Erkrankter Pilot ist kein außergewöhnlicher Umstand
LG Darmstadt: Erkrankter Pilot ist kein außergewöhnlicher Umstand
Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug gebucht, der aufgrund einer Erkrankung des Piloten nicht wie geplant durchgeführt werden konnte. Das ausführende Luftfahrtunternehmen zahlte in der Folge an die Kläger eine Ausgleichssummer, die allerdings lediglich einen Teil des Betrags ausmachte, der den Klägern nach deren Ansicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zustünde. Sie fordern nun die Zahlung des Restbetrages, während sich die Beklagte auf einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 beruft.
Das Landgericht Darmstadthält die Klage für begründet. Die Belagte hat den Klägern die geforderten Ausgleichszahlungen zu zahlen. Sie habe keine Umstände vorgetragen, wonach die Verspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-VO zurückging. Die Erkrankung eines Mitarbeiters gehöre zum allgemeinen Risiko eines jeden Arbeitgebers, mit dem er für den normalen Betriebsablauf seines Unternehmens zu rechnen habe und stelle demnach keinen außergewöhnlichen Umstand gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-VO dar.
LG Darmstadt | 7 S 250/11 (Aktenzeichen) |
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LG Darmstadt: | LG Darmstadt, Urt. vom 23.05.2012 |
Rechtsweg: | LG Darmstadt, Urt. v. 23.05.2012, Az: 7 S 250/11 |
AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.11.2011, Az: 3 C 678/11 | |
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Leitsatz:
2. Eine Erkrankung des Piloten, die zur Nichtdurchführung eines geplanten Fluges führt, begründet keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Sansibar nach Frankfurt am Main gebucht. Dieser Flug konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da der Pilot kurzzeitig erkrankt ist. Das beklagte Luftfahrtunternehmen, das den Flug ausführen sollte, zahlte an die Kläger lediglich einen Teil der Ausgleichssumme, die den Klägern nach deren Ansicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zustünde. Die Kläger fordern nun die Zahlung des Restbetrages.
Die Beklagte beruft sich auf einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Beklagte habe keinen Einfluss auf den Gesundheitszustand der Crew-Mitglieder und das Beschaffen eines Ersatzpiloten sei unwirtschaftlich und könne für dieser nicht erwartet werden.
Das Landgericht Darmstadthält die Klage für begründet und verurteilt die Belagte dazu, den Klägern die geforderten Ausgleichszahlungen zu zahlen. Die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, wonach die Verspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-VO zurückging, der sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Die Erkrankung eines Mitarbeiters gehöre zum allgemeinen Risiko eines jeden Arbeitgebers, mit dem er für den normalen Betriebsablauf seines Unternehmens zu rechnen habe. Eine solche Erkrankung könne demnach nicht als außergewöhnlicher Umstand gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-VO gewertet werden und es liegt folglich kein haftungsbefreiender Umstand vor.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 18.11.2011 (3 C 678/11) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.050,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des jeweils beizu-treibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Gegenstandswert wird auf 1.050,– Euro festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
5. Die Kläger verlangen mit der am 05.05.2011 zugestellten Klage von der beklagten Charterfluggesellschaft Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004, weil der für den 27.09.2010 gebuchte Rückflug […] von Sansibar nach Frankfurt a.M. mit vorgesehener Abflugzeit um 07:00 Uhr nicht wie geplant durchgeführt wurde, sondern mit einer Abflugverspätung von 24 Stunden dann am Folgetag. Nachdem die Beklagte vor Rechtshängigkeit an die Kläger 150,– € gezahlt hat, begehren diese nunmehr noch 1.050,– € nebst Zinsen und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 115,31 €. Die Beklagte hat eingewandt, wegen einer Erkrankung des für diesen Flug vorgesehenen Piloten am Vortag im Mombasa liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, der ihre Haftung nach Art. 5 Abs. 3 der EG-VO entfallen lasse.
6. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Amtsgericht Rüsselsheim mit Urteil vom 18.11.2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Verspätung auf einen Kreislaufkollaps des Flugkapitäns und damit auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen, für den die Beklagte nicht hafte, zumal die Erkrankung von Crew-Mitgliedern im weit entfernten Ausland durch vorbeugende Maßnahmen der Fluggesellschaft nicht zu verhindern sei.
7. Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu entscheiden. Zur Begründung wird unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung dieses Berufungsgerichts vom 06.04.2011 (7 S 122/10) vorgetragen, die Erkrankung von Mitarbeitern sei das Risiko eines jeden Arbeitgebers und könne daher kein außergewöhnlicher Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 der EG-VO sein.
8. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Es habe sich um eine schwere Erkrankung des Piloten gehandelt, der sehr verantwortungsbewußt vorgegangen sei. Auch ein Streik sei letztlich der Sphäre der Fluggesellschaft zuzuordnen, sei aber als außergewöhnlicher Umstand anerkannt. Außerdem seien die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie das Sicherheitsinteresse der Passagiere zu bedenken.
9. Die Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden, mithin statthaft. Sie hat auch in der Hauptsache mit einem allerdings späteren Zinsbeginn Erfolg, während die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht zuzusprechen waren.
10. Vorab wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim verwiesen.
11. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Ziff.1 ZPO) sind nicht ersichtlich.
12. Auf Grund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen und des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz ist die Klage in Höhe von 1.050,– € begründet.
13. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Start des Flugzeugs erst mit ca. 24-stündiger Verspätung nach der planmäßigen Abflugzeit erfolgte mit einer dann auch entsprechenden Ankunftsverzögerung in Frankfurt a.M.
14. Der EuGH hat mit Urteil vom 19.11.2009 (Az: C-402/07 und C-432/07) im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 der EG-VO Nr. 261/2004 Fluggäste eines verspäteten Fluges mit einem Zeitverlust von drei Stunden oder mehr – bezogen auf die ursprüngliche Ankunftszeit – denjenigen eines annullierten Fluges gleichgestellt. Dieser Rechtsprechung hat sich der BGH angeschlossen (Urteile vom 18.02.2010, Az: Xa ZR 95/06, Xa ZR 106/06, Xa ZR 64/07, Xa ZR 164/07 und Xa ZR 166/07).
15. Aufgrund der Entfernung von über 3.500 km zwischen Sansibar und Frankfurt am Main schuldet die Beklagte den beiden Klägern eine Ausgleichszahlung von jeweils 600,– €, insgesamt also 1.200,- €. Nachdem die Beklagte bereits vorprozessual 150,– € gezahlt hatte, war die Klage über den jetzt noch offenstehenden Restbetrag in Höhe von 1.050,– € begründet.
16. Es lag bei dem streitgegenständlichen Flug […] auch kein außergewöhnlicher Umstand vor, der ausnahmsweise die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung entfallen lassen würde. Die Beklagte hat letztlich keine Umstände vorgetragen, wonach die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art. 5 Abs. 3 EG-VO).
17. Auch nach den ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 hält die erkennende Kammer nach nochmaliger eingehender Beratung an ihrer Rechtsauffassung fest, daß die Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der EG-VO 261/2004 dann nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser EG-VO entfallen, wenn die erhebliche Abflugverspätung ihre Ursache in der Erkrankung eines Crew-Mitgliedes der Flugzeugbesatzung hat. In dem von beiden Parteien zitierten Urteil dieser Kammer vom 06.04.2011 (7 S 122/10), wo die Beklagte zur Erklärung der Verspätung die Erkrankung eines Flugbegleiters vorgetragen hatte, heißt es wörtlich:
18. „Technische Probleme, die zu einer Verspätung führen, stellen grundsätzlich keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-VO dar, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. dazu EuGH, a.a.O., Tz. 72; EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az: C-549/07, Tz. 34; BGH, a.a.O., Tz. 15). Dies geht zu Lasten der Beklagten, die substantiiert die Umstände vortragen und gegebenenfalls beweisen muß, warum ein technisches Problem ausnahmsweise einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 darstellen soll.
