Vermeintliche Pauschalreise

AG Norderstedt: Vermeintliche Pauschalreise

Der Kläger konnte seinen Flug zur Kreuzfahrt in die USA wegen der Sperrung des Luftraumes nicht antreten. Das Gericht entschied, dass er die Stornogebühren nicht tragen musste, da das Reisebüro ihn nicht auf die getrennte Buchung beider Reiseleistungen und die Risiken dessen hingewiesen hatte.

AG Norderstedt 47 C 1194/10 (Aktenzeichen)
AG Norderstedt: AG Norderstedt, Urt. vom 18.03.2011
Rechtsweg: AG Norderstedt, Urt. v. 18.03.2011, Az: 47 C 1194/10
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Amtsgericht Norderstedt

1. Urteil vom 18. März 2011

Aktenzeichen 47 C 1194/10

Leitsatz:

2. Werden Kreuzfahrt und der Flug zum Starthafen nicht als Pauschalreise gebucht, muss der Reisevermittler den Reisenden hierauf und auf die rechtlichen und finanziellen Risiken hinweisen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte 2009 für sich und seine Frau bei dem beklagten Reisebüro eine Kreuzfahrt für das Frühjahr 2010 gebucht, die in den USA starten sollte, sowie den Flug dorthin und leistete eine Anzahlung von 420,- €. Aufgrund einer Aschewolke durch einen Vulkanausbruch wurde zum Reiseantrittszeitpunkt der Luftraum gesperrt, sodass die Reisenden den Flug und somit die Kreuzfahrt nicht antreten konnten. Der Kläger kündigte die Reise gegenüber der Beklagten. Diese zog daraufhin den 90%-igen Reisepreis als Stornogebühr ein.

Der Kläger widersprach der Abbuchung und verklagte das Reisebüro auf Schadensersatz. Dieses verfolgte durch Widerklage die Zahlung der Stornokosten. Der Kläger vertrat die Auffassung, man habe ihn darüber aufklären müssen, dass die beiden Leistungen nicht als Pauschalreise gebucht würden, eine zusammenhängende Buchung ermöglichen oder ihn über die rechtlichen und finanziellen Risiken separater Buchung hinweisen müssen.

Das Amtsgericht Norderstedt gab der Klage statt und wies die Widerklage der Beklagten ab. Sie hatte ihre Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger verletzt, indem sie nicht auf die getrennte Buchung und ihre Risiken hingewiesen hatte. Wären diese dem Kläger bewusst gewesen hätte er die Reise vermutlich nicht gebucht. Daher musste er die Stornogebühren nicht zahlen und die Beklagte ihm die Anzahlung und Anwaltskosten erstatten.

Tenor:

4. Es wird festgestellt, dass der ursprüngliche Klagantrag zu Ziffer 1 in der im Termin vom 15.11.2010 gestellten Form, in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 420,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 446,13 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 … Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13.8.2010 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger begab sich im September 2008 in das Reisebüro der Beklagten in N. Er wollte für sich und seine Ehefrau eine Kreuzfahrt anlässlich der Silberhochzeit buchen. Die Reise sollte eigentlich im Herbst 2009 durchgeführt werden. Nach Angaben der Mitarbeiterin im Reisebüro, der Zeugin …, war eine Buchung aus zeitlichen Gründen für den vorgesehenen Zeitpunkt jedoch nicht mehr möglich, so dass der Kläger sich im Frühjahr 2009 erneut in das Reisebüro begab und dort für das Frühjahr 2010 am 18.05.2009 unter anderem die Kreuzfahrt bei der Fa. … für 4.130,00 € buchte (B 2; Bl. 19 d. A.). Darüber hinaus buchte er Flüge in die USA, wobei die Kreuzfahrt in F. L./USA beginnen sollte. Bei der Buchung der Kreuzfahrt und der Flüge handelte es sich um Einzelanmeldungen, die der Kläger auch unterzeichnete (vgl. Bl. 44-48 d. A.).

