Hausverbot am Flughafen bei Gefährdung des sicheren Flughafenbetriebs
BGH: Hausverbot am Flughafen bei Gefährdung des sicheren Flughafenbetriebs
Die Klägerin, eine politische Aktivistin, hatte auf einem Flughafengelände Flugblätter verteilt. Diese sollten die Fluggäste eines bestimmten Fluges darüber informieren, dass sich an Bord der Maschine ein Mensch befinde, der gegen seinen Willen abgeschoben würde. In der Folge erteilte der beklagte Flughafenbetreiber der Klägerin ein Hausverbot. Diese erstreckte sich jedoch nicht auf die „zivile“ Nutzung des Geländes (d. h. das Wahrnehmen von Flügen, Begleiten von Fluggästen etc.). Die Klägerin fordert von der Beklagten nun eine gänzliche Aufhebung des Hausverbotes. Die Beklagte müsse es im Sinne der Versammlungs- und Meinungsfreiheit hinnehmen, dass die Klägerin durch ihr Handeln Abschiebungen kritisch hinterfrage.
Der Bundesgerichtshof (BGH) weist die Klage ab. Die Beklagte habe als Flughafenbetreiberin zwar lediglich ein eingeschränktes Hausrecht, das es ihr nur eingeschränkt erlaubte, Hausverbote auszusprechen. Allerdings sei ein Hausverbot gerechtfertigt, wenn durch den Aufenthalt einer Person der Flughafenbetrieb potenziell gestört würde, da sich dies auf die Sicherheit des Flughafenbetriebs auswirken könne.
BGH | V ZR 134/05 (Aktenzeichen) |
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BGH: | BGH, Urt. vom 20.01.2006 |
Rechtsweg: | BGH, Urt. v. 20.01.2006, Az: V ZR 134/05 |
LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.05.2005, Az: 1 S 9/05 | |
AG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2004, Az: 31 C 2799/04 | |
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Leitsatz:
2. Ein Flughafenbetreiber darf ein Hausverbot aussprechen, wenn die Person der das Hausverbot erteilt wird, eine Gefahr für den sicheren Flughafenbetrieb darstellt.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin, eine politische Aktivistin, hatte auf einem Flughafengelände Flugblätter verteilt, die Fluggäste eines bestimmten Fluges darüber informieren sollten, dass sich an Bord der Maschine ein Mensch befinde, der gegen seinen Willen abgeschoben würde. Daraufhin erteilte der beklagte Flughafenbetreiber der Klägerin ein Hausverbot für den Flughafen, das sich jedoch nicht auf die „zivile“ Nutzung des Geländes (d. h. das Wahrnehmen von Flügen, Begleiten von Fluggästen etc.) erstreckte. Die Klägerin fordert von der Beklagten nun eine Aufhebung des Hausverbotes. Diese müsse es im Sinne der Versammlungs- und Meinungsfreiheit hinnehmen, dass die Klägerin durch ihr Handeln Abschiebungen kritisch hinterfrage.
Der Bundesgerichtshof (BGH) weist die Klage ab. Die beklagte habe als Flughafenbetreiberin zwar lediglich ein eingeschränktes, auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) gegründetes Hausrecht, das es ihr nur zum Teil erlaubte, zu entscheiden wer sich auf dem Betriebsgelände nicht aufhalten dürfe.
Beispielsweise müssten Begleitpersonen, oder Personen, die die Gewerbeeinrichtungen auf dem Flughafengelände nutzen wollte, von der Flughafenbetreiberin geduldet werden, auch wenn sie den Flughafen nicht wegen dessen eigentlichen Zweck aufsuchten.
Allerdings sei ein Hausverbot gerechtfertigt, wenn durch den Aufenthalt einer Person der Flughafenbetrieb potenziell gestört würde, da sich dies auf die Sicherheit des Flughafenbetriebs auswirken könne. Dies sei hier der Fall und das Hausverbot gegen die Klägerin folglich berechtigt. Auch mit Rücksicht auf die Grundrechte der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG muss die Beklagte eine Nutzung des Flughafens in wie in der streitgegenständlichen Aktion nicht dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB) und ist deshalb auch nicht verpfichtet, das Hausverbot aufzuheben.
