Ausgleichsleistung wegen Flugzeitenänderung

AG Köln: Ausgleichsleistung wegen Flugzeitenänderung

Ein Reisender buchte bei einer Airline einen Linienflug von Rhodos nach Deutschland. Die Airline behielt sich vor, die im Vorfeld angegeben Abflugzeit zu ändern. Als am Tag des Reisebeginns die Rollbahn nicht freigegeben wurde, verlegte die Beklagte den Flug um rund 9 Stunden.
Der Kläger fordert im Folgenden eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung.

Das Amtsgericht hat dem Kläger Recht zugesprochen. Mit der erstmaligen Verkündung sei die Abflugzeig Vertragsinhalt geworden. Die aus der Änderung resultierende Verspätung sei entsprechend zu entschädigen.

AG Köln 134 C 140/10 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 23.11.2010
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 23.11.2010, Az: 134 C 140/10
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 23. November 2010

Aktenzeichen: 134 C 140/10

Leitsatz:

2. Flugzeitänderung berechtigt zu Ausgleichszahlung.

Zusammenfassung:

3. Ein Reidender buchte bei einem privaten Luftfahrtunternehmen einen Flug von Rhodos nach Deutschland. Im Beförderungsvertrag behielt sich die Airline vor, den Flug kurzfristig umzulegen. Eine Woche vor Abflug wurde dem Kläger die genaue Abflugzeit mitgeteilt. Weil die Airline den Flug am Tag des Reisebeginns erneut um mehr als 9 Stunden verschob, verlangt der Reisende nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.

Die Beklagte weigert sich der Zahlung. Zum einen habe sie sich eine Flugzeitänderung vertraglich vorbehalten, zum anderen sei der Flug wegen eines belegten Rollfeldes verschoben werden. Hierin sei ein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand zu sehen.

Das Amtsgericht Köln hat dem Klägerbegehren entsprochen. Mit der ersten Bekanntgabe der Flugzeit sei diese Vertragsinhalt geworden. Eine Abweichung von dieser Zusicherung begründe eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung.

Ein von der Beklagten geltend gemachter außergewöhnlicher Umstand liege hingegen nur in solchen Fällen vor, in denen das den Flug behindernde Ereignis für die Airline unkontrollierbar oder unvorhersehbar sei. Die Belegung der einspurigen Rollbahn des Flughafens sei der Gesellschaft hingegen bekannt gewesen und sei vor diesem Hintergrund nicht als haftungsbefreiend einzustufen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 800,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

an Z. G., ges. vertr. d. Frau H. G. und den Kläger, W. Str., 40627 Düsseldorf, 400,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

an C. G., ges. vertr. d. Frau H. G. und den Kläger, W. Str., 40627 Düsseldorf, 400,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

an den Kläger weitere 134,10 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau sowie die Kinder Z. und C. G. bei der Fa. S. Touristik GmbH eine Flugpauschalreise nach Rhodos für den Zeitraum 11.10.2009 – 25.10.2009. In der Reisebestätigung der S. Touristik GmbH ist die Beklagte als Luftfahrtunternehmen angegeben sowie der Zusatz „Änderung der Flugzeit, der Fluggesellschaft sowie des Fluggerätes vorbehalten.“ Flugzeiten sind in der Reisebestätigung nicht enthalten.

6. In dem Preisteil des Reisekataloges H. Reisen ist unter anderem ausgeführt: „Es lässt sich nicht vermeiden, dass Flüge am Abend oder als Nachtflug durchgeführt werden. Evtl. Änderungen werden Ihnen rechtzeitig vor Abflug mitgeteilt… Bei Charterflügen kann es durch eine Vielzahl von Einflüssen zu kurzfristigen Flugplanänderungen kommen.“

7. Vor Reiseantritt erhielt der Kläger mit den Reiseunterlagen die Information, dass der Rückflug am 25.10.09 um 13.20 Uhr stattfindet. Zudem ist ausgeführt: „Achtung Rückflug

8. Vor Antritt des Rückfluges ist es erforderlich, die im Flugschein angegebene Rückflugzeit zu überprüfen…“

9. Am 23.10.2009 fand der Kläger in der Informationsmappe im Hotel die Information, dass der Rückflug um 21.35 Uhr stattfinden soll. Tatsächlich fand der Rückflug am 25.10.09 um 22.40 Uhr statt mit Ankunft 1.55 Uhr.

