Zumutbare Maßnahmen bei außergewöhnlichen Umständen

LG Düsseldorf: Zumutbare Maßnahmen bei außergewöhnlichen Umständen

Flugreisende eine Ausgleichszahlung, weil ihr Flug über 3 Stunden verspätet war. Die Klage wurde abgewiesen, weil der diabetische Schock eines Passagieres auf dem Vorflug einen außergewöhnlichen Umstand darstellte und der Fluggesellschaft keine Mittel blieben, die Verspätung abzuwenden.

LG Düsseldorf 22 S 201/17 (Aktenzeichen)
LG Düsseldorf: LG Düsseldorf, Urt. vom 30.05.2018
Rechtsweg: LG Düsseldorf, Urt. v. 30.05.2018, Az: 22 S 201/17
AG Düsseldorf, Urt. v. 14.06.2017, Az: 22 C 70/17
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Landsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 30. Mai 2018

Aktenzeichen 22 S 201/17

Leitsatz:

2. Der diabetische Anfall eines Passagieres auf dem Vorflug, der zu einer Zwischenlandung und unfit-Erklärung der Crew führt, begründet einen außergewöhnlichen Umstand.

Zusammenfassung:

3. Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung für eine große Ankunftsverspätung. Die Fluggesellschaft verwies auf einen außergewöhnlichen Umstand, der sie verusacht hatte, um sich von der Ausgleichspflicht zu befreien. Demnach war hatte auf dem Vorflug ein 11-jähriger Passagier einen diabetischen Schock erlitten. In der Folge landete der Flug zwischen und die Crew war aufgrund der Ereignisse nicht mehr im Stande, eingesetzt zu werden.

Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage zunächst statt. Zur Begründung gab es an, dass die Beklagte nicht dargelegt hatte, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben. Daraufhin legte die Beklagte vor dem Landgericht Berufung ein.

Die Berufung war erfolgreich. Das Amtsgericht hatte einen entscheidungserheblichen Rechtsfehler begangen, indem es nicht auf die Klagewiderung hinsichtlich der Gegenmaßnahmen eingegangen war. Das Landgericht holte dies nach und kam zu dem Schluss, dass die Verspätung nicht vermieden werden konnte, da weder ein Crewtausch noch ein Subcharter unter drei Stunden zu organisieren waren und sie Organisationsverschulden traf. Die Kläger hatten daher keinen Ausgleichsanspruch.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 14.06.2017 – 22 C 70/17 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteil vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

5. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Ausgleichsleistungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) in Höhe von jeweils 400,00 € nebst Verzugszinsen und vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltsvergütung wegen einer Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden.

6. Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Änderungen und Ergänzungen haben sich in der Berufungsinstanz wie folgt ergeben:

7. Die Beklagte hat auf Hinweis der Kammer ergänzend dazu vorgetragen, ob sie alles ihr Zumutbare unternommen hat, um eine große Ankunftsverspätung zu vermeiden. Auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 05.02.2018 (Bl. 96 ff. GA) wird insofern gem. §§ 525, 313 Abs. 2 S. 2 ZPO Bezug genommen. Die Kläger bestreiten das ergänzende Vorbringen der Beklagten.

8. Die Kammer hat ergänzende Feststellungen zu den Behauptungen der Beklagten erhoben, dass auf dem Zubringerflug ein elfjähriger Junge erkrankt sei und dies zu einer unfit-Meldung der Kabinencrew geführt habe und dass keine anderen zumutbaren Maßnahmen hätten ergriffen werden können, die eine Verspätung von unter drei Stunden gewährleistet hätten, durch die Vernehmung der Zeugen T2 und X3. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2018 (Bl. 110 ff. GA)  sowie Ziffer IV. der Gründe verwiesen.

II.

