Wirksamkeit einer Formularklausel zur Schadenspauschalierung bei Reiserücktritt
LG Bückeburg: Wirksamkeit einer Formularklausel zur Schadenspauschalierung bei Reiserücktritt
Ein Wettbewerbsverein verklagt einen Reiseveranstalter auf Unterlassung. Dieser bediente sich im Geschäftsverkehr einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die ihm im Stornofall eine Mindestentschädigung zusicherte.
Das Landgericht Bückeburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Eine Klausel mit einer fixen Mindestentschädigung sei mit den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs unvereinbar.
LG Bückeburg | 1 O 72/11 (Aktenzeichen) |
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LG Bückeburg: | LG Bückeburg, Urt. vom 08.09.2011 |
Rechtsweg: | LG Bückeburg, Urt. v. 08.09.2011, Az: 1 O 72/11 |
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Leitsatz:
2. Regelt ein Reiseveranstalter in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus dem Internet für den Fall des Rücktritts des Reisenden pauschal eine fixe Mindestentschädigung, so ist diese Klausel unwirksam. Eine derartige Pauschalierung darf nach § 651i Abs. 3 BGB nur durch Vereinbarung eines „Vomhundertsatzes des Reisepreises“ erfolgen.
Zusammenfassung:
3. Ein abmahn- und klagebefugter Wettbewerbsverein fordert einen privaten Reiseanbieter zur Unterlassung der Nutzung einer seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf. Der Beklagte arbeitete im Geschäftsverkehr mit einer Klausel, die ihm im Falle einer Reisestornierung einen Mindestbetrag an Entschädigung zusicherte.
Der Kläger hält diese fixe Mindestentschädigung für unwirksam, weil sie den Verbraucher unangemessen benachteilige.
Das Landgericht Bückeburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Eine in den AGB enthaltene Klausel, in der der Reiseveranstalter, für den Fall des Rücktritts des Reisenden, pauschal eine fixe Mindestentschädigung verlange, sei unwirksam.
Eine solche Klausel sei mit §651 i BGB nicht zu vereinbaren, weil sie bei der Stornierung einer günstigen Reise eine unangemessen hohe Gebühr nach sich ziehe.
Nach § 651 i Abs. 3 BGB könne der Reiseveranstalter seine Entschädigung, die ihm im Falle des Rücktritts des Reisenden zustehe, pauschalieren. Allerdings dürfe eine derartige Pauschalierung nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur durch Vereinbarung eines „Vomhundertsatzes des Reisepreises“erfolgen. Dies garantiere die Veranschlagung einer verhältnismäßigen Stornierungsgebühr.
Die Beklagte wurde zur Unterlassung der Nutzung dieser Klausel verurteilt.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:
„Standardkosten: Bei einem Rücktritt bis 42 Tage vor Reisebeginn berechnen wir zur Deckung unserer Kosten in der Regel eine Aufwandspauschale von 15 % des Gesamtreisepreises, mindestens aber 50 € pro Reiseteilnehmer, es sei denn, der Gesamtreisepreis beträgt bis zu 98 €. Dann beträgt die Mindestpauschale 25 €.“ oder
„Erfolgt der Rücktritt später als 42 Tage vor Reisebeginn, können wir eine pauschalierte Entschädigung verlangen, die sich nach folgenden Prozentsätzen pro Person von Gesamtreisepreis berechnet:
ab 41. bis 30. Tag vor Reisebeginn 15 %, mindestens aber 75 €.“
Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2011 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € vorläufig vollstreckbar, wegen des Zahlungsanspruchs und der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird auf 6.000 € festgesetzt.
Tatbestand
5. Der Kläger ist ein abmahn- und klagebefugter Wettbewerbsverein. Die Beklagte ihrerseits veranstaltet Pauschalreisen.
6. Die Beklagte verwendet im Geschäftsverkehr Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auch im Internet abrufbar sind (www…..de). Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten unter Ziff. 6. u.a. folgende Regelungen:
7. „6. Rücktritt, Umbuchung, Ersatzperson
8. Die Höhe der Rücktrittskosten richten sich nach dem Gesamtreisepreis und wird in der Regel anhand der nachstehenden Prozentsätze ermittelt, es sei denn, uns ist ein höherer Schaden entstanden, der auch von Ihnen zu tragen ist.
