Zulässigkeit formeller Beschwerde beim Berufungsverfahren

OLG Frankfurt: Zulässigkeit formeller Beschwer beim Berufungsverfahren

Der Kläger stellt einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Das erstinstanzliche Gericht entscheidet sich für eine Teilabweisung des Antrags und belastet den Kläger mit einem Teil der Gerichtskosten. Der Kläger legt gegen dieses Urteil Berufung ein. Diese lässt das zuständige Gericht daran scheitern, dass er mit keiner Beschwer belastet wurde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen und eine Berufung für zulässig erklärt. In der Teilabweisung seines Antrags sowie der Inanspruchnahme seiner Person für die angefallenen Kosten, sei er ausreichend belastet worden.

OLG Frankfurt 9 U 110/10 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 24.05.2011
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 24.05.2011, Az: 9 U 110/10
LG Frankfurt, Urt. v. 12.11.2010, Az: 2-21 O 369/10
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 24.05.2011

Aktenzeichen: 9 U 110/10

Leitsatz:

2. Das Teilunterliegen eines Verfügungsklägers stellt eine Beschwer dar und berechtigt als solche zur Berufung.

Zusammenfassung:

3. Ein Kläger stellt einen Antrag auf Einstweilige Verfügung. Das zuständige Gericht weist diesen teilweise ab und belastet ihn mit einem Teil der Gerichtskosten. In der Folge möchte der Kläger in Berufung gehen. Dies wird ihm jedoch vom Gericht verwehrt, da er keiner ausreichenden Beschwer unterliege und folglich kein Recht zur Berufung habe.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen und ihm die Möglichkeit zur Berufung eingeräumt. Das Urteil belaste den Kläger in einer rechtlich derart nachteilligen Weise, dass ihm die Möglichkeit einer Berufung nicht abzusprechen sei. Seine Beschwer sei insbesondere darin zu sehen, dass das Landgericht die Zulässigkeit der Einstweiligen Verfügung verkannt habe. In der Folge sei, im Rahmen der Berufung, eine Einstweilige Verfügung auszusprechen und die Kosten des Verfahrens der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 12.11.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main dahin abgeändert, dass der Ausspruch „Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen“ sowie der Ausspruch zu den Kosten in Wegfall gerät.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens in erster Instanz sowie der Berufung zu tragen.

Der Gebührenstreitwert für die Berufung wird auf 1.000,- € festgesetzt.

Gründe:

5. (Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird gemäß § 540 II, 313 a I ZPO abgesehen.

6. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Verfügungskläger ist durch das angefochtene Urteil jedenfalls formell beschwert, weil es im Tenor eine Teilabweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung ausspricht (Zöller-​Heßler ZPO, 28. Auflage, Vor § 511 Rn 13). Der Sache nach kann die Berufung jedoch nur insoweit Erfolg haben, als der Tenor des angefochtenen Urteils dahin zu korrigieren ist, dass keine teilweise Zurückweisung des Antrags vorliegt und die Kosten der ersten Instanz insgesamt der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen sind.

7. Der Verfügungskläger ist faktisch nur dadurch beschwert, dass das Landgericht – unzutreffend – von einem Teilunterliegen auf seiner Seite ausgegangen ist und ihn mit Kosten belastet hat. Durch die dem angefochtenen Hauptsachetenor innewohnende Feststellung, dass die streitbefangene Klausel unzulässig ist, hat das Landgericht der einstweiligen Verfügung voll entsprochen. Der Umstand, dass das Landgericht darüber hinaus eine Möglichkeit aufzeigt, wie die Verfügungsbeklagte die Klausel zukünftig in zulässiger Weise benutzen könnte, stellt kein materielles Unterliegen des Verfügungsklägers dar.

8. Der Hauptsachetenor des angefochtenen Urteils war danach in der Weise zu korrigieren, dass der Ausspruch des Teilunterliegens des Verfügungsklägers in Wegfall gerät. Soweit der Verfügungskläger mit der Berufung darüber hinaus auch einen Wegfall des vorgenannten Zusatzes im Hauptsachetenor des angefochtenen Urteils begehrt, ist die Berufung unbegründet.

9. Die Kostenentscheidung – die wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung sowohl die Kosten der ersten Instanz als auch die der Berufung umfasst – folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO. Danach hat die Verfügungsbeklagte die Kosten beider Instanzen zu tragen.

10. Für die Kosten der ersten Instanz ergibt sich dies nach dem Rechtsgedanken des § 91 I 1 ZPO aus den vorausgehenden Ausführungen: Die Verfügungsbeklagte ist tatsächlich erstinstanzlich vollständig unterlegen.

11. Daneben hat die Verfügungsbeklagte aber auch die Kosten der Berufung allein zu tragen. Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass für die Berufung ein anderer Gebührenstreitwert maßgeblich ist, der sich gemäß § 47 I 1 GKG nach dem zu richten hat, was die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung erreichen will (Schneider-​Herget Streitwertkommentar, 12. Auflage, Rn 4499). Dies ist hier die Korrektur des angefochtenen Hauptsachetenors, und zwar sowohl im Hinblick auf den beanstandeten Zusatz als auch hinsichtlich der Teilabweisung, sowie die Beseitigung der Belastung mit Verfahrenskosten. Insoweit ist der Ansatz von 1.611,- € angemessen, nämlich 1.000,- € für die Teilabweisung und 611,- € hinsichtlich des Kostenanteils, den die Verfügungsbeklagte erstinstanzlich tragen sollte (Streitwert 2.500,-​; Gerichtskosten daraus 243,- € zuzüglich zweimal 402,- € für Rechtsanwaltsgebühren; zusammen 1.222,- €, wovon die Hälfte auf die Verfügungsklägerin entfallen sollten). Zwar wirken Kosten nach dem Rechtsgedanken der §§ 22 GKG, 4 ZPO als Nebenforderungen grundsätzlich nicht streitwerterhöhend. Bei der Kostenentscheidung müssen Kosten jedoch berücksichtigt werden, wenn Sie – wie hier – mehr als 10 % der (verbleibenden) Hauptforderung ausmachen (Zöller-​Herget ZPO, 28. Auflage, § 92 Rn 11).

12. Hinzu käme ein weiterer Streitwertanteil für die von dem Verfügungskläger angestrebte Beseitigung des Zusatzes im Hauptsachetenor des angefochtenen Urteils. Da es sich insoweit jedoch nur um eine scheinbare Abweichung vom ursprünglichen Antragsbegehren handelte, ist es angemessen, diesbezüglich keinen selbstständigen Streitwertanteil anzusetzen. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass § 92 II Nr. 1 ZPO zugunsten des Verfügungsklägers zur Anwendung kommen kann, weil seine Zuvielforderung in der Berufung – das Begehren, dass der beanstandete Zusatz entfällt – keine höheren Kosten in der Berufung veranlasst hat.

13. Der Gebührenstreitwert bestimmt sich unter Berücksichtigung der vorausgehenden Ausführungen allein nach dem Begehren der Verfügungsklägerin, die Teilabweisung in der ersten Instanz zu korrigieren. Hierfür sind 1.000,- € anzusetzen. Die beanstandete Kostenentscheidung der ersten Instanz wirkt nicht streitwerterhöhend (vgl. Schneider-​Herget Streitwertkommentar, 12. Auflage, Rn 3161)

14. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollsteckbarkeit ist entbehrlich, da die vorliegende Entscheidung nicht anfechtbar ist (§ 542 II ZPO).

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