9. Das Amtsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte sich nicht auf Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung berufen könne. Es könne offen bleiben, ob die Flugverspätung auf einem außergewöhnlichen Umstand beruht habe, denn jedenfalls habe die Beklagte nicht dargelegt, sämtliche personellen, sachlichen und finanziellen Mittel eingesetzt zu haben, um die Verspätung zu vermeiden. Dazu habe sie nämlich darzulegen gehabt, wo sich ihre Flugzeuge befunden hätten, und zwar hinsichtlich sämtlicher, die verfügbar gewesen seien. Außerdem hätte der Flugeinsatz dieser Flugzeuge konkret dargelegt werden müssen und zusätzlich die konkret vorgenommenen Umplanungen aufgrund des von der Beklagten behaupteten medizinischen Notfalls und Einsatz der gecharterten Ersatzmaschinen. Der Vortrag der Beklagten hierzu sei nicht geeignet, ansatzweise nachzuvollziehen, auf welcher Planungsgrundlage sie ihre Entscheidungen getroffen habe. Sie lege lediglich dar, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, nicht aber, welche Alternativen in Betracht gekommen seien. Die Verzugszinsen stünden den Klägern wie beantragt zu. Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsvergütung scheide aber mangels Verzugs der Beklagten bei Mandatierung der Anwälte aus.

10. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung weiter verfolgt. Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

III.

11. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO.

12. Die Beklagte rügt Rechtsfehler i. S. d. §§ 513, 546 ZPO, die – ihre Richtigkeit unterstellt – auch entscheidungserheblich wären. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe Sachvortrag vermisst, der nicht erheblich gewesen sei. Denn die in Rede stehende Verspätung sei nicht auf den Ausfall des für den Flug eingesetzten Flugzeugs zurückgegangen. Dieses sei vor Ort einsatzbereit gewesen. Der Flug der Kläger habe sich E-Weg verzögert, weil schnellstmöglich eine Ersatzcrew nach Jerez/Spanien habe gebracht werden müssen, nachdem sich die Crew wegen des Vorfalls auf dem Hinflug nach dort nicht in der Lage gesehen habe, den Rückflug nach Düsseldorf durchzuführen. Üblicherweise geschehe das, indem die bisherige Crew per „ferry flight“ zum Heimatflughafen fliege, dort eine neue Crew aufnehme und wieder zum Einsatzort zurückfliege. Indem sie aber eine Ersatzmaschine für den Transport der Crew eingesetzt habe, habe sie Zeit eingespart. Zwischen der Unfit-Meldung der Crew und dem Abflug der neuen aus Düsseldorf seien nur eineinhalb Stunden vergangen. Schneller habe dies nicht bewerkstelligt werden können, bedenke man, dass die abgerufenen Ersatzcrewmitglieder eine Stunde Zeit hätten, zum Dienst zu erscheinen, noch einchecken, den Flug startklar machen und ein Briefing durchführen müssten.

13. Dieses Vorbringen stellt sich insgesamt als ordnungsgemäßer Berufungsangriff im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3 ZPO dar.

14. Die Kläger wiederholen demgegenüber ihre Rechtsausführungen zum Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands, den sie verneinen, und verteidigen das angefochtene Urteil. Sie meinen, die Beklagte hätte versuchen müssen, eine Ersatzcrew einer anderen Fluggesellschaft zu aktivieren.

IV.

15. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

16. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung und die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen gebieten eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

17. Das Amtsgericht hat das Vorbringen zur Vermeidbarkeit der Folgen des von der Beklagten behaupteten Vorkommnisses, nämlich zu den ihr zu Gebote stehenden und nach guter fachlicher Praxis üblichen und zumutbaren Maßnahmen in aller Pauschalität als nicht ausreichend abgetan, ohne hierbei auf den Inhalt der Klageerwiderung konkret einzugehen oder ihr den dort erbetenen Hinweis bei abweichender Beurteilung zu erteilen. Das stellt sich als verfahrensfehlerhaftes, weil den Anforderungen des § 139 ZPO nicht genügendes Vorgehen dar, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht.

18. Die Kammer hatte somit selbst in die Sachprüfung einzutreten, gem. § 538 Abs. 1 ZPO die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

19. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zahlung von Ausgleichsleistungen aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) i. V. m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: VO) in entsprechender Anwendung gegen die Beklagte wegen der großen Ankunftsverspätung am Flughafen Düsseldorf.

1.

20. Die VO ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da die Kläger eine bestätigte Buchung betreffend den streitgegenständlichen Flug bei der Beklagten besaßen. Der betroffene Flug sollte unter der Flugnummer EW 1571 am 11.10.2016 um 09:40 Uhr (UTC) von Jerez bis Düsseldorf erfolgen. Planmäßige Ankunft in Düsseldorf war am 11.10.2016 um 12:45 Uhr (UTC). Tatsächlich ist der Flug erst um 17:24 Uhr (UTC) in Jerez gestartet und damit erst um 20:11 Uhr (UTC) in Düsseldorf gelandet. Er hatte mithin eine Verspätung von sieben Stunden und sechsundzwanzig Minuten.

