Auslegung des Begriffs des „weitergehenden Schadensersatzes“
LG Potsdam: Auslegung des Begriffs des „weitergehenden Schadensersatzes“
Flugreisende forderten für eine Annullierung eine Ausgleichszahlung und weitergehenden Schadenserstaz für daraus entstandene Zusatzkosten. Der Klage wurde nur im ersten Punkt stattgegeben, da die Ansprüche miteinander zu verrechnen waren.
LG Potsdamm | 13 S 37/11 (Aktenzeichen) |
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LG Potsdam: | LG Potsdam, Urt. vom 27.06.2012 |
Rechtsweg: | LG Potsdam, Urt. v. 27.06.2012, Az: 13 S 37/11 |
AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 11.02.2011, Az: 4 C 438/10 | |
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Leitsatz:
2. Weitergehender Schadensersatz für durch die Nichterfüllung eines Luftbeförderungsvertrages entstandene Kosten ist mit der Ausgleichszahlung für die Nichterfüllung zu verrechnen.
Zusammenfassung:
3. Flugreisende forderten wegen der Nichterfüllung eines Luftbeförderungsvertrages von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung, weitergehenden Schadensersatz und die Übernahme vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen gab der Klage nur hinsichtlich der Ausgleichszahlung statt und sprach den Klägern jeweils 400,- € nebst Zinsen zu. Daraufhin gingen die Kläger vor dem Landgericht Potsdam in Berufung.
Die Berufung wurde abgewiesen, denn das Amtsgericht hatte zu Recht angenommen, dass der weitergehende Schadensersatzanspruch – den die Kläger auf 228,40 € beziffert hatten – mit der zugestandenen Ausgleichszahlung zu verrechnen war. Hinsichtlich der geforderten Anwaltskostenerstattung wurde festgestellt, dass dieser Anspruch auf den Rechtsschutzversicherer der Kläger übergegangen war, als dieser für den Versicherungsfall aufgekommen war.
Tenor:
4. Die Berufung der Kläger gegen das am 11.02.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen, Az: 4 C 438/10, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 456,80 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
5. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
6. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
7. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht einen Anspruch der Kläger auf weitergehenden Schadensersatz in Höhe von 228,40 € aus § 631, § 280 Abs. 1 BGB verneint, weil die Forderung gemäß Artikel 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (EU-Fluggastverordnung) durch Anrechnung erloschen ist.
8. Nach Artikel 12 Abs. 1 der VO sollen weitergehende Schadensersatzansprüche des Fluggastes nicht berührt werden. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann allerdings auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden. Dabei ist der Begriff „weitergehender Schadensersatz“ dahingehend auszulegen, dass damit nicht diejenigen Ansprüche gemeint sind, die den Fluggästen auf Grund der Verletzung der dem Flugunternehmen nach den Artikel 8 und 9 der VO obliegenden Unterstützungspflichten (Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten oder anderweitige Beförderung zum Endziel, Tragung der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen zu dem ursprünglich vorgesehenen Zielflughafen) und Betreuungspflichten (Betreuungs- und Verpflegungs-, Hotelunterbingungs- und Kommunikationskosten) zustehen. Vielmehr sind diejenigen Schadensersatzansprüche gemeint, die dem Fluggast unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts für den wegen Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrages entstandenen Schaden zusteht (EuGH, Urteil vom 13.10.2011, C-83/10, juris). So liegt der Fall hier. Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den von den Klägern geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von jeweils 228,40 € um weitergehende Ansprüche im Sinne des Artikels 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und nicht um Ansprüche, die den Klägern wegen Verletzung der Unterstützungs- und Betreuungspflichten nach Artikel 8 und 9 der VO zustehen. Die Ansprüche beruhen auf den §§ 631, 280 Abs. 1 BGB und mithin auf nationalem Recht.
9. Die Ansprüche der Kläger sind erloschen, denn beiden Klägern wurde eine Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils 400,00 € gewährt. Mit diesem Betrag ist der Schadensersatz in Höhe von jeweils 228,40 € gemäß Artikel 12 Abs.1 S 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu verrechnen.
10. Vergeblich wenden sich die Kläger auch gegen die teilweise Abweisung der Klage in Bezug auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Es kann dahinstehen, ob eine 1,5fache Gebühr gerechtfertigt ist. Unstreitig hat der Rechtsschutzversicherer der Kläger die Kostennote des klägerischen Prozessbevollmächtigten bereits vollständig ausgeglichen. Damit sind die Kläger nicht mehr Inhaber des Erstattungsanspruchs. Dieser ist auf den Versicherer übergegangen. Das Amtsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten damit bereits insgesamt unschlüssig ist. Vergeblich wenden die Kläger unter Verweis auf LG Bremen, RVG Report 05, 359 und OLG Köln, JurBüro 2003, 468 ein, dass die Geltendmachung der Ansprüche durch die Kläger im eigenem Namen dennoch zulässig sei. Aus den genannten Entscheidungen ergibt sich, dass in den Fällen, in denen ein Anspruchsübergang nach dem VVG stattgefunden hat, eine Geltendmachung dieser Kosten für einen Rechtsschutzversicherer in gewillkürter Prozessstandschaft zulässig ist. Das Amtsgericht hat aber in dem angegriffenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass zu den Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft nichts vorgetragen wurde. Dies ist auch in der Berufungsbegründung nicht geschehen. Da nicht festgestellt werden kann, dass die Kläger von der Rechtsschutzversicherung zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen ermächtigt wurden, ist die Berufung auch insoweit unbegründet.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
12. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Die Kammer weicht weder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung ab, noch kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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