Verlegung von Flugzeiten

AG Düsseldorf: Verlegung von Flugzeiten

Ein Reisender buchte für sich und seine Familie eine Flugreise. Weil der Abflugort und die Abflugzeit in Folge einer Überbuchung verschoben bzw. geändert wurden, verlangt er nun eine Schadensersatzzahlung in Höhe des Reisepreises für den ersten und letzten Urlaubstag.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. In der Verschiebung der Reisezeiten und dem damit einhergehenden Verlust an Urlaubszeit sei ein Reisemangel im Sinne von §651 c BGB zu sehen. Dieser sei durch eine anteilige Schadensersatzzahlung zu entschädigen.

AG Düsseldorf 230 C 16700/06 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 27.03.2007
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2007, Az: 230 C 16700/06
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 27. März 2007

Aktenzeichen: 230 C 16700/06

Leitsatz:

2. Flugzeit- und Ort-Verschiebung berechtigt zum Schadensersatzanspruch.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte für sich und seine Familie eine Flugreise. Am Tag des Reiseantritts erfuhren die Kläger, dass sowohl die Abflugzeit für den Hinflug, als auch der Zielflughafen für den Rückflug, geändert wurden. Wegen der vertanen Urlaubszeit und der Mehrkosten für den Bustransfer, verlangen die Geschädigten nun eine Schadensersatzzahlung im Sinne von §651 c BGB.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Klägerbegehren entsprochen. Gemäß §651 c BGB ist der Reiseveranstalter dazu verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit der Reise aufheben oder mindern.
Durch die Änderung der Flugzeit sei den Klägern fest eingeplante Urlaubszeit verloren gegangen, die sie wartend a Flughafen, statt in ihrem Urlaubsort verbrachten.

Auch die Abweichung vom geplanten Zielflughafen stelle einen Reisefehler dar, der sich für die Kläger negativ ausgewirkt habe.
Im Ergebnis stehe ihnen daher eine Schadensersatzzahlung in anteiliger Höhe des ersten sowie des letzten Reisetages zu.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 311,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 37 % und die Beklagte zu 26%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweils unterlegene Partei kann die Zwangsvollstreckung durch den jeweiligen Gegner gegen Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Kläger buchten bei der Beklagten für sich und ihr Kind eine Pauschalreise vom 23.06.-07.07.06 nach X/X zum Gesamtpreis von 1.832,00 € einschl. 66,00 RRKV. Abflug- und Zielflughafen sollte jeweils X sein. Die Flüge sollten mit der X Airline „X“ durchgeführt werden. Der für 19:20 h geplante Hinflug wurde wegen Überbuchung um ca. 24 h mit Abflug in X verschoben, was die Kläger erst am Flughafen selbst erfuhren.

6. Der Rückflug wurde ebenfalls kurzfristig nach X mit Bustransfer nach X verlegt, so dass die Kläger statt um 20:00h erst um 2:00 nachts zu Hause ankamen.

7. Auf eine außergerichtliche Anspruchsanmeldung übersandt die Beklagte einen Scheck über 200,15 €, der bislang nicht eingelöst wurde.

8. Die Kläger machen mit der Klage vorrangig Entschädigungsansprüche aus der VO (EG) 261/04 (kurz VO) wegen Überbuchung i.H.v. 400,00 € pro Reisenden geltend. Sie meinen die VO sei ihrem Sinn nach dahin auszulegen, dass auch der Reiseveranstalter hafte.

9. Hilfsweise machen sie Minderungs- und Schadensersatzansprüche nach reiserechtlichen Vorschriften geltend. Sie meinen zu einer Minderung von je 100% des Tagesreisepreises für An- und Abreisetag berechtigt zu sein. Ferner machen sie Schadensersatz i.H.v. 84,00 € Kosten für die Abholung durch den Bruder am Hinreisetag, unstreitige 42,00 € für den erneuten Transfer nach X, sowie je 20,00 € für Verpflegungsmehraufwand und Kommunikationspauschale geltend.

10. Sie beantragen mit der am 20.12.06 zugestellten Klage die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem Rechtshängigkeit zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

12. Sie tritt dem Klägervorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegen.

Entscheidungsgründe:

13. Die zulässige Klage ist nach Maßgabe des Tenors begründet.

14. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung geminderten Reisepreises und Schadensersatz in tenorierter Höhe gem. § 651 BGB zu.

15. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

16. Es ist unstreitig dass die Reise durch vertragswidrige Verlegung des Abflugorts und -tages sowie des Rückflugorts mit Zeitverzögerung mangelhaft war.

17. Daher ist der Reisepreis angemessen zu mindern.

18. Angemessen ist aufgrund des Verlustes des vollständigen ersten Reisetages der auf diesen entfallende Tagesreisepreis (TRP). Für die Mängel bei der Rückreise erachtet das Gericht eine Minderung von 50% für ausreichend um die Beeinträchtigung durch einen zusätzlichen mehrstündigen Bustransfer und einer um ca. 6 Stunden verspätete Ankunft in der Nacht auszugleichen.

19. Der Reisepreis beläuft sich auf 1.766,00 €; die Kosten der Reiserücktrittsversicherung bleiben außer Betracht, weil es sich insoweit nicht um eine Reisleistung der Beklagten handelt.

20. Es ergibt sich ein TRP von 126,14 € und damit eine Minderung von 189,21 €.

21. Ferner schuldet die Beklagte Schadensersatz gem. § 651f Abs. 1 BGB.

22. Die zusätzlichen Fahrkosten für den Transfer nach X sind unstreitig mit 42,00 € zu ersetzen.

23. Ferner sind die Abholkosten am Hinflugtag zu ersetzen. Diese schätzt das Gericht auf 60,00 €. Es geht davon aus, dass – was die Beklagte ohnehin nicht konkret bestreitet – die Klägerfamilie von einem Verwandten abgeholt wurde. Die einfache Strecke Flughafen X / X beträgt ca. 120 km, wie das Gericht unter www.viamichelin.de ermittelt hat. Durch die erforderliche Hin- und Rückfahrt des Verwandten ist eine Strecke von rund 240,00 km zurück gelegt worden.

24. Für weitere Aufwendungen in Form von Verpflegungskosten hält das Gericht einen Betrag von 20,00 € für angemessen, in dem auch nicht näher dargelegte Kommunikationskosten enthalten sind, § 287 ZPO.

25. Es ergibt sich ein Gesamtanspruch von 189,21 € + 42,00 € + 60,00 € + 20,00 € = 311,21 €.

26. Weitergehende reiserechtliche Ansprüche gem. §§ 651a ff. BGB bestehen nicht.

27. Dieser Anspruch ist nicht teilweise durch Begebung eines Schecks erloschen, da der Scheck unstreitig nicht eingelöst wurde. Ob die Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wären den Scheck als Teilleistung einzulösen, was das Gericht regelmäßig bejaht, hätte nur im Rahmen einer Kostenentscheidung bei sofortigem Anerkenntnis berücksichtigt werden können. Ein solches hat die Beklagte entgegen ihrer Übung in vergleichbaren Fällen hier nicht erklärt.

28. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 ZPO.

29. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

30. Den Klägern steht kein Entschädigungsanspruch gem. EG VO 261/04 zu. In Betracht kommt insoweit nur ein Anspruch aus Art. 4 Abs. 3.

31. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Beklagte als Reiseveranstalter jedoch nicht passiv-legitimiert für Ansprüche aus der VO. Denn die VO begründet Ansprüche des Fluggastes nur gegen das ausführenden Luftfahrtunternehmen, wie sich aus dem klaren Wortlaut der Art. 3 Abs. 5.

32. Der Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in Art. 2 lit. b) legal-definiert als „Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung“ (lit a)), „das im Rahmen eines Vertrages mit dem Fluggast oder im Namen einer anderen … Person die mit dem Fluggast in Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt …“ (lit. b)).

33. Demgegenüber wird in Art. 2 lit. d) ein Reiseunternehmen als „Veranstalter im Sinne des Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen(Grundlage der §§ 651a ff. BGB), mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen definiert.

34. Dass die Beklagte eine gültige Betriebsgenehmigung für Lufttransporte besitzt und den hier streitgegenständlichen Flug selbst oder im Namen Dritter durchgeführt hat, behaupten die Kläger nicht. Die Beklagte ist vielmehr unstreitig Reiseunternehmen.

