Umfang der Informationspflichten bei Prospektwerbung für Reiseveranstaltung

KG Berlin: Umfang der Informationspflichten bei Prospektwerbung für Reiseveranstaltung

Ein Radreiseveranstalter warb mit Prospekten, ohne darin seine Rechtsform zu nennen. Nach der Klage eines Verbraucherschutzvereines wurde diese Geschäftspraktik vom Landes- und vom Kammergericht Berlin untersagt.

KG Berlin 5 U 134/15 (Aktenzeichen)
KG Berlin: KG Berlin, Urt. vom 20.12.2016
Rechtsweg: KG Berlin, Urt. v. 20.12.2016, Az: 5 U 134/15
LG Berlin, Urt. v. 11.08.2015, Az: 91 O 54/15
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Kammergericht Berlin

1. Urteil vom 20. Dezember 2016

Aktenzeichen 5 U 134/15

Leitsatz:

2. Ein Reiseveranstalter muss auf seinen Prospekten den vollständigen Firmennamen mit Rechtsform nennen.

Zusammenfassung:

3. Ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs klagte gegen eine Reiseveranstalterin wegen unlauteren geschäftlichen Handelns. Er bemängelte, dass in einem Prospekt der Beklagten, mit dem sie eine Fahrradreise bewarb, die Rechtsform ihres Unternehmens nicht angegeben war.

Das Landgericht Berlin gab dem Unterlassungsantrag statt, woraufhin die Reiseveranstalterin Berufung beim Kammergericht einlegte. Diese wurde abgewiesen. Das Landgericht war richtig davon ausgegangen, dass die Beklagte den vollen Firmennamen nebst Rechtsform auf dem Prospekt hätte nennen müssen. Dies war eine für den Verbraucher entscheidungsrelevante Information und das Prospekt diente dem Zweck des Vertragsschlusses.

Tenor:

4. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin vom 11. August 2015 – 91 O 54/15 – wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu tragen.

Gründe:

A.

5. Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B.

6. Die Berufung der Antragsgegnerin ist als solche statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht einen (gemäß § 12 Abs. 2 UWG dringenden) Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin wegen unlauteren geschäftlichen Handelns angenommen. Die Beurteilung des Landgerichts, die beanstandete Anzeige sei lauterkeitsrechtlich unzulässig, weil die Antragsgegnerin den Verbrauchern die Information über die Identität ihres Unternehmens in Form von dessen Rechtsform vorenthalten habe, hält sowohl nach dem zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung (18./19. April 2015) geltenden Recht (§ 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 2 UWG aF; dazu B II) als auch nach dem zur Zeit der Entscheidung (20. Dezember 2016) maßgeblichen neuen Recht (§ 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 2 UWG; dazu B III) der Nachprüfung stand. Der vom Antragsteller geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist daher nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG begründet.

I.

7. Da der Antragsteller den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist der Antrag nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz rechtswidrig ist. Nach der Verbreitung der beanstandeten Werbung im April 2015 und vor der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz am 20. Dezember 2016 ist das im Streitfall maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt hieraus jedoch nicht (vgl. auch BGH GRUR 2016, 403, Rn. 9 – Fressnapf).

II.

8. Die Antragsgegnerin hat dadurch, dass sie in der Anzeige nicht angegeben hat, wie ihre Firma unter Einschluss ihrer Rechtsform lautet, nämlich D… T… GmbH, gegen § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 2 UWG aF verstoßen.

1.

9. Unlautere geschäftliche Handlungen sind nach § 3 Abs. 1 UWG aF unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 5a Abs. 2 UWG aF handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG aF dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf ihre Merkmale und ihren Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG aF die Identität und die Anschrift des Unternehmers als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG aF, sofern sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.

2.

