Auslegung des Begriffs „anderer Beleg“ in Art. 2 der FluggastrechteVO
BVerfG: Auslegung des Begriffs „anderer Beleg“ in Art. 2 der FluggastrechteVO
Flugreisende legten Verfassungsbeschwerde ein, weil das Landgericht Zweibrücken im Streit über eine Ausgleichszahlung den Europäischen Gerichtshof nicht angerufen hatte, obwohl der Begriff des „anderen Beleges“ unklar war. Sie erhielten Recht, weil das Gericht wegen der Relevanz der Frage diese hätte vorlegen müssen.
BVerfG | 2 BvR 987/16 (Aktenzeichen) |
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BVerfG: | BVerfG, Urt. vom 06.10.2017 |
Rechtsweg: | BVerfG, Urt. v. 06.10.2017, Az: 2 BvR 987/16 |
LG Zweibrücken, Urt. v. 21.03.2016, Az: 3 S 118/15 | |
LG Zweibrücken, Urt. v. 18.01.2016, Az: 3 S 118/15 | |
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Leitsatz:
2. Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet.
Zusammenfassung:
3. Flugreisende stritten in zweiter Instanz vor dem Landgericht Zweibrücken um eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung. Streitig war, ob sie über einen gültigen Flugschein oder anderen Beleg für die Buchung hatten. Obwohl der Begriff des „anderen Beleges“ unionsrechtlich nicht definiert war und das Gericht Zweifel an der Auslegung hatte, rief es den Europäischen Gerichtshof nicht an. Hiergegen wandten sich die Kläger mit einer Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht gab der Beschwerde statt. Es hob das landesgerichtliche Urteil auf und verwies den Fall dahin zurück. Demnach war das Landesgericht seiner Anrufungspflicht aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht nachgekommen. Diese hatte bestanden, weil die spezifische Auslegung der Verordnung entscheidungsrelevant und das Landgericht die letzte inländische Instanz war und insbesondere selbst Zweifel an der Auslegung gehegt hatte.
Tenor:
1.
4. Der Beschluss des Landgerichts Zweibrücken vom 21. März 2016 – 3 S 118/15 – verletzt die Beschwerdeführer in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.
2.
Der Beschluss wird aufgehoben.
3.
Die Sache wird an das Landgericht Zweibrücken zurückverwiesen.
4.
Das Land Rheinland-Pfalz hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
5. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden EuGH) nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bei der Auslegung der Verordnung (EG) 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (Fluggastrechteverordnung, ABl EU 2004 L 46, S. 1, im Folgenden: FluggastrechteVO) durch deutsche Gerichte.
6. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführer aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b) BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist durch die Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der angegriffene Beschluss des Landgerichts Zweibrücken verletzt das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
1.
7. Der EuGH ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 Rn. 177>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den EuGH anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 Rn. 177>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des EuGH nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316 Rn. 91>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 Rn. 177>).
a)
8. Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. C-283/81, Slg. 1982, S. 3415 ff., Rn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; 135, 155 <231 Rn. 178>). Die Vorlagefrage muss auf die abstrakte Auslegung des Unionsrechts beschränkt bleiben; Fragen zur Anwendbarkeit des Unionsrechts im Einzelfall sind grundsätzlich unzulässig (vgl. Classen, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 4 Rn. 70).
b)
9. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, jedoch nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>). Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr ist das Bundesverfassungsgericht gehalten, seinerseits die Kompetenzregeln zu beachten, die den Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung übertragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>).
c)
10. Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 180>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein „oberstes Vorlagenkontrollgericht“ ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232 Rn. 180>).
aa)
11. Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 181>). Dies gilt erst recht, wenn sich das Gericht hinsichtlich des (materiellen) Unionsrechts nicht hinreichend kundig macht. Es verkennt dann regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; 11, 189 <199>; 13, 303 <308>; 17, 108 <111>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Dezember 2014 – 2 BvR 1549/07 -, juris, Rn. 21). Gleiches gilt, wenn es offenkundig einschlägige Rechtsprechung des EuGH nicht auswertet. Um eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermöglichen, hat es die Gründe für seine Entscheidung über die Vorlagepflicht anzugeben (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2014, a.a.O., Rn. 21; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juli 2016 – 2 BvR 470/08 -, juris, Rn. 56).
bb)
12. Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 182>).
cc)
13. Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH hingegen noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <233 Rn. 183>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines „acte clair“ oder eines „acte éclairé“ willkürlich bejahen. Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des EuGH muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne sachliche Begründung bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 135, 155 <233 Rn. 185>).
2.
