Schadensersatzanspruch bei Absturz eines Ultraleichtflugzeugs

OLG München: Schadensersatzanspruch bei Absturz eines Ultraleichtflugzeugs

Die Klägerin ist eine Krankenversicherung. Sie macht nach dem Absturz eines Ultraleichtflugzeugs Ansprüche für die Behandlung ihres Versicherten gegen die Witwe des Piloten, die Beklagte, geltend.

Das Oberlandesgericht wies die Klage, wie auch das Landgericht ab. Da zwischen den Parteien ein Luftbeförderungsvertrag anzunehmen sei, sei die Klage nach der Verjährungsfrist erhoben worden.

OLG München 10 U 2346/15 (Aktenzeichen)
OLG München: OLG München, Urt. vom 04.11.2016
Rechtsweg: OLG München, Urt. v. 04.11.2016, Az: 10 U 2346/15
LG Landshut, Urt. v. 05.06.2015, Az: 23 O 1928/12
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Oberlandesgericht München

1. Urteil vom 04. November 2016

Aktenzeichen 10 U 2346/15

Leitsatz:

2. Ein Luftbeförderungsvertrag ist anzunehmen, wenn die Beförderung in der Luft, sei es zur Gelangung an einen anderen Ort oder nur zur Erfahrung des Fliegens, Hauptinteresse des Fluggastes ist.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin ist ein Krankenversicherungsunternehmen. Sie macht nach dem Absturz eines Ultraleichtflugzeugs, bei dem der bei ihr versicherte Fluggast und der Pilot schwer verletzt wurden, Ansprüche für die Behandlung ihres Versicherten gegen die Witwe des Piloten, die Beklagte, geltend. Der Pilot war nach dem Absturz an den Folgen verstorben.

Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Dem schloss sich das Oberlandesgericht an. Da zwischen den Parteien ein Luftbeförderungsvertrag anzunehmen sei, sei die Klage nach der Verjährungsfrist erhoben worden. Die Beförderung sei hier nicht als bloße Gefälligkeit, sondern als bindender Vertrag auszulegen.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin vom 30.06.2015 gegen das Endurteil des LG Landshut vom 05.06.2015, Az.: 23 O 1928/12, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervention.

Das vorgenannte Urteil des Landgerichts Landshut sowie dieses Urteil sind jeweils vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

5. Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht ihres Versicherten, des Zeugen H., der bei einem Flugunfall verletzt wurde, gegen die Beklagte zu 1), die Witwe und Erbin des Piloten, Schadensersatzansprüche mit einem Gesamtvolumen einschließlich Feststellungantrag von 113.943,36 € geltend.

6. Am 04.10.2009 flog der Ehemann der Beklagten zu 1), Gerhard Norbert Z., zusammen mit einem Passagier, nämlich dem bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin krankenversicherten Zeugen H., mit dem Ultraleichtflugzeug FK 9 Mark 3, amtliche Kennung D-​…, vom Fliegerhorst E. zum UL-​Flugplatz S.-​K. (im Landkreis Erding). Bei der Landung stürzte das Flugzeug ab. Beide Insassen erlitten schwere Verletzungen, an deren Folgen der Pilot am 05.10.2009 verstarb.

7. Mit Schriftsatz vom 12.07.2012, beim Landgericht Landshut am 13.07.2012 eingegangen und den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 27.07.2012 und der Beklagten zu 2) am 09.08.2012 zugestellt, erhob die Klägerin sowohl gegen die Beklagte zu 1) als auch gegen die Beklagte zu 2) Klage und begehrt Ersatz der von ihr aufgewandten Heilbehandlungskosten sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche weiteren Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Flugunfall. Widerklagend begehrt die Beklagte zu 1) Ersatz der ihr im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme durch die Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

