Ausschlusses eines Fluggastes vom Weiterflug

AG Wedding: Ausschlusses eines Fluggastes vom Weiterflug

Ein Flugreisender wurde auf einem Anschlussflug nicht befördert, weil er in Folge eines Streits um Alkohol nach dem Vorflug in Polizeigewahrsam genommen wurde. Seine Klage wurde abgewiesen, weil er durch sein Fehlverhalten mit Recht vom Bordpersonal sanktioniert worden war.

AG Wedding 18 C 181/13 (Aktenzeichen)
AG Wedding: AG Wedding, Urt. vom 12.08.2013
Rechtsweg: AG Wedding, Urt. v. 12.08.2013, Az: 18 C 181/13
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Amtsgericht Berlin-Wedding

1. Urteil vom 12. August 2013

Aktenzeichen 18 C 181/13

Leitsätze:

2. Die luftpolizeiliche Hoheitsgewalt des Flugzeugführers, erlaubt ihm, störenden weil alkoholisierten Fluggästen Getränke abzunehmen und von der Weiterreise auszuschließen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger und drei Mitreisende befanden sich auf einer Flugreise über Riga nach Tel-Aviv, die von der Beklagten durchgeführt wurde. Der Kläger geriet in eine Auseinandersetzung mit dem Bordpersonal wegen seines angeblichen, wiederholten Versuches, Whiskey aus einer im Duty-Free-Shop erworbenen Flasche zu konsumieren, in deren Folge ihm die Flasche von einer Stewardess abgenommen und die Polizei in Riga informiert wurde. Jene nahm den Kläger nach der Landung in Gewahrsam, in dem er nach eigenen Angaben in seinen Rechten beschnitten wurde und weswegen er den Anschlussflug verpasste.

Vor dem Amtsgericht Wedding forderte der Mann Schadensersatz und Erstattung zusätzlicher Ticketkosten, sowie einer seiner Ansicht nach unberechtigten Gebühr für Gepäckstücke. Er bestritt den Alkoholverzehr bzw. den Versuch.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Flugzeugpersonal war im Rahmen seiner hoheitlichen Befugnisse vorgegangen und nach Ansicht des Gerichtes hatte der Kläger allen Anlass dazu geliefert. Der Konsum mitgebrachten Alkohols war an Bord nicht gestattet. Selbst wenn der Kläger nicht wirklich trinken hätte wollen, hatte er den Anschein erweckt. Daher stand ihm für die Wegnahme des Alkohols und die Benachrichtigung der Polizei kein Schadensersatz zu. Außerdem ergab sich nicht aus dem Luftbeförderungsvertrag, dass die Mitnahme des vom Kläger bezahlten Gepäcks inbegriffen gewesen sei.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger hatte bei der Beklagten – gemeinsam mit 3 Begleitern/ Begleiterinnen – für den 01.10.2012 Flüge nach Riga und von dort weiter nach Tel Aviv gebucht.

6. Er behauptet, beim Einchecken erstmals die Mitteilung erhalten zu haben, dass er für jedes Gepäckstück 30,00 € entrichten müsse, mithin für den Hin- und Rückflug insgesamt 60,00 €. Mit der Behauptung, diesen Betrag am Schalter in bar entrichtet zu haben und dass üblicherweise ein Handgepäckstück und ein aufgegebenes Gepäckstück kostenlos sei, begehrt er zunächst die Erstattung dieser 60,00 €.

7. Auf dem Flug nach Riga kam es zu Differenzen des Klägers mit dem Bordpersonal:

8. Zunächst wechselte der Kläger und eine seiner Begleiterinnen nach Vollendung des Boarding ohne Rücksprache mit dem Bordpersonal die Plätze, womit das Personal nicht einverstanden war. In der Folgezeit untersagten die Stewardessen dem Kläger, im Duty Free Shop erworbenen Wodka zu trinken. Als der Kläger später die Wodkaflasche ergriff, um – nach seiner Behauptung – an darunter befindliche Kakaobohnen zu gelangen, griff eine der Flugbegleiterinnen an die 0,35 l Flasche und wollte sie ihm wegnehmen. Als der Kläger die Flasche festhielt, riss dabei der Verschluss ab. Die Stewardess ließ die Flasche los und drohte an, der Kläger werde sehen, was er davon habe. In der Folgezeit kam es mindestens noch zu einer kurzen Diskussion des Klägers mit einem anderen Fluggast, der den Kläger als Idioten bezeichnete, wenn er von einer „Billigairline“ einen besonderen Service erwarte.