6. Der Kläger leistete im Reisebüro der Beklagten eine Anzahlung von 420,00 €.

7. Der Kläger und seine Ehefrau konnten die Flugreise nicht antreten wegen des aufgrund der Aschewolke angeordneten Flugverbotes. Sie konnten deshalb auch die Kreuzfahrt nicht antreten. Der Kläger kündigte deshalb mit Schreiben vom 18.04.2010, die Kreuzfahrt sollte am 19.04.2010 beginnen, gegenüber der … die Buchung (K 2; Bl. 7 d. A.). Ein Exemplar der Kündigung überließ er der Mitarbeiterin … des Büros der Beklagten in N. Mit Fax vom 08.06.2010 teilte die … dem Büro der Beklagten in Norderstedt mit, dass die Stornokosten für die Reise in Höhe von 90 Prozent anfallen würden, weil der Flug nicht auch bei der … gebucht worden sei (K 1; Bl. 6 d. A.). Mit Schreiben vom 21.06.2010 (K 3; Bl. 8 d. A.) forderte die Beklagte den Kläger auf, die Stornokosten in Höhe von 3.720,50 € bis zum 05.07.2010 zu zahlen.

8. Am 06.04.2010 hatte die Beklagte den restlichen Reisepreis von 3.710,50 € beim Kläger abgebucht. Diese Buchung wurde wegen Widerspruchs des Klägers (B 3; Bl. 20 d. A.) zurückgebucht.

9. Der Kläger trägt vor, er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Pauschalreise handeln würde. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihn darauf hinzuweisen, dass im Falle der Buchung als Pauschalreise im Sinne von § 651 a BGB ff. im Falle höherer Gewalt er die Möglichkeit der Kündigung gehabt hätte (§ 651 j BGB), so dass auf ihn Kosten nicht zugekommen wären. Die Beklagte habe deshalb entweder die Gefahren der Buchung von Einzelleistungen bei verschiedenen Veranstaltern durch Buchung einer Pauschalreise bei einem Veranstalter vermeiden müssen oder aber, falls dies nicht möglich gewesen wäre, ihn, den Kläger, auf die daraus resultierenden rechtlichen Risiken ausdrücklich hinweisen müssen. In diesem Falle hätte er die Reise nicht gebucht.

10. Mit Schreiben vom 06.07.2010 hat der Kläger die Beklagte vergeblich aufgefordert, zu bestätigen, dass sie bereit sei, ihn, von der Forderung der Veranstalterin der Kreuzfahrt freizuhalten und die geleistete Anzahlung von 420,00 € zurückzuzahlen.

11. Der Kläger hat ursprünglich als Antrag zu Ziffer 1 der Klage begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Forderung der Fa. … auf Zahlung von Storno- und Verzugskosten von 3.720,50 € für die nicht wahrgenommene Kreuzfahrt vom 19.04.2010 bis 29.04.2010, … Voucher Nr. …, zu befreien.

12. Dieser Antrag hat der Kläger im Termin dahingehend geändert, dass er Feststellung begehrt hat, dass er nicht verpflichtet sei, den mit der Widerklage geforderten Betrag zuzüglich Zinsen zu zahlen. Nach dem im Termin streitig über die Widerklage verhandelt worden ist, hat der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 22.12.2010 die Hauptsache hinsichtlich dieses Antrages für erledigt erklärt.

13. Der Kläger beantragt weiter,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 420,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten Vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 446,13 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung des Klägers bezüglich des ursprünglichen Klagantrages zu 1. widersprochen, beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen und widerklagend den Kläger zu verurteilen, an sie 3.305,90 € zuzüglich 5 Prozent Zinsen hieraus über den Basiszinssatz seit dem 06.07.2010 zu zahlen.

15. Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

16. Die Beklagte trägt vor, es treffe zu, dass der Kläger 420,00 € Anzahlung geleistet habe. Der Kläger habe keine Pauschalreise gewünscht. Insoweit habe er nur vorgetragen, dass er davon ausgegangen sei, dass es sich um eine Pauschalreise im Sinne von § 651 a BGB ff. handeln würde, die die Beklagte vermitteln würde. Tatsächlich habe sie, die Beklagte, aufgrund ihrer Vereinbarung mit der … Cruises 90 Prozent des Kreuzfahrtpreises an diese erstattet. Forderungen der …Cruises würden nicht mehr bestehen. Unter Berücksichtigung der geleisteten Anzahlung des Klägers verbleibe ein von diesem an die Beklagte zu zahlender Betrag von 3.305,90 €, der widerklagend geltend gemacht werde.

17. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Risiken hinzuweisen, die dann entstehen würden, wenn die Reise nicht als Pauschalreise, sondern als Einzelleistung bei verschiedenen Veranstaltern gebucht werde. Tatsächlich habe der Kläger auch entsprechende Einzelbuchungen unterschrieben.