10. In der Anzeige wird der konkret beworbene „Individuelle Radurlaub“ von der Antragsgegnerin unter Hinweis auf seine Merkmale und seinen Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG aF angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Die Antragsgegnerin darf Verbrauchern daher im Sinne von § 5a Abs. 2 und 3 UWG aF wesentliche Informationen nicht vorenthalten.

a)

11. Die Vorschrift des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG aF setzt Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in deutsches Recht um, wonach entsprechende Informationspflichten im Falle der Aufforderung zum Kauf bestehen. Eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG – und damit auch ein Angebot im Sinne des richtlinienkonform auszulegenden § 5a Abs. 3 UWG aF – liegt vor, wenn der Verkehr über das beworbene Produkt und dessen Preis hinreichend informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (EuGH GRUR 2011, 930, Rn. 33 – Ving Sverige; BGH GRUR 2016, 403, Rn. 13 – Fressnapf).

b)

12. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Für Reiseveranstaltungen ist das bereits höchstrichterlich in einem Fall so entschieden worden, wo eine gedruckte Anzeigenwerbung den Anbieter, den Buchungszeitraum, die Dauer der Reise sowie den Preis bezeichnet. Diese Angaben sind als für die Annahme einer „Aufforderung zum Kauf“ hinreichend beurteilt worden, weil sie dem Verbraucher die Entscheidung ermöglichen, ob er dem Angebot näher treten möchte (BGH GRUR 2015, 1240, Rn. 38 – Der Zauber des Nordens). Nicht viel – jedenfalls nicht entscheidend – anders verhält es sich hier, wo der Anbieter – wenn eben auch nur unvollkommen, nämlich ohne Rechtsformzusatz – genannt wird („D… T…“), der Buchungszeitraum offenbar keinerlei Beschränkungen unterliegt, die Dauer der Reise angeführt wird („6 x ÜN“) und der Preis bezeichnet wird („nur € 498,-​“). Darüber hinaus wird klar, dass es um eine Radfahrt an der Donau von Passau nach Wien durch die dortigen Tourismusorte geht, dass im Preis die Bahnanreise ebenso inkludiert ist (Bahnan- & Rückfahrt ab jedem DB-​Bhf./ICE/2.Kl./Gepäckservice) wie „6 x /ÜN/Fr.-​Buffet in guten 3*** & 4**** Hotels“. Dies ermöglicht dem Verbraucher die Entscheidung, ob er dem Angebot näher treten möchte. Dass die Hotels nicht näher bezeichnet oder beschrieben werden, steht dem nicht entgegen. Dem radreisenden Verbraucher, der ohnehin jeweils nur eine Nacht in einem Hotel bleibt und sich auch tagsüber dort nicht länger aufhalten wird, genügt im genannten Rahmen jedenfalls zunächst die Information, dass hier drei oder vier Sterne zumindest einen gewissen Standard versprechen.

13. Vergeblich bemüht die Berufung zur Widerlegung des Vorstehenden BGH GRUR 2012, 402 – Treppenlift, und zwar schon deshalb, weil sich die dortige Entscheidung nicht zur Frage eines „Anbietens“ i.S. von § 5a Abs. 3 UWG aF, sondern zur Frage von „Verkaufsförderungsmaßnahmen“ i.S. von § 4 Nr. 4 UWG aF verhält, worum es hier aber nicht geht.

3.

14. Die Pflicht zur Information über die Identität des Unternehmens i.S. von § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF erfordert auch die Angabe der Rechtsform des werbenden Unternehmens (BGH GRUR 2013, 1169, Rn. 11 – Brandneu von der IFA). Daran fehlt es in der Anzeige, denn dort heißt es nur „D… T… “ und nicht „D… T… GmbH“.

4.