8. Vor dem Flug sandten sich der Pilot und der Zeuge H. wechselseitig E-​Mails (Anlage K 2).

9. Die Klägerin trägt u.a. vor, es liege kein Beförderungsvertrag i.S.d. LuftVG vor, der Zeuge H. habe zwar dem Piloten Auslagenersatz gewährt, die eigentliche Pilotenleistung sei aber unentgeltlich und ohne Rechtsbindungswillen erfolgt (Schriftsatz v. 01.09.2016, Bl. 274/275 d.A.), da der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) sonst zum Luftfrachtführer geworden wäre, eine Versicherung entgegen § 50 LuftVG aber nicht unterhalten habe, was mit einer Ordnungswidrigkeit hätte geahndet werden können; es habe sich um einen Gefälligkeitsflug mit Freunden ohne Rechtsbindungswillen gehandelt und den Piloten treffe am Absturz auch ein Verschulden.

10. Die Beklagte zu 1) meint, dass hier etwaige Ansprüche bereits aufgrund der Ausschlussfrist des § 49a LuftVG nicht durchgesetzt werden könnten; ein entsprechender Beförderungsvertrag sei zustande gekommen. Es bestehe im Übrigen eine seitens des vormaligen Beklagten zu 2) bei der Streithelferin abgeschlossene Versicherung für Flugunfälle.

11. Widerklagend begehrt die Beklagte zu 1) Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.118,48 €. Die Beklagte zu 1) als Erbin des Piloten nahm anwaltliche Hilfe in Anspruch, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sie mit Schreiben vom 11.06.2012 (Anl. K 6) zum Ausgleich der Klagesumme und Anerkennung der Einstandspflicht für weitere Aufwendungen der Klägerin bis 30.06.2012 aufforderte.

12. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.06.2015 (Bl. 190/199 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

13. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

14. Gegen dieses der Klägerin am 15.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 30.06.2015 eingegangenen Schriftsatz in Richtung gegen die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt (Bl. 210/211 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 04.09.2015 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 219/223 d.A.) begründet.

15. Die Beklagte zu 1) hat der nunmehrigen Streithelferin, dem Versicherer der vormaligen Beklagten zu 2) mit Schriftsatz vom 24.08.2012, zugestellt am 29.08.2012 den Streit verkündet, die Streithelferin trat dem Rechtsstreit im Termin vom 16.09.2016 auf Seiten der Beklagten zu 1) bei (Bl. 281 d.A.).

16. Die Klägerin beantragt:

I.

17. Das Urteil des Landgerichts Landshut vom 05.06.2015, Az.: 23 O 1928/12, wird aufgehoben, soweit es die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen und der Widerklage der Beklagten zu 1) stattgegeben hat.

II.

18. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 106.824,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.06.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.440,69 €zu bezahlen.

III.

19. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin künftige sämtliche weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Flugunfall vom 04.10.2009 mit dem Luftsportgerät FK 9 Mark 3, amtliche Kennung …, auf dem UL-​Flugplatz S. zu erstatten.

IV.

20. Die Widerklage wird abgewiesen.

21. Die Beklagte zu 1) und die Streithelferin beantragen jeweils:

22. Die Berufung wird zurückgewiesen, die Streithelferin soweit es die Klage betrifft.

23. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2016 den Zeugen H. vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 276-​283 d.A.) wird Bezug genommen. Der Zeuge führte wegen seiner eigenen Ansprüche vor dem Senat im Verfahren 10 U 4648/15 als Kläger einen Parallelprozess mit einem Streitwert von mehr als 550.000 €. In diesem Verfahren ging der Senat auf Grund der Angaben des Zeugen davon aus, dass die Klage wegen Annahme eines Beförderungsvertrages unbegründet ist (die 2-​jährige Ausschlussfrist nach § 49 a LuftVG war bei Klageerhebung verstrichen).

24. Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 29.02.2016 (Bl. 170-​172 d.A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie das o.g. Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

B.

25. Die Berufung ist zurückzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.

I.

26. Die Berufung ist unbegründet, weil zum einen die erstinstanzliche Klageabweisung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit den Piloten am Absturz ein Verschulden trifft.

