Verwendung des Begriffs „Stornierung“ im Kündigungsschreiben

AG Hamburg: Verwendung des Begriffs „Stornierung“ im Kündigungsschreiben

Der Kläger forderte die Erstattung des Reisepreises für eine von ihm wegen politischer Unruhe stornierten Ägyptenreise. Die Klage wurde abgewiesen, weil es an einem Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung der Reise fehlte.

AG Hamburg 17a C 331/11 (Aktenzeichen)
AG Hamburg: AG Hamburg, Urt. vom 01.10.2012
Rechtsweg: AG Hamburg, Urt. v. 01.10.2012, Az: 17a C 331/11
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Amtsgericht Hamburg

1. Urteil vom 1. Oktober 2012

Aktenzeichen 17a C 331/11

Leitsatz:

2. Stellt ein Reisender in einem Schreiben auf höhere Gewalt ab, ist ersichtlich, dass er die Kündigung beabsichtigt, ohne dass auf die Wortwahl („Stornierung“) ankommt.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Ägyptenreise vom 25.02.2011 bis 11.03.2011 mit Nilkreuzfahrt und Badeurlaub gebucht. Aufgrund politischer Unruhen stellte der Kläger der Beklagten ein Schreiben zu, in welchem er unter Verweis auf die Sicherheitslage die Stornierung der Reise verlangte. Daraufhin buchte die Beklagte die Reise auf den Zeitraum vom 15.11.2011 bis zum 29.11.2011 um und übersandte dem Kläger eine Rechnung mit Reisebestätigung.

Vor dem Amtsgericht Hamburg forderte der Kläger die Erstattung des Reisepreises in Höhe von 1.791,- €, sowie die Feststellung, dass keine Umbuchung erfolgt war. Nur letztere Forderung war erfolgreich. Der Kläger hatte in dem Schreiben eindeutig die Stornierung, also die Kündigung, verlangt und es war wider dem Bestreiten der Beklagten bei ihr rechtzeitig eingegangen.

Allerdings hatte der Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass die vorgetragenen Gründe höherer Gewalt die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt oder gefährdet haben würden. Daher stand ihm die Erstattung des Reisepreises nicht zu.

Tenor:

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagten keine Forderung in Höhe von 1.791,00 € aus einem von der Beklagten mit Rechnung und Bestätigung vom 10.02.2011 behaupteten Reisevertrag zusteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 32 %, die Beklagte zu 68 % zu tragen.

6. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

7. Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, auf Rückzahlung der Anzahlung aus einem Reisevertrag in Anspruch und begehrt daneben die Feststellung, es sei zu keiner Umbuchung der ursprünglichen Reise gekommen.

8. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau, …, bei der Beklagten eine siebentägige Nilkreuzfahrt mit anschließendem Badeurlaub für den Zeitraum vom 25.02.2011 bis 11.03.2011. Der geplante Reiseverlauf sah einen Flug von Berlin nach Kairo vor. Von dort sollte ein Transfer mittels Flugzeug nach Luxor erfolgen, wo die Nilkreuzfahrt mit mehreren Zwischenhalten beginnen sollte. Daran sollte sich ein Badeaufenthalt am Roten Meer anschließen. Der Gesamtpreis der Reise betrug 2.048,00 €. Der Kläger leistetet eine Anzahlung in Höhe von 307,00 €.

9. Im Frühjahr 2011 kam es in Kairo und weiteren ägyptischen Großstädten zu politischen Unruhen und Protesten gegen den Präsidenten. Infolge dessen erklärte der Kläger mittels anwaltlichen Schreibens vom 10. Februar 2011 unter Verweis auf die politischen Unruhen die „Stornierung“ der Reise und verlangte die Anzahlung zurück. Der Zugang des Schreibens steht zwischen den Parteien in Streit.

