Keine Stornierung wegen höherer Gewalt bei Gefahr terroristischer Anschläge in Kenia

AG Köln: Keine Stornierung wegen höherer Gewalt bei Gefahr terroristischer Anschläge in Kenia

Eine Reisende buchte bei einem Reiseveranstalter einen Pauschalurlaub in Kenia. Einige Wochen vor Reiseantritt erfuhr die Reisende von Terroranschlägen in der Nähe ihres Urlaubsortes. Das Auswärtige Amt gab auch Reisewarnungen für das Gebiet heraus. Daraufhin rief die Reisende bei der Reiseveranstaltung an und stornierte ihre Reise.

Der Reiseveranstalter behielt jedoch mehr als die telefonisch mitgeteilten 40% des Reisepreises ein. Auch auf ein anwaltliches Schreiben behielt die Reiseveranstaltung mehr als die vereinbarten 40% ein. Daher klagte die Reisende vor dem Amtsgericht (kurz: AG) Köln.

Das AG Köln gab der Klägerin zu teilen Recht und sprach ihr eine Zahlung zu.

AG Köln 142 C 625/14 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 29.08.2016
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 29.08.2016, Az: 142 C 625/14
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 29. August 2016

Aktenzeichen 142 C 625/14

Leitsätze:

2. Ein Reiseveranstalter ist bei der Stornierung einer gebuchten Reise, die Ersparnis bei der Stornierung an den Kunden zurückzuzahlen.

Aufwendungen des Reiseveranstalters, die im voraus geleistet wurden werden dem Kunden jedoch nicht erstattet.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte für sich und ihre Tochter am 22.05.2014 eine Pauschalreise nach Kenia. Die Unterbringung sollte vom 06.08.2014 bis zum 13.08.2014 im M. Golf Resort in E. Beach erfolgen. Der Reisepreis betrug 2683,00 €.

Am 18.07.2014 erhielt die Klägerin von der Beklagten Sicherheitshinweise zur umliegenden Umgebung. Die Sicherheitshinweise wurden vom Auswärtigen Amt herausgegeben, darin wird vor einem längeren Aufenthalt am Flughafen N. gewarnt, sowie vor Anschlägen in Ferienorten in der Nähe von N. Ziele seien dabei Regierungsgebäude, Hotels, Bars und Restaurants gewesen.

Die Klägerin rief daraufhin am 21.07.2014 im Büro der Beklagten an und stornierte den Reisevertrag telefonisch. Die Mitarbeiterin teilte der Klägerin mit, dass eine Stornogebühr von 40% des Reisepreises anfallen würde und sie die Stornierung noch einmal per E-Mail bestätigen sollte. Die E-Mail wurde von der Beklagten am 26.07.2014 verschickt. Die Beklagte stellte der Klägerin 90% des Reisepreises in Rechnung. Auf ein anwaltliches Schreiben der Klägerin hin reduzierte die Beklagte die einbehaltene Summe von 2415,00 € auf 1720,00 €.

Da dies noch immer mehr als die telefonisch vereinbarten 40% waren, verklagte die Klägerin die Beklagte und forderte 1720,00 €, da die sie aufgrund der Terrorgefahr storniert hatte und somit ihrer Ansicht nach höhere Gewalt zugrunde lag.

Das AG Köln gab der Klägerin teilweise Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 14,98 €. Da der Beklagten durch die Stornierung Kosten in Höhe von 1705,10 € für die Flugtickets und die Provision des Reisebüros entstanden waren, hatte die Beklagte das Recht diese einzubehalten, wenn ein Weiterverkauf nicht möglich war. Die Beklagte erfuhr nach eigenen Angaben erst durch das Nichterscheinen der Klägerin von ihrer Stornierung. Laut Angaben der Beklagten fand vorher keine Stornierung statt, weder durch Telefonat noch per E-Mail. Die Klägerin konnte auch nicht nachweisen, dass sie die Stornierung telefonisch oder per E-Mail durchgeführt hatte. Somit war ein Weiterkauf nicht möglich.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem  12.09.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, auf Rückzahlung des Reisepreises in Anspruch.

