Haftung für ordnungsgemäße Durchführung der Reinigungsarbeiten im Hotel

KG Berlin: Haftung für ordnungsgemäße Durchführung der Reinigungsarbeiten im Hotel

Die Klägerin ist auf einem frisch gewischten Boden in einem türkischem Hotel ausgerutscht und hat sich so am Arm verletzt, dass zwei Operationen notwendig waren. Die Klägerin hatte den Hotelaufenthalt bei der Beklagten gebucht. Das Gericht erklärte, dass die Beklagte nicht für das Fehlverhalten des Reinigungspersonals haften muss. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Beklagte.

KG Berlin 9 U 103/15 (Aktenzeichen)
KG Berlin: KG Berlin, Urt. vom 19.04.2016
Rechtsweg: KG Berlin, Urt. v. 19.04.2016, Az: 9 U 103/15
LG Berlin, Urt. v. 29.06.2015, Az: 40 O 48/14
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Kammergericht Berlin

1. Urteil vom 19. April 2016

Aktenzeichen 9 U 103/15

Leitsatz:

2. Den Reiseveranstalter trifft nur eine anlassungsabhängige deliktsrechtliche Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der ordnungsgemäßen Durchführung der Reinigungsarbeiten durch den Leistungserbringer, wenn es hinreichende Anhaltspunkte gibt, dass der Leistungserbringer seinen Verkehrssicherungspflichten bei der Durchführung der Reinigungsarbeiten nicht nachkommt.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Urlaubsaufenthalt in einem türkischen Hotel gebucht. In einem frisch gewischten Bereich ist  die Klägerin gestürzt und hat sich am Arm verletzt. Sie musste in Folge dessen zweimal operiert werden.

In erster Instanz erfolgreich, wurde die Klage der Reisenden auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen. Das Gericht entschied, die Beklagte habe ohne Hinweise darauf, dass der Leistungserbringer seinen Verkehrssicherungspflichten bei der Durchführung der Reinigungsarbeiten nicht nachkommt, die deliktsrechtliche Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt und müsse somit kein Schmerzensgeld an die Klägerin zahlen.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2015 – 40 O 48/14 – dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise in die Türkei. Sie hat behauptet, in der Hotelanlage auf dem bei Putzarbeiten nicht aufgewischten nassen Boden ausgerutscht zu sein und sich hierbei ihren rechten Arm erheblich verletzt zu haben, so dass unter anderem zwei Operationen notwendig wurden. Sie wirft der Beklagten vor, die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten durch den Hotelbetreiber nicht hinreichend kontrolliert und dadurch eigene Verkehrssicherungspflichten missachtet zu haben.

6. Das Landgericht hat der auf die Zahlung von 5.000 Euro Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich zukünftiger Schäden gerichteten Klage stattgegeben, hinsichtlich des Zahlungsantrags nur dem Grunde nach.

7. Von einer Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

8. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der ihr vom Landgericht dem Grunde nach zugesprochene Zahlungsanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, so dass die Klage insgesamt abzuweisen war.

9. Eine eigene Haftung der Beklagten als Reiseveranstalterin kam vorliegend, wie auch das Landgericht zutreffend angenommen hat, allein nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.

10. a) Vertraglich ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht zu begründen. Schäden des Reisenden, die infolge einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch den Leistungserbringer im Rahmen der geschuldeten Reiseleistung entstehen, begründen zwar einen Reisemangel im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 – X ZR 87/06 -, juris Rn. 20). Darauf gegründete reisevertragliche Schadenersatzansprüche können aber nur geltend gemacht werden, wenn sie binnen eines Monats nach Ende der Reise dem Reiseveranstalter angezeigt worden sind (§ 651g BGB), woran es hier fehlt. Für sonstige vertragliche Schadensersatzansprüche gibt es ebenfalls keine Ansatzpunkte.

11. b) Deliktsrechtlich kam eine Haftung der Beklagten nicht schon nach § 831 BGB in Betracht. Denn der die für den Reiseveranstalter tätige Leistungserbringer und dessen Erfüllungsgehilfen sind mangels Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit keine Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters im Sinne des § 831 BGB (BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 – VII ZR 348/86 -, juris Rn. 21).

12. Auch wenn die Verkehrssicherungspflicht für eine Hotelanlage in erster Linie den Hotelbetreiber trifft, hat der Reiseveranstalter im Rahmen der allgemeinen deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB daneben eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit des Vertragshotels. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2006 – X ZR 142/05 -, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 – X ZR 87/06 -, juris Rn. 13).

