Streik des Flughafenpersonals ist kein Schadensersatzgrund

AG Charlottenburg: Streik des Flughafenpersonals ist kein Schadensersatzgrund

Weil ein Fluggast wegen eines Pilotenstreiks mehrere Stunden auf seinen Abflug warten musste, verlangt nun eine Schadensersatzzahlung von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Klage abgewiesen. Ein Personalstreik gehöre zu der Art Umständen, auf die die Airline keinen Einfluss habe. Sie sei deshalb auch nicht ersatzpflichtig.

AG Charlottenburg 232 C 267/13(Aktenzeichen)
AG Charlottenburg: AG Charlottenburg, Urt. vom 03.01.2014
Rechtsweg: AG Charlottenburg, Urt. v. 03.01.2014, Az: 232 C 267/13
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Amtsgericht Charlottenburg

1. Urteil vom 03. Januar 2014

Aktenzeichen: 232 C 267/13

Leitsatz:

2. Kein Schadensersatz bei Flugverspätung durch Streik des Sicherheitspersonals am Abflughafen, wenn Verspätung gegen Flugausfall für einige Passagiere abgewogen werden muss.

Zusammenfassung:

3. Die Leiterin eines privaten Unternehmens verlangt von einem Luftfahrtunternehmen Schadensersatz, weil zwei von ihr abgestellte Mitarbeiter, wegen einer Flugverspätung, wichtige Geschäftstermine versäumt haben. Sie fordert den Ausgleich des ihr entstandenen Schadens, weil die Verspätung nicht auf technische Probleme zurückging, sondern auf verspätete Fluggäste, die beim Check-In aufgehalten wurden.
Die Airline verweigert die Zahlung mit der Begründung, die Verzögerung am Check-In sei auf einen Personalstreik zurückzuführen, den sie nicht habe beeinflussen können.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der beklagten Airline Recht zugesprochen. Ein Personalstreik sei ein Umstand, auf den ein Luftfahrtunternehmen unmöglich Einfluss nehmen könne. So entfalle eine Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung, weil die Beklagte die Umstände nicht schuldhaft verursacht habe.
In dem Personalstreik sei vielmehr ein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu sehen.
Hiermit sei ein Ereignis gemeint, das nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche sondern außerhalb dessen liege, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist.

Weil es einem Luftfahrtunternehmen nicht zumutbar ist, dauerhaft auf die Auswirkungen eines möglichen Streiks vorbereitet zu sein, stünden der Klägerin somit keine entsprechenden Ansprüche zu.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen eines verspäteten Fluges.

6. Im Jahre 2012 buchte die Klägerin für zwei Mitarbeiter einen Flug von Düsseldorf nach Hamburg. Der Start war vorgesehen für den 10.12.2012, 8.20 Uhr und die Landung für 9.20 Uhr. Tatsächlich startete der Flug um 9.43 Uhr und landete um 10.50 Uhr.

7. Die Klägerin trägt vor, der Flugkapitän habe um 9.00 Uhr die Passagiere informiert, dass der Abflug durch die Flugleitung verschoben worden sei, weil noch nicht alle Passagiere anwesend seien. Hintergrund seien Streikmaßnahmen des Sicherheitspersonals des Flughafens Düsseldorf gewesen. Da das Flugpersonal im Flugzeug gewesen sei, hätte die Maschine gleichwohl pünktlich mit den anwesenden Mitarbeitern der Klägerin starten können. Der Streik habe lediglich zu einer Verzögerung bei der Abfertigung der Passagiere geführt.

8. Durch die Verzögerung sei der Klägerin ein Schaden entstanden, weil die beiden Mitarbeiter einen von drei Geschäftsterminen bei der … Versicherungen um 10.00 Uhr, welcher der Akquise gedient habe, nicht hätten wahrnehmen können. Die Klägerin beansprucht daher Ersatz von je acht Stunden Ausfallzeit für den Geschäftsführer … zu je 50,- € = 400,- € und für die Prokuristin … zu je 15,- € = 120,- € zuzüglich der Kosten für eine erneute Reise zur Nachholung des Termins am 24.04.2013 in Höhe von 240,- € (800 km mit dem PKW hin und zurück). Außerdem macht die Klägerin die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten in Höhe von 101,40 € geltend.

9. Die Klägerin beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen,

11. an sie 760,- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 zu zahlen.

12. an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte GREIM in Höhe von 101,40 € (netto) zu erstatten.

13. Die Beklagte beantragt,

14. die Klage abzuweisen.

