Verzögerung einer Busrundreise durch Südamerika wegen Straßensperre
AG Hannover: Verzögerung einer Busrundreise durch Südamerika wegen Straßensperre
Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Südamerika-Rundreise gebucht. An einem Reisetag kam es durch eine Sperre der Straße durch eine Demonstration. Dadurch kam es zu Verzögerungen und Verkürzungen des Programms des Reisetages. Hierfür erstattete die Beklagte vorprozessual 35 % des Tagesreisepreises. Zusätzlich fordert der Kläger Minderung der Reisekosten für den Rest der Reise, da er sich fortan unsicher gefühlt habe.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Mängel des betroffenen Tages seien abgegolten. Dass darüber hinaus Mängel am Rest der Reise auftraten, sei nicht erkennbar. Bei einer Reise nach Südamerika sei mit politischen Demonstrationen zu rechnen.
AG Hannover | 540 C 16147/04 (Aktenzeichen) |
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AG Hannover: | AG Hannover, Urt. vom 09.02.2005 |
Rechtsweg: | AG Hannover, Urt. v. 09.02.2005, Az: 540 C 16147/04 |
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Leitsatz:
2. Bei einer Rundreise durch Südamerika ist mit der Begegnung mit kurzzeitigen politischen und gesellschaftlichen Konflikten zu rechnen; eine solche begründet keinen Reisemangel.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Südamerika-Rundreise gebucht und durchgeführt. An einem Reisetag kam es durch eine Sperrung der Straße durch eine – teilweise bewaffnete – Demonstration, die auch einen Erdwall aufgeschichtet hatte. Dadurch kam es zu Verzögerungen und Verkürzungen des Programms des Reisetages. Die Reisegruppe musste mehrere Stunden, teilweise durch Regen, zu einem anderen Bus marschieren. Die Besichtigung einer Kathedrale dauerte nur 5 Minuten an, eine Bootsfahrt dauerte planwidrig bis in die Nacht. Hierfür erstattete die Beklagte vorprozessual 35 % des Tagesreisepreises. Zusätzlich fordert der Kläger Minderung der Reisekosten für den Rest der Reise, da er sich fortan unsicher gefühlt habe und die Reise nur noch vor dem Erlebnis der Demonstration verlaufen sei.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Mängel des betroffenen Tages seien abgegolten. Dass darüber hinaus Mängel am Rest der Reise auftraten, sei nicht erkennbar. Bei einer Reise nach Südamerika sei mit politischen Demonstrationen und der Begegnung mit ortsüblichen kurzfristigen politischen oder gesellschaftlichen Konflikten zu rechnen. Darin liege, soweit nicht ein Schaden für den Reisenden eintrete, kein Mangel.
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Gegenstandswert des Rechtsstreit wird auf 1.225,13 Euro festgesetzt.
Tatbestand
5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine große Südamerika-Rundreise in der Zeit vom 28.03. bis 14.04.2004 zum Preis von insgesamt 6.486,00 Euro.
6. Am 9. Reisetag sollte eine Reise von Puno über Copacabana nach La Paz erfolgen. Die Kathedrale von Copacabana sollte besichtigt werden, eine Fahrt auf dem Titicacasee sollte stattfinden. Auf der Fahrt von Puno nach Copacabana geriet die Reisegruppe in eine Demonstration, die Straße war mit einem 1 ½ m hohen Erdwall versperrt, eine Weiterfahrt für den Reisebus war nicht möglich. Grund war eine Demonstration, an der 250 Leute, teilweise mit Knüppeln bewaffnet, teilnahmen. Die Reisegruppe wurde vom Führer aufgefordert, den Bus zu verlassen und das Handgepäck mitzunehmen. Sie sollten etwa 15 bis 20 Minuten zur anderen Seite des Hügels gehen und dort mit einem weiteren Bus weiterfahren. Tatsächlich war ein zweieinhalb bis dreistündiger Marsch teilweise bei Regen erforderlich. Nach dem Besteigen des zweiten Busses wurde die Fahrt zunächst fortgesetzt. Bei einer weiteren Sperre musste ein Wegezoll von einem Dollar pro Person entrichtet werden, bevor der Bus weiterfahren durfte.
7. Wegen der Verspätung konnte die Kathedrale von Copacabana nur für fünf Minuten besichtigt werden, die Katamaranfahrt fiel teilweise in die Nacht. Die Reisegruppe traf erst gegen 23.00 Uhr im Hotel La Paz ein.
8. Die Beklagte hat für den 9. Reisetag eine Minderung des Tagesreisepreises von 35 %, das entspricht 163,00 Euro, an den Kläger gezahlt.