9. Aufgrund einer – angeblich unwahren – Mitteilung der Vorfälle an die Polizei in Riga nahm diese den Kläger beim Ausstieg um 23:00 Uhr in Empfang und brachte ihn zum Polizeirevier am Flughafen. Der Kläger behauptet, ohne Belehrung über seine Rechte unter Anbrüllen und Verwendung einer ausländischen, wohl der lettischen Sprache hat in eine Zelle gebracht worden zu sein. Fragen nach Getränken oder einer Toilette seien abschlägig beschieden und mit einem Schlag ins Gesicht beantwortet worden. Erst am nächsten Morgen sei er auf die Toilette gelassen worden und nach dem Unterschreiben eines in ausländischer Sprache abgefassten, ihm unverständlichen Protokolls, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 10 der Akte Bezug genommen wird und auf welchem er handschriftlich vermerkte: „I was not aggressive. The Stewardess attacked us“, entlassen worden.

10. Seinen Anschlussflug verpasst der Kläger wegen seines zwischenzeitlichen Aufenthalts bei der Polizei. Er behauptet, für die Buchung eines am 02.10.2012, 15:20 Uhr startenden Alternativfluges habe er 520,00 € aufwenden müssen wie für ein wegen der Verspätung verfallenes Busticket 65,00 € und gebuchte aber nicht in Anspruch genommene Hotelzimmer in Akabar, Petra und Amman insgesamt 137,00 €. Neben diesen angeblichen Schäden macht der Kläger wegen der willkürlichen und keinen rechtsstaatlichen Bedingungen genügenden Behandlung durch die Polizei gegen die Beklagte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1000,00 € geltend.

11. Mit anwaltlichen Schreiben vom 12.11.2012 und 05.12.2012, wegen deren Einzelheiten auf die unter dem 08.03.2013 ausgedruckten Duplikate, Blatt 11-​14 und 15-​17 der Akte, Bezug genommen wird, forderte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die Beklagte zum Ausgleich von 1782,00 € – erfolglos – auf, im erstgenannten Schreiben unter Fristsetzung zum 26.11.2012. Für diese anwaltliche Tätigkeit begehrt der Kläger eine Freistellung von den vorprozessualen anwaltlichen Kosten in Höhe von 229,55 €, wegen deren Bezifferung im Einzelnen auf Seite 9 der Klageschrift, Blatt 9 der Akte, Bezug genommen wird.

12. Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 782,00 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1000,00 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

3.

ihn gegenüber den Rechtsanwälten … von der Verpflichtung zur Zahlung anwaltlicher Gebühren in Höhe von 229,55 € freizustellen.

13. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14. Sie verweist darauf, dass das aufgegebene Gepäckstück als Handgepäck nicht zugelassen war.

15. Ferner führt sie an, dass gemäß Artikel 11 ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 34-​42 der Akte Bezug genommen wird, der Genuss selbst mitgebrachten Alkohols untersagt sei. Entsprechend einem „Security Report“, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 61 der Akte und wegen dessen Übersetzung auf Blatt 65 der Akte Bezug genommen wird, habe das Bordpersonal vor der Auseinandersetzung um die Wodkaflasche den Kläger und seine Begleitung gebeten, es zu unterlassen, mitgebrachte Spirituosen zu konsumieren. Der Kläger habe sich uneinsichtig gezeigt. Obwohl ihm angekündigt worden sei, bei Fortsetzung die Flasche wegzunehmen, habe er wenig später die Alkoholflasche geöffnet und diese auch nicht herausgegeben, als ein Mitglied der Besatzung diese herausverlangt habe. Der Kläger habe – einen angetrunkenen Zustand erweckend – darüber hinaus immer lauter und aggressiv unbeteiligte Mitreisende belästigt, die sich beim Bordpersonal beschwert und um Abhilfe gebeten hätten. Die Begleiterin … des Klägers habe unhöfliche Grimassen geschnitten und ein Kabinenmitglied als „Bitch“ bezeichnet.

16. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

17. Dem Kläger steht zunächst kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der für die Aufgabe des Gepäcks angeblich entrichteten weiteren 60,00 € zu, §§ 631 ff., 280, 249 BGB. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit der Nachforderung des Entgelts für das jeweils aufgegebene Gepäckstück des Klägers eine Pflicht aus dem geschlossenen Beförderungsvertrag verletzt hätte.

18. Mangels Vortrags näherer Einzelheiten zur erfolgten Buchung des Fluges – der Kläger hat weder einen Flugschein noch sonstige Buchungsunterlagen vorgelegt – ist nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger als Preis für den gebuchten Flug einen Betrag vereinbart bzw. entrichtet hat, der die Beförderung eines Gepäcksstückes beinhaltete bzw. nicht deutlich machte, dass dieses Entgelt die Mitnahme von aufzugebenden Gepäckstücken nicht umfasste, §§ 138 Abs. 1 ZPO, 145, 311, 631 ff. BGB.

19. Selbstverständlich ist dies entgegen der Behauptung des Klägers mittlerweile nicht mehr. Immer mehr (namentlich: Billig-​) Fluglinien gehen dazu über, sich diverse Einzelheiten ihrer Leistungen zusätzlich bezahlen zu lassen, so dass es Aufgabe des aufmerksamen Reisenden ist, sich genau darüber zu informieren, welche (Zusatz-​) Kosten für die geplante Reise tatsächlich anfallen. Dass die Beklagte den Kläger hierüber im Unklaren gelassen hätte, ist mit dem völlig lapidaren Vortrag, der Kläger habe erstmals beim Einchecken von zusätzlichen Kosten für das Aufgeben eines Gepäckstücks erfahren, nicht hinreichend vorgetragen, § 138 Abs. 1 ZPO.

20. Auch der weitere auf den Verlauf des Fluges abgestellte Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 722,00 € bzw. mindestens 1000,00 € steht dem Kläger nicht zu, §§ 631 ff., 280, 249, 823, 253 BGB. Denn es fehlt bereits nach dem Klägervortrag an einem rechts- oder vertragswidrigen Verhalten der Beklagten.

21. Gemäß Art. 11 Ziffer 11.1 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten hatte der Kläger an Bord Anweisungen der Besatzung, die das Rauchen oder den Alkohol- oder Drogenkonsum betreffen, zu befolgen.

22. Darauf, ob der Kläger detaillierte Kenntnis von diesen Beförderungsbedingungen besaß, kommt es nicht an. Denn unstreitig hatte eine Stewardess ihn, nachdem er und seine Begleiter/ -innen mitgebrachte Spirituosen konsumierten, aufgefordert, mitgebrachten Alkohol nicht zu trinken.

23. Dass das Bordpersonal in der Folgezeit diese Aufforderung durchzusetzen versuchte, entsprach seinen Befugnissen. §12 des Luftsicherheitsgesetzes bestimmt zu den Aufgaben und Befugnissen des verantwortlichen Luftfahrzeugführers, dass dieser als sog. Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen hat und befugt ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insbesondere kann er gemäß Abs. 2 Nr. 2 Gegenstände sichersteilen und hierzu Zwangsmittel anwenden. Dabei haben gemäß Abs. 4 alle an Bord befindlichen Personen den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nach Absatz 2 Folge zu leisten.

24. Bei derartigen Maßnahmen übt der Flugzeugführer luftpolizeiliche Hoheitsgewalt aus. Daneben hat er als Vertreter der Fluggesellschaft privatrechtliche Weisungsbefugnisse, die sich aus dem mit dem Fluggast geschlossenen Beförderungsvertrag ergeben (LG Duisburg, Urteil vom 31.05.2007, 12 S 151/06, zitiert nach juris, Rn 4, m. w. N.).