27. Die Klage ist unbegründet, weil die Ausschlussfrist des § 49 a LuftVG bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen war. Die von Amts wegen zu beachtende (vgl. auch Giemulla/Schmid, LuftVG, § 49a, Rdnr. 3) Bestimmung des § 49 a LuftVG ist hier einschlägig, weil zwischen dem Zeugen He. und Gerhard Norbert Z. konkludent ein Vertrag i.S. der §§ 44 ff. LuftVG zustande gekommen ist, wonach dieser als Luftfrachtführer jenem als Fluggast die Luftbeförderung schuldete. § 44 LuftVG nennt die gemeinsamen Voraussetzungen für die Anspruchsgrundlagen §§ 4547 LuftVG, es gilt gem. § 49 a LuftVG eine Ausschlussfrist von 2 Jahren, die auch Ansprüche auf Grund der Haftung des Luftfrachtführers auf Grund sonstigen Rechts erfasst, vgl. § 48 LuftVG (Giemulla/Schmid, aaO, § 49 a, Rdnr. 2).

28. Der Senat ist auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme in Verbindung mit dem E-​Mail Verkehr zwischen dem Zeugen H. und dem verstorbenen Piloten der Überzeugung, dass zwischen diesen hinsichtlich des streitgegenständlichen Fluges nicht lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen bestand, sondern konkludent ein entgeltlicher Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde.

29. Damit erwies sich zum anderen die zulässige Widerklage als begründet. Zwischen dem Zeugen H. und dem verstorbenen Piloten bestand ein Beförderungsvertrag. Dieser schloss eine Inanspruchnahme nach Ablauf der von Amts wegen zu beachtenden Frist des § 49 a LuftVG aus. Erfolgt dennoch eine Inanspruchnahme, liegt eine Pflichtverletzung vor, die einen Schadenersatzanspruch nach sich ziehen kann, §§ 280, 249 BGB. Beide Parteien sind jeweils Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien.

1.

30. Wie der BGH mit Urteil vom 15.03.2005, Az.: VI ZR 356/03, NJW-​RR 2005, 895, entschieden hat, ist ein Beförderungsvertrag i.S. der §§ 44 ff LuftVG dann gegeben, „wenn das Interesse des Flugzeuginsassen hauptsächlich darin besteht, in der Luft befördert zu werden, sei es um an einen anderen Ort zu gelangen oder wie bei einem Rundflug auch nur in den Luftraum zu kommen, um etwa eine besondere Höhensicht zu erhalten oder bei einer Ballonfahrt, um ein besonderes Fluggefühl zu erfahren.“ Weiter hat der BGH ausgeführt: „Der wesentliche Zweck der Beförderung muss somit darin liegen, dem Fluggast den Nutzen einer Ortsveränderung sei es auch nur in die Höhe und/oder ihm einen fliegerischen Genuss zu verschaffen, der sich aus dem Gefühl des Fliegens selbst ergibt. Nur bei einer solchen Konstellation begibt sich der Fluggast hinsichtlich der technischen Bewältigung in die Obhut des Luftfrachtführers und sieht es letzterer zugleich als seine vertragliche Aufgabe an, vollumfänglich für die technische Bewältigung des Fluges Sorge zu tragen, um dem Fluggast die Vorteile des Fliegens zu verschaffen. Dieses Obhutsverhältnis zum Nutzen des Fluggastes charakterisiert den Beförderungsvertrag i.S. der §§ 33 I 2, 44 bis 51 LuftVG (vgl. Giemulla/Schmid, § 33 Rdnr. 3, § 44 LuftVG Rdnr. 52) und stellt den Grund für das vermutete Verschulden des Luftfrachtführers im Falle eines Flugunfalls dar (vgl. Giemulla/Schmid, § 44 Rdnr. 3). Eben weil dabei allein dem Luftfrachtführer die technische Abwicklung und damit die Abwendung der im Luftverkehr drohenden Gefahren obliegt und der Fluggast nur die sich aus dem Fliegen ergebenden Vorteile ziehen soll, ist der Fluggast vom Nachweis eines Verschuldens entlastet. Die Anwendung der §§ 44 bis 51 LuftVG kommt daher nur bei Vorliegen eines solchen Obhutsverhältnisses in Betracht.“ Der BGH ist seinerzeit nur deswegen nicht von einem Beförderungsvertrag ausgegangen, weil nicht das Interesse des Fluggastes an der Beförderung oder dem Genuss des Fliegens, sondern am Erlernen und der Ausübung des Flugsports im Vordergrund stand.