9. Standardkosten: Bei einem Rücktritt bis 42 Tage vor Reisebeginn berechnen wir zur Deckung unserer Kosten in der Regel eine Aufwandspauschale von 15 % des Gesamtreisepreises, mindestens aber 50 Euro pro Reiseteilnehmer, es sei denn, der Gesamtreisepreis beträgt bis zu 98 €. Dann beträgt die Mindestpauschale 25 Euro. Erfolgt der Rücktritt später als 42 Tage vor Reisebeginn, können wir eine pauschalierte Entschädigung verlangen, die sich nach folgenden Prozentsätzen pro Person von Gesamtreisepreis berechnet:
10. ab 41. bis 30. Tag vor Reisebeginn 15 %, mindestens aber 75 Euro,
11. ab 29. bis 20. Tag vor Reisebeginn 50 %,
13. Dem Kunden steht die Möglichkeit des Nachweises offen, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in einem wesentlich niedrigeren Umfang entstanden ist …..“
14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalt und der Gestaltung wird auf die in Ablichtung vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 8 ff. d.A.) verwiesen.
15. Der Kläger beanstandet insbesondere, dass die Klauseln neben der prozentualen Entschädigung konkret bemessene Mindestentschädigungen („50 Euro“, „25 Euro“, „75 Euro“) vorsehen. Dies sei mit § 651 i Abs. 2 und 3 BGB nicht zu vereinbaren. Bei niedrigpreisigen Reiseangeboten führten die Bestimmungen zu unangemessen hohen Entschädigungen (§ 309 Ziff. 5 lit. a. BGB). Zudem seien die Klauseln intransparent. Dem Kunden werde das Recht, einen niedrigeren Schaden nachzuweisen, relativiert (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 BGB).
16. Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 21. März 2011 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte wies daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2011 den Unterlassungsanspruch zurück.
17. Mit seinem Klageantrag zu 2. begehrt der Kläger Ersatz der ihm durch die Abmahnung entstandenen Kosten von (195 € zzgl. 7 % USt.) 208,65 €.
19. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu erkennen wie unter Ziff. 1. erkannt;
20. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 208,65 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. März 2011 zu zahlen.
23. Die Beklagte erachtet die Klauseln für wirksam. Bei einer ausschließlichen Berechnung der Entschädigung mit einem Prozentsatz sei bei Billigreisen nicht gewährleistet, dass sie einen Gewinn erziele und ihre Unkosten gedeckt erhalte. Die Pauschalen seien auch nicht übersetzt, zumal den Reisenden der Nachweis eines geringeren Schadens offen stehe.
24. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
25. Die Klage ist zulässig und mit einem geringen Abschlag im Zinspunkt auch begründet.
26. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Dieser ergibt sich aus §§ 1, 2 UKlaG, §§ 307, 651 i Abs. 3 BGB, §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG.
27. Nach § 651 i Abs. 3 BGB kann der Reiseveranstalter seine Entschädigung, die ihm im Falle des Rücktritts des Reisenden nach § 651 i Abs. 2 BGB zusteht, pauschalieren. Allerdings darf eine derartige Pauschalierung nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur erfolgen durch Vereinbarung eines „Vomhundertsatzes des Reisepreises“ (Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl. § 651 i Rn. 45; Tonner in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 651 i Rn. 14). Jedwede anderweitige Pauschalierungen, so wie sie hier durch die Vereinbarung von fixen Mindestentschädigungen vorgesehen sind, sind, wie sich dies aus § 651 m S. 1 BGB ergibt, unwirksam (Tonner in MK, a.a.O.; Kieninger in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 307 Rn. 135, jeweils m.w.N.).
28. Dann aber sind die von der Beklagten verwendeten Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nach § 307 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 BGB unwirksam, was der Kläger nach §§ 1, 2, 3 Abs. 1 Ziff. 2 UKlaG im Wege der Unterlassungsklage geltend zu machen berechtigt ist.
29. Der Unterlassungsanspruch umfasst die Verpflichtung der Beklagten, die Klauseln zukünftig nicht mehr zu verwenden, darüber hinaus aber auch die geltend gemachte Verpflichtung, sich in laufenden Verträgen nicht mehr auf diese Klauseln (Mindestpauschalpreise) zu berufen (BGH NJW 2003, 1237; Palandt-Bassenge, a.a.O., § 1 UKlaG Rn. 9).
30. Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 ZPO.
31. Dem Kläger steht nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz anteiliger Abmahnkosten zu. Diese Kosten hat der Kläger zu Recht in angemessener Weise mit 195 € zzgl. USt. berechnet; dem ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Verzugszinsen kann der Kläger auf diesen Entschädigungsanspruch nach §§ 280, 288 Abs. 1 BGB in gesetzlicher Höhe beanspruchen. Allerdings kann der Kläger Zinsen erst ab Rechtshängigkeit beanspruchen (§ 291 BGB), weil er für einen vor Rechtshängigkeit liegenden Verzugseintritt nichts dargetan hat.
32. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen des Klägers ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlasst.
33. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
34. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 43, 48, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. mit § 3 ZPO, wobei die Kammer das Interesse des Klägers für jede betroffene Klausel mit 3.000 € bewertet. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandsentschädigung ist Nebenforderung und daher nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, § 43 GKG.
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