Zugang Mängelanzeige beim Reiseveranstalter

LG Frankfurt: Zugang Mängelanzeige beim Reiseveranstalter

Reisende forderten Schadensersatz für einen Unfall, der sich bei einer Pauschalreise ereignet hatte. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, da die Kläger die einmonatige Anspruchsmeldefrist nicht gewahrt hatten.

LG Frankfurt 2-24 S 217/16 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 27.09.2017
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 27.09.2017, Az: 2-24 S 217/16
AG Bad Homburg, Urt. v. 03.11.2016, Az: 2 C 1188/16 (15)
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Landgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 27. September 2017

Aktenzeichen 2-24 S 217/16

Leitsatz:

2. Ansprüche wegen mangelhafter Reiseleistungen müssen innerhalb eines Monats nach Reiseende beim Reiseveranstalter angemeldet werden.

Zusammenfassung:

3. Reisende forderten vom Reiseveranstalter Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Übernahme künftiger Folgekosten wegen eines Unfalles, der sich während der Reise ereignet hatte.

Das Amtsgericht Bad Homburg wies die Klage zunächst ab, woraufhin die Kläger Berufung einlegten. Das Landgericht Frankfurt wies diese zurück. Demnach bestanden schon deshalb keine Ansprüche seitens der Kläger, weil diese die Frist für Anspruchsmeldungen nicht eingehalten hatten, welche ab dem letzten Reisetag einen Monat beträgt. Bei der Rüge vor Ort hatten die Kläger auch noch keine Ansprüche angemeldet. Eine deliktische Haftung des Reiseveranstalters kam ebenfalls nicht in Frage, da der Unfall auf dem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter eines Erfüllungsgehilfen des Beklagten beruhte, was auch bei Wahrung aller Kontroll- und Verkehrssicherungspflichten nicht hätte vermieden werden können.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das am 3.11.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. – Az. 2 C 1188/16 (15) – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

5. Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

6. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Kläger ist in der Sache nicht begründet.

7. Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

8. Den Klägern steht kein Anspruch auf Schadensersatz (§ 651 f Abs. 1 BGB), Schmerzensgeld (§§ 651 f Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB) und Feststellung der Ersatzpflicht von Zukunftsschäden (§ 651 f Abs. 1 BGB) zu. Reisevertragliche Ansprüche können die Kläger bereits deswegen nicht geltend machen, weil diese nicht innerhalb eines Monats nach Reiseende angemeldet wurden (§ 651 g Abs. 1 BGB).

9. Eine solche Anspruchsanmeldung innerhalb eines Monats nach Rückkehr vom Urlaubsort wird von den Klägern nicht behauptet. Vertragliches Reiseende war der 15.6.2014. Eine Anspruchsanmeldung hätte bis zum 15.7.2014 erfolgen müssen. Ein Eingang einer solchen Anmeldung bis zum 15.7.2014 ist nicht ersichtlich. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 1.10.2014 auf ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger geantwortet. Wann dieses der Beklagten zugegangen ist, wird nicht vorgetragen. Auch auf den Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 29.8.2017 wird eine solche Anmeldung nicht vortragen.

10. Soweit sich die Kläger auf Mitteilungen am Urlaubsort gegenüber der Reiseleitung berufen, genügen diese nicht als Anspruchsanmeldungen i.S.d. § 651 g Abs. 1 BGB.

11. Grundsätzlich kann eine Mängelanzeige am Urlaubsort gegenüber dem Reiseleiter eine Anspruchsanmeldung i.S.d. § 651 g Abs. 1 BGB nicht ersetzen. Denn vom Reisenden werden zur Erhaltung seiner aus Mängeln der Reise erwachsenen Rechte Anzeigen an den Reiseveranstalter sowohl am Urlaubsort (§§ 651 c Abs. 2, Abs. 3, 651 d Abs. 2 BGB) als auch nach Rückkehr von der Reise (§ 651 g Abs. 1 BGB) verlangt. Die Anzeige am Urlaubsort soll dem Reiseveranstalter vor allem Gelegenheit geben, vorhandene Mängel abzustellen (vgl. vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf 1 -‚ BT-​Ds 8/786, S. 26 f, sowie zum Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestags – Entwurf II -‚ BT-​Ds 8/2343, S. 9 f). Die Frist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB bezweckt dagegen, dem Veranstalter Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Mängelrügen zu ersparen. Auch soll verhindert werden, dass er Regressansprüche gegen Leistungsträger nicht mehr oder nur schwer durchsetzen kann (vgl. zum Entwurf I, aaO, S. 32; zum Entwurf II, aaO, S. 11). Dieser Zweck der Vorschrift erfordert zwangsläufig, dass der Reiseveranstalter über die einzelnen Mängel hinreichend unterrichtet wird (vgl. zum Ganzen BGHZ 90, 363).

12. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 88, 488, 489) die Anspruchsanmeldung grundsätzlich auch vor Ablauf der Reise erfolgen, weil in der Regelung des § 651 g Abs. 1 BGB nicht der Beginn, sondern nur das Ende der Frist festgelegt werden soll.

13. Allerdings muss die Anmeldung nach dem Wortlaut des § 651 g Abs. 1 BGB gegenüber dem Reiseveranstalter erfolgen. Das bedeutet, dass die Anmeldung dem Reiseveranstalter zugehen muss. Wenn auch die Anmeldung keine Willenserklärung ist, sondern eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. BGHZ 145, 343), ist nach dem Gesetzeswortlaut aber auch ein Zugang notwendig.