10. Die Beklagte buchte die Reise auf den Zeitraum vom 15.11.2011 bis zum 29.11.2011 um. Sie sandte dem Kläger eine auf den 10. Februar 2011 datierte Rechnung und Reisebestätigung zu. Der Preis der umgebuchten Reise betrug 1.791,00 €. Mittels Schreibens seines Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2011 widersprach der Kläger der Umbuchung.

11. Der Kläger trägt vor, die Durchführung der Reise wäre mit erheblichen Gefahren verbunden gewesen. Es habe eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Ägypten gegeben. Diese habe solche Regionen betroffen, die Bestandteil seiner Reise gewesen wären. Eine Anreise über Kairo mit eintägigem Aufenthalt wäre nicht möglich bzw. unzumutbar gewesen. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten hätten nicht besucht werden können. Aufgrund der Unübersichtlichkeit der politischen Lage habe es zu lebensbedrohlichen Situationen für Touristen kommen können. Ein unbeschwerter Urlaub wäre nicht möglich gewesen.

12. Hinsichtlich des Umbuchungsvorganges behauptet der Kläger, gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht zu haben, die Reise ausschließlich im Oktober 2011 antreten zu können.

13. Ihm stehe zudem die Erstattung vorgerichtlicher Kosten für die Mandatierung seiner Prozessbevollmächtigten zu.

14. Mit der Klage hat der Kläger zunächst Zahlung in Höhe von 844,30 € begehrt. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2011 hat der Kläger die teilweise Klagerücknahme in Höhe von 587,30 € erklärt. Den Restbetrag in Höhe von 307,00 € stellt der Kläger weiter zur Entscheidung.

15. Der Kläger beantragt zuletzt,

1.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 307,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. April 2011 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass der Beklagten keine Forderung in Höhe von 1.791,00 € aus einem von der Beklagten mit Rechnung und Bestätigung vom 10.02.2011 behaupteten Reisevertrag zusteht;

3.

die Beklagte zu verurteilen, zu Händen des Prozessbevollmächtigten des Klägers die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 120,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17. Die Beklagte vertritt die Auffassung, der ursprüngliche Reisevertrag sei nicht gekündigt worden. Der Kläger habe die Reise storniert und damit von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht

18. Sie trägt ferner vor, die ursprüngliche Reise sei einvernehmlich umgebucht worden. Der Kläger habe um eine Umbuchung auf einen Termin ab dem 15.11.2011, möglichst unter Änderung des Abflugorts von Berlin auf Hamburg ersucht. Mit einem Reiseantritt ab Berlin sei er gleichwohl einverstanden gewesen.

19. Sie habe sich zudem zum Zeitpunkt der Mandatierung der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug befunden.

20. Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 03.05.2012 zur Behauptung der Klagepartei, die Reise sei bei objektiver Betrachtung zum Kündigungszeitpunkt mit erheblichen Gefahren verbunden gewesen, durch uneidliche Vernehmung des Zeugen … Beweis erhoben. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.08.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

21. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

1.

22. Die Klage ist mit allen Anträgen zulässig. Das angerufene Gericht ist bezüglich sämtlicher Ansprüche gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 71 GVG, 12, 17 ZPO sachlich und örtlich zuständig.

23. Der Kläger hat hinsichtlich des Feststeilungsantrags zudem ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Der Anspruch auf Zahlung eines Reisepreises ist als subjektives Recht feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Ein Feststeilungsinteresse liegt vor, wenn einem Recht des Klägers eine gegenwärtige Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2010, 1877). Die Beklagte berühmt sich eines Rechts aus einem durch Umbuchung entstandenen Reisevertrag und macht hinreichend deutlich, an dieser Forderung weiterhin festhalten und sie durchsetzen zu wollen.

2.

24. Der Klage ist lediglich hinsichtlich des Feststellungsinteresses begründet. Die Rückzahlung der Anzahlung und die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann der Kläger hingegen nicht verlangen.

a)

25. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 307,00 € aus §§ 812, 651j, 651e Abs. 3 BGB zu. Die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung wegen höherer Gewalt liegen nicht vor.

aa)

26. Der Kläger hat die Kündigung gegenüber der Beklagten erklärt. Das Schreiben des Prozessvertreters der Beklagten vom 10.02.2011 ist als Kündigungserklärung im Sinne des § 651j BGB anzusehen.