15. Damit hat die Antragsgegnerin den Verbrauchern ihre Identität i.S. von § 5a Abs. 2 UWG aF „vorenthalten“. Denn der Unternehmer enthält dem Verbraucher eine Information vor, wenn dieser sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (BGH GRUR 2016, 1076, Rn. 27 – LGA tested). So aber verhält es sich hier. Die bloße Angabe der Internet-​Anschrift in der Anzeige ändert daran nichts, auch wenn dort eine korrekt-​vollständige Firmierung der Antragsgegnerin auffindbar gewesen sein mag (vgl. auch schon Senat Magazindienst 2013, 592, juris-Rn. 42-44), und zwar schon deshalb nicht, weil es erstens an jeglichem „Verweis“ in der Anzeige fehlt, der auch nur ahnen lässt, dass dort die hier vermisste Angabe ermittelt werden könnte (vgl. dazu EuGH GRUR 2011, 930, Rn. 56 – Ving Sverige; ferner Senat Magazindienst 2013, 592, juris-Rn. 59-60), weil zweitens der beworbene Fahrradurlaub nicht ausschließlich über die in der Werbung angegebene Website des werbenden Unternehmens (sondern auch über die anderweitigen, in der Werbung angegebenen Kontaktwege) gebucht werden kann (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 399, Rn. 9 – MeinPaket.de) und weil drittens die Größe der gewählten Anzeige ausreichend Fläche gelassen hätte, um problemlos „D… T…“ mit „GmbH“ zu verknüpfen (vgl. dazu BGH GRUR 2013, 1169, Rn. 19 – Brandneu von der IFA; Senat Magazindienst 2013, 592, juris-Rn. 54).

5.

16. Das Vorenthalten der Information über die (vollständige) Identität der Antragsgegnerin ist geeignet, die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG aF zu beeinflussen. Das Vorenthalten von Informationen, die das Unionsrecht als wesentlich ansieht, ist grundsätzlich im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG aF geeignet, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (BGH GRUR 2016, 403, Rn. 25 – Fressnapf). Dass im Streitfall etwas anderes gilt, ist nicht ersichtlich.

III.

17. Das vom Antragsteller beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin ist auch nach neuem Recht lauterkeitsrechtlich unzulässig

1.

18. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und des § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG sind neu gefasst worden. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die (Nr. 1) der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

2.

19. Durch die Neufassung dieser Bestimmungen, die nunmehr mit den Regelungen in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG nahezu wörtlich übereinstimmen, ist keine für den Streitfall erhebliche Änderung der Rechtslage eingetreten (vgl. auch BGH GRUR 2016, 403, Rn. 28 – Fressnapf).

a)

20. Die Antragsgegnerin hat dem Verbraucher dadurch im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG eine wesentliche Information vorenthalten, dass sie in der Anzeige ihre (vollständige) Identität nicht angegeben hat. Die Identität des werbenden Unternehmers gilt unter den Voraussetzungen der unverändert gebliebenen Regelung des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG als wesentlich. Die neu gefasste Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UWG regelt nunmehr ausdrücklich, dass auch die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen als Vorenthalten gilt.

b)

21. Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über die Rechtsform der Antragsgegnerin, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG). „Geschäftliche Entscheidung“ bedeutet nach der in das Gesetz eingefügten Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden. Der Verbraucher benötigt die hier in Rede stehende Information über die Rechtsform der Antragsgegnerin, um zu entscheiden, ob er das beworbenen Produkt bei einem nur beschränkt haftenden Unternehmen erwerben möchte, zumal gerade in der Reisebranche (wegen nicht selten auftretender Veranstalterinsolvenzen) nicht nur wegen üblicher Vorleistungsverpflichtungen des Verbrauchers, sondern auch wegen der Haftung für Reisemängel, namentlich auch für Schadensersatzansprüche die Frage der zur Verfügung stehenden Haftungsmasse keine zu vernachlässigende ist.

c)

22. Vor diesem Hintergrund ist das Vorenthalten besagter Information geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Es liegt auf der Hand, dass die unzureichende Information über die nur beschränkte Haftung Verbraucher dazu veranlassen kann, in näheren Kontakt mit der Antragsgegnerin zu treten, und dass die Verbraucher diese geschäftliche Entscheidung nicht getroffen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass es sich bei dieser „nur“ um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt (vgl. i.Ü. – vertiefend – auch schon Senat Magazindienst 2013, 592, juris-Rn. 31-33).

C.

23. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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