Minderungsanspruch bei Flugzeitverschiebung

LG Hannover: Minderungsanspruch bei Flugzeitverschiebung

Ein Fluggast nimmt eine Luftfahrtgesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch aufgrund der verschobenen Abflugzeit und die daraus entstandene verspätete Ankunft am Zielort.

Das Gericht entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Minderung hat und der Berufung teilweise stattzugeben ist.

LG Hannover 9 S 20/06 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom 17.11.2006
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 17.11.2006, Az: 9 S 20/06
AG Hannover, Urt. v. 21.01.2006, Az: 543 C 15712/05
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 17.11.2006

Aktenzeichen: 9 S 20/06

Leitsatz:

2. Die Zubilligung eines Minderungsanspruches kommt nur dann in Betracht, wenn die Grenzen des Zumutbaren überschritten sind.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall fand der Rückflug der Klägerin von Fuerteventura nach Frankfurt am Main am 5.8.2005 statt um 12.30 Uhr tatsächlich erst um 20.10 Uhr statt. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte erst um 1.10 Uhr in Frankfurt am Main ankamen und Essen erst in den frühen Morgenstunden erreichten.

Die Klägerin begehrt einen Schadensersatz für die gestörte Nachtruhe.

Das Gericht entschied, dass die Berufung zulässig ist und zum Teil Erfolg hat. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Minderung. Es entsteht jedoch keinen Anspruch aus Verordnung (EG) Nr. 261/04 wegen Flugverspätung, weil es sich um eine Flugzeitverschiebung handelt gemäß § 651 c Abs. 1 BGB. Die Zubilligung eines Minderungsanspruches kommt nur dann für den Kläger in Betracht, wenn die Grenzen des Zumutbaren überschritten sind.

Im vorliegenden Fall des Rückfluges wurde die Grenze des Zumutbaren überschritten, weil dieser nicht an dem in der Buchungsbestätigung angegebenen Tag beendet war, sondern erst in der darauf folgenden Nacht.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Januar 2006 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des AGs Hannover (Aktenzeichen: 543 C 15712/05 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2005 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

8. Die Revision wird nicht zugelassen.

9. Der Beschwerdewert übersteigt nicht 20.000,00 Euro.

Entscheidungsgründe:

10. Auf die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil i.S.v. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO verzichtet, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen ist.

11. Die Berufung ist zulässig und hat zum Teil Erfolg.

12. Über die im angefochtenen Urteil zuerkannten 50,00 Euro hinaus kann die Klägerin Zahlung weiterer 100,00 Euro beanspruchen.

13. Begründet ist die Berufung insoweit, als die Klägerin gemäß § 651 c Abs. 1 BGB Minderung beanspruchen kann, weil der Rückflug von Fuerteventura nach Frankfurt am Main am 5.8.2005 statt um 12.30 Uhr tatsächlich erst um 20.10 Uhr ging. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte erst um 1.10 Uhr in Frankfurt am Main ankamen und Essen erst in den frühen Morgenstunden erreichten.

14. Diesen Anspruch kann die Klägerin allerdings nicht aus der Verordnung (EG) Nr. 261/04 – Flugverspätung – herleiten.

15. Dem steht zwar nicht bereits entgegen, dass diese Richtlinie auf Pauschalreisen schlichtweg nicht anzuwenden ist. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Merkblatt der EU Februar 2005 zu Ziffer Nr. 8 (vgl. dazu auch Schmidt Rr 2005, 151, 156/157).

16. Die genannte Verordnung findet jedoch – worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Verhandlungstermin am 29.9.2006 zutreffend hingewiesen hat – nur im Falle einer Flugverspätung Anwendung, während hier von einer sogenannten Flugzeitverschiebung auszugehen ist. Eine Flugzeitverschiebung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Flug insgesamt zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet.

17.  Auch unter Berücksichtigung der Ausschlussklausel in den Reisebedingungen der Beklagten hält die Kammer einen Reisemangel für gegeben.

18. In der Buchungsbestätigung der Beklagten vom 28.6.2005 war als Tag für den Rückflug der 15.8.2005 angegeben.

19. Es ist der Beklagten zuzugeben, dass mit einer Verlegung der Flugzeiten im Zeitalter des Massentourismus grundsätzlich gerechnet werden muss. Deshalb kommt die Zubilligung eines Minderungsanspruches nur dann in Betracht, wenn die Grenzen des Zumutbaren überschritten sind. Von einer bloßen Unannehmlichkeit wird man deshalb etwa dann ausgehen können, wenn die Flugzeitänderung bei einem Hinflug zum Reisziel nicht zu einem Verlust der Nachtruhe führt (ebenso AG Duisburg Rra 2005, 169, 170; 2005, 214/215; anderer Ansicht AG Hannover Rra 2003, 80/81).

20. Dies kann aber im vorliegenden Fall des Rückfluges nicht gelten, weil dieser nicht an dem in der Buchungsbestätigung angegebenen Tag beendet war, sondern erst in der darauf folgenden Nacht um 1.10 Uhr, mit der Folge, dass die Klägerin ihren Heimatort Essen erst in den frühen Morgenstunden des 16.8.2005 erreichte.

21. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass hier die Grenze des Zumutbaren überschritten ist und versteht die Angaben in der Reisebestätigung dahingehend, dass sich der Vorbehalt hinsichtlich der Flugzeitveränderungen dann auch nur auf diesen bewussten Tag, also den 15.8.2005, bezieht (§§ 133, 157 BGB), soweit sich dadurch die Nachtruhe des Reisenden nicht mehr als unerheblich verkürzt. Dies wäre etwa dann anzunehmen, wenn die Klägerin beim Hinflug um 1.10 Uhr am Bestimmungsort auf Fuerteventura angekommen wäre (vgl. in diesem Sinne auch AG Duisburg Rra 2005, 169/170).

22. Als Minderung, die lediglich die Klägerin selbst als Vertragspartnerin der Beklagten beanspruchen kann, hält die Kammer einen Betrag von 100,00 Euro für angemessen.

23. Weitergehende Minderungsansprüche stehen der Klägerin demgegenüber nicht zu.

24. Die Kammer folgt dem angefochtenen Urteil darin, dass es sich bei den von der Klägerin vor Ort vorgefundenen angeblichen Mängel im wesentlichen um Unannehmlichkeiten gehandelt hat. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag zur Mängelrüge der Klägerin am 5.8.2005 nach wie vor der Substanz entbehrt. Allenfalls überhaupt Minderungsansprüche ab der weiteren Rüge am 12.8.2005 hätten zugebilligt werden können.

25. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 BGB.

26. Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten kann die Klägerin hingegen nach dieser Vorschrift nicht beanspruchen.

27.  Ob die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung zutrifft, die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sei nicht erforderlich gewesen, kann auf sich beruhen. Die Klagabweisung war auch darauf gestützt, dass keine Rechnung des Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vorgelegt worden und auch nicht dargelegt worden ist, dass diese den Betrag überhaupt gezahlt hat.

28. Hierzu hat die Klägerin in der Berufungsbegründung ergänzend nichts vorgetragen. Vorgelegt wurde nur die im Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 30.8.2005 enthaltene Kostenberechnung vorgelegt, nicht jedoch die Kostennote, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dieser übermittelt hat. Auch dass die Klägerin diese Rechnung beglichen hat, wurde nicht vorgetragen.

29. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

30. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

31. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 543 ZPO.

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