27. Zwar wird im Kündigungsschreiben die Begrifflichkeit „stornieren“ verwendet. Auf die vom Reisenden verwendete Wortwahl kommt es bei der Erklärung einer Lösung vom Reisevertrag nicht entscheidend an (Führich,Reiserecht, 6. Auflage 2010, 2. Kap. § 15 Rn. 533a). Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Äußerung verstehen musste.

28. Angesichts der Begründung der „Stornierung“, die eindeutig auf den Kündigungsgrund der höheren Gewalt im Sinne von § 651j BGB abstellt und zur Begründung die Unruhen in Ägypten anführt, war für die Beklagte als Reiseveranstalterin ersichtlich, dass der Kläger nicht von einem Rücktrittsrecht im Sinne von § 651i BGB Gebrauch machen wollte, sondern die Kündigung zu erklären beabsichtigte.

29. Die Behauptung der Beklagten, die Kündigungserklärung sei ihr erst nach Ablauf der nicht angetretenen Reise und somit verspätet zugegangen, wird durch ihr Schreiben per E-​Mail vom 15.02.2011 widerlegt. Darin nimmt die Beklagte ausdrücklich auf das Kündigungsschreiben vom 10.02.2011 Bezug.

bb)

30. Für die Wirksamkeit der Kündigung kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigungserklärung entsprechend der Auffassung der Beklagten ins Leere gehe, weil eine Umbuchung der Reise erfolgt sei. Denn jedenfalls bestand zum Zeitpunkt der Kündigung kein Kündigungsgrund im Sinne von § 651j BGB. Eine Kündigung wegen höherer Gewalt setzt voraus, dass die Reise in Folge bei Vertragsschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt ist. Die Voraussetzungen konnte der Kläger nicht zur vollständigen Überzeugung des Gerichts beweisen.

(1)

31. Bei den politischen Unruhen in Ägypten im Frühjahr 2011 handelt es sich um einen Fall höherer Gewalt. Höhere Gewalt ist definiert als ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch äußerste Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis (BGH NJW 1990, 572). Die Massendemonstrationen in verschiedenen ägyptischen Großstädten überstiegen angesichts ihrer Dauer und Intensität das Maß einer grundsätzlich jederzeit möglichen allgemeinen politischen Krise. Sie waren in diesem Umfang bei Vertragsschluss für die Vertragsparteien auch nicht vorhersehbar.

(2)

32. Eine Kündigung nach § 651j BGB setzt ferner erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Reise voraus. Ob solche Auswirkungen auf die Reise zu befürchten gewesen wären, muss anhand einer objektiven Zukunftsprognose zum Zeitpunkt der Kündigung ermittelt werden (LG Frankfurt a.M. NJW 2003, 2618). Entscheidend ist insoweit, wie sich die objektive Lage zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung darstellte (Tonnerin: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 651j Rn. 17). Der tatsächliche spätere Verlauf bleibt hingegen außer Betracht.

33. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass einer Prognoseentscheidung grundsätzlich ein gewisses Maß an Unsicherheit innewohnt. Gleichwohl muss sich der Kündigende auf Fakten berufen und darf seine Entscheidungen nicht allein auf Vermutungen stützen (Führich,a.a.O., Rn. 550). Die Beweislast für das Vorliegen einer Lage, die zu einer Kündigung der Reise berechtigt, trägt grundsätzlich der Kündigende (A. Staudingerin: Staudinger, BGB, Stand 2011, § 651j Rn. 47).

(a)

34. Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht aufgrund des Parteivortrags und der Beweisaufnahme keine erheblichen Auswirkungen auf die Reise im Sinne von § 651j BGB festzustellen.

