung des Hausverbotes einen Verzicht auf die Freiheit, mit dem Kläger keinen Vertrag zu schließen, zum Ausdruck gebracht haben. An einem solchen eigenen Verhalten der Beklagten fehlt es hier. Die Beklagte hat im Rahmen der Herbeiführung der Vertragsschlüsse unstreitig eigene Erklärungen weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber seiner Ehefrau abgegeben, und zwar auch nicht etwa durch die M… GmbH als Vertreter.

21. Inwieweit die gegen den Kläger wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates, Verherrlichung des Nationalsozialismus und Beleidigung eingeleiteten Ermittlungs- und Strafverfahren eingestellt worden sind, ist hier ohne Belang. Die Beklagte hat ihr Hausverbot nicht damit begründet, dass der Kläger strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten wäre. Vielmehr hat sie es auf die politische Überzeugung des Klägers, wie sie in den verfahrensgegenständlichen Äußerungen zum Ausdruck gekommen ist, sowie ihre Wirkung auf andere Gäste gestützt. Auch wenn der Kläger sich im Hinblick auf die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerungen wiederholt mit Erfolg auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen konnte, ändert dies nichts daran, dass der Kläger sich unbestritten wiederholt in rechtsextremistischer Weise geäußert hat, und allein die darin zum Ausdruck gekommene politische Überzeugung des Klägers, die aufgrund seiner herausgehobenen Stellung auch öffentlich allgemein bekannt ist, lässt eine Beeinträchtigung der Hotelatmosphäre durch seine Anwesenheit befürchten.

22. Gegenüber der Beklagten kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Grundrechte der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3 GG) berufen.

23. Die Beklagte ist als Privatunternehmen – anders als öffentliche Rechtsträger – nicht unmittelbarer Grundrechtsadressat und daher nicht dazu verpflichtet, alle potentiellen Gäste gleich zu behandeln und niemanden wegen seiner politischen Anschauungen zu benachteiligen. Einer solchen Verpflichtung stehen vielmehr die eigenen Freiheitsrechte der Beklagten bzw. der für sie handelnden Personen entgegen, die ihr erlauben, ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit zu gestalten, ohne hierfür rechenschaftspflichtig zu sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011, Az. 1 BvR 699/06, zitiert nach juris, Rdnr. 48).

24. Ob das Hausverbot auf die von dem Kläger behauptete Kooperationsvereinbarung zwischen dem D… und dem Land Brandenburg zurückzuführen ist, kann daher dahinstehen. Denn während das Land Brandenburg sich gegenüber allen politischen Parteien neutral zu verhalten hat (vgl. OVG Berlin-​Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010, Az. 3 S 40.10, zitiert nach juris, Rdnr. 9), trifft die Beklagte eine solche uneingeschränkte Verpflichtung nicht, sondern ihr steht es zu, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes Vertreter bestimmter politischer Überzeugungen von einer Nutzung ihres Hotels auszuschließen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte durch die behauptete Vereinbarung zu dem Hausverbot motiviert worden ist oder nicht. Denn selbst wenn das Land Brandenburg oder Teile seiner Verwaltung derartige gegen das oben dargelegte Neutralitätsgebot verstoßende Vereinbarungen getroffen hätten, würde dies einem sachlich gerechtfertigten Hausverbot der Beklagten nicht die Grundlage entziehen. 

25. Einem Hausverbot steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte keine Umstände dargelegt hat, die konkret befürchten ließen, dass der Kläger während seines Aufenthaltes seine politische Gesinnung kundtut. Selbst wenn der Kläger sich jedoch während seines Aufenthaltes nicht politisch äußern sollte, so würde er von anderen Gästen als Vorsitzender der NPD ungeachtet dessen mit der von ihm und seiner Partei vertretenen politischen Überzeugung in Verbindung gebracht und die Beklagte damit als Hotel wahrgenommen werden, das Rechtsextremisten beherbergt.

26. Auch dass der Kläger sich bereits mehrmals in dem Hotel der Beklagten aufgehalten hat, ohne dass die Beklagte hinsichtlich dieser Besuche Beschwerden anderer Gäste geltend gemacht hätte, ändert hieran nichts. Denn selbst wenn sich bisher keiner der Gäste gegenüber der Beklagten entsprechend geäußert haben sollte, würde dies nicht ausschließen, dass andere Gäste an dem Aufenthalt des Klägers wegen seiner politischen Überzeugung Anstoß genommen haben oder zukünftig nehmen werden.