10. Der Kläger verlangt nun von der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine Kinder Ausgleichszahlung in Höhe von je 400,00 €.

11. Er ist der Ansicht, es handele sich um eine „große Verspätung“ im Sinne des Artikel 6 Fluggastrecht VO. Evtl. Absprachen zwischen Luftfahrtunternehmen und Reiseveranstalter seien nicht zu Lasten der Reisenden zu berücksichtigen.

12. Der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen,

13. an den Kläger 800,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

14. an Z. G., ges. vertr. d. Frau H. G. und den Kläger, W. Str., 40627 Düsseldorf, 400,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

15. an C. G., ges. vertr. d. Frau H. G. und den Kläger, W. Str., 40627 Düsseldorf, 400,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen;

16. an den Kläger weitere 134,10 € zu zahlen.

17. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

18. Die Beklagte bestreitet die alleinige Aktivlegitimation des Klägers.

19. Sie beruft sich darauf, bestimmte Flugzeiten seien nach dem Reisevertrag nicht geschuldet. Es habe sich zudem um eine Flugverlegung gehandelt, die die Reiseveranstalterin sich vorbehalten habe. Der Flugzeitänderung habe eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements des Flughafens Rhodos zugrunde gelegen.

20. Der Flughafen Rhodos verfüge nur über ein Einbahnsystem, somit um eine einzige Bahn, die sowohl für Starts als auch für Landungen verwendet werden müsse. Einmal im Jahr könnten Fluggesellschaften einen gewünschten Slot anmelden, ob sie dieses Zeitfenster zugewiesen bekommen, sei eine andere Frage. Die Beklagte habe nicht den gewünschten Slot, sondern am 15.10.2009 als Slot die Abflugzeit 22.35 Uhr erhalten. Es handele sich um einen außergewöhnlichen Umstand, der die Beklagte nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung entlaste.

21. Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

22. Die Klage ist zulässig.

23. Der Kläger ist berechtigt, im Wege der Prozessstandschaft Ansprüche seiner Kinder geltend zu machen (Vgl. Führich, Reiserecht, 6. Auflage, Randnr. 634).

24.Die Klage ist auch begründet.

25. Der Kläger und seine beiden Kinder Z. und C. G. haben gegen die Beklagte (der Kläger auch aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau) einen Anspruch aus Art. 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf Zahlung einer Ausgleichszahlung in Höhe von je 400,00 €.

26. Es ist davon auszugehen, dass der Abflug des Fluges von Rhodos nach Köln/Bonn am 25.10.09 mehr als 9 Stunden verspätet war, da der Flug für 13.20 Uhr geplant war, das Flugzeug aber erst 22.40 Uhr abgeflogen ist.

27. Zwar war in der Reisebestätigung keine bestimmte Uhrzeit für die Flüge angegeben, der Kläger hat jedoch spätestens mit den Reiseunterlagen von der Reiseveranstalterin die Information erhalten, dass der Rückflug am 25.10.09 um 13.20 Uhr stattfindet. Durch diese Information ist die Flugzeit Vertragsinhalt geworden. Dass die Flugzeit 13.20 Uhr geplant war, hat zudem die für die Betreuung der Beklagten in Deutschland zuständige N. Carrier Consult GmbH in der E-Mail vom 15.02.2010 bestätigt.

28. Ob die Beklagte den Flug mit Zustimmung der Reiseveranstalterin auf eine andere Zeit verlegt hat, kann dahinstehen, da der Kläger und die übrigen Mitreisenden dieser Verlegung nicht zugestimmt haben.

29. Zudem ist Art. 3 Abs. 2 b der Verordnung zu entnehmen, dass bei einer von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseveranstalter vorgenommenen Verlegung des Fluges ungeachtet des Grundes für die Verlegung die Verordnung gilt; daraus ist zu schließen, dass auch bei einer von dem Luftfahrtunternehmen oder der Reiseveranstalterin vorgenommenen Abflugszeitverlegung die Verordnung gilt.