6. Am 22.05.2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten über das Online Reiseportal „x.de“ einen Pauschalreisevertrag für eine Reise nach Kenia vom 06.08.2014 bis zum 13.08.2014 für sich und ihre Tochter. Der Reisepreis betrug 2.683,00 Euro. gebucht war eine Unterbringung im M. Golf Resort in E. Beach. Vom Zielflughafen N. sollte ein Transfer nach E. Beach erfolgen. Am 18.07.2014 übersandte die Beklagte der Klägerin vom Auswärtigen Amt zu L. herausgegebene Sicherheitshinweise. In diesem wurde mitgeteilt, dass sich in den vergangenen Monaten terroristische Anschläge in der Hauptstadt O., aber auch nahe der Ferienorte in der Umgebung von N., gehäuft hätten. Ferner wurde von nicht notwendigen Fahrten nach N.und in die umliegenden Ortschaften abgeraten. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass Ziele bisher Regierungsgebäude, Hotels, Bars und Restaurants, Einkaufszentren und öffentliche Verkehrsmittel und Flughäfen waren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Mitteilung der Beklagten wird auf Bl. 36 f. d.A. Bezug genommen.

7. Die Klägerin und ihre Tochter erschienen am Tag des Abflugs nicht. Die Beklagte stellte der Klägerin mit Rechnung vom 12.08.2014 zunächst 90 % des Reisepreises, entsprechend 2.415,00 Euro in Rechnung. Auf anwaltliches Schreiben der Klägerin vom 19.08.2014 reduzierte die Beklagte die Stornogebühren dann auf 1.720,00 Euro. Der restliche Reisepreis wurde der Klägerin erstattet.

8. Die Klägerin behauptet, sie habe den Pauschalreisevertrag am 21.07.2014 telefonisch gekündigt. Sie behauptet, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin P., geb. Z., der Klägerin in dem Telefonat am 21.07.2014 mitgeteilt habe, dass bei Stornierung der Reise eine Stornogebühr von 40 % des Reisepreises anfallen würde, woraufhin die Klägerin gesagt habe, dass sie die Reise dennoch storniere. Die Klägerin behauptet, sie habe die Zeugin P. dann gefragt, ob sie dies noch schriftlich brauche, woraufhin diese gesagt habe, dass eine Email ausreichend sei. Die Klägerin behauptet, sie habe der Beklagten am 26.07.2014 eine Email gesendet, mit welcher sie nochmals die Reise storniert habe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts das Zielgebiet betrafen und daher eine Kündigung gem. § 651 j BGB berechtigt gewesen sei. Zum einen habe das Auswärtige Amt von nicht notwendigen Fahrten nach N. und in die umliegenden Ortschaften abgeraten. Der Zielort E. Beach liege lediglich 36 km von N. entfernt, sodass die Reiseroute der Klägerin von den Sicherheitshinweisen erfasst sei. Zum anderen habe gerade für Flughäfen die Gefahr terroristischer Anschläge bestanden. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, dass die Gefahr terroristischer Anschläge in ganz L. bestanden habe. Die Beklagte sei daher auch zur Rückzahlung der einbehaltenen 1.720,00 Euro verpflichtet.

9. Die Klägerin beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.720,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2014 zu zahlen.

11. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2015 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte behauptet, ihr seien für die stornierte Flugleistung von dem vertraglichen Luftfrachtführer Fa. G.Touristik 1.388,90 Euro in Rechnung gestellt worden. Die Beklagte behauptet weiter, dass es sich bei dem gebuchten Flug um einen Linienflug gehandelt habe und eine anderweitige Verwertung, im Gegensatz zu sonst gebuchten Kontingenten bei Charterflügen, nicht möglich gewesen sei. Die Beklagte behauptet, dass die Flugleistung individuell mit der Hotelbuchung vorgenommen worden sei auf Grundlage des am Buchungstag vorhandenen Angebots am Markt für Flugbeförderung. Die Beklagte behauptet weiter, sie habe 353,20 Euro Provision an das vermittelnde Reisebüro gezahlt und ihr selbst sei ein Bearbeitungsaufwand in Höhe von 100,00 Euro entstanden. Die Beklagte behauptet ferner, dass diese Aufwendungen in den Preis, der vom Kunden verlangt wird, einfließen würden.

15. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 04.04.2016 (Bl. 107 f. d.A.) durch Vernehmung der Zeugen Z. und Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.06.2016 (Bl. 113 ff d.A.) verwiesen.

16. Weiter wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17. Die Klage ist überwiegend unbegründet.

18. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von weiteren 14,98 Euro des von ihr an die Beklagte bei der Buchung der Reise nach L. gezahlten Reisepreises gemäss § 651 i BGB. Weitere Ansprüche bestehen nicht.

I.

19. Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf Rückzahlung des restlichen Reisepreises aus § 651 j BGB. Dieser Anspruch  scheitert daran, dass die Klägerin den wirksam zustande gekommenen Reisevertrag auf der Grundlage von § 651 j BGB nicht kündigen konnte, da die Gefahr terroristischer Abschläge in L. im konkreten Fall keine höhere Gewalt gemäss § 651 j BGB darstellte.

20. Höhere Gewalt im Sinne des § 651 j BGB ist ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. (BGH, Urteil vom 12. März 1987, VII ZR 172/86 , BGHZ 100, 185-190). So liegt höhere Gewalt bei Krieg, Kriegsgefahr und bürgerkriegsähnlichen Unruhen vor (BT-Drucks 8/786, 6; Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 20). Eine Kündigung wegen terroristischer Gewaltakte als höhere Gewalt setzt allerdings flächendeckende bürgerkriegsähnliche Zustände mit Bezug auf Reisende oder touristische Einrichtungen voraus (LG Frankfurt, NJW 2003, 2618; Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 20 m.w.N.). Terroristische Einzelakte, die weder auf flächendeckenden Unruhen beruhen noch diese hervorrufen, stellen jedoch keine höhere Gewalt dar, die die Reise an sich erheblich erschweren, gefährden oder beeinträchtigen. Vielmehr sind sie Teil des von jedermann zu tragenden allgemeinen Lebensrisikos, welches sich ebenso in vielen anderen Ländern, auch in Deutschland, realisieren kann (LG Amberg, NJW-RR 2004, 1140; Tempel, NJW 1998, 1827, 1828). Eine solche restriktive Auslegung ist auch gerechtfertigt, da § 651 j BGB dem Reiseveranstalter das Risiko der höheren Gewalt anlastet, obwohl dieser Umstand nicht in seiner Macht liegt und dem Reisenden immer noch das allgemeine Kündigungsrecht aus § 651 i BGB bleibt. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des LG Frankfurt, NJW 2003, 2618 verweist, rechtfertigt dies keine abweichendes Beurteilung; das LG Frankfurt hat die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA als höhere Gewalt eingestuft, weil es diesen in Hinblick auf das Ausmass auch in Hinblick auf die politische Reaktion der USA und der Nato einen Ausnahmecharakter beimass.  Allerdings ist auch diese Einschätzung für die Klage nach den Anschlägen nicht unumstritten geblieben (AG Neuwied, RRa 2002, 231). Flächendeckende Unruhen wurden von den Gerichten allerdings zum Beispiel bei den Unruhen in Jugoslawien oder dem arabischen Frühling in Ägypten (AG Hamburg, RRa 2013, 122) angenommen. Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Gefährdung in diesem Sinne sind Reisewarnungen und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu beachten. Sie stellen aber nur ein Indiz für das Bestehen einer Gefährdungslage dar, während das Fehlen von Warnungen und Hinweisen kein Indiz für eine sichere Lage ist, da auch Hinweise des Auswärtigen Amtes immer mit einem gewissen zeitlichen Nachlauf herausgegeben werden.  Da es zudem um die persönliche Sicherheit des einzelnen Reisenden geht, ist eine geringere Wahrscheinlichkeit ausreichend. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH genügt es nach Auffassung des Gerichtes in den Fällen politischer Unruhen, wenn eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 : 4 (BGH, NJW 2002, 3700 – Hurrikan) für eine Gefährdung vorliegt. Allerdings muss auch bei Annahme einer geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit eine objektive Gefährdung des konkreten Reisenden vorliegen. Diese muss aufgrund vernünftiger Erwägungen nachvollziehbar sein und darf sich nicht nur in dem Empfinden einer Gefahr erschöpfen. Darlegungsbelastet hinsichtlich des Vorliegens dieser Kündigungsvoraussetzungen ist derjenige, der sich auf die Kündigung beruft.