21. Grundsätzlich besteht nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.11.2009 – C-402/07, Sturgeon/Condor) ein Anspruch auf Ausgleichsleistung, wenn der Flug mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden am Zielflughafen ankommt. Dieser folgt aus einer entsprechenden Anwendung der Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 VO, da die Unannehmlichkeiten, die bei einer entsprechenden Verspätung für die Fluggäste auftreten, mit denen bei einer Annullierung vergleichbar sind.

22. Damit besteht auch für die Kläger grundsätzlich ein solcher Anspruch.

2.

23. Allerdings ist die Beklagte von ihrer Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 3 VO befreit. Sie kann sich auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, den sie auch bei Ergreifen der ihr zumutbaren Maßnahmen nicht hat vermeiden können.

24. Nach der Rechtsauffassung der Kammer stellt die Erkrankung eines elfjährigen Jungen auf dem Zubringerflug, wie sie die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt hat, einen außergewöhnlichen Umstand dar, der sich in der unfit-Meldung der Kabinencrew, die sich mit dem kranken Jungen und den Auswirkungen dieser Erkrankung befassen musste, weiter fortgesetzt hat und damit auch mittelbar kausal für die durch die unfit-Meldung ausgelöste Verspätung war.

A.

25. Die Kammer erachtet es für erwiesen, dass sich auf dem Zubringerflug, der die Crew mit Passagieren nach Jerez befördert hat, ein Vorfall ereignet hat, der geeignet ist einen außergewöhnlichen Umstand zu begründen.

26. Als „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 können Vorkommnisse angesehen werden, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind (EuGH, Urteil vom 17.04.2018, C-195/17, Krüsemann u.a./TUIFly, mit weiteren Nachw.).

aa.

27. Durch die Vernehmung der Zeugin T2, die als Purserin auf dem Zubringerflug für die Kabinencrew verantwortlich war, hat die Beklagte bewiesen, dass sich auf dem Zubringerflug der von ihr vorgetragene Vorfall mit einem elfjährigen Passagier ereignet hat. Die Zeugin hat glaubhaft ausgesagt, dass auf dem Zubringerflug ein elfjähriger Junge, bei dem eine Diabetes-Erkrankung seitens der Eltern bekannt war, kollabiert ist. Sie hat bekundet, dass dieser Passagier zunächst Krämpfe bekam, woraufhin ihm von seinen Eltern ein krampflösendes Mittel verabreicht wurde. Nachdem es ihm trotzdem schlechter gegangen sei, sei ein Arzt ausgerufen worden und es habe sich zumindest eine angehende Ärztin gefunden. Sie selbst habe dann mit dieser und den Eltern das Kind betreut. Es habe einmal das Bewusstsein verloren und habe sich übergeben müssen, wobei es auch Blut erbrochen habe. Nahe Madrid habe sich der Zustand so weit verschlimmert gehabt, dass zu entscheiden gewesen sei, ob das Flugzeug dort zwischenlanden oder nach Jerez weiterfliegen solle. Weil sich der Zustand des Passagiers aber wieder stabilisiert gehabt habe, sei das Flugzeug zum Zielort weitergeflogen. Nach der Landung dort habe es noch 30 Minuten gedauert, bis der Passagier von medizinischem Personal abgeholt worden sei. Danach habe eine Crew-interne Besprechung stattgefunden, welche in derartigen Fällen obligatorisch sei und auf deren Durchführung sie als Purserin auch zu achten habe. Danach habe sich dann die komplette Kabinenbesatzung unfit für den Rückflug nach Düsseldorf gemeldet. Hintergrund dessen sei gewesen, dass schon vor dem Start in Düsseldorf sich ein kleiner medizinischer Zwischenfall mit einer schwangeren Passagierin ereignet gehabt habe, den die Crew aber in den Griff bekommen habe. Ferner sei  ein Fluggast über die eingetretene Verspätung äußerst ungehalten gewesen, so dass er ihr gegenüber ausfällig geworden sei, so dass habe überlegt werden müssen, ob man ihn überhaupt befördern könne und der Kapitän habe hinzugezogen werden müssen. Außerdem habe es während des Fluges Turbulenzen gegeben und schließlich sei dann am Ende „on top“ der medizinische Notfall mit dem Kind dazugekommen. Bei einem solchen müssten dann andere Crewmitglieder die Aufgaben desjenigen Mitglieds übernehmen, das sich um den betroffenen Passagier kümmere, was dazu führe, dass die Stimmung an Bord nicht gut sei, weil manche Passagiere sich nicht ausreichend gut versorgt fühlten und andere mit Unverständnis darauf reagierten, dass sich die Crew überhaupt mit dem Notfall befasse. Eine solche unfit-Meldung mache niemand leichtfertig. Sie selbst sehe sich hierbei aber in der Verantwortung für Passagiere und Crew. Sie mache sich die Entscheidung nicht leicht, zumal das Ganze ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt habe, wenn ein Ersatzflugzeug samt Crew herbeigeschafft werden müsse. Sie habe sich im vorliegenden Fall außer Stande gesehen, ihre Pflichten („duties“) auf einem Flug mit Passagieren zu erfüllen. Zum Fliegen ohne Passagiere habe sie sich aber in der Lage gesehen.

