Außergewöhnlicher Umstand bei Verzögerung durch schlechte Wetterbedingungen

AG Frankfurt: Außergewöhnlicher Umstand bei Verzögerung durch schlechte Wetterbedingungen

Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung für eine Verspätung durch schlechtes Wetter. Die Fluggesellschaft wurde verurteilt, weil sie nicht vortrug, warum auf dem Vorflug keine ausreichend qualifizierten Piloten eingesetzt worden waren, die am vorgesehenen Ort hätten landen und starten können.

AG Frankfurt 29 C 2301/16 (21) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 01.03.2017
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2017, Az: 29 C 2301/16 (21)
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Amtsgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 1. März 2017

Aktenzeichen 29 C 2301/16 (21)

Leitsatz:

2. Führt ein Luftfahrtunternehmen die Änderung des Startflughafens wegen schlechten Witterungsbedingungen als außergewöhnlichen Umstand an, muss es darlegen, warum auf dem Vorflug kein ausreichend qualifizierter Flugzeugführer eingesetzt wurde, der am vorgesehenen Ziel- bzw. Startflughafen hätte landen können.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug von Frankfurt am Main nach Dehli für den 1. Februar 2015 gebucht. Wegen schlechter Wetterbedingungen am Startflughafen und da die Piloten des Vorfluges keine Lizens zur Landung hatten, musste dieser auf dem Flughafen Köln-Bonn landen. Die Passagiere wurden durch die Beklagte mit dem Bus dorthin und von dort mit dem Flug nach Dehli befördert, wo sie mit 4 Stunden Verspätung ankamen. Hierfür forderten die Kläger eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung. Die Fluggesellschaft verwies auf die Wetterbedingungen als außergewöhnliche Umstände.

Das Amtsgerichts Frankfurt am Main gab der Klage statt. Die Beklagte konnte sich nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen, weil sie nichts dazu vorgetrug, warum auf dem Vorflug keine Politen mit der Qualifikation zur Landung bei der am Abflugtag herrschenden Witterung eingesetzt worden waren. Gemessen an der Flugdistanz erhielten die Kläger jeweils 600,- €.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 99,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.03.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 […] (im Folgenden: EGV 261/2004) wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch.

6. Die Kläger buchten für den 01.02.2015 einen Flug von Frankfurt am Main nach Delhi (AI 120).

7. Geplanter Abflug in Frankfurt am Main war am 01.02.2015 um 21.30 Uhr (Ortszeit). Tatsächlich fand der Abflug am 02.02.2015 um 05:42 Uhr in Köln-​Bonn statt. Am Frankfurter Flughafen lagen zum streitgegenständlichen Zeitpunkt Wetterbedingungen der Kategorie CAT II vor. Weil die Flugzeugführer des Vorfluges AI 121 wie auch der 1. Offizier zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht über die notwendige Lizenz verfügten, Landungen bei Wetterbedingungen der Kategorie CAT II durchzuführen, wich die Beklagte nach Köln-​Bonn aus. Die Passagiere des Fluges AI 120 wurden mit Bussen von Frankfurt am Main nach Köln-​Bonn befördert.

8. Die Ankunftsverspätung betrug mehr als 4 Stunden. Die Flugbeförderung erfolgte durch die Beklagte.

9. Die Kläger beantragen:

10. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 99,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.03.2016 zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

13. Die zulässige Klage ist begründet.

14. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 600,00 EUR nach Art. 5 i. V. m. 7 Abs. 1 EGV 261/2004 wegen Verspätung bzw. Art. 5 Abs. 1 lit. c) i. V. m. Art. 7 Abs. 1 EGV 261/2004 wegen Annullierung des Fluges. Es kann vorliegend dahinstehen, ob es sich aufgrund der Änderung des Abflugortes und damit der ursprünglichen Flugplanung (vgl. EuGH Urteil vom 19. 11. 2009 – C-​402/07, C-​432/07) um eine Annullierung handelt, denn die Ankunft am Endziel erfolgte jedenfalls mit mehr als 4 Stunden Verspätung.

15. Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden, wobei vorliegend dahinstehen kann, ob die bestehenden Wetterbedingungen der Kategorie CAT II geeignet gewesen sind außergewöhnliche Umstände herbeizuführen.

16. Der Vortrag der Beklagten lässt nicht hinreichend erkennen, weshalb auf dem streitgegenständlichen Flug keine Flugzeugführer mit ausreichender Qualifikation eingesetzt wurden, die es ermöglicht hätte bei entsprechenden Wetterbedingungen zu landen.

17. Das ausführende Luftfahrtunternehmen muss darlegen, welche anderen personellen, materiellen und finanziellen Mittel ihm zur Verfügung standen, um den Flug zum geplanten Zeitpunkt durchzuführen und aus welchen Gründen es ihr gegebenenfalls nicht zumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen. Der Vortrag muss erkennen lassen, ob und welche Möglichkeiten bestanden, den Fluggast anderweitig zu seinem Ziel zu befördern (BGH, Urteil vom 14.10.2010, Xa ZR 15/10, Rn. 29 – juris).

18. Die zugesprochenen Zinsen und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerseite als Verzugsschaden gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 BGB zu.

19. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

20. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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