35. Eine erhebliche Erschwerung der Reise liegt vor, wenn die Reiseleistungen zwar noch möglich, aber für den Reisenden mit unzumutbaren Belastungen verbunden sind; eine erhebliche Beeinträchtigung liegt hingegen vor, wenn einzelne Reiseleistungen nicht mehr vertragsgemäß erbracht werden können (Führich, a.a.O, Rn. 549).

36. In diesem Zusammenhang gelingt dem Kläger zunächst kein Beweis hinsichtlich der Behauptung, ihm sei eine Anreise über Kairo nicht möglich bzw. unzumutbar gewesen.

37. Die Aussage des Zeugen … liefert in diesem Zusammenhang keine Hinweise. Dessen An- und Abreise erfolgte über Hurghada und Luxor, so dass über die örtlichen Gegebenheiten in Kairo keine Ausführungen zu erwarten waren.

38. Auch zu der streitigen Frage, ob es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gegeben habe, die eine Anreise über Kairo in Gegensatz zu einer vermeintlichen ausdrücklichen behördlichen Empfehlung gesetzt hätte, lässt die Aussage des Zeugen keine eindeutigen Schlüsse zu. Denn im Hinblick auf die Informationslage über die Gründe, warum der Zeuge aus Ägypten ausgeflogen wurde, ist die Aussage des Zeugen für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht hinreichend abgesichert.

39. Einerseits hat der Zeuge bekundet, die Reiseleitung habe den Ausflug der Touristen aus Ägypten mit einer Reisewarnung begründet. Andererseits habe die örtliche Reiseleitung keine Informationen über die Hintergründe des Nichtantritts der Nilkreuzfahrt kundgetan. Solche uneinheitlichen Informationen, zumal aus dritter Hand, vermögen die Behauptung des Bestehens einer Reisewarnung nicht zu tragen.

(b)

40. Der Kläger bleibt auch in Bezug auf das Vorliegen erheblicher Beeinträchtigungen der Reise aufgrund der Unmöglichkeit der Besichtigung wesentlicher Sehenswürdigkeiten sowie der Durchführung einer Nilkreuzfahrt beweisfällig.

41. Der Zeuge … hat in diesem Zusammenhang zwar glaubhaft schildern können, er habe zwei Tage auf unterschiedlichen Nilkreuzfahrtschiffen auf den Beginn der Kreuzfahrt warten müssen, bevor diese endgültig abgesagt wurde.

42. Diese Aussage stützt indes nicht die erforderliche Überzeugung des Gerichts, zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung wäre eine Beeinträchtigung der Reise des Klägers aller Voraussicht nach zu erwarten gewesen.

43. Zum einen hat der Zeuge ebenfalls deutlich gemacht, dass während des Zuwartens auf den Beginn der Nilkreuzfahrt die Sehenswürdigkeiten in Luxor besichtigt werden konnten. Zum anderen stützen die seitens des Zeugen beigebrachten Lichtbilder, weiche vereinzelte Polizei- oder Militärfahrzeuge, Absperrungen und einen Transporter mit Demonstranten darstellen, nicht die Annahme, die touristische Infrastruktur vor Ort sei zusammengebrochen bzw. nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen.

44. Darüber hinaus lag zwischen dem Ausflug des Zeugen aus Luxor am 2. Februar 2011 und der Kündigungserklärung des Klägers ein Zeitraum von einer Woche. Der Kläger hat nicht darlegen können, dass er aufgrund begründeter Annahmen davon ausgegangen sei, ähnliche Beeinträchtigungen würden bis zum Antritt seiner Reise am 25. Februar 2011 fortdauern.

(c)

45. Der Kläger hat auch nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt und bewiesen, dass eine erhebliche Gefährdungslage Vorgelegen habe.

46. Eine solche Gefahrlage ist anzunehmen, wenn die Reise mit unzumutbaren persönlichen Sicherheitsrisiken für den Kläger belastet ist. Hierbei ist zu entscheiden, ob und wo sich eine bereits bestehende höhere Gewalt auf Leib und Leben des Reisenden zum Zeitpunkt seines gebuchten Urlaubs auswirken könnte (Führich,a.a.O., Rn. 550).

