Internationale Zuständigkeit bei einem über das Internet geschlossenen Luftbeförderungsvertrags

LG Frankfurt: Internationale Zuständigkeit bei einem über das Internet geschlossenen Luftbeförderungsvertrags

Ein Flugreisender klagte gegen eine arabische Fluggesellschaft. Da der Flug in Deutschland weder startete noch landete und die deutsche Niederlassung beim Vertragsschluss nicht beteiligt war, wurde die Klage aufgrund internationaler Unzuständigkeit deutscher Gerichte in zwei Instanzen abgewiesen.

LG Frankfurt 2-24 S 123/14 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 05.12.2014
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 05.12.2014, Az: 2-24 S 123/14
AG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2014, Az: 31 C 2063/13 (83)
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Landgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 5. Dezember 2014

Aktenzeichen 2-24 S 123/14

Leitsatz:

2. Die internationale Zutändigkeit deutscher Gerichte ist bei Ansprüchen aus einem Luftbeförderungsvertrag eines deutschen Passagiers mit einer in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Fluggesellschaft nicht gegeben, wenn dieser ohne Bezug auf Deutschland (hier: keine Beteiligung der deutschen Niederlassung, kein Flughafen in Deutschland) geschlossen wurde.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte über das Internet mit einer in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Fluggesellschaft einen Beförderungsvertrag geschlossen. Auf dessen klagte er gegen die Gesellschaft auf Schadensersatz. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, weil sich das angerufene Amtsgericht Frankfurt für nicht international zuständig hielt.

Die Berufung des Klägers vor dem Landgericht blieb ohne Erfolg. Die Kammer bestätigte, dass das Amtsgericht Frankfurt nicht zuständig gewesen war. Der Vertrag wurde ohne Bezug auf Deutschland geschlossen. Weder startete, noch landete der Flug in Deutschland. Entgegen der Auffassung des Klägers war die deutsche Niederlassung am Vertragsschluss nicht schon dadurch beteiligt, dass sie samt Steueridentifikationsnummer im Impressum der Internetseit der Beklagten genannt wurde.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30.5.2014 (Az. 31 C 2063/13 (83)) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

5. Anstelle eines Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO.

II.

6. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung ist unbegründet.

7. Zu Recht hat sich das Amtsgericht (AG) für international und örtlich unzuständig erklärt.

8. Zutreffend – und von der Berufung nicht angegriffen – hat das AG festgestellt, dass sich die internationale Zuständigkeit weder nach Art. 33 des Montrealer Übereinkommens, noch nach Art. 5 EuGVVO, noch nach § 29 ZPO richtet. Auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

9. Zu Unrecht mein der Kläger, die internationale Zuständigkeit ergäbe sich vorliegend aus § 21 ZPO.

10. Der besondere Gerichtsstand der Niederlassung ist eröffnet bei Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, § 21 ZPO.

11. Dies bedeutet, dass 2 Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Zum einen muss überhaupt eine Niederlassung bestehen, d.h. eine auf Dauer angelegte, selbständige Außenstelle, die aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen berechtigt ist. Zum anderen muss, wenn – so wie vorliegend – der Klage ein Vertrag zugrunde liegt, dieser im Geschäftsbetrieb der Niederlassung, zumindest jedoch unter Inanspruchnahme der Niederlassung, geschlossen worden sein (BGHZ 188, 85).

12. An beiden Voraussetzungen fehlt es vorliegend.

13. Zum einen handelt es sich ausweislich des Internet-​Auftritts der Beklagten (Impressum) (Bl. 159 d.A.) bei der Direktion in Frankfurt um ein „rein administratives Büro ohne Kundenbereich“ und ohne „Serviceleistungen wie Flugscheinverkauf“. Bei der Direktion handelt es sich nicht um eine selbständige Außenstelle, die befugt ist, Geschäfte (wie den Verkauf von Flugtickets) eigenverantwortlich abzuschließen.

14. Vielmehr ist die Direktion ausweislich des Impressums lediglich für die Erstellung der Website der Beklagten verantwortlich.