bb.

28. Die Aussage der Zeugin ist deshalb glaubhaft und für die Kammer überzeugend, weil sie in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist, einen großen Detailreichtum beinhaltet und keine Tendenz zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Entlastung der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin, erkennen lässt. Die Kammer hat zudem im Verhalten der Zeugin während der Beweisaufnahme keinen Anlass gefunden, an ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

29. Die Kammer schenkt der Aussage der Zeugin auch dahingehend Glauben, dass diese es sich nicht leicht mache, wenn sie sich unfit melde, da dies auch mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Beklagte verbunden sei. Zudem hat die Zeugin glaubhaft geschildert, dass zur Aufklärung des Sachverhaltes zwei Berichte von ihr zu schreiben gewesen seien und interne Gespräche stattfänden, wenn sich Crewmitglieder unfit meldeten. Auch wenn diese nach ihrer Aussage keine Konsequenzen fürchten müssen, so ist es lebensnah, dass man diese zusätzliche Arbeit und die Befragung durch den Arbeitgeber nicht leichtfertig auf sich nimmt. Dass dies auch im vorliegenden Fall nicht ohne Grund geschah, ist schon E-Weg anzunehmen, weil die Crew keinen Vorteil durch die unfit-Meldung hatte. Es war nämlich nicht etwa so, dass sie in Jerez verbleiben und dort freie Zeit genießen konnte, sondern sie musste mit dem leeren Flugzeug nach Düsseldorf zurückfliegen. Der Kammer erschließt sich daher nicht, warum die Zeugin und der Rest der Kabinencrew sich unfit gemeldet haben sollten, ohne dass die Voraussetzungen hierzu vorgelegen haben.

cc.

30. Dieser geschilderte Vorfall stellt ein Vorkommnis dar, das einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der VO begründen kann.

31. Die Erkrankung eines Passagiers, die zur Bewusstlosigkeit und dem Erbrechen von Blut, verbunden mit Krampfanfällen und weiteren Bewusstseinseintrübungen führt, stellt eine schwere Erkrankung dar, die als solche nicht mehr zu dem gehört, mit dem auf einem Flug typischerweise immer gerechnet werden muss. Sie ist zwar nicht vergleichbar mit dem Tod eines Passagiers, aber doch mit einer anderen schweren Erkrankung wie einem Herzinfarkt, der zur Zwischenlandung zwingen kann. Für diese Fälle haben die Gerichte bereits einen außergewöhnlichen Umstand angenommen (vgl. für den Todesfall: AG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2011 – 31 C #####/####; für die Erkrankung mit Zwischenlandung: AG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2011 – 31 C #####/#### und LG Düsseldorf, Beschl. v. 26.07.2016 – 22 S 50/16).