14. Das Landgericht hat den Umfang der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV grundsätzlich verkannt.
a)
15. Die Auffassung des Landgerichts, dass eine Vorlage an den EuGH zur Auslegung der FluggastrechteVO nicht in Betracht komme, weil es sich dabei weder um eine Auslegung der Verträge noch um die Gültigkeit oder die Auslegung von Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union handle, ist offensichtlich unhaltbar.
b)
16. Als Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b) AEUV sind grundsätzlich sämtliche Rechtsakte des Sekundärrechts zulässiger Gegenstand eines Auslegungsersuchens im Vorabentscheidungsverfahren. Beschränkungen ergeben sich lediglich aus den allgemein die Zuständigkeit des EuGH begrenzenden Art. 275 und Art. 276 AEUV (vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV Rn. 10; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL Mai 2013, Art. 267 Rn. 20). Da die FluggastrechteVO einen Rechtsakt des Sekundärrechts darstellt, sind Fragen zu ihrer Auslegung im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ohne weiteres zulässig.
c)
17. Das Landgericht ist vorliegend auch ein Gericht, dessen Entscheidung im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Zwar ist nach § 522 Abs. 3 ZPO gegen Beschlüsse, mit denen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Berufung zurückgewiesen wird, das Rechtsmittel statthaft, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. Die nach § 544 ZPO an sich statthafte Nichtzulassungsbeschwerde – die grundsätzlich als Rechtsmittel im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 – 1 BvR 2534/10 -, juris, Rn. 26) – ist vorliegend nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ausgeschlossen, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt. Die Ausnahmevorschrift des § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO, wonach auch bei einer Beschwerde bis einschließlich 20.000 € die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist, wenn das Berufungsgericht die Berufung verworfen hat, findet hier keine Anwendung, da das Landgericht die Berufung nicht als unzulässig verworfen, sondern zurückgewiesen hat.
d)
18. Die Auslegung des Sekundärrechts ist auch entscheidungserheblich. Die Anwendbarkeit der FluggastrechteVO unterliegt nach ihrem Art. 3 Abs. 2 der Voraussetzung, dass Fluggäste entweder über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügen und sich – außer im Fall der Annullierung – zu einer angegebenen Zeit oder 45 Minuten vor Abflug zur Abfertigung einfinden (Buchstabe a) oder von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Der Begriff der Buchung wird in Art. 2 Buchstabe g) FluggastrechteVO legaldefiniert. „Buchung“ bezeichnet demnach den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde.
e)
19. In der Rechtsprechung des EuGH ist – worauf die Beschwerdeführer im Anschluss an BGHZ 204, 191 zutreffend hinweisen – bislang nicht geklärt, was unter einem „anderen Beleg“ zu verstehen ist, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Auch das Urteil in der Rs. C-173/07 vom 10. Juli 2008 (Slg. 2008, I-5237, ECLI:EU:C:2008:400) enthält keine Ausführungen zur Auslegung von Art. 2 Buchstabe g) FluggastrechteVO. In Rn. 51 f. dieser Entscheidung wird lediglich ausgeführt, dass sich dem Begriff der Buchung im Sinne von Art. 2 Buchstabe g) FluggastrechteVO nicht entnehmen lasse, ob Hin- und Rückflug als jeweils selbständige Flüge oder als ein zusammenhängender Flug im Sinne der FluggastrechteVO zu qualifizieren sind.
3.
20. Bei Anwendung des einschlägigen Unionsrechts hat das Landgericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen in methodisch unvertretbarer Weise überschritten. Es hat sich im angegriffenen Beschluss vom 21. März 2016 wie zuvor schon in seinem Hinweisbeschluss vom 18. Januar 2016 bei der Auslegung der FluggastrechteVO nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob hierzu Rechtsprechung des EuGH vorliegt.
a)
21. Zwar konnte sich das Landgericht für seine Rechtsansicht, dass eine bestätigte Buchung im Sinne von Art. 2 Buchstabe g) FluggastrechteVO die Angabe eines bestimmten Fluges, der durch Angabe von Flugzeit und Flugnummer hinreichend individualisiert sein müsse, voraussetze, auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2015 (BGHZ 204, 291 ff.) beziehen, wonach die FluggastrechteVO zwar nicht definiere, was unter einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchstabe g), aus dem hervorgehe, dass die Buchung vom Reiseveranstalter „akzeptiert und registriert“ wurde, zu verstehen sei, dass dem Fluggast im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 2 Buchstabe a) FluggastrechteVO enthaltene zusätzliche Erfordernis der Bestätigung der Buchung aber ein Beleg überlassen worden sein müsse, aus dem sich verbindlich die vorgesehene Luftbeförderung mit einem bestimmten, typischerweise durch Flugnummer und Uhrzeit individualisierten Flug ergebe (vgl. BGHZ 204, 291 <299 f. Rn. 23>).
b)
22. Die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt aber nicht, um mit Blick auf Art. 267 Abs. 3 AEUV den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht zu werden. Alle Fachgerichte haben sich bei Auslegung und Anwendung des Unionsrechts selbständig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob in Bezug auf eine entscheidungserhebliche Norm des Unionsrechts weiterer Klärungsbedarf und – damit verbunden – die Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH besteht. Andernfalls liefe die Vorlageverpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in allen Fällen, in denen sich ein im konkreten Fall letztinstanzliches Gericht auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung beruft, leer. Aus einer Entscheidung muss daher hervorgehen, dass sich das Gericht, dessen Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, mit der Frage der Vorlageverpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV auseinandergesetzt hat, so dass die Frage einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsgerichtlich überprüfbar ist.
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