15. Darüber hinaus wurde der streitgegenständliche Flugbeförderungsvertrag weder in der Frankfurter Direktion, noch unter Inanspruchnahme der Direktion geschlossen. Vielmehr wurden die Tickets über das Internet gebucht. Dabei handelt es sich um einen automatisierten, elektronischen Vorgang ohne Beteiligung natürlicher Personen. Ein Bezug der Buchung zu einer bestimmten, mit Personal betriebenen Buchungsstelle ist nicht gegeben; erst recht nicht ein Bezug zur Direktion in Frankfurt. Die Beklagte hat ihren Firmensitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der streitgegenständliche Flug ging von Dubai/VAE nach Colombo/Sri Lanka. Alleine die Tatsache, dass der Kläger Deutscher Staatsangehöriger ist und die Beklagte eine Verwaltungsstelle in Deutschland betreibt, begründet nicht den besonderen Gerichtsstand der Niederlassung. Die Verantwortlichkeit der Direktion für den Internetauftritt stellt lediglich eine Vorbereitungshandlung für den späteren Vertragsschluss dar, der ohne Mitwirkung der Direktion automatisch über das Internet erfolgte.

16. Zu Unrecht meint der Kläger, die Beklagte habe den Anschein einer deutschen Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO gesetzt.

17. Zwar ist der besondere Gerichtsstand der Niederlassung nicht nur dann eröffnet, wenn tatsächlich eine Niederlassung existiert, die am Vertragsschluss mitgewirkt hat. Ausreichend ist, wenn die Beklagte zurechenbar den Anschein des Vorliegens der Voraussetzungen des Gerichtsstands der Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO gesetzt hat (BGH NJW 87, 3081).

18. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall.

19. Zu Unrecht leitet der Kläger den Anschein der Niederlassung aus der im Impressum genannten Deutschen Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. ab. Dies ist ersichtlich die Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. der Beklagten (mit Sitz in den VAE), nicht jedoch eine eigene Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. der Direktion. Allgemein bekannt ist, dass eine Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. von jedem Unternehmen benötigt wird, welches innerhalb des Gebiets der Europäischen Union am Waren- und Dienstleistungsverkehr teilnimmt. Durch die Verwendung einer (z.B. deutschen) Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. ist es auch für ein nicht europäisches Unternehmen möglich, den Besteuerungsort in ein Mitgliedsland der Europäischen Union zu verlagern, nämlich in das Land, welches die verwendete Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. ausgegeben hat. Mithin spricht die Tatsache, dass die Beklagte vorliegend eine deutsche Umsatzsteuer-​Ident.-​Nr. hat, nicht für die Annahme des Anscheins, dass der vorliegende Beförderungsvertrag von der Frankfurter Direktion aus abgeschlossen bzw. vermittelt worden wäre.

20. Zu Unrecht meint der Kläger auch, es hätte sich der „Eindruck aufgedrängt“, man habe „bei … in Deutschland“ gebucht. Unmissverständlich wird in den vom Kläger selbst eingeführten AGB der Beklagten klargestellt, dass Flugbeförderungsverträge mit der Beklagten, einem in den VAE ansässigen Unternehmen, zustande kommen.

21. Auch die Tatsache, dass der Internet-​Auftritt und die Buchungsmaske (auch) in deutscher Sprache aufrufbar sind, führt nicht zur Annahme, dass die Beklagte den Anschein einer Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO gesetzt hätte. Die Beklagte ist weltweit tätig und vertreibt ihre Tickets über das Internet in verschiedenen Sprachen.

22. Der vom Kläger vorgelegte Zeitungsartikel vom 13.9.14 (Bl. 226) enthält keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Anscheins einer Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO. Darüber hinaus konnte dieser Artikel offensichtlich nicht kausal gewesen sein für die streitgegenständliche Buchung bereits im September 2012.

23. Letztlich hat auch eine etwaige vorgerichtliche Korrespondenz mit der Frankfurter Direktion bei der Schadensabwicklung und -bearbeitung keinen Einfluss auf die entscheidende Frage, ob der Vertragsschluss von der Niederlassung ausgegangen war.

24. Schlussendlich würde selbst die Annahme eines Anscheins einer Niederlassung nicht zur Bejahung des Gerichtsstands der Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO führen. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Vertragsschluss Folge eines solchen Anscheins, z.B. eines werbenden Auftretens der Niederlassung, gewesen sein muss.

25. Der Vertragspartner muss Kenntnis von dem Handeln der Niederlassung, welche den Anschein begründen soll, gehabt haben und bewusst mit Rücksicht dieses Handelns den Vertrag geschlossen haben (BGHZ 188, 85). Dass vorliegend der Kläger die Buchung gerade wegen der Tätigkeit der Frankfurter Direktion vorgenommen hätte, ist vom Kläger nicht vorgetragen worden. Dies wäre auch höchst unwahrscheinlich gewesen. Regelmäßig studiert ein Fluggast nicht zunächst das Impressum eines Luftverkehrsunternehmens, bevor er eine Online-​Buchung tätigt.

26. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

27. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

28. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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