13. a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestand nach diesen Vorgaben keine anlassunabhängige Auswahl-​, Überwachungs- und Kontrollpflicht der Beklagten, ob der Hotelbetreiber seinen Verkehrssicherungspflichten im Rahmen der Reinigungsarbeiten durch sein Personal nachgekommen war. Die genannten Verkehrssicherungspflichten des Reiseveranstalters hinsichtlich der Hotelanlage beziehen sich in erster Linie darauf, dass die baulichen Anlagen den Sicherheitsanforderungen genügen und keine Gefahrenquellen von ihnen ausgehen (BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 – VII ZR 348/86 -, juris Rn. 26). Nur soweit sich aus dem Hotelbetrieb Risiken ergeben, die über das übliche Risiko bei der Anlagennutzung hinausgehen, etwa bei Spiel-​, Sport- oder Animationsveranstaltungen, kann eine stichprobenartige Überprüfung verlangt werden, wobei der Reiseveranstalter auch hier grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass keine vermeidbaren Gefahren für Hotelgäste begründet werden (BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 – X ZR 87/06 -, juris Rn. 15; Führich, Reiserecht, 7. Auflage 2015, § 11 Rn. 93 ff.). Auch insoweit haftet er aber nicht für die allgemeine Rutschgefahr bei Spiel- und Sportanlagen; vielmehr zählen hierdurch verursachte Unfälle – jedenfalls im Verhältnis zum Reiseveranstalter – zum allgemeinen Lebensrisiko (Führich, a.a.O., § 11 Rn. 99 m.w.N.).

14. Nichts anderes kann bei einer möglichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Hotelbetreibers bei den Reinigungsarbeiten gelten, hier der unterlassenen Warnung vor der Rutschgefahr durch den nach dem Wischen nassen Boden. Hier entsteht erst dann eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefahr, deren Verwirklichung der Reiseveranstalter in geeigneter Weise entgegen zu wirken hat, wenn er hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass die Reinigungsarbeiten nicht ordnungsgemäß, also unter Beachtung der allgemein üblichen Sicherheitsvorkehrungen verrichtet werden. Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, darf er, weil es sich von selbst versteht und das der Regelfall ist, darauf vertrauen, dass der Hotelbetreiber in diesem Bereich seinen Pflichten nachkommt. Er muss hier grundsätzlich keine Gefahrenquelle vermuten und braucht deswegen nicht anlassunabhängig tätig werden. Kommt also das Reinigungspersonal oder der Hotelbetrieb seinen Verkehrssicherungspflichten nicht nach, mag das Schadensersatzansprüche gegen das Personal und gegebenenfalls den Hotelbetreiber begründen und im Rahmen der vertraglichen Haftung, soweit sie, anders als vorliegend, gegeben ist, auch solche gegen den Reiseveranstalter. Soweit es die deliktische Verantwortlichkeit des Reiseveranstalters betrifft, handelt es sich aber eben nicht um eine von ihm zu beherrschende Gefahrenquelle und verwirklicht sich in dem etwaigen Fehlverhalten im Bereich des Hotelbetriebs im Verhältnis zum Reiseveranstalter das von dem Reisenden selbst zu tragende allgemeine Lebensrisiko.

15. b) Soweit die Klägerin, von der Beklagten bestritten, behauptet hat, dass es etwa eine Woche vor ihrem behaupteten Unfall einen ähnlichen Unfall gegeben habe, der der Reiseleitung der Klägerin angezeigt worden sei, wäre dieser Umstand grundsätzlich geeignet gewesen, eine Verpflichtung der Beklagten zu begründen, sich der Einhaltung der allgemein üblichen Sicherheitsstandards bei den Reinigungsarbeiten durch den Hotelbetreiber zu vergewissern. Abgesehen davon, dass der Sachvortrag der Klägerin zu dem angeblichen Sturz anderer Gäste eine Woche vor dem behaupteten Unfall der Klägerin und zu der Kenntnis der Reiseleitung hiervon schon nicht hinreichend substantiiert ist, haben auch weder die von dem Landgericht persönlich angehörte Klägerin noch der von ihr für diese Behauptung benannte Zeuge S… die Angaben bestätigt. Vielmehr haben beide nur bekundet, dass ein Tischnachbar dem Zeugen S… erzählt habe, dass an derselben Stelle eine Woche zuvor oder vor nicht allzu langer Zeit schon einmal jemand ausgerutscht sei. Ob die Reisleitung vor Ort und dann die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hat, ergibt sich daraus nicht.

III.

16. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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