9. Der Kläger behauptet, die gesamte Reise habe unter dem Eindruck der Demonstration gestanden. Der Kläger und die restliche Reisegruppe seien total verunsichert gewesen, sie hätten ständig Angst gehabt, dass sich wieder so eine Situation ergeben könnte. Der Kläger ist der Ansicht, der Nutzen der Reise sei für ihn so beeinträchtigt gewesen, dass eine Minderung des Reisepreises für die übrigen Reisetage in Höhe von 20 % erfolgen müsse.
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.225,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.07.2004 zu zahlen.
14. Bei der Demonstration habe es sich um eine Erscheinung, die in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos eines jeden Reisenden fällt, der eine große Südamerika-Rundreise bucht, gehandelt. Nach § 651 d Abs. 1 BGB komme lediglich eine Minderung für den anteilig betroffenen Reisezeitraum in Betracht. Für den Tag des Mangels sei der Kläger aber außergerichtlich ausreichend und angemessen entschädigt worden. Eine Minderung des Reisepreises für die übrigen Reisetage, mit Ausnahme des neunten Reisetages, komme nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
15. Die zulässige Klage ist unbegründet.
16. Nach § 651 d Abs. 1 BGB mindert sich der Reisepreis für die „Dauer des Mangels“. Der Mangel, die Beeinträchtigung der Reisetätigkeit am 9. Reisetag durch die Demonstration, hat sich tatsächlich nur auf den 9. Reisetag ausgewirkt. Das Programm des 1. bis 8. Reisetages sowie des 10. bis 17. Reisetages ist dagegen auch nach klägerischem Vortrag wie geplant und beanstandungsfrei durchgeführt worden.
17. Eine Rückwirkung bzw. Nachwirkung von Reisemängeln kann aber nur in Ausnahmefällen angenommen werden (vgl. auch Führich, Reiserecht, 4. Auflage, Rdn. 267 b). In der Rechtsprechung ist eine Rück- und Nachwirkung von Reisemängeln anerkannt worden in einem Fall, in dem ein Reisender durch Verschulden des Reiseveranstalters bereits am 4. Reisetag einen Unfall erlitten hat, an dem er schwer erkrankt und später sogar verstorben ist (BGH NJW 2000, S. 1188 ff., 1191). Bei einer erheblichen Verletzung, die bereits am 4. Reisetag erfolgt und die gesamte Reisedauer überdauert sowie zum anschließenden Tod des Reisenden führt, hat die Reise keinen Erholungswert mehr, der Reisepreis wird auf Null gemindert.
18. Auch im Übrigen wird in der Rechtsprechung ein lang andauernder schwerwiegender Mangel vorausgesetzt, um den Erholungseffekt eines Urlaubes insgesamt zu mindern.
19. Bei den vom Kläger geschilderten Umständen war dies aber gerade nicht der Fall. Wer eine große Südamerika-Rundreise bucht, muss damit rechnen, mit der anderen Kultur und ortsüblichen kurzzeitigen politischen und gesellschaftlichen Konflikten konfrontiert zu werden. Der Kläger hat aus der Konfrontation mit der stattfindenden Demonstration keinerlei körperliche oder sonstige Beeinträchtigungen davongetragen. Geblieben ist lediglich die Unannehmlichkeit des zweieinhalb bis dreistündigen Fußmarsches anstatt der geplanten Busreise, dafür ist der Kläger außergerichtlich von der Beklagten entschädigt worden und diese Beeinträchtigung des 9. Reisetages ist auch gar nicht Gegenstand der klägerischen Forderung.
20. Allein die Tatsache, dass dem Kläger nach dem Vorfall bewusst geworden ist, dass eine Reise in Südamerika möglicherweise Gefahren in sich birgt, mit denen er zuvor nicht gerechnet hat, tatsächlich konfrontiert zu werden, stellt keinen erheblichen Mangel dar, der eine Rückwirkung bzw. Nachwirkung des Reisemangels bewirken kann. Anders wäre möglicherweise zu entscheiden, wenn der Kläger tatsächlich körperliche Folgeschäden davongetragen hätte, die seine Urlaubsfreude auch in der folgenden Reisezeit erheblich beeinträchtigt hätten.
21. Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung einen Betrag in Höhe von 163,00 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des mit Schreiben vom 09.07.2004 übersandten Verrechnungsschecks anerkannt hat, geht das Anerkenntnis ins Leere. Der Kläger hat insofern klargestellt, dass die Minderung des Reisepreises für den 9. Reisetag, für den die Zahlung der Beklagten in Höhe von 163,00 Euro erfolgt ist, nicht Gegenstand der klägerischen Forderung sein soll. Die Beklagte hat auch schon in der genannten Klageerwiderung klar zu erkennen gegeben, dass zwar die Minderung für den 9. Reisetag bestehen bleiben soll, darüber hinaus aber keinerlei Ansprüche für begründet gehalten und insoweit Klagabweisung beantragt.
22. Für die Entscheidung des Rechtsstreits war deshalb allein von dem Klageabweisungsantrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2005 auszugehen.
23. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
24. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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