27. Die Beklagte hat die Ausübung ihres Hausrechtes im Hinblick auf die vorangegangenen Aufenthalte des Klägers auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung würde voraussetzen, dass die Beklagte einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hätte, dass sie dem Kläger auch zukünftig Zutritt zu ihrem Hotel gewähren und nicht von ihrem Hausrecht Gebrauch machen wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn allein die vorangegangene Gewährung des Zutritts lässt keinen Schluss auf das zukünftige Verhalten der Beklagten zu.

28. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger ferner mit seiner Berufung auf die Regelungen des AGG bzw. die mit diesem Gesetz umgesetzte EU-​Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000. Zutreffend hat das Landgericht diesbezüglich in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass der Gesetzgeber ausweislich der im Wortlaut des AGG umgesetzten Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (vgl. BT-​Drs 16/2022 zu Nr. 4 a) bewusst von einer Aufnahme des Merkmals „Weltanschauung“ in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz des AGG abgesehen hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Eine verfassungswidrige Gesetzeslücke, wie sie der Kläger geltend macht, ist diesbezüglich schon deshalb nicht ersichtlich, weil Anspruchsadressat des Grundrechtskataloges im Grundgesetz der Staat und nicht der Bürger ist. Aus dem Grundgesetz ergibt sich somit gerade kein Anspruch auf unmittelbare Wirkung von Grundrechten im Privatrechtsverkehr. Der Gesetzgeber war daher nicht verpflichtet, mit dem AGG sämtlichen Grundrechten auch im zivilrechtlichen Bereich unmittelbare Geltung zu verschaffen.

29. Eine solche Verpflichtung ergab sich auch nicht aus den EU-​Richtlinien, die mit dem AGG umgesetzt worden sind. Der Kläger verkennt insoweit, dass die EU-​Richtlinie 2000/78/EG ausschließlich auf die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ausgerichtet ist, sodass aus ihr keine Verpflichtung für eine Umsetzung entsprechender Diskriminierungsverbote im zivilrechtlichen Bereich hergeleitet werden kann. Das Erfordernis eines Diskriminierungsschutzes im zivilrechtlichen Bereich bestand vielmehr allein in Bezug auf die Rasse, ethnische Herkunft sowie das Geschlecht, und zwar nicht aufgrund der EU-​Richtlinie 2000/78/EG, sondern aufgrund der EU-​Richtlinien 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 und 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004.

30. Die mit dem Hausverbot verbundene Beeinträchtigung von Grundrechten führt auch nicht zu einer Ausgrenzung des Klägers aus einem Teilbereich des öffentlichen Lebens, was im Rahmen der Abwägung der Grundrechtspositionen gegebenenfalls anders zu gewichten wäre. Zwar wird der Kläger durch das Hausverbot in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit beeinträchtigt, da ihm damit die Möglichkeit genommen wird, das Hotel der Beklagten zu besuchen. Die Benutzung eines Hotels – und schon gar nicht die eines Hotels von derart gehobenen Niveau wie das der Beklagten – gehört jedoch, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zum Bereich der Daseinsvorsorge. Der Kläger wird durch das Hausverbot nicht in einem Bereich seiner Lebensführung betroffen, der seine essentiellen Lebensbedürfnisse berühren würde. Zudem kommt dem Hotel der Beklagten – wie diese zutreffend einwendet – auch kein absolutes Alleinstellungsmerkmal zu, sodass dem Kläger mit dem Hausverbot ohnehin nicht grundsätzlich die Möglichkeit genommen wird, in der von ihm dafür ausgewählten Region einen entsprechenden Erholungsaufenthalt zu verbringen, weil er gegebenenfalls auf ein anderes Hotel ausweichen kann. Dass ihm aufgrund des Boykottaufrufs entsprechende Maßnahmen in weiteren Hotels drohen würden, ist von ihm nicht dargelegt worden.

31. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO analog, weil eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit vorliegt, sodass lediglich eine vermögensrechtliche (Kosten-​) Forderung vollstreckbar ist.

32. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Bei der Frage, ob die politische Überzeugung eines Hotelbesuchers ein Hausverbot rechtfertigen kann, handelt es sich um eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten insbesondere aufgrund der Existenz von Boykottaufrufen gegen Rechtsextremisten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist. Die Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich, weil der Anspruch auf Widerruf des Hausverbotes allein davon abhängt, ob die Beklagte sich zur Begründung ihres Hausverbotes auf die politische Überzeugung des Klägers berufen durfte.

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WELT: Hotel darf NPD-Chef Voigt Hausverbot erteilen
SPIEGEL ONLINE: Hausverbot im Hotel: NPD-Chef Voigt scheitert mit Klage
Berliner Zeitung: Hausverbot für NPD: Hotelchef schreibt Rechtsgeschichte
Forum Fluggastrechte: Hausverbot wegen Gesinnung
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