19. Auch die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits allein als Begründung für die Flugverspätung angegeben wird, führt nicht nach Art. 5 Abs. 3 der EG-VO zum Wegfall der Leistungspflicht. Das Berufungsgericht verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils (Bl. 56 d.A.). Es ist allein der betrieblichen Sphäre der Fluggesellschaft zuzurechnen, wenn ein bei ihr beschäftigter Mitarbeiter erkrankt und deshalb seine vorgesehenen Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Es kommt dabei auch nicht darauf an, welche Ursache dieser krankheitsbedingte Ausfall hat, ob es sich also wie etwa bei einer bakteriellen Erkrankung oder einer Virusinfektion um eine Einwirkung auf den menschlichen Körper „von außen“ handelt, es um eine chronische Krankheit, unfallbedingte Verletzungen oder aber um einen wie etwa bei übermäßigem Alkoholgenuß von dem Mitarbeiter selbst veranlaßten Ausfall geht. Diese eigentliche Krankheitsursache wäre auch, zumal Mitarbeiter insoweit schon gegenüber ihrem Arbeitgeber im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses nicht auskunftspflichtig sind, einer weiteren Darlegung durch die Beklagte bzw. dann im Bestreitensfalle einer Beweisaufnahme durch das Gericht regelmäßig nicht zugänglich. Vielmehr ist die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes jedenfalls dann, wenn sie nicht durch einen Sabotageakt (etwa einen Terroranschlag) von außen durch Dritte verursacht worden ist, ein Umstand, der sich in der betrieblichen Sphäre der Fluggesellschaft immer ereignen kann und deshalb nicht „außergewöhnlich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO ist. Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es dabei ebensowenig an wie auf die sicherlich nur in ganz seltenen Ausnahmefällen gegebene Möglichkeit, in weit von der Heimatbasis entfernten Flughäfen wie hier auf den Malediven oder dann auf der Arabischen Halbinsel, vor Ort zeitnah ein Ersatz-Crewmitglied zum Einsatz zu bringen. Die Erkrankung eines Mitarbeiters ist das Risiko eines jeden Arbeitgebers, mit dem er für den normalen Betriebsablauf seines Unternehmens rechnen muß. Das Gericht verkennt dabei nicht, daß es einem Luftfahrtunternehmen schwerlich zuzumuten ist, an allen Abflug- und Zielorten der von ihm betriebenen Flugstrecken Ersatzpersonal gleichsam vorrätig zu halten. Aber dies kann allein kein Grund sein, die Erkrankung eines Crew-Mitglieds als außergewöhnlichen Umstand anzusehen“.
20. Die in diesem Berufungs-Urteil vom 06.04.2011 (7 S 122/10) erwähnte und in Bezug genommene Passage des damaligen erstinstanzlichen Urteils lautete: “Erkrankungen von Mitarbeitern sind nicht ungewöhnlich oder nur sehr selten, so dass jeder Arbeitgeber damit rechnen und Vorsorge zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes treffen kann und muss.“
21. Die seinerzeit ausdrücklich zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof wurde nach Informationen der Kammer nicht eingelegt.
22. In der vorliegenden Sache liegt eine glaubhafte und gut nachvollziehbare Schilderung des Flugkapitäns vor, wonach er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, weiterzufliegen. Er hat sich, worauf die erkennende Kammer ausdrücklich hinweisen möchte, an diesem Vorfalltag am 27.09.2010 in hohem Maße verantwortungsbewußt verhalten. Gleichwohl und bei allem Verständnis für die vom Beklagtenvertreter im Verhandlungstermin vom 18.04.2012 angesprochenen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen entbindet dieser erwiesene krankheitsbedingte Ausfall des Piloten die Beklagte auch unter Berücksichtigung der in der EG-VO ausdrücklich erwähnten Erwägungsgründe nicht von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung, die gerade nicht an ein Verschulden der Fluggesellschaft oder ihrer Mitarbeiter/-innen geknüpft ist. Die Fluggesellschaft hat im Rahmen der von ihr geschuldeten Beförderungspflicht zum vereinbarten Zeitpunkt nicht nur ein geeignetes und mangelfreies Fluggerät bereitzustellen, sondern auch das taugliche und einsatzfähige Personal, um mit diesem Flugzeug die gebuchten Passagiere sicher vom Abflugort zum Zielflughafen zu bringen. Hierzu gehört selbstverständlich auch ein einsatzfähiger Pilot, der als der für die Sicherheit wichtigste Mensch an Bord letztlich dafür verantwortlich ist, ob angesichts der gegebenen Umstände (Wetter, Zustand des Flugzeugs, körperliche Verfassung der Crew bzw. manchmal auch der Passagiere, sonstige Rahmenbedingungen wie zulässige Dienstzeiten der Besatzung, Start- und ggf. Überflugerlaubnisse, etwaige Nachtflugverbote am Zielflughafen etc.) wie vorgesehen gestartet werden kann. Diese von ihm allein zu verantwortende Entscheidung hat bei etwaigen Problemfällen, wenn er nach Überprüfung einen Start nicht durchführt, immer gravierende Auswirkungen (etwa auf den weiteren Flugbetrieb der Airline wegen gebotener Änderungen geplanter späterer Flugabläufe oder auf die zeitlichen Dispositionen von Passagieren und Besatzung) unabhängig davon, ob darüber hinaus auch noch von seinem Arbeitgeber gegenüber den Passagieren Ausgleichszahlungen zu erbringen sind. Bei technischen Problemen bis hin zu Beschädigungen des Fluggeräts wird sich ein verantwortungsvoller Pilot aus Sicherheitsgründen im Zweifel immer gegen die geplante Durchführung des Fluges entscheiden, gleiches gilt auch bei fehlender Einsatzfähigkeit der Crew. Ob der Grund für die Annullierung oder Verspätung dann später als „außergewöhnlicher Umstand“ angesehen werden kann, kann und darf ihn insoweit bei seiner Entscheidung nicht beeinflussen. Es ist deshalb aus Sicht der Kammer hier letztlich unbeachtlich, ob die Beklagte keine flugtaugliche Maschine zur Verfügung hatte oder die für die ordnungsgemäße Durchführung des Fluges erforderliche Besatzung nicht den körperlichen Anforderungen entsprach. 19 Auch das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat zwischenzeitlich mit Urteil vom 20.05.2011 (31 C 245/11, zitiert nach juris) im krankheitsbedingten Ausfall von Personal die Verwirklichung eines typischen und gewöhnlichen Unternehmerrisikos gesehen und deshalb keinen Anwendungsfall von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO angenommen.
24. Der Zinsanspruch in der gesetzlichen Höhe ergibt sich nach Ablauf der mit vorprozessualem Schriftsatz vom 17.12.2010 gesetzten Frist gemäß §§ 284 ff BGB aus Verzug.
25. Zur Erstattung der hier als Nebenforderung auch noch geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten ist die Beklagte nicht verpflichtet. Nach der insoweit außerordentlich knapp gehaltenen Darlegung der Kläger ist nicht davon auszugehen, daß sich die Beklagte schon zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Kosten, nämlich bei der Beauftragung der erstmals mit Schreiben vom 17.12.2010 gegenüber der Beklagten tätig gewordenen Prozeßbevollmächtigten der Kläger, in Verzug befunden hat. Die vorherige Mahnung und Fristsetzung durch die Kläger selbst ist von der Beklagten bestritten worden, ohne daß die Kläger hierauf in der Folgezeit noch näher eingegangen wären oder ihr insoweit behauptetes persönliches Schreiben vom 30.10.2010 vorgelegt hätten.
26. Nachdem die Beklagte in diesem Rechtsstreit ganz überwiegend unterlegen ist und die lediglich im Zinszeitpunkt und in den vorgerichtlichen Kosten liegende Zuvielforderung der Kläger relativ geringfügig war, hat die Beklagte gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
27. Die Bemessung des Gegenstandswertes folgt dem Umfang der Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils, wobei Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht zu bleiben hatten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung, aber mit Abwendungsbefugnis, ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.
28. Auch ohne Anregung der Parteien war gemäß § 543 ZPO von Amts wegen die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Frage, ob die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes (hier des Piloten) als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO anzusehen ist, wurde soweit ersichtlich noch immer nicht höchstrichterlich entschieden, nachdem in dem erwähnten früheren Verfahren der Kammer die schon damals zugelassene Revision nicht eingelegt worden ist. Wegen des sich aus dem vorliegenden Verfahren ergebenden unterschiedlichen Meinungsstandes (vgl. insoweit auch Schmid, RRa 2012, S. 5 f.) bedarf die Frage einer Klärung durch den Bundesgerichtshof. Es ist auch zu erwarten, daß diese Frage künftig in einer Vielzahl von Fällen zur Entscheidung anstehen wird, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt eine Klärung erforderlich ist.
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