31. Gegen einen Beförderungsvertrag spricht, wenn der Empfänger keinen Anspruch auf die Leistung hatte und kein Entgelt verlangt wurde. Ein Rechtsbindungswille ist i.d.R. anzunehmen, wenn der Leistende selbst ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der gewährten Leistung hat (vgl. OLG München, VersR 1990, 1247; Giemulla/Schmid, aaO, vor § 44 Rdnr. 28). Für ein Gefälligkeitsverhältnis spricht, wenn die Beförderung nur einen notwendigen, aber unselbständigen Faktor des Fluges darstellt, vgl. OLG München, Urt. v. 21.12.1989, Az. 24 U 904/86 [Juris].

2.

32. Auf Grund der glaubhaften Bekundungen des Zeugen H. steht fest, dass weder aus persönlichen Gründen noch aus sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge H. auf eine Haftung des Piloten für Schäden, die ihm durch den Flug entstehen können, verzichtet hätte. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H., der auch den Email-​Verkehr zwischen ihm und dem verstorbenen Piloten, dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1), erläuterte. Beide Vertragsparteien hatten eigene rechtliche und wirtschaftliche Interessen am Vertragsschluss.

a)

33. Die am Unfallflug Beteiligten kannten sich über die berufliche Tätigkeit des Zeugen. Da sie beide flugbegeistert waren, wurde wenige Wochen, nachdem der Verstorbene den Zeugen zu einem ersten Flug mitnahm, bei welchem die Kosten bereits geteilt wurden, ein weiterer Flug vereinbart, bei welchem erneut die Kosten geteilt werden sollten. Der Zeuge hatte nicht etwa Interesse, das Fliegen zu erlernen, er war nicht Mitglied in einem Fliegerklub und sollte auch nicht teilweise Aufgaben des Piloten übernehmen, er hatte seinen Angaben nach lediglich Spaß am Mitfliegen als Fluggast. Der später verstorbene Pilot Z. bot H. als auch dessen Frau in einer E-​Mail vom 27.09.2009 Mitnahmemöglichkeiten an und nannte die anteiligen Kosten. Er bot weiter mit einer E-​Mail vom 01.10.2009 einen Tagesausflug mit einer einfachen Flugzeit von 3 Stunden an, wobei der Zeuge H. sich das Flugzeug hätte aussuchen dürfen, auch ein Ultraleichtflugzeug (UL). Z. nannte die Kosten für einen möglichen Flug mit einer 172er Cessna und bot dem Zeugen H. eine Kostenverteilung „halbe/halbe“ an. Sodann kam die Anfrage des Zeugen nach einem weiteren „Revanche-​Flug“ mit dem UL, weil er nicht genug kriege. Der später verstorbene Pilot antwortete und bejahte sein Interesse an einem „Revancheflug“ am Sonntag und konkretisierte dies in einer weiteren E-​Mail vom 02.10.2009, der Zeuge H. zeigte sich begeistert. Der Zeuge berichtete weiter, dass die Abrechnung des ersten Fluges hinsichtlich der Kosten noch vor dem zweiten Flug erfolgte und klar war, dass auch der zweite Flug gegen hälftige Kostenbeteiligung erfolgen sollte und bei einem etwaigen Ausfall des Fluges dieser auf einen anderen Termin verschoben worden wäre. Über einen etwaigen Haftungsausschluss oder bestehende oder nicht bestehende Versicherungen wurde nicht gesprochen, der Zeuge ging davon aus, dass der Pilot auch dann haften sollte, wenn sich nachher herausstellt, dass dieser keinen Fehler gemacht hat (vgl. Protokoll, Bl. 281 d.A.). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, weshalb die Ausführungen des Zeugen unglaubhaft sein sollten, erscheinen sie doch zum einen schlüssig, lebensnah, in Einklang mit dem E-​Mail Verkehr und gereichten zum anderen in der prozessualen Situation des Zeugen, der wegen seiner eigenen Ansprüche vor dem Senat im Verfahren 10 U 4648/15 als Kläger einen Parallelprozess mit einem Streitwert von mehr als 550.000 € führte, diesem zu seinem eigenen Nachteil. Auch im Parallelverfahren hat der Senat auf Grund der Angaben des Zeugen wegen Annahme eines Beförderungsvertrages die klägerische Berufung für unbegründet gehalten, da dort ebenfalls die 2-​jährige Ausschlussfrist bei Klageerhebung verstrichen war. Der dortige Kläger H. hat daraufhin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgenommen.