32. Dass zumindest eine ernsthafte Erkrankung eines Passagiers, welche eine Zwischenlandung erforderlich macht, ein außergewöhnlicher Umstand i. S. v. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 sein kann, wird von Teilen der fluggastrechtlichen Literatur und der Instanzrechtsprechung ebenso wie von der Kammer vertreten (vgl. z. B. Maruhn, in: Staudinger/Keiler, Fluggastrechteverordnung, 2016, Art. 5 Rn. 16; AG Wedding, RRa 2012, S. 38). Unerheblich ist auch, dass sich der medizinische Vorfall nicht auf dem hier streitgegenständlichen Flug selbst, sondern auf dem unmittelbaren Vorflug ereignete (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2014 – X ZR 121/13, NJW 2014, S. 3303, 3304).

33. Nach Ansicht der Kammer kann es dabei nicht entscheidend darauf ankommen, dass eine Zwischenlandung erfolgt sein muss. Dies wird aus folgender Überlegung deutlich: Tritt die Erkrankung zu einem Zeitpunkt auf, in dem eine Zwischenlandung im Vergleich zur regulären Landung keine schnellere Hilfe verspricht, würde das Luftfahrtunternehmen, wenn es dennoch eine Zwischenlandung durchführt, nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Verspätung zu vermeiden, da dann der nicht erforderliche Zwischenstopp die Verspätung verursachen würde. Damit würde aber der Anspruch auf Ausgleichsleistungen nicht ausgeschlossen, obwohl ein außergewöhnlicher Umstand vorliegen würde. Wenn das Flugzeug aber bis zum Zielort weitergeflogen wäre, müsste das Luftfahrtunternehmen aber ebenfalls Ausgleichsleistungen zahlen, da dann keine Zwischenlandung vorgenommen worden wäre und deshalb kein außergewöhnlicher Umstand vorläge. Dies wäre widersinnig, da das Luftfahrtunternehmen sich dann gar nicht exkulpieren könnte, und zwar für einen Umstand, auf den es keinen Einfluss nehmen kann und der nicht mit dem Luftfahrtbetrieb in einem direkten Zusammenhang steht.

34. Die vorliegende Erkrankung geht über das hinaus, was Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens ist. Die Erkrankung des elfjährigen Jungen steht nämlich nicht in einem Zusammenhang mit dem Fluggeschehen, sondern hätte an jedem beliebigen anderen Ort ebenfalls auftreten können. Mit der Durchführung des Fluges stehen z. B. solche Erkrankungen im Zusammenhang, bei denen ein Passagier wegen einer sogenannten Reisekrankheit oder wegen Flugangst erkrankt und sich deshalb übergeben muss oder Panikattacken bekommt. So liegt der Sachverhalt in diesem Fall aber gerade nicht. Der an Diabetes vorerkrankte Junge hat sich nicht einfach übergeben, sondern hatte darüber hinaus Blut im Erbrochenen, ihm ist auch nicht einfach unwohl geworden, sondern er hat das Bewusstsein verloren und später Bewusstseinseintrübungen gehabt. All dies geht über die Erkrankung eines Fluggastes aufgrund des Fluggeschehens hinaus und kann daher nicht mehr als zum Betrieb des Luftfahrtunternehmens gezählt werden. Gleiches gilt entgegen der Ansicht der Kläger auch für den Tod eines Fluggastes. Auch wenn jederzeit ein plötzlicher Todesfall eintreten kann, so gehört ein solcher deshalb noch nicht zum gewöhnlichen Betrieb eines Luftfahrtunternehmens, denn auch ein solcher kann in jeder beliebigen Situation eintreten, ohne dass er seine Ursache in der Durchführung des Flugbetriebes hat.