25. Zu seiner Aufgabe, für Ordnung und Sicherheit im Flugzeug zu sorgen gehört auch, dass der Reisende im Notfall vom Weiterflug ausschließen kann. Mögliche Ausschlussgründe sind Lärmstörungen infolge Trunkenheit, Nichtbefolgung von Rauchverboten oder vergebliche Aufforderungen zum Anschnallen und Einnehmen der Sitzplätze, etwa bei Turbulenzen in der Wetterlage, oder auch lautstarke Streitigkeiten zwischen den Reisenden (vgl. Allgaier, Ausschluß eines Fluggastes – Mangelndes Wohlverhalten an Bord eines Flugzeugs zahlt sich nicht aus, VersR 1989, 128, zitiert nach juris, Seite 2 oben).

26. Bei seiner Beurteilung steht dem Flugkapitän ein Ermessensspielraum zu und sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nicht allzu hoch anzusetzen (Meyer/Gommert, a.a.O. S. 164).

27. Der Flugkapitän kann sich dabei als Hilfspersonen seiner Besatzung bedienen (Meyer/ Gommert, Disruptive Passengers, ZLW 2000, 158 <164>).

28. Die berechtigten Maßnahmen des Flugkapitäns können dazu dahin gehen, durch Verweis alkoholisierter Personen andere Passagiere vor Belästigungen zu schützen und diesen einen entspannten Flug zu ermöglichen (vgl. LG Bonn, Urteil vom 07.06.2000, 5 S 18/00, zitiert nach juris, Rn 6; Meyer/ Gommert, a. a. O., Seite 163). Denn ein alkoholisierter Passagier stellt eine Gefahr für den Luftverkehr dar. Während des Fluges ist der Körper besonderen Belastungen ausgesetzt, die sich insbesondere aus der Flughöhe und den dadurch beeinträchtigten Luft- und Sauerstoffverhältnissen ergeben. Eine erhebliche Alkoholisierung erhöht die Gesundheitsgefahren und steigert die Wahrscheinlichkeit des Kollabierens. Dies stellt nicht nur eine Gefahr für den betroffenen Passagier dar, sondern darüber hinaus auch für die übrigen Fluggäste und die Besatzung (LG Bonn, a.a.O., Rn 5). Es kommt hinzu, dass naturgemäß insbesondere stärker alkoholisierte Personen dazu neigen, überzureagieren, störend zu wirken und besonders unbedachte Handlungen zu unternehmen. Wie eine für den Zeitraum von Juni 1997 bis Juni 1998 durchgeführte Untersuchung ergeben hat (vgl. Meyer/ Gommert, a.a.O., Seite 159) stellen Taten unter Alkoholeinfluss mit zwischen 25 und 43 % einen erheblichen Anteil der Zwischenfälle im Luftverkehr dar (innerdeutsch: 60 von 141 Vorfällen, europäisch 153 von 403 Vorfällen und interkontinentalen 176 von 708 Fällen). Dies macht deutlich, dass einer zu starken Alkoholisierung von Fluggästen vorgebeugt werden muss.

29. Dahingehende effektive Maßnahmen sind insbesondere dadurch gewährleistet, dass das Bodenpersonal beim Einchecken und die Flugzeugbesatzung bei Betreten des Flugzeuges den Anfangszustand des Reisenden durch Augenscheinseinnahme (etwa bei der Begrüßung) kurz und beiläufig überprüfen und in der Folgezeit darauf achtet, dass die Passagiere an Bord nicht übermäßig dem Alkohol zusprechen. Dies ist maßgeblich nur gewährleistet, wenn Passagiere an Bord nur die dort ausgeschenkten alkoholischen Getränke verzehren dürfen. Nur dadurch wird verhindert, dass ein Passagier heimlich (etwa aus im Duty Free Shop erworbenen Flaschen) übermäßig Alkohol zu sich nimmt und mehr oder weniger unbemerkt in einen Trunkenheitszustand gerät. Verkaufsinteressen stehen bei dieser Regelung ersichtlich nicht im Vordergrund.

30. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war es gerechtfertigt, dass die Stewardessen die Whiskyflasche, aus der der Kläger auch nach seinem eigenen Vortrag unstreitig zuvor einmal getrunken oder zu trinken versucht hatte (weshalb hätten die Stewardessen ihm dies sonst auch untersagen sollen?), herausverlangten, als er erneut zu ihr griff, und ihm, als er dieser Aufforderung nicht folgte, die Flasche wegzunehmen versuchten. Dass der Kläger sich dieser Aufforderung und Maßnahme entzog, indem er die Flasche nicht herausgab, sondern sie festhielt und eine handgreifliche Auseinandersetzung um sie provozierte, stellt einen Verstoß gegen seine Verhaltenspflichten an Bord dar. Natürlich hätte es sich in dieser Situation gehört, die Flasche freiwillig herauszugeben und so für das Flugpersonal, das auch andere Aufgaben als die Überwachung des Klägers hatte, dauerhaft sicherzustellen, dass ein weiterer Alkoholkonsum zuverlässig nicht erfolgte.

31. Es kann dahinstehen, ob der Kläger in dieser Situation, die zu der körperlichen Auseinandersetzung um die Flasche führte, tatsächlich gar nicht aus der Flasche trinken wollte, sondern sie nur deshalb anfasste, um an unter ihr befindliche Kakaobohnen zu gelangen. Ob es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handelt, kann vor allem deshalb dahinstehen, weil der Kläger bereits mit dem Anfassen der Flasche den nachvollziehbaren Anschein gesetzt hatte, er würde erneut – entgegen der Anordnung – dem Alkohol zusprechen wollen. Gerade wenn es sich hierbei um ein Missverständnis handelte, hätte nichts näher gelegen, als spätestens dem anschließenden ausdrücklichen Herausverlangen der Flasche Folge zu leisten und – durchaus defensiv – für den gesetzten falschen Anschein einzustehen. Das Festhalten und anschließende Gerangel um die Flasche stellte jedenfalls einen Verstoß des Klägers gegen die Verhaltenspflichten an Bord dar. Dass der Kläger im Übrigen nicht den nach seinem Vortrag erweckten friedlichen Eindruck vermittelte, folgt durchaus auch aus der von ihm eingeräumten weiteren Diskussion mit einem fremden Mitreisenden. Weshalb dieser den Kläger völlig grundlos als „Idioten“ hätte bezeichnen sollen, erscheint in keiner Weise nachvollziehbar, wenn nicht der Kläger sich sehr zuvor in unangemessener Weise verhalten hätte.

32. Rechtmäßig handelte die Besatzung der Beklagten auch dadurch, dass sie nach der nicht unerheblichen Auseinandersetzung, die gerade nicht damit geendet hatte, dass der Kläger letztendlich den Anordnungen Folge geleistet hätte, der Polizei in Riga Meldung von dem Vorfall erstattete. Es hatte sich bei dem handgreiflichen Streit um die Flasche mit dem Alkohol um einen sicherheitsrelevanten Vorfall gehandelt, bei dem sich der Kläger den berechtigten Anordnungen widersetzt hatte, indem er die Flasche nicht herausgegeben hatte. Dieser Vorfall war auch insofern nicht abgeschlossen, als der Kläger nach der Zwischenlandung von der Beklagten von Riga nach Tel Aviv weiterbefördert werden wollte. Es war daher angemessen, dass die Beklagte es unternahm, nach der Landung in Riga die Polizei den Vorfall überprüfen und sie angemessen erscheinende Maßnahmen ergreifen zu lassen. Wenn dabei die Polizei bei der Handhabung in unzulässiger Weise vorgegangen sein sollte, fällt dies nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten, sondern ist allein von dieser staatlichen Autorität zu verantworten.

33. Dass die Beklagte durch eine unzutreffende Schilderung der Vorfälle ein unangemessenes Verhalten der Polizei provoziert hätte, ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger nicht näher vorgetragen, welches die ihm von der Polizei (nach der maßgeblichen Sachverhaltsschilderung durch die Beklagte) zur Last gelegten (unzutreffenden) Verhaltensweisen waren. Namentlich hat er nicht mehr vorgetragen, ob und welche unberechtigten Vorwürfe das eingereichte Protokoll möglicherweise enthielt. Dem eingereichten, in ausländischer Sprache abgefassten Schriftstück, Anlage K1, Blatt 10 der Akte, ist dies nicht zu entnehmen.

34. Mangels Hauptansprüchen sind auch die geltend gemachten Zinsansprüche unbegründet, §§ 266, 288 BGB. Dasselbe gilt bezüglich des erhobenen Freistellungsanspruchs bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, § 286 Abs. 1, 249 BGB.

35. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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