b)

34. Der Senat geht auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme vom konkludenten Abschluss eines entgeltlichen Beförderungsvertrages aus. Bei der Auslegung ist insbesondere auch die Interessenlage des Fluggastes zu berücksichtigen, dessen Rechte durch die Neufassung des LuftVG gestärkt werden sollten. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Beförderungsvertrag gegeben ist, ist die dem Flug zugrundeliegende Interessenlage insbesondere hinsichtlich des mitfliegenden Insassen maßgebend (BGH NJW-​RR 2005, 895). Die Argumentation der Klagepartei, dass lediglich von einem Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen auszugehen sei, ist nur vor dem Hintergrund verständlich, dass die zweijährige Ausschlussfrist des § 49 a LuftVG hier verstrichen war. Innerhalb der Frist hätte die Klagepartei nach Überzeugung des Senats dahin argumentiert, dass ein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde, weil dann nach den Vorschriften des LuftVG für eine Inanspruchnahme des Piloten der Nachweis eines Verschuldens nicht erforderlich gewesen wäre und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz einiges dafür spricht, dass dann der beweisbelasteten Beklagten zu 1) eine Exkulpation nicht gelungen wäre.

35. Der Zeuge und der später verstorbene Pilot Z. haben sich nach Angaben des Zeugen zwar gut verstanden und duzten sich nach dem ersten Flug. Sie kannten sich aber nicht so gut und das Verhältnis war nicht so eng, dass der Zeuge einem Ansinnen auf einen Haftungsausschluss im Fall eines Unfalls in jedem Fall nachgekommen wäre, wäre dies vor dem Flug angesprochen worden. Auf diesbezügliche Frage (vgl. Bl. 281 d.A.) konnte der Zeuge nicht angeben, ob er zu Gunsten des Herrn Z. bereit gewesen wäre, auf Ansprüche zu verzichten. Er ist jedoch davon ausgegangen, dass der Pilot hafte, wenn er einen Fehler macht und es deshalb zu einem Unfall kommt. Dies sollte selbst dann so sein, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Pilot keinen Fehler gemacht hat und der Unfall auf Grund eines technischen Defekts erfolgt ist.

36. Der Zeuge H. wollte auch nicht ähnlich einem Flugschüler das Fliegen erlernen und er gab sich nicht aus Begeisterung an der (eigenen) Ausübung des Flugsports in die Luft im Wissen um die Gefährlichkeit. Es stand gerade nicht die flugsportliche Betätigung sondern die Beförderung im Vordergrund, während die Beförderung nur einen zwar notwendigen, aber unselbständigen Faktor für diesen Bestimmungsgrund darstellt. Der wesentliche Zweck der Beförderung muss darin liegen, dem Fluggast den Nutzen einer Ortsveränderung und/oder einen fliegerischen Genuss zu verschaffen, der sich aus dem Gefühl des Fliegens selbst ergibt. Bei einer solchen Konstellation begibt sich der Fluggast hinsichtlich der technischen Bewältigung in die Obhut des Luftfrachtführers. Dieser muss es dann zugleich als seine Aufgabe ansehen, vollumfänglich für die technische Bewältigung des Fluges Sorge zu tragen, um dem Fluggast die Vorteile des Fliegens zu verschaffen. Genau dies war vorliegend der Fall. Der Verstorbene wollte dem Zeugen H. den fliegerischen Genuss zukommen lassen und dieser sollte sich hälftig an den Kosten beteiligen. Der Zeuge H. hatte mit der technischen Bewältigung nichts zu tun, dies war allein Aufgabe des Piloten, auch hinsichtlich begleitender Tätigkeiten wie Navigation etc.. Der Zeuge H. begab sich als Fluggast in die Obhut des Piloten Z., den er als Verantwortlichen ansah, sollte etwas passieren.