21. Auf dieser Grundlage lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen, dass sie sich bei Antritt der Reise nach L. am 06.08.2014 mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % der Gefahr ausgesetzt hätte, Opfer eines terroristischen Anschlages zu werden. Aus den seitens der Beklagten mitgeteilten Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes ergab sich nicht, dass in L. flächendeckend mit terroristischen Aktivitäten zu rechnen war. Die Anschläge in L. waren auf bestimmte Regionen begrenzt. So werden in dem Sicherheitshinweis einige konkrete Provinzen und Städte genannt, von deren Besuch abgeraten wird, was gegen eine flächendeckende Gefahr spricht. Die gebuchte Hotelanlage befand sich nicht in einem von dem Sicherheitshinweis erfassten Gebiet. E. Beach ist ca. 34 km südlich von N. entfernt. E. Beach kann damit nicht als „umliegende Ortschaft“ von N. bezeichnet werden. Damit sind vielmehr die direkt an das Stadtgebiet angrenzenden Ortschaften gemeint. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass auch der Flughafen von N. in dem Sicherheitshinweis Erwähnung findet, ist festzustellen, dass in dem Hinweis von nicht notwendigen Fahrten nach N. abgeraten wird. Vermieden werden soll ein längerer Aufenthalt, ein kurzer Aufenthalt am Flughafen für die Zeit des Hin- und Rückfluges wird hiervon nicht erfasst. Die in den Sicherheitshinweisen weiter genannten gefährdeten Regionen R.,S. und T. befinden sich alle nördlich von N. Dass es auch in der Region U., zu der E. Beach gehört, im Zeitraum terroristische Anschläge gab oder eine solche Gefahr bestand ist dem Vortrag der Klägerin und den Sicherheitshinweis nicht zu entnehmen.

22. Der Klägerin steht lediglich in Höhe von weiteren 14,98 Euro ein Anspruch auf Rückzahlung des restlichen Reisepreises gemäß § 651 i  BGB nach Rücktritt von dem Reisevertrag vor Reisebeginn zu. Der Beklagten sind tatsächliche Kosten in Höhe von 1.705,10 Euro entstanden. Da ihr auch keine anderweitige Verwertung der Reise möglich war, hat die Beklagte jedenfalls in Höhe ihrer Aufwendungen einen Entschädigungsanspruch  gegen die Klägerin gemäss § 651 i Abs. 2 S. 2 BGB.

23. Im Falle des Rücktritts verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch gem. § 651 i Abs. 2 S. 2 BGB eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich gemäß § 651 Abs. 2 S. 3 BGB nach dem Reisepreis. Dies bedeutet, dass der Reiseveranstalter grundsätzlich Anspruch auf den vollen Reisepreis hat. Abgezogen werden ersparte Aufwendungen sowie das, was der Reiseveranstalter aufgrund anderweitiger Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann. Der Gewinn verbleibt beim Reiseveranstalter (Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 25). In jedem Fall kann der Veranstalter aber als (Mindest-)entschädigung das verlangen, was ihm endgültig durch den Rücktritt an Kosten verblieben ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Entschädigung, also dafür, welche Aufwendungen erspart wurden bzw. in wieweit eine andere Verwertung möglich war oder nicht, trägt in Abweichung von § 649 BGB der Veranstalter, da es sich bei dem Entschädigungsanspruch um einen ihm zustehenden Anspruch handelt. Der Anspruch des Reisenden auf Rückzahlung des Reisepreises nach Rücktritt wird dann um den Entschädigungsanspruch im Wege der Verrechnung gekürzt, ohne dass es einer Aufrechnung bedarf.