47. Anhand der Schilderungen des Zeugen … lassen sich erhebliche Sicherheitsrisiken für Leib und Leben nicht feststellen. Dieser berichtet von der Undurchführbarkeit einer Nilkreuzfahrt, ohne dass es zu Auswirkungen auf die persönliche Sicherheit der Reisenden vor Ort gekommen sei.

48. Anhand der beigebrachten Pressemeldung im Online-​Angebot der Zeitschrift Focus gelingt ein Beweis der Gefährdungslage ebenfalls nicht. Diese berichtet über das Vorliegen einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt sowie der Empfehlung, eine Ausreise aus Ägypten ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Veröffentlichung ist indes nicht geeignet, Beweis über das Vorliegen einer Reisewarnung zu führen. Denn eine Pressemeldung bietet keine Gewähr dafür, dass Hinweise der Bundesregierung zutreffend ausgewertet worden sind. Ihr kann daher nicht entnommen werden, ob lediglich Reisehinweise in Bezug auf bestimmte Gebiete abgeben worden sind oder eine Reisewarnung im technischen Sinn, also eine Aufforderung an alle Bundesbürger, eine bestimmte Region zu verlassen, vorgelegen habe.

49. Ohnehin käme einem Warnhinweis des Außenministeriums nur Indizfunktion für das Bestehen einer Gefährdungslage zu (Tonner,a.a.O., § 651j Rn. 16). Es wäre daher weder beim Vorliegen einer Reisewarnung auf das Bestehen einer Gefährdung zu schließen, noch wäre umgekehrt bei Fehlen einer Warnmeldung die Annahme einer Gefährdungslage ausgeschlossen.

50. Der Kläger hätte insoweit weiter vortragen müssen, dass die ernsthafte Möglichkeit von Sicherheitsrisiken bestanden habe. Die Behauptung, die Unsicherheit der politischen Lage hätte jederzeit zu lebensbedrohlichen Situationen für Reisende führen können, stellt sich in dieser Form als Vermutung dar, die den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung nicht genügt.

b)

51. Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Anzahlung gegen die Beklagte folgt auch nicht aus § 651i BGB, § 346 Abs. 1 BGB analog. Der Kläger hat die Kündigung des Reisevertrages im Sinne von § 651j BGB erklärt. Eine Kündigungserklärung kann bei Fehlen der materiellen Voraussetzungen einer Kündigung nicht in eine Rücktrittserklärung umgedeutet werden (LG Leipzig, NJW-​RR 2005, 995). Die Rechtsfolgen der Vorschriften unterscheiden sich in Bezug auf das Anfallen einer Stornierungsgebühr. Daher würde der Reisende im Falle einer Umdeutung der Gefahr ausgesetzt werden, nicht intendierte Stornierungsgebühren zahlen zu müssen (A. Staudingerin: Staudinger, BGB, Stand 2011, § 651j, Rn. 6).

c)

52. Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB steht dem Kläger nicht zu. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Mandatierung der Prozessbevollmächtigten in Ermangelung einer wirksamen Kündigung mit der Rückzahlung der Anzahlung nicht in Verzug.

d)

53. Mit seinem Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens einer Forderung der Beklagten aus einem mit Rechnung und Bestätigung vom 10.02.2011 behaupteten Reisevertrag hat der Kläger Erfolg. Eine wirksame Umbuchung der ursprünglichen Reise ist in Ermangelung einer Einigung über wesentliche Vertragsbestandteile nicht zustande gekommen.

54. Die Umbuchung eines Reisevertrages setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit den für einen Reisevertrag maßgeblichen Bestimmungen voraus. Regelmäßig handelt es sich bei einem Wunsch des Reisenden gegenüber dem Reiseveranstalter, eine Änderung des Reiseortes, Reisetermins oder Reiseziels vorzunehmen, um einen Antrag im Sinne von § 145 BGB, den der Reiseveranstalter annehmen oder ablehnen kann (Tonner, a.a.O., § 651i, n. 27).

