Abgrenzung zwischen individualvertraglicher Vereinbarung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen

LG Köln: Abgrenzung zwischen individualvertraglicher Vereinbarung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Der Kläger hatte bei der Beklagten mehrere Flüge gebucht, die er später stornierte. Er verlangt Erstattung des Ticketpreises.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landgericht wies die Klage ab. Es sei wirksam vereinbart worden, dass der Preis bei Stornierung nicht zu erstatten sei.

LG Köln 11 S 405/15 (Aktenzeichen)
LG Köln: LG Köln, Urt. vom 23.08.2016
Rechtsweg: LG Köln, Urt. v. 23.08.2016, Az: 11 S 405/15
AG Köln, Az: 143 C 69/15
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Landgericht Köln

1. Urteil vom 23. August 2016

Aktenzeichen 11 S 405/15

Leitsatz:

2. Die Rückerstattung des Ticketpreises bei Flügen kann wirksam ausgeschlossen werden.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten mehrere Flüge für sich und seine Familie von Düsseldorf nach Miami und zurück gebucht, die er später stornierte. Er verlangt Erstattung des Ticketpreises.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landgericht wies die Klage ab. Es sei wirksam vereinbart worden, dass der Preis bei Stornierung nicht zu erstatten sei. Diese Klausel unterliege nicht der AGB-Kontrolle, da sie zwischen den Parteien, durch Wahl einer angebotenen Buchungsoption, ausgehandelt wurde.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köln – Az.: 143 C 69/15 – teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits – erster und zweiter Instanz – trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO.

II.

6. Die Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und hat auch in der Sache Erfolg.

7. Der Kläger kann von der Beklagten die begehrte Rückzahlung von anteiliger Vergütung für die von ihm gebuchten und sodann vier Tage vor dem geplanten Reisebeginn stornierten Flüge für sich, seine Ehefrau, den Sohn G und Herrn C in der Economy L – Klasse am 8.8.2014 von Düsseldorf nach Chicago und von Chicago nach Miami sowie am 31.8.2014 von Miami nach Newark und von Newark nach Düsseldorf nicht verlangen.

8. Die mit der Klage geltend gemachten und erstinstanzlich aus §§ 812, 631 Abs. 1, 649, 398 BGB für begründet erachteten Bereicherungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

9. Die Parteien haben entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung des Amtsgerichts das Recht des Klägers als Besteller der Flugbeförderungsleistung durch die Beklagte zur freien Kündigung nach § 649 S. 1 BGB wirksam vertraglich ausgeschlossen. Der Rechtsgrund für die von dem Kläger geleistete Zahlung des Beförderungsentgeltes ist damit nicht nachträglich weggefallen, so dass die Beklagte dieses unabhängig davon behalten darf, ob sie durch die unterbliebene Teilnahme des Klägers und seiner Familie an den Flügen Aufwendungen erspart hat oder nicht. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren hat die Beklagte vereinbarungsgemäß an den Kläger zurückgezahlt. Die Nichterstattung des YQ-​Zuschlags entspricht der getroffenen Regelung. Gründe, aufgrund derer der Kläger sich daran nicht festhalten lassen müsste, hat er nicht dargelegt.

10. Die streitgegenständliche Regelung, „Die Stornierung des Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale/nationale Zuschlag ist nicht erstattbar.“, ist nicht wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB oder § 308 Nr. 7 BGB oder § 307 Abs. 2 BGB unwirksam.

