Widrige Wetterbedingungen auf Vorflug am Vortag als außergewöhnlicher Umstand

AG Frankfurt: Widrige Wetterbedingungen auf Vorflug am Vortag als außergewöhnlicher Umstand

Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung für eine 3-stündige Flugverspätung. Die Fluggesellschaft konnte nicht auf schlechtes Wetter als außergewöhnlichen Umstand verweisen, weil sie keine Ersatzflugzeuge bereitgehalten hatte.

AG Frankfurt 30 C 3971/13 (68) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 04.07.2014
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 04.07.2014, Az: 30 C 3971/13 (68)
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Amtsgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 4. Juli 2014

Aktenzeichen 30 C 3971/13 (68)

Leitsatz:

2. Schlechte Wetterbedingungen am Vortag des verspäteten Fluges können nicht als außergewöhnliche Umstände geltend gemacht werden, da 24 Stunden Zeit bestehen, um eine Ersatzmaschine zu stellen.

Zusammenfassung:

3. Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung wegen einer 3-stündigen Flugverspätung, die sie bei einer Flugreise am 18. Mai 2013 hinnehmen mussten. Die Prozessbevollmächtigte der beklagten Fluggesellschaft erschien nicht zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main, sodass zunächst ein Säumnisurteil gegen sie erging, wogegen sie daraufhin Beschwerde einlegte.

Die Beschwerde wurde abgewiesen. Die Fluggesellschaft war zum Ausgleich für den Zeitverlust der Kläger verpflichtet und konnte sich davon auch nicht durch Verweis auf widrige Wetterbedingungen als außergewöhnliche Umstände befreien, denn diese hatten schon am Vortag der streitgegenständlichen Flugbeförderung geherrscht und der Beklagten war anhand ihrer Flottengröße von 24 Flugzeugen zuzumuten, eine Ersatzmaschine bereitzuhalten. Sie hatte daher nicht alles Nötige und Zumutbare getan, um die Verspätung zu verhindern. Die Kläger erhielten jeweils 600,- € und Zinsen daraus.

Tenor:

4. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 25.04.2014 bleibt aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand:

5. Die Kläger fordern von der Beklagten wegen erheblicher Verspätung ihres Fluges die Zahlung eines Ausgleichs nach der Fluggastverordnung in Höhe von jeweils 600,- Euro.

6. Die Kläger buchten jeweils bei der Beklagten für den 18.05.2013 den Flug Nr. … von … nach …‚ der planmäßig um 14.45 Uhr … auf … starten und um 17.15 Uhr … in … landen sollte. Tatsächlich startete der Flug am … auf … erst um 18.30 Uhr … und landete mit einer Ankunftsverspätung von mehr als 3 Stunden erst um 20.44 Uhr … in …

7. Vor dem ersten Verhandlungstermin am 25.04.2014 hat die Geschäftsstelle das Gericht informiert, dass die Beklagtenvertreterin wegen Zugverspätung etwas später zum Termin erscheinen werde. Als auch 45 Minuten nach Terminbeginn niemand erschienen war, hat das Gericht bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten angerufen. Ein Mitarbeiter der Prozessbevollmächtigten informierte das Gericht, dass die Prozessbevollmächtigte wegen einer Zugstreckensperrung am frühen Morgen die Anreise aufgegeben habe. Die Nachfrage des Gerichts, ob nicht eine Anreise auf anderem Weg möglich gewesen wäre oder ob die Prozessbevollmächtigte nicht – wie sonst in Verfahren mit so geringem Streitwert üblich – einen Unterbevollmächtigten hätte mit der Terminwahrnehmung beauftragen können, hat der Mitarbeiter unbeantwortet gelassen. Die Beklagte ist sodann wegen Säumnis im Termin am 25.04.2014 im Wege des Versäumnisurteils zur Zahlung von jeweils 250,- Euro an alle Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2014 verurteilt worden.

8. Gegen das am 06.05.2014 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 20.05.2014 Einspruch eingelegt.

9. Die Kläger beantragen,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

10. Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte behauptet, ihre Prozessbevollmächtigte habe wegen der Zugstreckensperrung am 25.04.2014 um 8.00 Uhr bei einer – namentlich nicht bekannten – Geschäftsstelle des Amtsgerichts angerufen und um Terminverlegung gebeten.

12. Die Beklagte ist der Ansicht vor diesem Hintergrund sei das Versäumnisurteil unrechtmäßig ergangen.

13. Die Beklagte behauptet, das für den streitgegenständlichen Flug vorgesehene Flugzeug sei am frühen Morgen des … nach … geflogen, habe dort aber gegen 9.00 Uhr … wegen widriger Wetterbedingungen nicht landen können und auf … landen müssen. Die Verspätung habe sich fortgesetzt, so dass nach drei über Deutschland (…) laufenden Umläufen auch der streitgegenständliche Flug als der neunte Folgeflug noch verspätet gestartet und gelandet sei.

14. Sie verfüge über nur 24 Maschinen, die alle im Einsatz gewesen seien. Aus wirtschaftlichen Gründen könne die Beklagte kein Ersatzflugzeug vorhalten. Sie habe versucht Subcharter zu bekommen. Dafür habe sie am Morgen des … aus ihrer Verkehrszentrale einen E-​Mail-​Verteiler herausgeschickt, mit dem diese Anfragen gestartet werden. Ein Flugzeug zur Subcharter habe sie damit aber nicht gefunden.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, die Wetterbedingungen in … betreffend die Landung des neunten Vorflugs am Vortag des streitgegenständlichen Flugs stellten einen für die Beklagte unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Fluggast-​VO dar.

16. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlung am 25.04.2014 und am 20.06.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

17. Das Versäumnisurteil ist rechtmäßig ergangen. Das Gericht hatte die Verhandlung über den Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils nicht gem. § 337 ZPO vertagen müssen. Denn die Beklagte war nicht ohne ihr Verschulden verhindert im Termin am 25.04.2014 zu erscheinen. Unverschuldet ist das Fernbleiben der Partei nur, wenn diese alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Verhinderung rechtzeitig mitzuteilen (BGH MDR 2009 S. 355). Hier hat jedoch die Partei dem Gericht den Verhinderungsgrund nicht vor dem Termin mittgeteilt, sondern erst auf eigene telefonische Nachfrage des Gerichts 45 Minuten nach dem Termin. Auch in diesem Telefonat hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zudem keinen Verlegungsantrag gestellt. Die durch die Beklagte behauptete mündliche Mitteilung gegenüber der Geschäftsstelle ist beim Gericht nicht angekommen. Dies ist gerichtsbekannt.

18. Im Übrigen war der behauptete Verhinderungsgrund nicht erheblich (Zöller-​Herget, 30. Auflage 2014, § 337 Rn. 3). Selbst wenn die Zugstrecke am frühen Morgen gesperrt gewesen sein sollte, wäre noch genug Zeit gewesen in Frankfurt einen Unterbevollmächtigten zu beauftragen. Es ist gerichtsbekannt, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerade in Fällen wie dem streitgegenständlichen mit nur geringem Streitwert regelmäßig einen Unterbevollmächtigten beauftragen. Der Mitarbeiter der Prozessbevollmächtigten hat die telefonische Nachfrage des Gerichts, ob die Prozessbevollmächtigte nicht noch den Unterbevollmächtigten hätte beauftragen können, jedoch unbeantwortet gelassen, ebenso wie die Frage nach einer Anreise auf anderem Weg.

19. Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg.

20. Die Kläger haben gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von jeweils 250,- Euro aus Art. 5, 7 Abs. 1 a) analog der EG-​Verordnung Nr. 261/2004 (im Folgenden: Fluggast-​VO).

21. Ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs analog Art. 7 Abs. 1 a) Fluggast-​VO besteht auch bei. einer Ankunftsverspätung von mindestens drei Stunden (EuGH NJW 2010, 43) wie hier. Der den Fall der Verspätung regelnde Art. 6 der Fluggast-​VO verweist zwar nicht auf den den Ausgleichsanspruch regelnden Art. 7 Fluggast-​VO, sondern nur der den Fall der Annullierung regelnde Art. 5 Fluggast-​VO. Art. 5 und 7 Fluggast-​VO sind aber auf die Fälle einer großen Ankunftsverspätung von mindestens 3 Stunden analog anzuwenden, da sich die Lage der Fluggäste der Flüge mit einer großen Verspätung kaum von der Lage von Fluggästen annullierter Flüge unterscheidet. Beide Gruppen erleiden einen ähnlichen Schaden in Form eines erheblichen Zeitverlustes, weshalb auch Erwägungsgrund 15 der Verordnung in Bezug auf den Ausgleichsanspruch den Begriff „große Verspätung“ verwendet.

22. Der Anspruch ist nicht gem. Art. 5 Abs. 3 Fluggast-​VO analog ausgeschlossen. Denn die widrigen Wetterbedingungen auf dem neunten Vorflug des für den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Flugzeugs schon am Vortag können keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

23. Denn selbst wenn die nicht planmäßige Landung auf … wegen widriger Wetterbedingungen in … zu einer Verzögerung des Flugumlaufs geführt haben sollte, so hätte die Beklagte die Folgeverspätung jedenfalls des streitgegenständlichen Flugs durch zumutbare Maßnahmen verhindern können. Denn die Beklagte hatte deutlich mehr als 24 Stunden Zeit um ein Ersatzflugzeug zu organisieren. Dies war der Beklagten insbesondere im Wege der Subcharter auch nicht wirtschaftlich unzumutbar. Vielmehr wäre es wirtschaftlich vernünftig und der Beklagten zumutbar gewesen, unmittelbar bei Auftreten der Verspätung eine Subcharteranfrage zu stellen, gerade um die Kosten der Ausgleichsansprüche aus den 9 Folgeflügen bis zum streitgegenständlichen Flug zu vermeiden. Wenn die Beklagte nun die betriebswirtschaftliche Entscheidung getroffen hat, sich diese Subcharterkosten jedenfalls erst einmal zu sparen und erst einen Tag später am Morgen des … eine Subcharteranfrage gestellt hat, so darf diese Entscheidung die Beklagte jedenfalls für den streitgegenständlichen Flug nicht mehr entlasten (LG Hannover, Urteil vom 18.01.2012, Az. 14 S 52/11).

2.

24. Die Kläger können von der Beklagten weiter die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab Rechtshängigkeit verlangen (§§ 288 Abs. 1, 291 BGB).

25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und S. 3 ZPO.

26. Streitwert: 1.750,- Euro

27. Dr. Budäus

28. Richterin am Amtsgericht

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