55. Die Parteien haben nach insoweit übereinstimmendem Vortrag auch in Bezug auf eine Änderung des Reisevertrages korrespondiert.

aa)

56. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger indes kein verbindliches Angebot abgegeben, das sie mittels Rechnung und Reisebestätigung vom 10.02.2011 hätte annehmen und damit eine Einigung bewirken können.

57. Denn selbst nach dem Vortrag der Beklagten wurde ihr der Vertragsschluss nicht in annahmefähiger Weise angeboten.

58. Dies setzt voraus, dass das Angebot alle wesentlichen Vertragsbestandteile, die so genannten essentialia negotii, umfasst (Bork in: Staudinger, Stand 2010, Vor §§ 145, 146, Rn. 37).

59. Die Erklärung des Klägers, Interesse an einer Verlegung der Reise zu haben, enthielt aber weder eine Präzisierung des Ortes für Antritt der Reise, noch eine Fixierung ihres genauen Zeitpunktes. Jedenfalls die zeitliche Präzisierung des Reisetermins ist als wesentlicher Vertragsinhalt eines Reisevertrags anzusehen (Tempelin: Informationspflichten bei Pauschalreisen, NJW 1996,1625 (1628)).

60. Der Wunsch, die Reise möglichst ab dem 15.11.2011 antreten zu können, entspricht den Anforderungen an die Bestimmtheit einer reisevertraglichen Vereinbarung nicht. Denn die Nennung eines Termins, ab dem eine Reise zeitlich möglich sein soll, präzisiert den Reisetermin nicht hinreichend. Anders wäre es womöglich gewesen, hätte eine weitergehende zeitliche Eingrenzung stattgefunden. Denkbar wäre insofern etwa die Äußerung, die Reise solle ab einem bestimmten Zeitpunkt, jedoch nicht später als bis zu einem weiteren präzisierten Termin stattfinden. Dies ist allerdings ersichtlich nicht geschehen.

61. Sofern sich die Parteien nicht über die wesentlichen Bestandteile eines Vertrages geeinigt haben, kommt ein Vertrag auf keinen Fall zustande (OLG Koblenz NJW-​RR 2002, 890, (891)). Ein Anwendungsfall des § 154 Abs. 1 S 1 BGB, wonach der Vertrag nur im Zweifel nicht geschlossen sein soll liegt, dann nicht vor (Bork,a.a.O, § 154, Rn. 3).

bb)

62. Eine Einigung hätte daher allenfalls allein durch die Annahme der Beklagten bewirkt werden können, wenn die Parteien ein Verfahren zur Bestimmung der fehlenden Teile des Vertrages durch die Beklagte vereinbart hätten.

63. Der Beklagten könnte ein Recht zur Bestimmung der übrigen Vertragsbestandteile im Sinne von § 315 BGB eingeräumt worden sein. Ein solches Bestimmungsrecht ist allerdings nur in Bezug auf die Konkretisierung des Abflugortes, nicht aber hinsichtlich des Reisezeitraums vorgetragen worden. Dass sich das partielle Bestimmungsrecht auch auf die Konkretisierung des Zeitraums hätte erstrecken sollen, ist angesichts der Bedeutung der Terminierung einer Reise für zwei Personen und dem damit verbundenen Koordinierungsaufwand allerdings nicht anzunehmen.

cc)

64. Folglich ist der Wunsch des Klägers auf eine Umbuchung ais invitatio ad offerendum anzusehen. Die Rechnung und Bestätigung der Beklagten vom 10.02.2011 ist daher ein Angebot an den Kläger auf Änderung der ursprünglichen Reise. Eine Annahme dieses Angebots ist nicht erfolgt. Vielmehr hat der Kläger mittels Schreiben vom 01.03.2011 das Angebot ausdrücklich zurückgewiesen.

II.

65. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

III.

66. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711 Nr. 11 ZPO.

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