11. Sie unterliegt bereits nicht der Inhaltskontrolle dieser Vorschriften.

12. Zwar ist – insoweit ist dem Amtsgericht zu folgen – der Anwendungsbereich der §§ 307 ff. BGB grundsätzlich eröffnet, da es sich nicht um eine Leistungsbeschreibung handelt, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflichten unmittelbar regelt und deshalb mit Rücksicht auf den privatrechtlich geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit von vornherein der AGB-​Kontrolle entzogen wäre. Weder wird mit der Bestimmung die Beförderungsleistung, die gekennzeichnet ist durch den Abflugort, den Zielort und den Termin der Beförderung sowie die zu befördernden Personen, geregelt noch das für die Beförderungsleistung als solche zu zahlende Entgelt, das die Parteien frei vereinbaren können. Vielmehr schließt sie das Recht des Buchenden, die Flüge zu stornieren, aus, und weicht somit von der gesetzlichen Regelung des § 649 S. 1 BGB ab. Der Ausschluss des Kündigungsrechts stellt eine Nebenabrede dar, die grundsätzlich als Prüfgegenstand der §§ 307 ff. BGB in Betracht kommt. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Ausschluss des Kündigungsrechts mitbestimmend für den von der Beklagten ausgeschriebenen Ticketpreis ist. Nichts anderes gilt für die Regelung der Erstattung von Steuern und Gebühren und Nichterstattung des YQ-​Zuschlags. Sie betrifft die Nichtinanspruchnahme der Flüge und regelt deren Folgen, nicht jedoch das Beförderungsentgelt als unmittelbare Preisbestimmung.

13. Dennoch unterfällt nach Auffassung der Kammer der Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts nach § 649 S. 1 BGB mit der Regelung zur Erstattbarkeit/Nichterstattbarkeit der Steuern und Gebühren und des YQ-​Zuschlags nicht dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da er im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB zwischen den Parteien ausgehandelt wurde. Denn dem Kläger stand es frei, die Buchung stornierbar auszugestalten.

14. Ein Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegt dann vor, wenn der Verwender der Geschäftsbedingungen den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt; der Kunde muss die reale Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (Palandt-​Grüneberg, 74. Auflage, § 305 Rn. 20). Dies war hier der Fall. Dem Kläger war bei der Online- Buchung seitens der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, den Flug stornierbar oder nicht stornierbar zu buchen, so dass er selbst über den Ausschluss des Kündigungsrechts entscheiden und so maßgeblich auf die Gestaltung des Vertrages Einfluss nehmen konnte. Dass ein stornierbarer Flug teurer gewesen wäre, stand einem Aushandeln der Bestimmung nicht entgegen. Hauptpreisabreden unterliegen nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 und 2, 308, 309 BGB. Ein Grund, Vertragsalternativen mit unterschiedlichen Entgeltregelungen der Aushandlungsmöglichkeit zu entziehen und sie unterschiedslos als allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln, besteht nicht (BGH NJW 2003, 1313). Die Wahlfreiheit des Klägers war auch nicht anderweitig durch Einflussnahme des Verwenders, insbesondere auch nicht durch die Gestaltung der Buchungsseite überlagert. Es wurden, wie von der Beklagten im einzelnen aufgezeigt, auf dieser mit den Tarifen Economy Basic, Economy Basic Plus, Premium Economy Basic und Business Basic vier Tarifwahlmöglichkeiten angeboten, die einzelnen Tarifkonditionen auch im Hinblick auf die Stornierbarkeit des Fluges konnten jederzeit bei jedem Buchungsschritt in Erfahrung gebracht und ein Tarifvergleich geöffnet werden. Dass nicht alle Konditionen auf einer Seite sogleich sichtbar waren, stellt keine Überlagerung der Wahlfreiheit dar.

15. Als Individualvereinbarung unterliegen der Kündigungsausschluss und die vereinbarte Nichterstattbarkeit des YQ-​Zuschlags keinen Wirksamkeitsbedenken.

16. Solche Bedenken ergeben sich für den YQ-​Zuschlag auch nicht im Hinblick darauf, dass für Steuern und Gebühren eine Erstattung vorgesehen ist. Denn den Darlegungen der Beklagten zufolge, denen der Kläger nicht mit Substanz entgegengetreten ist, wird dieser Zuschlag für den Kerosinverbrauch unabhängig von der konkreten Anzahl der Fluggäste pauschaliert vom Buchenden erhoben, dies ohne Rücksicht darauf, ob der Fluggast tatsächlich befördert wird, wie viele Gepäckstücke mit welchem Gewicht er aufgibt und welches Gewicht er selbst hat, so dass der Zuschlag auch dann anfällt, wenn der Flug vom Buchenden nicht angetreten wird. Als Bestandteil des Ticketpreises kann der YQ-​Zuschlag unbedenklich auch pauschaliert werden.

17. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

18. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

19. Berufungswert: 2311,02 EUR

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