Tenor:
4. Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand:
5. Die Klägerin begab sich am 11. März 2003 zusammen mit fünf weiteren Personen in eine Abflughalle des von der Beklagten – einer Aktiengesellschaft im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand – betriebenen Frankfurter Flughafens. An dem Abfertigungsschalter, der für einen an diesem Tag stattfindenden Flug nach Athen zuständig war, fragte die Klägerin nach der im Rahmen des Fluges vorgesehenen Abschiebung eines Ausländers. Hierbei wurden Flugblätter verteilt, welche unter der Überschrift „Flug: LH 3492 nach Athen…“ den Namen des Ausländers sowie Angaben zu seinem Schicksal und zu seiner Befürchtung enthielten, im Wege einer Kettenabschiebung an die Türkei ausgeliefert zu werden. Der Klägerin ging es dabei insbesondere um die Weitergabe der Information, dass bei dem Flug eine Abschiebung durchgeführt werden sollte, die nach ihrer Behauptung gegen den Willen des Betroffenen erfolgte.
6. Mit Schreiben vom 12. März 2003 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin ein Flughafenverbot aus. Wie die Beklagte später klarstellte, betrifft das Verbot die unberechtigte Nutzung des Flughafens, insbesondere mit ihr nicht abgestimmte Demonstrationen im Terminal. Dagegen ist die Klägerin nicht gehindert, den Flughafen zu Reisezwecken oder als Besucherin der sich in den Terminals befindlichen Geschäfte zu betreten.
7. Im Juni 2004 demonstrierte die Klägerin zusammen mit zehn weiteren Personen an einem Abfertigungsschalter des Flughafens Frankfurt; dabei wurde einer Fluggesellschaft unter Verwendung eines ausgerollten Transparents vorgeworfen, Geschäfte mit Abschiebungen zu machen. Ferner wurden Flugblätter mit der Überschrift „Zeigen Sie Zivilcourage – Was Sie als Fluggast tun können“ an Passagiere verteilt.
8. Die Klägerin meint, die Beklagte habe es im Hinblick auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit hinzunehmen, dass von ihrem Betriebsgelände aus durchgeführte Abschiebungen von Flüchtlingen kritisch hinterfragt würden. Ihre auf Aufhebung des Hausverbots gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter; die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
9. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte könne gemäß § 903 BGB grundsätzlich frei darüber entscheiden, wem sie den Zutritt zu ihrem Betriebsgelände gestatte. Begrenzt werde ihr Hausrecht lediglich durch ihre Verpflichtung, jedermann die Benutzung des Flughafens zu Reisezwecken zu ermöglichen, und durch die allgemeinen Einschränkungen, denen Gewerbetreibende unterworfen seien, wenn sie ihre Geschäftsräume bzw. Verkehrsanlagen der Allgemeinheit zugänglich gemacht hätten. Da die Beklagte wegen der durch das Verhalten der Klägerin veranlassten Betriebsstörung ein berechtigtes Interesse an einem Zutrittsverbot habe, sei das Hausverbot nicht zu beanstanden. Die Grundrechte der Klägerin auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit führten zu keiner anderen Beurteilung. Einer unmittelbaren Bindung an die Grundrechte unterliege die Beklagte vorliegend nicht, da sie keine öffentlich-rechtliche Aufgabe erfülle, wenn sie ihre Infrastruktur für Abschiebungen zur Verfügung stelle. Die mittelbare Wirkung der Grundrechte im Privatrecht führe nicht dazu, dass ein Betrieb Demonstrationen auf seinem Gelände hinnehmen müsse; Entsprechendes gelte für die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit.
II.
10. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
11. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Befugnis der Beklagten, ein Hausverbot auszusprechen, aus ihrem Hausrecht folgt. Dieses beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbots durchzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 2005, KZR 37/03, Umdruck S. 11).
12. 2. a) Das Berufungsgericht hat ferner nicht verkannt, dass das Hausrecht der Beklagten Einschränkungen unterliegt. Diese ergeben sich zunächst aus dem für Verkehrsflughäfen grundsätzlich geltenden Kontrahierungszwang. Der Flughafenbetreiber ist verpflichtet, Luftfahrern, die die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Benutzung des Luftraums erfüllen, die Benutzung der Flughafeneinrichtungen zu gestatten und den ungehinderten Zu- und Abgang der Fluggäste zu ermöglichen (BGH, Urt. v. 10. Juli 1969, KZR 13/68, WM 1969, 1296, 1297; Giemulla in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsverordnungen, Stand Oktober 2005, § 43 LuftVZO, Rdn. 2 mwN). Einschränkungen des Hausrechts folgen ferner aus der Öffnung des Flughafens für Begleitpersonen von Reisenden, für Besucher und für Kunden der auf dem Flughafengelände angesiedelten Gewerbeeinrichtungen (Restaurants, Geschäfte). Die Beklagte gestattet hierdurch generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall allen Personen den Zutritt zum Flughafen, die sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegen und den Betriebsablauf nicht stören (vgl. BGHZ 124, 39, 43).