35. Der vorliegende Fall ist auch nicht vergleichbar mit dem vom EuGH entschiedenen Fall des „wilden Streiks“ bei dem M GmbH. Es gehört zur Natur eines Unternehmens, dass es sich Beschäftigter bedient, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Daher gehört es zur Risikosphäre des Unternehmens, dass sich diese nicht an ihre dienstrechtlichen Verpflichtungen halten und die Arbeit niederlegen, insbesondere, wenn dies ohne Aufruf der Gewerkschaft erfolgt. Im vorliegenden Fall beruhte die Nichterfüllung der dienstrechtlichen Pflichten durch unfit-Meldung aber gerade nicht auf einer willkürlichen Entscheidung der Mitarbeiter, sondern wurde im Rahmen der internen Vorgaben und gesetzlichen Regelungen (Verordnung (EU) Nr. #####/#### vom 03.11.2011 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. #####/#### vom 17.03.2015 i. V. m. Anhang IV, Teil MED.A.20, Buchst. d) bei der hierdurch gebotenen Überprüfung der Flugdiensttauglichkeit getroffen. Es handelte sich dabei um eine Abwägung, ob die Mitglieder der Kabinencrew sich in der Lage sahen, ihre gesetzlichen Pflichten, von diesen als „duties“ bezeichnet, nachzukommen, wenn es zu einem Notfall auf dem Flug kommt. Darüber hinaus war die Arbeitsniederlegung bei U direkte Folge unternehmerischer Umstrukturierungsentscheidungen und damit unmittelbar durch das Luftfahrtunternehmen selbst herbeigeführt. Im vorliegenden Fall rührte die „Arbeitsniederlegung“ des Kabinenpersonals dagegen von einem von außen kommenden Umstand her, nämlich der Erkrankung eines Passagiers. Aus den oben dargestellten Gründen ist diese nicht Teil der Ausübung des Betriebes eines Luftfahrtunternehmens und damit anders zu bewerten als eine Entscheidung des Unternehmens betreffend die Unternehmensorganisation.

dd.

36. Das Vorkommnis in Gestalt der unfit-Meldung der Crew war für die Beklagte auch nicht tatsächlich zu beherrschen.

37. Das folgt zunächst daraus, dass ein Luftfahrtunternehmen keine Möglichkeiten hat, sicherzustellen, dass nur gesunde Passagiere an Bord eines Fluges gelangen, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie während des Fluges unvorhergesehen schwer erkranken. Nur auf diese Weise könnte verhindert werden, dass die mit der Bewältigung dieses Vorkommnisses jeweils befasste Kabinencrew sich anschließend außerstande sieht, ihren Dienst weiter zu versehen.

38. Ein Luftfahrtunternehmen ist zudem nicht gehalten, seine Mitarbeiter so zu schulen, dass sie in der Lage sind, Vorfälle wie den im vorliegenden Fall in Rede stehenden so zu verarbeiten, dass ihre Fähigkeit, ihre Sicherheitspflichten und Verantwortlichkeiten wahrzunehmen, unbeeinträchtigt bleibt. Nach der Rechtsprechung des BGH müssen vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahmen für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände grundsätzlich nicht ergriffen werden (BGH, Urt. v. 12.06.2014 – X ZR 104/13, juris, Rn. 23). Der BGH verweist hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH (siehe dazu unten zu c) und führt aus, dass sich nur mit Blick auf eine konkrete Situation abschätzen lasse, in welchem Umfang und mit welcher Zielrichtung Maßnahmen erforderlich seien, um trotz außergewöhnlicher Umstände Beeinträchtigungen des Flugplans nach Möglichkeit zu vermeiden oder zumindest zu mildern. Eine Abhärtung des Kabinenpersonals im Hinblick auf psychische Beeinträchtigungen durch Vorkommnisse wie im vorliegenden Fall gehört hierzu nicht, weil eine solche eine vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahme für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände darstellen würde. Dass die Luftfahrtunternehmen gehalten sind, ihr Personal für Erste-Hilfe-Maßnahmen zu schulen, geschieht im Interesse der Gesundheit von Passagieren und Personal, nicht aber dazu, die Einhaltung des Flugplans sicherzustellen.

39. Aus der Verordnung kann außerdem keine Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen entnommen werden, im Interesse der Pünktlichkeit überobligationsmäßige Anstrengungen zu unternehmen, um sich keinen Ansprüchen der Fluggäste auszusetzen. Denn es kommt nur darauf an, welche Vorkehrungen ein Luftfahrtunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs geringfügige Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im Wesentlichen einzuhalten (BGH, aaO., Rn. 20). Die Verordnung setzt die üblichen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten des Luftverkehrs voraus und will sie weder unterbinden noch steuern (BGH, aaO., Rn. 15).

B.