37. Der Flug fand auch nicht ohnehin, unabhängig von der Mitnahme des Zeugen statt. Nach dem Inhalt des vorgelegten Email-​Verkehrs und den Angaben des Zeugen war es nicht so, dass der später Verstorbene an diesem Tag ohnehin auch ohne den Zeugen geflogen wäre, der Termin und die Route waren mit dem Zeugen abgesprochen.

38. Wäre der Flug aus nicht vorhersehbaren Gründen nicht zustande gekommen, wäre er an einem anderen Tag nachgeholt worden, dem Zeugen war ein erneuter Flug gerade versprochen und die Mitnahme daher nicht unverbindlich, zumal der Zeuge sich hälftig an den doch beträchtlichen Kosten beteiligen sollte.

39. Die Frage der Entgeltlichkeit ist für die Annahme eines Beförderungsvertrages zwar nicht zwingend, aber doch ein weiteres erhebliche Indiz. Dass nach den Angaben des Zeugen, von deren Richtigkeit der Senat wie dargelegt überzeugt ist, lediglich eine hälftige Aufteilung der Kosten vereinbart war, der Verstorbene somit einen Teil der Kosten selbst zu tragen hatte und keinen Gewinn aus der Beförderung erzielte, nimmt dem Vertrag nicht den Charakter der Entgeltlichkeit, worauf der BGH in der in VersR 1968, 94 veröffentlichten Entscheidung u.a. hingewiesen hat:

40. „Unter Entgelt ist allgemein die für eine Leistung vertraglich geschuldete Gegenleistung zu verstehen. Auf das wertmäßige Verhältnis beider kommt es nicht an. Entscheidend ist allein der Wille der Parteien, der den gegen die Leistung auszutauschenden Gegenstand festgesetzt und damit zum Entgelt bestimmt hat. Den Gegensatz bildet eine Leistung, für die nichts geschuldet, die „unentgeltlich“ erbracht wird. Es besteht kein Grund, von diesem allgemeinen Begriff des Entgelts bei der Auslegung von § 49 LuftVG abzugehen …

41. ..schon das bezeichnete, nur unmittelbare wirtschaftliche Interesse an der Beförderung des Fluggastes reicht aus, um einen Haftungsverzicht hinfällig zu machen. (So liegt es etwa bei der kostenlosen Beförderung von Betriebsangehörigen oder Geschäftsfreunden im firmeneigenen Flugzeug.) Diese Strenge der Vorschrift zwingt zu der mit dem Wortlaut übereinstimmenden Auslegung, dass alle sonstigen Beförderungen hierunter fallen, sofern nur irgendeine Gegenleistung vertraglich vereinbart wird. Denn schon dadurch reiht sich ein solcher Luftfrachtführer in den Kreis der am Fluggast irgendwie wirtschaftlich Interessierten ein, die diesem eben wegen ihres Interesses unabdingbar nach §§ 44 bis 48 LuftVG haften. Die Erzielung von Gewinn wird in keinem Falle vorausgesetzt. Es soll nur umgekehrt Raum für einen Haftungsverzicht dort gelassen werden, wo der Flug weder allgemein im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Nutzung eines Luftfahrzeugs steht, noch im Einzelfall gegen Geld oder geldwerte Vorteile gewährt wird. Auf das wertmäßige Verhältnis dieses Vorteils zur Beförderung kommt es nicht an; nur reine Unentgeltlichkeit befreit vom Verbot des Haftungsausschlusses.“

42. Auf Grund der vereinbarten Kostenteilung hatte zugleich der Pilot ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Mitnahme des Zeugen, um dessen Finanzierungsbeitrag zu erhalten.