35. Die Beklagte kann auch nicht wie ein ausführendes Luftfahrtunternehmen behandelt werden, weil sie ihrerseits vertraglich die Beförderung schuldet und das ausführende Luftfahrtunternehmen für sie als Erfüllungsgehilfe tätig wird.

36. Auch dem steht der klare Wortlaut der Verordnung entgegen. Die Beklagte ist nicht Luftfahrtunternehmen i.S.d d. Art. 2 lit. a) der VO. Nur solche können aber überhaupt „ausführende Luftfahrtunternehmen i.S.d. Art. 2 lit. b) und Art. 3 ff. sein. Nach Art. 1 lit. b) ist ausführendes Luftfahrtunternehmen wer im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen eines anderen durchführt , nicht aber wer in eigenem Namen durchführen lässt . Wie auch Art. 3 Abs. 5 S. 2 VO zu entnehmen ist, ist mit dem ausführenden Unternehmen ein Unternehmen gemeint, das die Beförderung selbst oder im Zweifel im Namen eines Dritten durchführt. Ferner sind Luftfahrtunternehmen und Reisunternehmen in weiteren Regelungen von einander abgegrenzt, so z.B. in Art. 2 lit. d.

37. Daneben rechnet die Regelung des § 278 BGB zwar das Verschulden von Erfüllungsgehilfen dem Vertragspartner zu, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger ergebenden Anspruchsgrundlage auch durch Dritte erfüllt werden können. Sie begründet aber keine eigene Anspruchsgrundlage gegen den Schuldner und leitet Ansprüche gegen den Dritten auch nicht über.

38. Aufgrund des klaren Wortlautes ist auch keine analoge Anwendung der VO auf die Beklagte möglich.

39. Es fehlt auch an einer unbeabsichtigten Regelungslücke.

40. Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass der Reisende nicht in den Genuss der Leistungen gem. der VO kommt, wenn der Flug im Rahmen einer Pauschalreise von einem außergemeinschaftlichen Unternehmen durchgeführt wird und es auf dem Rückflug bei Flügen außerhalb des EWR in das Gemeinschaftsgebiet zu Beeinträchtigungen kommt, bzw. er aufgrund des Auslandssitzes des Luftfahrtunternehmens erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung haben wird. Auch ergibt sich aus Ziff. (1) bis (4) der Erwägungen der VO, dass der Schutz der Fluggäste insbesondere vor Annullierungen erhöht werden sollte.

41. Das rechtfertigt aber keine Ausdehnung des Adressatenkreises über den Wortlaut hinaus.

42. Schon nach den Erwägungsgründen soll der Schutz „nur“ erhöht werden, nicht umfassend für alle an einer Flugreise Beteiligten gelten. Gem. Art. 1 Abs. 1 VO werden nur „Mindestrechte“ des Fluggastes geregelt, also gerade kein umfassender Schutz. Als Instrument zur Erhöhung der Schutzstandards sollen ferner ausdrücklich gem. Zif. (7) der Erwägungsgründe „die durch sie [die Verordnung] geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen“.

43. Sämtliche Erwägungsgründe verhalten sich daher auch ausschließlich über Pflichten der Luftfahrtunternehmen.

44. Eine mögliche Ausweitung der Verordnung auf Fluggäste, die im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft oder im Rahmen einer Pauschalreise den Flug von einem Drittland in einen Mitgliedsstaat antreten, ist gem. Art. 17 VO lediglich vorbehalten.

45. Auch die Betrachtung der Entstehungsgeschichte der VO belegt, dass Reisunternehmen gerade nicht aus ihr haften sollten. Die ursprüngliche Haftung des Reiseunternehmens oder des Vertriebsunternehmens im code-sharing war nämlich noch im Vorschlag der Kommission vom 21.12.01 und sogar noch im Standpunkt des europ. Parlaments vom 24.10.02. vorgesehen, ist aber gerade nicht umgesetzt worden.

46. Aus diesen Gründen ist es nicht möglich aus Billigkeitsgründen die Haftung aus der VO auf Reiseunternehmen, die nicht Luftfahrtunternehmen sind, auszudehnen.

47. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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