14. Ausreichend wäre auch ein Zugang bei einem rechtsgeschäftlichen Vertreter. Allerdings ist ein Reiseleiter kein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Reiseveranstalters. Er ist auch nicht als Empfangsbote für Erklärungen eingesetzt. Denn der Reiseleiter ist nach seiner Funktion dafür eingesetzt, Abhilfeverlangen entgegenzunehmen und für Mängelbeseitigung zu sorgen.

15. Davon unterscheiden sind die Erklärungen, die für die Geltendmachung von Ansprüchen notwendig sind (vgl. BGH NJW 88, 988, 989). Insofern hat der Reiseleiter nicht die Stellung eines Empfangsboten für eine Anspruchsanmeldung. Dies hindert aber nicht, dass der Reiseleiter eine Anspruchsanmeldung an den Reiseveranstalter weiterleitet. Geht die Anspruchsanmeldung in schriftlicher oder mündlicher Form bei dem Reiseveranstalter tatsächlich ein, liegt eine wirksame Anspruchsanmeldung i.S.d. § 651 g Abs. 1 BGB vor (vgl. zum Ganzen LG Frankfurt am Main, RRa 2008, 228).

16. Ein solcher Zugang einer noch am Urlaubsort gefertigten Anspruchsanmeldung liegt hier aber nicht vor. Die am 10.6.2014 gefertigte Gesprächsnotiz enthält die Geltendmachung von Ansprüchen nicht. Sie gibt lediglich den Wunsch der Kläger wieder, vorzeitig abreisen zu wollen. Die weitere Notiz vom 11.6.2014, die erstmals mit Schriftsatz vom 8.9.2017 vorgelegt wird, war offenbar nicht zur Weiterleitung an die Beklagte bestimmt. Insoweit trägt auch die Beklagte vor, eine solche Notiz nicht erhalten zu haben. Nach ihrem Inhalt war die Notiz dazu gedacht, dass der Reiseleiter Beschädigungen bestätigen soll. Indem die Kläger in der Lage sind, diese Bestätigung vorzulegen, folgt hieraus, dass sie diese Notiz nach Gegenzeichnung wieder mitgenommen haben. Dass dem Reiseleiter eine Durchschrift oder Kopie überlassen wurde, behaupten die Kläger nicht. Zudem erklären die Kläger in dieser Notiz, dass „weitere Schritte in Deutschland vervollständigt werden“ sollen. Hieraus konnte der Reiseleiter entnehmen, nichts weiter zur Weiterleitung von Erklärungen veranlassen zu müssen.

17. Auch die von den Klägern als Anlage K 2 vorgelegte Schadensmeldung stellt keine Anspruchsanmeldung i.S.d. § 651 g Abs. 1 BGB dar. Auch hier ist mangels Vortrages nicht ersichtlich, dass diese der Beklagten als Anspruchsanmeldung zugeleitet werden soll.

18. Den Klägern stehen auch keine Ansprüche auf deliktischer Grundlage zu, die nicht gemäß § 651 g Abs. 1 BGB angemeldet werden müssen.

19. Für Handlungen der vor Ort eingesetzten Mitarbeiter von Erfüllungsgehilfen haftet die Beklagte auf der Grundlage des § 831 BGB nicht, weil diese nicht Verrichtungsgehilfen sind. Sie unterliegen keiner Weisungsgebundenheit der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 – X ZR 87/06 -‚ Rn. 14, juris).

20. Eine eigene deliktische Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht. Zwar hat auch der Reiseveranstalter eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit der Vertragshotels bzw. Ferienclubs. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH Urt. v. 18.07.2006 – X ZR 142/05, RRa 2006, 206 sowie grundlegend BGHZ 103, 298 „Balkonsturzfall“).

21. Mit seinem Reiseangebot übernimmt der Veranstalter Planung und Durchführung der Reise. Nach Abschluss des Reisevertrages haftet er insoweit für den Erfolg. Er trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens seiner Reiseveranstaltung (Senat BGHZ 85, 50, 58; 100, 157, 166 jeweils m.w.N.). Der Reisende darf daher darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt (Senat NJW 1985, 1165). So gehört zu den Grundpflichten des Reiseveranstalters die sorgfältige Auswahl der Leistungsträger im Hinblick auf deren Eignung und Zuverlässigkeit (Senat BGHZ 100, 185, 189). Darin erschöpft sich jedoch seine Verantwortung für die Vertragserfüllung durch Leistungsträger nicht. Er muss auch regelmäßig den jeweiligen Umständen entsprechend seine Leistungsträger und deren Leistungen überwachen (BGHZ 103, 298).

22. Allerdings ist der Unfall, aufgrund dessen die Kläger Ansprüche herleiten, keine Folge der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Der Unfall resultierte aus einem Fehlverhalten von Mitarbeitern in einem konkreten Einzelfall. Die Erfüllung von Kontroll- und Überwachungspflichten hätte dieses Fehlverhalten im Einzelfall nicht verhindern können.

23. Weil Ansprüche der Kläger bereits dem Grunde nach nicht bestehen, kommt es auf die hinreichende Darlegung von materiellen oder immateriellen Schäden nicht an.

24. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger nach Kopfteilen zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos war (§§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 2 ZPO).

25. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

26. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2016 nicht erreicht wird.

27. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

28. Der Ausspruch gemäß § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO erfolgt deklaratorisch, weil das Urteil des Amtsgerichts ohnehin für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt wurde.

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