43. Über einen etwaigen Haftungsausschluss wurde nicht gesprochen und die Frage einer Versicherung nicht diskutiert. Im Übrigen kann bei der Auslegung nicht maßgeblich darauf abgestellt werden, dass Hobbypiloten, ohne dies gegenüber dem Fluggast zum Ausdruck zu bringen, ein Interesse am Abschluss eines Beförderungsvertrages deshalb nicht haben, weil viele von ihnen eine mit der Neufassung des LuftVG erforderliche Versicherung nicht abgeschlossen haben, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführte. Wie eingangs erwähnt, ist für die Beantwortung der Frage, ob ein Beförderungsvertrag gegeben ist, nicht die Interessenlage des Piloten, sondern die dem Flug zugrundeliegende Interessenlage insbesondere des mitfliegenden Insassen maßgebend (BGH NJW-​RR 2005, 895) und diesem war von einer fehlenden Versicherung nichts bekannt. Überdies steht – ohne dass es hierauf aus Sicht des Senats noch ankäme – vorliegend nicht fest, ob für den vorliegenden Flug, von etwaigen Ausschlussgründen wegen Überladung oder sonstigen Verstößen gegen die LuftBO abgesehen, über die Versicherung der vormaligen Beklagten zu 2), deren Mitglied der Verstorbene war, bei der Streithelferin nicht eine Haftpflicht- oder Unfallversicherung bestand.

3.

44. Gem. § 48 LuftVG gilt § 49a LuftVG nicht nur für Schadensersatzansprüche aus §§ 44 ff LuftVG (hier § 45 LuftVG), sondern auch für solche Ansprüche, die auf einem anderen Rechtsgrund beruhen, d.h. insbesondere auch für Ansprüche aus deliktischer Haftung gem. §§ 823 ff BGB (vgl. auch Giemulla/Schmid, LuftVG, § 49a, Rdnr. 2).

4.

45. Die zweijährige Ausschlussfrist des § 49a LuftVG ist gem. §§ 187 I, 188 II BGB mit dem 04.10.2011 abgelaufen. Eingang der Klageschrift beim Erstgericht i.S.d. § 167 ZPO war demgegenüber erst am 13.07.2012.

5.

46. Da die gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Ansprüche nicht begründet sind, erweist sich die zulässige Widerklage als begründet.

47. Der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch wird durch die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO nicht von vornherein ausgeschlossen. Jedoch müssen die Voraussetzungen einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sein. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann sich aus Vertrag, Verzug, positiver Vertragsverletzung, culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt ergeben.

48. Ein Kostenerstattungsanspruch aus positiver Vertragsverletzung setzt voraus, dass der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer (vor-​) vertraglichen Beziehung der Parteien geltend gemacht wurde (BGH NJW 2007, 1458). Dies ist vorliegend auf Grund des zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien abgeschlossenen Beförderungsvertrages der Fall. Wird jemand, wie vorliegend die Beklagte zu 1) als Rechtsnachfolgerin des Piloten durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des zu befördernden Fluggastes nach Ablauf der Frist des § 49 a LuftVG und damit unberechtigt als Schuldnerin mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, ist Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch positive Vertragsverletzung (§§ 280, 311 BGB).

49. Die Beklagte zu 1) durfte sich angesichts der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslageich zur Abwehr der gegen sie erhobenen Ansprüche vorgerichtlicher anwaltlicher Unterstützung bedienen (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Rz 57 zu § 249). Die Höhe ist zwischen den Parteien nicht streitig.

II.

50. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 I, 101 ZPO.

III.

51. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

52. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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