13. b) Aus diesen Einschränkungen des Hausrechts folgt indessen kein Anspruch der Klägerin, den Flughafen für ähnliche Aktionen wie am 11. März 2003 zu betreten, und damit kein Anspruch auf Aufhebung des Hausverbots. Mit der Öffnung bestimmter Bereiche des Flughafens für alle Reisende und sonstige Besucher hat die Beklagte diese nicht zur beliebigen Nutzung, sondern nur für bestimmte Nutzungszwecke freigegeben. Zu ihnen gehören neben Reisezwecken die Abholung und Begleitung von Fluggästen, der Besuch der auf dem Gelände befindlichen Restaurants und Geschäfte sowie die Besichtigung des Flughafens. Dagegen hat die Beklagte den Flughafen weder allgemein zur Verteilung von Flugblättern noch zur Durchführung von Protestaktionen oder sonstigen Versammlungen zur Verfügung gestellt. Das ergibt sich bereits daraus, dass eine solche Nutzung durch die Allgemeinheit mit der Funktion eines Flughafens unvereinbar wäre, lässt sich aber auch Nr. 4.2. der Flughafenbenutzungsordnung entnehmen, wonach bereits Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern und sonstigen Druckschriften der Einwilligung der Beklagten bedürfen.
14. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich die Klägerin nicht innerhalb der von der Beklagten freigegebenen Nutzungszwecke bewegt. Die Klägerin kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihr Verhalten am 11. März 2003 mit der Begleitung eines Reisenden zu dessen Abflug vergleichbar gewesen sei und sich auf die Weitergabe von „Informationen zum Flug“ beschränkt habe. Bei dieser Betrachtungsweise wird ausgeblendet, dass die Information der Passagiere über die geplante Abschiebung nach dem Vorbringen der Klägerin in den Vorinstanzen und der von ihr in der Revisionsverhandlung abgegebenen Erklärung darauf abzielte, die Abschiebung von Flüchtlingen kritisch zu hinterfragen. Wollte die Klägerin die Passagiere aber anhand des Schicksals eines Mitreisenden auf einen nach ihrer Auffassung generell bestehenden Missstand aufmerksam machen, so diente die Verteilung der Flugblätter in erster Linie der Verbreitung ihrer Meinung und nicht der Begleitung eines Reisenden.
15. 3. Die Beklagte ist auch nicht mit Rücksicht auf die Grundrechte der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG gehalten, eine Nutzung des Flughafens in einer der Aktion vom 11. März 2003 vergleichbaren Weise zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB), und deshalb verpflichtet, das Hausverbot aufzuheben.
16. a) Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Beklagten setze die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben voraus (vgl. BGHZ 155, 166, 173 ff. mwN) oder ob eine solche Bindung unabhängig von der – für den Bereich des Luftverkehrs jedenfalls nicht zweifelhaften – Zuordnung der Tätigkeit der Beklagten zur öffentlichen Verwaltung im funktionalen Sinn (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10. Juli 1969, KZR 13/68, WM 1969, 1296; Urt. 24. November 1977, III ZR 27/76, WM 1978, 1097, 1098; BGHSt 45, 16, 19; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., S. 570) besteht. Letzteres käme in Betracht, wenn die Auffassung zuträfe, dass der Staat stets, also auch bei fiskalischem Handeln und erwerbswirtschaftlicher Betätigung, an die Verfassung gebunden ist (so z.B. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 1 Abs. 3 Rdn. 228 f.; Höfling in Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 1 Rdn. 95 f.; Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 1 Abs. 3 Rdn. 65 ff. jeweils mwN) und mittels seiner Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft deren grundrechtskonformes Verhalten gewährleisten muss (so im Ergebnis VGH Kassel NVwZ 2003, 874, 875; Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl., § 1 Rdn. 52; wohl auch Mikesic, NVwZ 2004, 788, 790 f.; vgl. aber auch Starck, aaO, Rdn. 231; Höfling, aaO, Rdn. 96 u. Dreier, aaO, Rdn. 70, wonach der öffentliche Anteilseigner nur gehalten ist, seine Beteiligungsrechte grundrechtskonform auszuüben; siehe ferner BVerfG NVwZ 2002, 847).
17. b) Das Hausverbot verletzt nämlich auch dann nicht die Rechte der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG, wenn zu ihren Gunsten eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Beklagten unterstellt wird.
