Pflichten bei Flugzeitänderung
AG Charlottenburg: Pflichten bei Flugzeitänderung
Weil sie eine Benachrichtigungsemail nicht gelesen hatten, verpassten zwei Reisende ihren Flug von Berlin nach Sylt. In der Mail hatte die Fluggesellschaft angekündigt, den entsprechenden Flug 4 Stunden eher als ursprünglich angegeben durchzuführen. Die Kläger verlangen nun von der Airline eine Ausgleichszahlung.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Klage abgewiesen. Eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastreche-Verordnung stehe Reisenden nur zu, wenn die Airline die Beförderung vorsätzlich verweigere. Da dies vorliegend nicht der Fall war, scheidet eine Anspruch auf eine Entschädigungsleistung aus.
AG Charlottenburg | 207 C 290/09(Aktenzeichen) |
---|---|
AG Charlottenburg: | AG Charlottenburg, Urt. vom 30.10.2009 |
Rechtsweg: | AG Charlottenburg, Urt. v. 30.10.2009, Az: 207 C 290/09 |
Fragen & Antworten zum Thema | |
Verwandte Urteile | |
Weiterführende Hinweise und Links | |
Hilfe und Beratung bei Fragen |
Leitsatz:
2. Keine Ausgleichzahlung bei verpasstem Flug wegen nicht registrierter Benachrichtigung über Flugzeitänderung.
Zusammenfassung:
3. Zwei Reisende buchten bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Berlin nach Sylt. Die Airline unterrichtete die Kläger in Form einer E-Mail darüber, dass der Flug 4 Stunden eher, als ursprünglich geplant, ausgeführt werden würde.
Da die Kläger die Mail nicht zur Kenntnis nahmen, kamen sie verspätet am Gate an und verpassten so den Flug. Sie verlangen nun eine Ausgleichszahlung sowie einen Schadensersatz wegen vertaner Urlaubsfreude.
Die Airline bestreitet eine Verantwortlichkeit und verweist auf die rechtzeitig ergangene Benachrichtigung.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Klage abgewiesen. Der von den Klägern geforderte Ausgleichsanspruch im Sinne von Art. 4 i.V.m Art. 7 der Fluggastrechteverordnung setze eine vorsätzliche Nicht-Beförderung durch das Luftfahrtunternehmen voraus. Hier habe die Beklagte alles ihr zumutbare getan, um die Kläger über die Abflugzeitänderung in Kenntnis zu setzen. Die Nicht-Beförderung ergab sich vorliegend aus der bloßen Nicht-Anwesenheit der Kläger.
Eine vorsätzliche und vorwerfbare vertragliche Pflichtverletzung sei der Airline aus diesem Grund nicht zu unterstellen.
Auch ein Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubsfreude im Sinne von §651f BGB scheide aus. Dieser beziehe sich seinem Inhalt nach ausschließlich auf Reiseverträge. Da hier lediglich ein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde, entfalle ein entsprechender Ersatzanspruch.
Tenor:
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Die Kläger nehmen die beklagte Fluggesellschaft aus auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von vier mal 250,00 Euro nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der (EG) 261/2004 in Anspruch.
6. Die Kläger buchten für den 19.08.2008 einen Flug von Berlin nach Sylt, Abflug 10.35 Uhr, zu einem Gesamtflugpreis in Höhe von 502,00 Euro. Als sie am Tag des Abflugs am Flughafen erschienen wurde ihnen mitgeteilt, dass das Flugzeug bereits gegen 7.00 Uhr gestartet sei.
7. Die Kläger behaupten, von der Beklagten nicht über die geänderte Flugzeit informiert worden zu sein, insbesondere hätten sie eine entsprechende Benachrichtigungsemail der Beklagten nicht erhalten.
8. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.000,00 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2009 zu zahlen.
10. Die Beklagte behauptet, dem Kläger zu 2) mit Email vom 07.07.2008 eine Änderung der Abflugzeiten des gebuchten Flugs mitgeteilt zu haben.
11. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
12. Die zulässige Klage ist unbegründet
13. Den Klägern steht gegenüber der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000,00 Euro zu.
14. Ein entsprechender Zahlungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 4 Abs. 3, Art. 7 EGV 261/2004.
15. Ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert wird. In Art. 2 Buchst. j wird der Tatbestand der Nichtbeförderung genauer als die Weigerung definiert, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind. Art. 3, der den Anwendungsbereich der Verordnung regelt, formuliert diese in Art. 2 Buchst. j in Bezug genommenen Bedingungen dahin, dass die Fluggäste entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und sich zum vorgeschriebenen Zeitpunkt zur Abfertigung einfinden oder aber von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug „verlegt“ wurden.
16. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat den Reisenden nicht im Sinne dieser Bestimmung gegen ihren Willen die Beförderung verweigert. Die Beförderungsverweigerung erfordere eine bewusste Zurückweisung des Fluggastes, der sich unter den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat. Eine rein tatsächliche Nicht(weiter)beförderung reicht hingegen nicht aus (so auch BGH, Urteil vom 30.04.2009, Az.: Xa ZR 78/08).
17. Ein entsprechender Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht gem. §§ 280 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Transportvertrages.
18. Dabei kann dahin stehen, ob die Klägerin eine Pflichtverletzung der Beklagten hinreichend substantiiert dargelegt haben. Denn jedenfalls haben die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin einen Schaden nicht substantiiert dargelegt. Soweit die Kläger Flugkosten in Höhe von 502,00 Euro aufgewandt haben, hat die Beklagte den Klägern den vollen Flugpreis erstattet. Einen weitergehenden Schaden infolge der anderweitigen Urlaubsanreise haben die Kläger nicht dargetan. Allein die entgangene Urlaubsfreude stellt keinen erstattungsfähigen Schaden dar. Die Voraussetzungen des § 651 f) Abs. 2 BGB liegen nicht vor, da ein Reisevertrag im Sinne der Norm bei der allein wie geschuldeten Beförderung nicht gegeben ist.
19. Eine Erklärungsfrist auf den klägerischen Schriftsatz vom 21.10.2009, soweit die Ausführungen über den Antrag auf Protokollberichtigung hinausgehen, war der Beklagten nicht zu gewähren, da dessen Ausführungen im Rahmen der hiesigen Entscheidung nicht zu Lasten der Beklagten berücksichtigt wurden.
20. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Fragen & Antworten zum Thema
Fragen & Antworten zum Thema: AG Charlottenburg: Pflichten bei Flugzeitänderung
Verwandte Entscheidungen
OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.05.2013, Az: I-6 U 123/12
LG München, Urt. v. 22.12.2011, Az: 12 O 22100/11
Berichte und Besprechungen
Finanztip: Bei verschobenem Flug Geld zurückfordern
Stern: Ärgernis Flugzeitenänderung
Merkur: Wenn sich Flugzeiten plötzlich ändern
Forum Fluggastrechte: Kein Anspruch bei nicht gelesener Benachrichtigung über Flugzeitänderung
Passagierrechte.org: Flugzeitänderung: Keine Ersatzansprüche bei nicht gelesener Benachrichtigung
Rechtsanwälte für Reiserecht
Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.
Kommentarbereich geschlossen.