Sturz eines Bahnreisenden auf dem Bahnsteig wegen Glatteis

LG Wuppertal: Sturz eines Bahnreisenden auf dem Bahnsteig wegen Glatteis

Eine Bahnreisende forderte von der Deutschen Bahn Schmerzensgeld für einen Sturz auf Glatteis in einem Bahnhof. Die Klage wurde abgewiesen, weil die Bahn keine Verkehrssicherungspflicht des Bahnhofes hatte.

LG Wuppertal 16 O 165/09 (Aktenzeichen)
LG Wuppertal: LG Wuppertal, Urt. vom 26.08.2010
Rechtsweg: LG Wuppertal, Urt. v. 26.08.2010, Az: 16 O 165/09
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Landgericht Berlin

1. Urteil vom 26. August 2010

Aktenzeichen 16 O 165/09

Leitsatz:

2. Das Unternehmen im Personenbahnverkehr verpflichtet sich durch die Nutzung eines Bahnhofes, den es nicht selbst betreibt, nicht zur Verkehrssicherungspflicht.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin war in einem Bahnhof auf gefrorenem Boden ausgerutscht und hatte sich beim Sturz Verletzungen zugezogen. Von der Deutschen Bahn und der Firma, die mit der Reinigung des Bahnhofs betraut war, forderte sie vor dem Landgericht Wuppertal Schmerzensgeld und Schadensersatz für Folgeschäden des Unfalls.

In einem Zwischenurteil wurde die Klage gegen die Deutsche Bahn abgewiesen. Der Klägerin standen keine Ansprüche gegen die Bahn zu, weil der Vertrag mit dieser nur die Beförderung auf einer Bahnreise, nicht aber den sicheren Zugang zum Gleis umfasste. Die Deutsche Bahn war nicht Betreiberin des Bahnhofes. Der Umstand, dass sie ihn anfuhr, legte ihr noch keine Verkehrssicherungspflichten auf.

Tenor:

4. Die Klage gegen die Beklagte zu 1. wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

5. Die Klägerin stürzte am 05.03.2006 wegen Glatteises auf dem Bahnsteig 1 des Solinger Hauptbahnhofs, dessen Eigentümerin die DB Station & Service AG mit Sitz in E ist und auf dessen Gelände die Beklagte zu 2. Reinigungs- und Winterdienstaufgaben übernommen hatte. Bei der Beklagten zu 1., von der sie unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-​ €, Schadensersatz sowie die Feststellung einer Ersatzverpflichtung für zukünftige Schäden begehrt, hatte die Klägerin zuvor eine Fahrkarte für eine Hin- und Rückfahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden gekauft.

6. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu 1. habe für die Folgen dieses Sturzes einzustehen.

7. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu 1.) – gesamtschuldnerisch haftend mit der Beklagten zu 2.) – zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagte zu 1.) – gesamtschuldnerisch haftend mit der Beklagten zu 2.) – zu verurteilen, an sie 4.374,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte zu 1.) – gesamtschuldnerisch haftend mit der Beklagten zu 2.) – verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden, die aus dem Vorfall vom 05.03.2010 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen,

die Beklagte zu 1.) – gesamtschuldnerisch haftend mit der Beklagten zu 2.) – zu verurteilen, an sie weitere 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8. Die Beklagte zu 1. beantragt,

die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

9. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

10. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht unter anderem eine deliktische Handlung und Haftung der Beklagten zu 1. geltend. Der insoweit maßgebliche Sachverhalt ist damit als sogenannte doppelrelevante Tatsache zu behandeln mit der Folge, dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 32 ZPO anzunehmen ist.

11. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie auf die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. nicht zu.

12. Ein solcher Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. Die Beklagte zu 1. war der Klägerin aufgrund des mit dem Kauf der Fahrkarte abgeschlossenen Beförderungsvertrages nur zur Beförderung mit einem Zug verpflichtet. Die Beklagte zu 1. war der Klägerin aus diesem Vertrag hingegen nicht verpflichtet, für einen sicheren Weg bis zum Einsteigen in den Zug zu sorgen. Eine solche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB lässt sich weder dem Vertrag selbst noch den Umständen entnehmen. Die Beklagte zu 1. ist ein eigenständiges Unternehmen, welches nicht die Bahnhöfe betreut. Zwar fährt sie diese mit ihren Fernzügen an. Dies unterscheidet sie jedoch nicht von anderen Bahnunternehmen, welche die Bahnhöfe auch nutzen. Allein der Umstand der Nutzung der Bahnhöfe begründet keine Verkehrssicherungspflicht für deren Zustand, wenn diese in fremdem Eigentum stehen und damit die Verkehrssicherungspflicht kraft Sachherrschaft den Eigentümer trifft (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1967 – III ZR 165/66).

13. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 1 HPflG. Die Klägerin ist nicht bei dem Betrieb einen Schienenbahn im Sinne der Vorschrift verletzt worden. Die Klägerin trägt nicht vor, dass ihr Sturz im Zusammenhang mit dem in den Bahnhof eingefahrenen Zug stand. Sie ist vielmehr schlicht auf dem Bahnsteig ausgerutscht. Dies erfüllt die Voraussetzungen einer Haftung nach § 1 Abs. 1 HPflG indes nicht (vgl. LG Stuttgart, VersR 1982, 680; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl., § 1 Rz. 107).

14. Auch sonstige Ansprüche aus Delikt, etwa aus § 823 Abs. 1 BGB, stehen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. nicht zu. Da sie für die Bahnhöfe keine Verantwortlichkeit trifft, trifft sie auch keine Haftung, gleich welcher Art.

15. Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

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