18. aa) (1) Aus Art. 8 Abs. 1 GG, auf den die Revision verweist, lässt sich ein Anspruch der Klägerin, Demonstrationen in den Gebäuden des Frankfurter Flughafens durchzuführen, nicht entnehmen. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gibt grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat zur Nutzung von Räumlichkeiten, die einem eingeschränkten, die Durchführung von Versammlungen und Demonstrationen nicht umfassenden Zweck zu dienen bestimmt sind. Zwar gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG auch das Recht, über den Ort der Veranstaltung zu bestimmen. Die Entscheidung über den Ort der Versammlung setzt aber die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus, begründet also kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht (vgl. BVerwGE 91, 135, 138).
19. (2) Die Klägerin kann auch nichts daraus herleiten, dass es der Beklagten – sollte sie einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen – möglicherweise nicht völlig freisteht, über Anträge auf Nutzung des Flughafengeländes jenseits seines Bestimmungszwecks nach Belieben zu entscheiden, sondern dass sie gehalten sein könnte, hierbei auch das Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Wahrnehmung seiner Grundrechte auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit gebührend zu berücksichtigen (vgl. allgemein: BVerwGE 91, 135, 139 f.; für einen öffentlich zugänglichen Parkplatz auf dem Gelände der Beklagten: VGH Kassel NVwZ 2003, 874; siehe ferner Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl., § 1 Rdn. 52; Mikesic, NVwZ 2004, 788, 791). Eine hieraus folgende Duldungspflicht käme nämlich nur in Betracht, wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Flughafens durch die Demonstration nicht oder allenfalls ganz geringfügig beeinträchtigt würde und die Beklagte gegen ihre Durchführung deshalb keine sachlichen Erwägungen anführen könnte. Versammlungen, die geeignet sind, den Flughafenbetrieb zu stören, muss die Beklagte jedenfalls auch unter Berücksichtigung von Art. 8 GG nicht hinnehmen.
20. Solche, die Abwicklung des Flugverkehrs störende Versammlungen strebt die Klägerin indessen an. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann sich die Beklagte auf ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Hausverbots berufen, weil der Vorfall vom 11. März 2003 zu einer Betriebsstörung geführt hat. Diese Einschätzung greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen jedenfalls die Annahme, dass die Aktion – wären Mitarbeiter der Beklagten und Beamte des Bundesgrenzschutzes nicht eingeschritten – zu einer Störung des Flugverkehrs hätte führen können. Zwar beschränkte sich die Klägerin bei dem ersten Vorfall darauf, Flugblätter mit Angaben zu der Person, die mit dem Flug LH 3492 abgeschoben werden sollte, zu verteilen und die Information zu verbreiten, dass die Abschiebung gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden sollte. Angesichts der Zielrichtung dieser Handlungen war eine durch sie verursachte Betriebsstörung aber konkret zu besorgen. Das folgt daraus, dass sich die Klägerin zu dem für den Flug LH 3492 zuständigen Abfertigungsschalter begeben hatte, also nicht etwa beliebige Besucher des Flughafens, sondern – wovon auch die Revision ausgeht – gerade die mitreisenden Passagiere über die während ihres Fluges stattfindende Abschiebung informieren wollte. Das rechtfertigt den Schluss, dass es der Klägerin darauf ankam, Solidarisierungseffekte, jedenfalls aber Verunsicherung, unter den Passagieren zu erzielen, welche im Vorfeld des Fluges zu Nachfragen oder Protesten und damit mindestens zu einer Verzögerung des Abflugs führen würde. Hierfür spricht auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebene Erklärung, nach der eine vergleichbare Aktion zur Folge hatte, dass sich der über die Abschiebung informierte Pilot weigerte, die betroffene Person mitfliegen zu lassen, womit eine nicht unerhebliche Startverzögerung einhergegangen sein dürfte.
21. Gestützt wird die Annahme, die Aktion vom 11. März 2003 sei auf die Herbeiführung einer Betriebsstörung gerichtet gewesen, ferner durch den Vorfall vom 17. Juni 2004, bei dem die Klägerin Flugblätter mit der Überschrift „Zeigen Sie Zivilcourage – Was Sie als Fluggast tun können“ verteilte. Hierin war unter anderem der Hinweis enthalten, Passagiere könnten sich weigern, ihre Handys im Flugzeug auszuschalten, und so den Start der Maschine und damit die Abschiebung verhindern oder verzögern. Der Berücksichtigung dieser zweiten Aktion steht nicht entgegen, dass sie mehr als ein Jahr nach Erteilung des streitgegenständlichen Hausverbots stattgefunden hat. Ein Hausverbot hat keinen Sanktionscharakter, denn es dient nicht dazu, eine gegenwärtige Verletzung des Hausrechts zu beenden – hierzu genügt ein Hausverweis -, sondern hat in erster Linie den Zweck, künftige Verletzungen des Hausrechts zu verhindern (vgl. VG Berlin, NJW 2002, 1063, 1065 für das Hausrecht des Bundestagspräsidenten). Die Beurteilung der Wirksamkeit eines Hausverbots hängt deshalb auch davon ab, inwieweit weitere Verstöße gegen das Hausrecht zu besorgen sind. Das rechtfertigt es, nach Erteilung des Hausverbots bekannt gewordene Umstände zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – deutlich machen, dass ein auf die Herbeiführung von Betriebsstörungen gerichtetes Nutzungsrecht in Anspruch genommen wird.