24. Vorliegend sind der Beklagten in Hinblick auf die Reise der Klägerin Aufwendungen in Höhe von 1.705,10 Euro entstanden, bestehend aus einer Aufwendung für die Provision des Reisebüros in Höhe von 316,20 Euro und einer Zahlung an die Fa. G. in Höhe von 1.388,90 Euro.

25. Ersparte Aufwendungen iSv § 651 i Abs. 2 S. 3 BGB sind zB Kosten für Beförderungsmittel und Gutschriften der Hotels für die nicht in Anspruch genommene Unterkunft und Verpflegung, Flughafengebühren, Kurtaxen u.ä, aber auch Buchungs- und Abwicklungskosten (Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 27). Nicht erspart sind hingegen Aufwendungen, die auch der Reiseveranstalter im Falle eines Rücktrittes des Reisenden von Dritten insbesondere den Leistungsträgern nicht erstattet bekommt. Dabei sind die seitens des Veranstalters mit seinen Leistungsträgern getroffenen Vereinbarungen zugrundezulegen. Insbesondere ist der Veranstalter bei der Art und Weise wie er die Reiseleistungen, die er dem Reisenden schuldet, einkauft frei. Er kann dabei auf zuvor bei den Leistungsträgern eingekaufte Kontingente zurückgreifen oder aber die einzelnen Reiseleistungen erst im Zeitpunkt der Buchung selbst bei den Leistungsträgern buchen. Im Rahmen des § 651 i BGB ist der Veranstalter dabei nicht verpflichtet, im Interesse des Reisenden für den Fall des Rücktrittes die für den Reisenden in der Regel günstigere Variante des Rückgriffes auf ein Kontingent zu wählen. Er ist auch nicht verpflichtet, auf seine Kosten mit den Leistungsträgern geschlossene Vereinbarungen einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, um die Aufwendungen zu senken. Hat daher z.B. der Reiseveranstalter mit dem eine Reise vermittelnden Reisebüro vertraglich eine Provision auch für den Fall des Nichtantrittes der Reise vereinbart, ist dies von dem Reisenden genauso hinzunehmen, wie der Umstand, dass der Reiseveranstalter sich dazu entscheidet, eine von ihm verkaufte Reise nicht aus einem eigenen Kontingent zu entnehmen, die bei einem Rücktritt weiterverkauft werden kann. Kauft der Reiseveranstalter Reiseleistungen bei einem anderen Veranstalter ein und unterliegt er dabei selbst Stornoklauseln, deren Wirksamkeit, da sie zwischen Kaufleuten vereinbart wurden, einer weniger strengen Überprüfung unterliegt, als die zum Teil nach jüngerer Rechtsprechung  unwirksamen Stornoklauseln im Verhältnis Reisender und Reiseveranstalter (BGH, Urteil vom 09.12.2014 – X ZR 85/12 – zitiert nach juris), so muss sich der Reisende diese Aufwendungen des Reiseveranstalters entgegenhalten lassen, selbst wenn die gleiche Klausel im Verhältnis zwischen Reisenden und Veranstalter unwirksam wäre. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Vereinbarung von Stornogebühren zwischen Unternehmen ersichtlich der Umgehung der Unwirksamkeit von Stornoklauseln im Verhältnis Reiseveranstalter / Reisender dienen würde.

26. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagten in Hinblick auf das Reisebüro und den Reiseveranstalter G. Kosten in Höhe von 1.705,10 Euro entstanden sind. Der Zeuge Q., Mitarbeiter der Beklagte, hat bekundet, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Buchung im Rahmen des dynamic package bei der die Reise nicht aus festen zuvor eingekauften Kontingenten entnommen wird sondern die einzelnen Leistungsteile nach Buchung sofort eingekauft werden. In diesem Fall müssen bei einer Stornierung auch die eingekauften Leistungen wieder z.B. gegenüber dem Hotel oder der Fluggesellschaft gekündet werden. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass es sich bei der seitens der Beklagten vorgelegten Rechnung vom 12.08.2014 (Bl. 76 d.A.) um eine Stornorechnung der Firma G. handelt, bei der der Flug eingekauft wurde. Hierfür wurden der Beklagten Stornokosten in Höhe von 1.388,90 Euro in Rechnung gestellt. Der Zeuge hat weiter bestätigt, dass nach dem Kontoauszug vom 29.09.2014 an das Reisebüro 316,12 Euro gezahlt wurden (Bl. 119 d.A.). Der Kontoauszug vom 20.05.2014, welcher eine Zahlung an das Reisebüro 353,20 Euro ausweist, (Bl. 77 d. A) ist  überholt. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge weiter bekundet, dass es üblich ist, dass aufgrund der bestehenden Agenturverträge den vermittelnden Reisebüros auch in dem Fall der Stornierung oder des Nichtantretens der Reise eine Provision verbleibt. Zuletzt hat der Zeuge ausgesagt, dass er mit dem von der Beklagten ebenfalls als Aufwendung angesetzten Bearbeitungsgebühren in Höhe von 100,00 Euro nichts anfangen kann. Die Aussage des Zeugen Q. ist glaubhaft, sie war sachlich-nüchtern und widerspruchsfrei. Die Aussage des Zeugen deckte sich mit den zur Akte gereichten Abrechnungsunterlagen der Beklagten. Danach besteht kein Zweifel mehr, dass der Beklagten in Hinblick auf den Nichtantritt der Reise durch die Klägerin endgültig Aufwendungen in Höhe von 1.705,02 Euro verblieben sind. Nicht überzeugen konnte sich das Gericht von dem tatsächlichen Anfall von Bearbeitungsgebühren in Höhe von 100,00 Euro im Zusammenhang mit der Abwicklung der Stornierung der Reise.

27. Eine anderweitige Verwertung der von der Klägerin stornierten L.-reise war der Beklagten nicht möglich, da der Rücktritt der Klägerin erst durch Nichtantritt der Reise („No-Show“) erfolgte. Ein früherer Rücktritt seitens der Klägerin lies sich nicht feststellen.

28. Anderweitige Verwertung im Sinne von § 651 i B GB umfasst den Erwerb, den der Reiseveranstalter in Hinblick auf die frei werdenden Reiseleistungen noch hätte erzielen können. Dabei kommt es in Hinblick auf die Möglichkeiten der weiteren Verwertungsmöglichkeiten auf den Zeitpunkt des Rücktrittes an. Bei einem Rücktritt im Wege des Nichtantritts hat der Reiseveranstalter aber in der Regel keine Möglichkeit, die Reiseleistung anderweitig zu verwenden (Staudinger/Staudinger, BGB § 651 j, Rn. 32), so dass in diesem Fall sich auch ein substantiiertes Vorbringen des Reiseveranstalters zu den Möglichkeiten anderweitigen Erwerbes erübrigt. Dafür, dass der Rücktritt zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte und die Möglichkeiten einer Weiterverwertung grösser waren, ist der Reisende darlegungs- und beweisbelastet.

29. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Klägerin bereits am 21.07.2014 telefonisch die Reise kündigte bzw. am 26.07.2014 eine Email mit einer Stornierung versandte. Die Zeugin P., Mitarbeiterin der Beklagten, hat bekundet, dass sie eine konkrete Erinnerung an ein mit der Klägerin geführtes Telefonat nicht habe. Sie hat weiter bekundet, dass solche Telefonate registriert würden in einem Reservierungssystem. Bei einer Stornierung hinterlege sie eine Gesprächsnotiz. Sie habe bei der Beklagten hinsichtlich eines Eintrages eines Kontaktes mit der Klägerin nachgefragt. Dort war aber eine entsprechende Information nicht vorhanden. Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft, insbesondere auch hinsichtlich der bestehenden Erinnerungslücke. Angesichts der verschiedenen Kundenkontakte der Zeugin ist es nachvollziehbar, wenn ein konkreter Kontakt nicht in Erinnerung ist. Zweifel an der Glaubwürdigkeit alleine wegen der Tätigkeit für die Beklagte bestehen nicht. Die Aussage erweist sich indes als nicht ergiebig. Es lässt sich nicht feststellen, dass es den Anruf der Klägerin bei der Zeugin gab. Die Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Klägerin. Den Zugang einer Email vom 26.07.2014 bei der Beklagten, in der der Rücktritt erklärt worden sein soll, hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt. Auch die Email wurde nicht vorgelegt. Der beantragten Parteivernehmung hat die Beklagte nicht zugestimmt und eine Anhörung nach § 141 ZPO war nicht möglich, da die Klägerin den Termin zur Beweisaufnahme auch nach entsprechendem Hinweis im Beschluss vom 04.04.2016 nicht wahrgenommen hat.

30. Die Beklagte war daher jedenfalls in Höhe  von 1.705,02 Euro zum Einbehalt des Reisepreises als Teil der ihr zustehenden Entschädigung berechtigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zunächst auf der Basis einer Stornoklausel 90 % des Reisepreises beanspruchte. Zwar ist ein Reiseveranstalter an eine von ihm verwendete Stornostaffel gebunden, soweit diese nicht unwirksam ist oder er sich nicht ein Wahlrecht zwischen pauschalisierte Abrechnung oder konkreter vorbehält. Vorliegend kann dieser Frage jedoch dahinstehen, da bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel und – wie dargelegt – nicht nachgewiesenen Rücktritt bereits zum 21.07.2014 die Klägerin nach Massgabe der Stornoklausel für den Nichtantritt 90 % des Reisepreises zu zahlen gehabt hätte, die Beklagte vorliegend aber nur weniger als Entschädigung beansprucht.

II.

31. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäss §§ 286, 288 BGB aufgrund der Fristsetzung in am anwaltlichen Schreiben vom 19.08.2014.

32. Vorgerichtliche Anwaltskosten kann  die Klägerin nicht beanspruchen. Die Klägerin hat trotz des Bestreitens der Beklagten nicht dargelegt, dass ihm in Hinblick auf die vorgerichtliche Mandatierung ein (Verzugs-)Schaden entstanden ist. Es ist nicht dargelegt, dass die Klägerin von ihren Prozessbevollmächtigten wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen wurde oder wird. Weder wird eine Zahlung behauptet noch wird eine an die Klägerin gerichtete Rechnung vorgelegt. Voraussetzung für einen der Klägerin entstandenen Schaden ist aber – soweit keine Zahlung an den Anwalt erfolgte –  dass dieser der Klägerin eine dem § 10 RVG entsprechende Rechnung stellt. Erst durch eine solche Rechnung entsteht eine durchsetzbare Honorarforderung des Anwaltes und wird der Mandant mit einer Verbindlichkeit beschwert, die wiederum als Vermögensgefährdung einem Verzugsschaden gleichsteht.

III.

33. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

34. Streitwert: 1.720,00 Euro

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: AG Köln: Keine Stornierung wegen höherer Gewalt bei Gefahr terroristischer Anschläge in Kenia

Verwandte Entscheidungen

OLG Celle, Urt. v. 22.09.05, Az: 11 U 297/04
LG Bonn, Urt. v. 23.07.03, Az: 5 S 76/03
AG Bruchsal, Urt. v. 18.10.06, Az: 3 C 125/06

Berichte und Besprechungen

Verbraucherzentrale: Terror und Unruhen im Reiseland: Was tun?
Forum Fluggastrechte: Stornierung aufgrund von Terrorgefahr
Passagierrechte.org: Stornierung wegen Terrorgefahr als höhere Gewalt

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.