30. Auf den Änderungsvorbehalt im Preisteil des Reisekataloges der S. Touristik GmbH kann die Klägerin sich nicht berufen. Dieser Änderungsvorbehalt ist ebenso wie der Änderungsvorbehalt in der Reisebestätigung unwirksam, § 308 Ziff. 4 BGB. Die Änderungsvorbehalte sind für den Reisenden nicht zumutbar. Die Interessen der Reiseveranstalterin an einer Flugzeitänderung liegen darin, dass beim Charterflugverkehr vorhandene Kapazitäten voll ausgenutzt werden müssen, um günstige Flugpreise zu erreichen. Die Änderungsvorbehalte in der Reisebestätigung und in dem Preisteil des Kataloges sind jedoch unter Berücksichtigung der vorgenannten Interessen der Reiseveranstalterin für den Reisenden nicht zumutbar, weil die Änderungsvorbehalte dem Reiseveranstalter die Möglichkeit geben, die Flüge beliebig zu verlegen und zwar auch in die Nachtstunden. Dies ist in dem im Reisekatalog enthaltenen Änderungsvorbehalt sogar ausdrücklich geregelt. Eine Verlegung des Fluges in die Nachtstunden mit der Folge, dass die Nachtruhe beeinträchtigt wird, ist für Reisende unzumutbar, insbesondere wenn es sich um eine Urlaubsreise mit Kindern handelt (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Auflage, Randnr. 314 d; LG Hannover Urteil vom 17.10.06 -9 S 20/06-; AG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.02 -30 C 14061/01-). Unzumutbar ist es auch, wenn die Rückreise so verlegt werden kann, dass die Rückreise erst am Tag nach dem vorgesehenen Reiseende stattfindet; im Reisevertrag des Klägers war der 25.10. für die Rückreise vereinbart, der Kläger ist mit seinen Mitreisenden jedoch erst am 26.10. in Deutschland angekommen.

31. Zudem sind die Klauseln als überraschende Klauseln, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsinhalt geworden.

32. Der in den Reiseunterlagen enthaltene Hinweis, dass der Reisende vor Antritt des Rückfluges die Rückflugzeit überprüfen muss, gibt dem Reiseveranstalter nicht das Recht, die Flugzeit beliebig zu ändern, sondern weist nur auf die notwendige Kontrolle hin.

33. Die Änderungsvorbehalte in der Reisebestätigung und in dem Preisteil des Reisekataloges schränken zudem die Rechte des Reisenden aus der Verordnung ein und fallen damit unter Art. 15 Abs. 1 der Verordnung.

34. Der Anspruch des Klägers und der Mitreisenden ergibt sich aus Art. 7 der Verordnung, da der Flug mehr als 9 Stunden Verspätung hatte, und es sich somit um eine große Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Verordnung handelte. Den Reisenden stehen Ansprüche wie bei einer Annullierung des Fluges zu (Vgl. EUGH 19.11.09 C 402/07 und C 432/07).Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ausgeschlossen. Die Verspätung war nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zurückzuführen.

35. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist ihr vom Flughafen Rhodos am 15.10.09 nur die Abflugzeit 22.35 Uhr als Slot zugewiesen worden, nicht aber die Abflugzeit 13.20 Uhr. Dieser Umstand war nicht außergewöhnlich, denn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten verfügt der Flughafen nur über eine einzige Lande- und Startbahn, so dass die Anzahl der verfügbaren Slots sehr beschränkt ist und erst einige Tage vor dem Flug ein bestimmter Slot zugewiesen wird. Dies ist nach dem Vorbringen der Beklagten die übliche Vorgehensweise und nicht etwa „außergewöhnlich“.

36. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 b der Verordnung.

37. Der Kläger muss sich nicht nach Art. 12 der Verordnung 100,00 € anrechnen lassen. Er hat zwar von der Reiseveranstalterin einen Scheck in dieser Höhe erhalten, die Übersendung eines Schecks bedeutet aber nur eine Leistung erfüllungshalber, Erfüllung tritt erst bei Einlösung des Schecks ein. Dass der Kläger den Scheck eingelöst hat oder eine anderweitige „Gutschrift“ erfolgt ist, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Von einer Zahlung im Sinne des Art. 12 der Verordnung ist daher nicht auszugehen.

38. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beruhen auf §§ 286, 288 BGB.

39. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 , 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

40. Streitwert: 1.600,00 €.

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Sueddeutsche Zeitung: Flugverspätung: Welche Rechte Passagiere haben
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Forum Fluggastrechte: Ausgleichsanspruch bei Flugzeitänderung
Passagierrechte.org: Airline haftet für Änderung der Abflugzeit

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