18. Die Beklagte meint, dass die Klagänderung im Termin bezüglich des Klagantrages zu 1. unzulässig gewesen sei und sich tatsächlich die Hauptsache bezüglich dieses Antrages nicht erledigt habe.

19. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

20. Die Klage ist begründet, die Widerklage jedoch unbegründet.

21. Der Kläger hatte ursprünglich gegen die Beklagte einen Schadenseratzanspruch nach §§ 311 Abs. 2, 280, 241 Abs. 2 BGB.

22. Nach Auffassung des Gerichts kann es dahinstehen, ob der Kläger davon ausging, dass er eine Pauschalreise buchen würde. Die Beklagte war im Rahmen der Vertragsanbahnung verpflichtet, den Kläger auf die Gefahren, die rechtlich daraus resultieren könnten, dass die Reise nicht als Pauschalreise gebucht werden könnte, hinzuweisen. Diese Verpflichtung ergibt sich nach Auffassung des Gerichts schon aus der möglichen wirtschaftlichen Bedeutung für den Fall, dass tatsächlich nur Einzelleistungen gebucht werden würden. In diesem Falle gab es nicht die Möglichkeit der Kündigung gemäß § 651 j BGB, wobei im konkreten Fall hier, weil zu erstattende Aufwendungen der … noch nicht erbracht worden waren, der Kläger an diese Gesellschaft keine Zahlungen zu leisten gehabt hätte. Bei einem Reisebüro, wie dem der Beklagten, ist eine solche Information im Hinblick auf die möglichen wirtschaftlichen Folgen für den Kunden eine selbstverständliche Nebenleistung, die eine erlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 5 RDG darstellt. Der Kläger hat, so versteht das Gericht den Vortrag des Klägers, unbestritten vorgetragen, dass er die Reise entweder nur als Pauschalreise gebucht hätte, wenn er die entsprechende Information durch die Beklagte erhalten hätte, oder aber, falls dies nicht möglich gewesen wäre, die Reise überhaupt nicht gebucht hätte.

23. Ist das der Fall, so ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er die Reise als Pauschalreise gebucht hätte bzw. sie gar nicht gebucht hätte. In diesem Fall wären auf den Kläger die hier streitigen Kosten durch die … nicht zugekommen.

24. Die Beklagte hat dem Kläger offensichtlich die Anlage K 1 und die Anlage K 3 zur Verfügung gestellt. Aus der erstgenannten Anlage ergibt sich, dass die P. C. 90 Prozent Stornokosten geltend macht, aus der Anlage K 3 folgt, dass die Beklagten den Kläger zur Zahlung von 3.720,50 € auffordert. Diese Aufforderung enthält keinen Hinweis dahingehend, dass die Beklagte ihrerseits bereits, wie sie dann im Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Widerklage vorgetragen hat, bereits die Stornokosten gegenüber der … bezahlt hatte. Darüber hinaus hat der Kläger die Beklagte durch Schreiben vom 06.07.2010 insoweit zur Freistellung von entsprechenden Kosten aufgefordert und Rückzahlung der Anzahlung von 420,00 € begehrt. Nach dem die Beklagte sich dazu nicht geäußert hat, konnte der Kläger zunächst bezüglich der Kreuzfahrtkosten den Freistellungsantrag gemäß Ziffer 1 der Klage stellen. Im Hinblick auf die angekündigte Widerklage hat der Kläger dann im Termin diesen Antrag dahingehend umgestellt, dass er Feststellung begehrt hat, nicht verpflichtet zu sein, die Widerklageforderung an die Beklagte zu zahlen. Das Feststellungsinteresse des Klägers insoweit ist erst dadurch entfallen, das anschließend streitig über die Widerklage verhandelt worden ist. Deshalb konnte der Kläger sodann anschließend die Hauptsache für erledigt erklären. Da die Beklagte der Erledigungserklärung widersprochen hat, war die Tatsache der Erledigung festzustellen, weil die Klage insoweit ursprünglich begründet war.

25. Die Beklagte schuldet auch Rückzahlung der durch den Kläger geleisteten Anzahlung und darüber hinaus Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die durch Einschaltung des Klägervertreters entstanden sind.

26. Hieraus folgt auch, dass die Widerklage unbegründet ist, die deshalb abzuweisen war.

27. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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