Unzulässigkeit einer Klausel über die Erhöhung von Entgelten für Leistungen vier Monate nach der Buchung

LG Berlin: Unzulässigkeit einer Klausel über die Erhöhung von Entgelten für Leistungen vier Monate nach der Buchung

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen eine lettische Fluggesellschaft, weil sie sich in ihren AGB die Erhöhung der vom Kunden zu zahlenden Steuern vorbehielt. Die Klage wurde abgewiesen, da nicht nachgewiesen wurde, dass die Beklagte die AGB im Bezirk des angerufenen Gerichtes verwendet hatte.

LG Berlin 26 O 323/06 (Aktenzeichen)
LG Berlin: LG Berlin, Urt. vom 07.03.2007
Rechtsweg: LG Berlin, Urt. v. 07.03.2007, Az: 26 O 323/06
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Landgericht Berlin

1. Urteil vom 7. März 2007

Aktenzeichen 26 O 323/06

Leitsatz:

2. Um die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes bei Unterlassungsansprüchen wegen AGB-Klauseln eines ausländischen Flugunternehmens zu begründen, obliegt der Klägerseite nachzuweisen, dass die entsprechenden Klauseln im Bezirk des Gerichtes bei Vertragsabschlüssen verwendet worden sind.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen eine lettische Fluggesellschaft, weil in deren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel vorsah, dass der Kunde gegebenenfalls Steuern und Gebühren entrichten musste, die noch nicht berechnet worden waren. Hierin sah der Kläger den unrechtmäßigen Vorbehalt einer nachträglichen Preisänderung. Seiner Auffassung nach musste sie Beklagte das Risiko von Steuererhöhungen selbst tragen.

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab, denn es war nicht örtlich zuständig. Die Beklagte hatte ihren Sitz nicht im Bezirk des Gerichts und der Kläger hatte nicht nachgewiesen, dass die streitgegenständliche Klausel in diesem Bezirk bei Geschäftsabschlüssen verwendet worden war. Der von Berlin aus aufrufbare Internetauftritt der Beklagten allein genügte nicht, um eine Vertragsanbahnung zu begründen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger, ein in die Liste nach § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein (Anlage K 2), nimmt die Beklagte, eine … mit Sitz in Riga, auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in Anspruch.

6. In dem Internetauftritt der Beklagten unter der Adresse „…“ heißt es unter der Überschrift „Steuern und Gebühren“ u. a. wie folgt (Anlage K 3):

7. „Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Steuern und Gebühren, die noch nicht berechnet wurden, gezahlt werden müssen.“

8. Mit Schreiben vom 9. August 2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam die Beklagte nicht nach.

9. Der Kläger vertritt die Auffassung, es bestehe ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG i. V. m. § 309 Nr. 1 BGB. Nach § 309 Nr. 1 BGB sei eine Bestimmung unwirksam, die die Erhöhung eines Entgeltes für Leistungen vorsehe, die innerhalb von 4 Monaten nach Vertragsschluss erbracht werden sollen. Demgegenüber behalte sich die Beklagte das Recht vor, die vertraglich vereinbarten Preise kurzfristig zu erhöhen. Das Risiko einer eingetretenen Steuererhöhung habe aber der Verwender zu tragen. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ergebe sich aus § 6 UKlaG. Die Beklagte habe im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung noch einen Wohnsitz noch einen inländischen Aufenthaltsort. Die AGB würden auch in Berlin verwendet; der Internetauftritt könne in Berlin aufgerufen werden.

10. Der Kläger beantragt,

11. der Beklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 1000.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu untersagen, die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf Verträge über Beförderungsleistungen zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge darauf zu berufen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

12. „Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Steuern und Gebühren, die noch nicht berechnet wurden, gezahlt werden müssen.“

13. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin. Der Umstand, dass die Internetseiten der Beklagten in Deutschland geöffnet werden könnten, begründe keinen inländischen Gerichtsstand. Die Klägerin könne sich nicht auf die §§ 305 ff. BGB berufen; es gelte für alle Beförderungsverträge lettisches Recht.

15. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

16. Die Klage ist unzulässig.

I.

17. Es kann dahingestellt bleiben, ob die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben ist. Jedenfalls ist das Landgericht Berlin mangels konkreten Vortrags zur Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im hiesigen Bezirk örtlich nicht zuständig.

18. Die Beklagte hat im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung noch einen Wohnsitz noch einen inländischen Aufenthaltsort. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 UKlaG ist für Klagen nach dem Unterlassungsklagegesetz das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen einen Wohnsitz hat. Hat der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung noch einen Wohnsitz, so ist das Gericht des inländischen Aufenthaltsortes zuständig, in Ermangelung eines solchen das Gericht, in dessen Bezirk die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuches unwirksamen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet werden.

19. Der Kläger hat ein „Verwenden“ von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Beklagte im Bezirk des Landgerichts Berlin nicht hinreichend dargelegt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen im rechtsgeschäftlichen Verkehr bei bestehender Wiederholungsgefahr genutzt werden, ohne dass es zu einem wirksamen Vertragsschluss unter Einbeziehung der Bedingungen gekommen sein muss (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB, 10. Auflage 2006, § 1 UKlaG Rn. 15). Ein Vertrag muss aber unter Einschluss vorformulierter Vertragsbedingungen bereits im Stadium der Anbahnung sein oder gewesen sein (Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O.). Lässt die andere Seite von dem Vertragsschluss ab, weil ihr die gestellten Vertragsbedingungen missfallen, so sind diese gleichwohl verwendet worden (Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der von dem Kläger vorgetragene Umstand, dass die Internet-Adresse der Beklagten in Berlin aufgerufen werden kann, reicht für ein „Verwenden“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Ziff. 1 UKlaG nicht aus. Mit der bloßen Möglichkeit, die Internet-Adresse der Beklagten in Berlin aufrufen zu können, ist das Stadium einer Vertragsanbahnung noch nicht erreicht. Ohne Kenntnis davon, welche konkrete Flugbuchung (z. B. betreffend Abflug- und Bestimmungsort) Gegenstand eines beabsichtigten Vertragsschlusses war, kann im Übrigen nicht festgestellt werden, welchem Recht der in Aussicht genommene Vertrag unterliegt (Art. 27, 28 , 31 Abs. 1 EGBGB). Das maßgebende Vertragsstatut kann im Fall des Fehlens einer Rechtswahl gemäß Art. 28 EGBGB nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden.

II.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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