15. Sie ist der Ansicht, dass sie die Verspätung nicht zu vertreten habe, weil der Streik ursächlich gewesen sei.

16. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

17. Die Klage ist nicht begründet.

18. Die Klägerin hat weder aus § 280 BGB noch aus sonstigen rechtlichen Gründen einen Anspruch auf Schadenersatz.

19. Voraussetzung eines jeglichen Anspruchs wäre es, dass die Beklagte die Flugverspätung zu vertreten hat. Dies ist jedoch nicht der Fall.

20. Zwar hat die Fluggesellschaft aufgrund der Buchung das Beschaffungsrisiko zu tragen. Das bedeutet, dass sie sich nicht entlasten kann, wenn ein Flugausfall aus ihrer betrieblichen Sphäre kommt (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 1000). Und diese Rechtsfolge könnte auch im Fall einer Flugverspätung grundsätzlich in Betracht kommen. Zu den Umständen, die kein Entlastungsgrund sind, soll auch ein vermeidbarer Streik des Personals des Luftfrachtführers gehören, nicht dagegen ein Streik fremder nicht beherrschbarer Personen (vgl. Führich a. a. O.).

21. Im vorliegenden Fall war ursächlich ein Streik des Sicherheitspersonals des Flughafens. Darauf hat die Beklagte aber keinen Einfluss. Dass die Beklagte den Streik irgendwie hätte verhindern können, behauptet die Klägerin auch nicht. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof inzwischen zum Streik ausgeführt, dass ein Streik einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 darstelle und dazu erläutert, dass mit dem Begriff außergewöhnlicher Umstand ein Ereignis gemeint sei, das nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche sondern außerhalb dessen liege, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Ähnlich dem Kriterium der höheren Gewalt gehe es um ein jedenfalls in der Regel von außen kommendes Ereignis (BGH v. 21.08.2012 -X ZR 146/11-). Indem der Streik als ein solches Ereignis angesehen wird, wird besonders deutlich gemacht, dass er in der Regel ein nicht mehr der betrieblichen Sphäre zuzurechnendes Ereignis darstellt.

22. Dieser Streik war auch ursächlich für die Flugverspätung. Zwar mag es sein, dass das Flugzeug mit den Mitarbeitern der Klägerin, die bereits im Flugzeug saßen, hätte starten können. Die Folge wäre allerdings gewesen, dass für diejenigen Fluggäste, die wegen des Streiks noch nicht im Flugzeug waren, der Flug vollständig ausgefallen wäre. Hier hatte die Beklagte eine Abwägung vorzunehmen, ob sie eine Verspätung von 1:23 Stunden in Kauf nahm mit dem Ergebnis, dass alle Passagiere an dem Flug teilnehmen konnten, oder ob sie pünktlich abflog mit der Folge, dass für einige Passagiere der Flug vollständig ausfiel. Der Europäische Gerichtshof hat zur Frage des außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ausgeführt, dass dieser sich nur auf ein einzelnes Flugzeug an einem bestimmten Tag beziehen dürfe, so dass es kein außergewöhnlicher Umstand sei, wenn die Flüge infolge von solchen Umständen umorganisiert werden, die einen vorhergehenden Flug betreffen (EuGH NJW 2013, 361).

23. Wendet man den dahinter stehenden Rechtsgedanken auf den vorliegenden Fall an, so hat die Beklagte auch hier im weiteren Sinne eine Umorganisation vorgenommen. Sie bezog sich aber allein auf den konkreten Flug. Dies spricht dafür, dass eine Wertung des Verordnungsgebers bzw. der sich daran anschließenden Rechtsprechung dahin geht, dass organisatorische Maßnahmen, die den konkreten Flug betreffen, eher hinzunehmen sind als solche, die in andern Flügen ihren Ursprung haben. Es kommt hinzu, dass die Verordnung auch darauf abzielt, dass Flugausfälle oder Ankunftsverspätungen von mehr als drei Stunden vermieden werden sollen. Dann aber ist es eine sachgerechte Entscheidung, wenn die Beklagte den bereits im Flugzeug befindlichen Passagieren eine Verspätung von knapp 1 ½ Stunden zumutet, um einen Flugausfall für weitere Fluggäste zu vermeiden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich gegenüber den andern Fluggästen, wenn diese wegen Flugausfalls einen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung geltend machen würden, nur dann mit dem Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung verteidigen könnte, wenn sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen hat (vgl BGH a. a. O.). Das hat die Beklagte hier getan, indem sie eine Verspätung von 83 Minuten in Kauf nahm. Hätte sie es nicht getan, hätte sie sich möglicherweise genau das vorhalten lassen müssen. Unter diesen Umständen ist der Beklagten kein Fehlverhalten oder Umstand entgegenzuhalten, die sie zu vertreten hat, so dass Schadensersatzansprüche im Ergebnis nicht bestehen.

24. Mit der Hauptforderung entfällt auch ein Anspruch auf Zinsen und die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten.

25. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.

26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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