22. bb) Die Beklagte ist auch nicht im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 GG verpflichtet, das Hausverbot (teilweise) aufzuheben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht vorbehaltlos, sondern nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze gewährleistet. Dabei ist das allgemeine Gesetz seinerseits im Lichte der Bedeutung der Meinungsfreiheit auszulegen und in seiner das Grundrecht einschränkenden Wirkung zu begrenzen (vgl. BVerfGE 7, 198, 208), um sicherzustellen, dass das für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung unverzichtbare Recht der freien Meinungsäußerung nur durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritter eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 107, 275, 281).
23. Die Einschränkung, die die Meinungsfreiheit der Klägerin durch das Hausverbot erfährt, beruht auf dem Hausrecht der Beklagten (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB). Dieses dient der Wahrung der äußeren Ordnung in dem Gebäude oder der Örtlichkeit, auf die sich das Hausrecht erstreckt (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 2005, KZR 37/03, Umdruck S. 11), und damit zugleich der Sicherstellung des von dem Eigentümer vorgegebenen Benutzungszwecks (vgl. BayObLG NJW 1977, 261). Das Hausrecht eines Flughafenbetreibers schützt mithin die Funktionsfähigkeit des Flughafens und gewährleistet so die Erfüllung des – in der Betriebspflicht des § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO zum Ausdruck kommenden – gesetzlichen Auftrags, die dem Flugverkehr dienenden Anlagen gebrauchsfähig zu erhalten und vor Störungen zu schützen (vgl. Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., S. 563 f.). Die Gewährleistung eines reibungslosen Flugverkehrs stellt ebenso wie die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. BVerwGE 56, 63, 67) einen gewichtigen Gemeinwohlbelang dar. Dient die Ausübung des Hausrechts des Flughafenbetreibers – wie hier – der Verhinderung konkret drohender Betriebsstörungen, ist die damit verbundene Einschränkung der Meinungsfreiheit deshalb hinzunehmen.
24. c) Das Hausverbot ist im Lichte von Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG schließlich auch seinem Umfang nach nicht unverhältnismäßig.
25. Der Beklagten stand kein milderes Mittel als das Hausverbot zur Verfügung, um die Klägerin zur Beachtung der zulässigen Nutzungszwecke anzuhalten. Insbesondere musste sie sich nicht auf einen Hausverweis beschränken, also darauf, die Klägerin am 11. März 2003 unter Hinweis auf die Flughafenbenutzungsordnung zum Verlassen des Flughafens aufzufordern. Die Beklagte durfte mittels des – nur die unberechtigte Nutzung des Flughafens betreffenden – Hausverbots vielmehr klarstellen, dass sie vergleichbare Aktionen der Klägerin auch künftig nicht dulden und als Verletzung ihres Hausrechts ansehen werde.
26. Die Klägerin ist auch nicht für alle Zukunft und ungeachtet veränderter Umstände gehindert, sich gegenüber der Beklagten auf ihre Grundrechte zu berufen. Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 7. November 2003 beschränkt sich das Hausverbot auf eine der Flughafenbenutzungsordnung zuwiderlaufende Nutzung, insbesondere mit der Beklagten nicht abgestimmte Demonstrationen. Die Beklagte hat damit zu erkennen gegeben, dass sie grundsätzlich bereit ist, im Einzelfall über die Erlaubnis, eine Versammlung auf dem Flughafen durchzuführen, zu entscheiden. Für die Verteilung von Flugblättern ergibt sich dies aus Nr. 4.2. der Flughafenbenutzungsordnung, wonach das Verteilen von Flugblättern mit Einwilligung der Beklagten möglich ist. Durch die Beschränkung des Hausverbots auf die unberechtigte Nutzung des Flughafens hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass die Klägerin von dieser Nutzung nicht ausgeschlossen ist, dass also eine Entscheidung über einen Antrag der Klägerin, Flugblätter verteilen zu dürfen, nicht unter Hinweis auf das Hausverbot unterbleiben wird.
III.
27. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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