40. Zwar hat letztlich nicht die Erkrankung des Passagiers auf dem Zubringerflug zu einer Verspätung geführt, sondern die daran anschließende unfit-Meldung der Kabinencrew. Allerdings hat sich der außergewöhnliche Umstand in dieser unfit-Meldung fortgesetzt. Dies ist vergleichbar mit dem Umstand, dass durch einen gezielten Sabotageakt die Mitarbeiter des Luftfahrtunternehmens sich durch die psychische Belastung, der sie in Verbindung mit diesem Akt ausgesetzt sind, nicht mehr in der Lage fühlen, ihren dienstlichen Verpflichtungen, die insbesondere zum Schutz der Fluggäste vorgesehen sind, nachkommen zu können (vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 23.05.2012 – 7 S 250/11). Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass ein gezielter Sabotageakt vorliegt, sondern das ein außergewöhnlicher Umstand durch die psychische Belastung, die er auslöst, dazu führt, dass die Crew sich nicht mehr in der Lage sieht, ihren „duties“ während des Fluges nachzukommen.

C.

41. Die Beklagte hat auch alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die große Verspätung zu vermeiden.

42. Die Kammer ist durch die Aussage des Zeugen X3 davon überzeugt worden, dass der Beklagten keine Maßnahmen zur Verfügung standen, die zumutbar gewesen wären und eine Verspätung von über drei Stunden vermieden hätten.

43. Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, aaO Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011 – C-294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 – Eglītis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 30). Zum einen kommt es darauf an, welche Vorkehrungen ein Luftverkehrsunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs geringfügige Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im Wesentlichen einzuhalten. Zum anderen muss das Luftverkehrsunternehmen, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung tatsächlich eintritt oder erkennbar einzutreten droht, alle ihm in dieser Situation zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass hieraus eine Annullierung oder große Verspätung resultiert (BGH, aaO., Rn. 20).

44. So ist ein Luftfahrtunternehmen, wie bereits ausgeführt, nicht verpflichtet, anlasslos Maßnahmen zu treffen, wie das Vorhalten von Ersatzflugzeugen (BGH, aaO., Rn. 24). Nichts anderes kann aber für das Vorhalten von Ersatzcrews an allen erdenklichen angeflogenen Destinationen gelten. Damit war auch die Beklagte nicht verpflichtet, in Jerez eine Ersatzcrew zu stationieren, um diese für die unfit-gemeldete Crew einspringen lassen zu können.

45. Zudem darf nach den Ausführungen des Zeugen X3 gemäß den Vorgaben des Luftfahrtbundesamtes auch kein betriebsfremdes Personal ohne vorherige Schulung auf Flugzeugen eines bestimmten Luftfahrtunternehmens eingesetzt werden. Eine solche Schulung sei, so der Zeuge, nicht in der kurzen zu Verfügung stehenden Zeit durchführbar gewesen. Diese Ausführungen des Zeugen stehen in Übereinstimmung mit den Regelungen der VO (EG) Nr. 859/2008, Anhang III (OPS 1), OPS 1.995 ff., insbesondere OPS 1.1010 Buchst. a) Nr. 1 i). Danach muss der Luftfahrtunternehmer sicherstellen, dass jeder Flugbegleiter vor dem ersten Einsatz durch den Luftfahrtunternehmer als Flugbegleiter einen Umschulungslehrgang nach Anlage 1 zu OPS 1.1010 abgeschlossen hat.

46. Die Anmietung eines Subcharters ist nach der auch insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen in der Regel nicht unter drei Stunden durchzuführen. Es müsse nämlich, so der Zeuge, zunächst eine Anfrage gestartet werden und dann mit dem in Frage kommenden Unternehmen ein Vertrag abgeschlossen werden. Dann müsse das Flugzeug des Vercharterers vorbereitet werden, d.h. aufgetankt, mit Catering versehen und dann nach zum jeweiligen Einsatzort geflogen werden. In Jerez liege keine Homebase eines vom Lufthansa-Konzern zugelassenen Vercharterers, so dass dort kein Flugzeug erhältlich gewesen sei.

47. Ein Ringtausch von Maschinen und Crews sei ebenfalls nicht möglich gewesen, so der Zeuge, da dies zur Konsequenz gehabt hätte, dass andere Flüge und ihre jeweiligen Folgeflüge verspätet hätten durchgeführt werden müssen. Es gebe auf Kurz- und Mittelstreckenflügen keine Flugzeuge, die länger als die für den turn-around erforderlichen 35 Minuten „herumstünden“. Es ist für die Kammer naheliegend, dass die Standzeiten der Flugzeuge möglichst gering gehalten werden, damit die Beklagte den Betrieb des Luftfahrtunternehmens zu günstigen Preisen aufrechterhalten kann.

48. Die Aussage des Zeugen X3 war insgesamt glaubhaft, da er lebensnah und detailliert die Prüfungsvorgänge bei der Beklagten schildern und Angaben machen konnte, woher er seine Informationen bezieht, nämlich unter anderem aus dem sogenannten Netline-OPS, welches die Flugdaten der einzelnen Flugzeuge aufzeichne. Ebenso wenig wie bei der Zeugin T2 waren bei ihm sachlich ungerechtfertigte Entlastungsbemühungen zugunsten seiner Arbeitgeberin erkennbar.

49. Es ist dabei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte ihren Betrieb in der von dem Zeugen geschilderten Form organisiert. Wie bereits ausgeführt, will die VO nicht in die Organisation des Luftfahrtunternehmens steuernd eingreifen, sondern in bestimmten Fällen dem Fluggast für ihn nachteilige Folgen der Organisation einen Ausgleich gewähren (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2014 – X ZR 104/13, Rn. 15).

50. Damit steht fest, dass der Beklagten andere zumutbare Maßnahmen als die getroffenen nicht zur Verfügung standen. Durch diese war die Verspätung von über drei Stunden nicht zu vermeiden.

51. Damit verbleibt nach Abzug der entschuldigten Verspätung eine Verspätung von zwei Stunden und achtzehn Minuten, die der Zubringerflug durch die Vorkommnisse in Düsseldorf verspätet in Jerez gelandet ist. Eine weitere unentschuldigte Verzögerung hat es nicht gegeben.

52. Ohne die Verspätung, die auf dem außergewöhnlichen Umstand beruht, wäre der Flug der Kläger nach einem planmäßigen turn-around mit einer Verspätung abgeflogen, die nicht zu einer großen Ankunftsverspätung geführt hätte. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 04.05.2017 – C-315/15, Travel Service, Rn. 51) ist in einem solchen Fall für die Frage, ob das Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichsleistung verpflichtet ist, nur die Verspätung zu berücksichtigen, die auf dem nicht außergewöhnlichen Umstand beruht.

D.

53. Der Vorfall mit dem elfjährigen Passagier war schließlich auch kausal für die unfit-Meldung und damit für die große Verspätung von über drei Stunden.

54. Zwar hat die Zeugin T2 geschildert, dass es eine Mehrzahl von Vorkommnissen auf dem Flug von Düsseldorf nach Jerez gegeben habe, zu denen zum Schluss noch „on top“ der medizinische Notfall gekommen sei. Das steht aber der Kausalität desselben nicht entgegen. Es mag sein, dass es hierdurch zu einer erhöhten Empfindlichkeit der Kabinencrew gekommen ist, allerdings hätten diese anderen Vorkommnisse allein nicht zu einer unfit-Meldung der Crew geführt. Erst die Erlebnisse um die Erkrankung des elfjährigen Jungen haben diese ausgelöst, indem sie „das Fass zum Überlaufen gebracht“ haben.

3.

55. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen in Form von Verzugszinsen. Hinsichtlich der weiteren Nebenforderung in Gestalt von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten ist die Klage bereits durch das angefochtene Urteil abgewiesen worden.

V.

56. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

57. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

58. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 800,00 € festgesetzt.

59. Die Kammer lässt die Revision E-Weg zu, weil bislang höchstrichterlich ungeklärt ist, ob der Ausfall von Personal eines Luftfahrtunternehmens zur Befreiung von der Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 3 VO führen kann, wenn er darauf beruht, dass sich das Personal wegen eines erlebten ernsten medizinischen Notfalls an Bord eines Flugzeugs für fluguntauglich („unfit“) erklärt. Bislang wird der Ausfall eigenen Personals wegen Krankheit in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH und des BGH zum technischen Defekt eines Luftfahrzeugs in der Instanzrechtsprechung regelmäßig nicht als Vorkommnis i. S. des Art. 5 Abs. 3 der VO angesehen. E-Weg erscheint eine höchstrichterliche Entscheidung als notwendig, damit eine einheitliche Rechtsprechung gesichert ist, zumal zu erwarten ist, dass sich die Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen stellen wird.

60. Der Streitwert wird auf 800,00 EUR festgesetzt.

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