Bemessung der Reisepreisminderung für eine Kreuzfahrt

AG Rostock: Bemessung der Reisepreisminderung für eine Kreuzfahrt

Die Teilnehmer einer Kreuzfahrt versäumten deren erste zwei Tage, weil aufgrund von Streik und einem technischen Defekt ihr Flug zum Starthafen verspätet war. Sie forderten die Minderung des Reisepreises und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude, bekamen jedoch nur die Kosten der versäumten Tage erstattet.

AG Rostock 47 C 181/14 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 28.01.2015
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 28.01.2015, Az: 47 C 181/14
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 28. Januar 2015

Aktenzeichen 47 C 181/14

Leitsätze:

2. Für die Bemessung einer Reisepreisminderung bei einer Kreuzfahrt ist eine Gesamtbetrachtung der Reise nötig, da diese sich aus verschiedenen touristischen Schwerpunkten zusammensetzt.

Der Tagesreisepreis einer Kreuzfahrt bemisst sich nach der Dauer der eigentlichen Schifffahrt.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Kreuzfahrt in Südamerika gebucht. Ihre Ankunft am Starthafen in Santos in Brasilien verzögerte sich um zwei Tage, da zunächst ein Streik und dann eine Notlandung aufgrund technischen Defekts den Hinflug verzögerte. Die Reisenden forderten sodann vor dem Amtsgericht Rostock eine erhebliche Reisepreisminderung, sowie eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude und für die Notlandung, die sie als lebensbedrohliche Situation empfunden hatten.

Zunächst erging ein Säumnisurteil, da die Kläger bei der mündlichen Verhandlung keinen Antrag stellten. Auf ihre Berufung gegen dieses hin wurde ihrer Klage in geringem Umfang stattgegeben. Das Gericht stellte fest, dass für eine Bemessung der Reisepreisminderung eine Gesamtbetrachtung der Kreuzfahrt erforderlich war, da diese unterschiedliche touristische Schwerpunkte enthalte. Hierzu gehöre auch der Aufenthalt am Ort des Starthafens. So erhielten die Kläger für die zwei entgangenen Tage eine Kostenerstattung in jeweils der Höhe des Tagesreisepreises, welcher sich an der Dauer der tatsächlichen Schifffahrt bemaß, sowie eine Entschädigung für die verspätete Anreise in Höhe eines halben Tagesreisepreises. Die Lebensbedrohlichkeit der Notlandung war strittig und führte nicht zu einem Ausgleichsanspruch. Notlandungen aufgund technischer Defekte gehören zum allgemeinen Lebensrisiko.

Tenor:

4. Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Rostock vom 01.10.2014 wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger 199,08 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.04.2014 sowie 83,54 € zu zahlen.

Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zusammen 82 %, die Beklagte trägt 18 %. Hiervon ausgenommen sind die Kosten der Säumnis der Kläger. Diese tragen die Kläger allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger fordern die teilweise Rückzahlung des Reisepreises für eine Schiffsreise sowie Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude.

6. Der Kläger buchte für sich und die Klägerin bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Südamerika-​Kreuzfahrt. Die eigentliche Schiffsreise sollte am 22.02.2014 um 23.58 Uhr in Santos/Brasilien beginnen und dauerte bis zum 08.03.2014. Die planmäßige Abflugszeit von Frankfurt/Main nach Santos war der 21.02.2014, 21.00 Uhr. Aufgrund eines Streiks am Flughafen Frankfurt/Main konnte der geplante Flug nicht durchgeführt werden; die Kläger wurden in einem Hotel untergebracht. Am 22.02.2014 flogen die Kläger von Frankfurt/Main in Richtung Sao Paulo ab. Wegen eines technischen Defektes (ein Ventilator in der Toilette hatte sich entzündet) musste das Flugzeug auf Gran Canaria notlanden. Vor der Notlandung ließen die Piloten Treibstoff ab. Auf Gran Canaria wurden die Kläger nachts zu einem Hotel gebracht. Am Abend des 23.02.2014 erfolgte der Weiterflug nach Sao Paulo. Hier kamen die Kläger gegen 2.10 Uhr Morgens an und erreichten gegen 5.00 Uhr ein von der Beklagten organisiertes Hotel. Am Nachmittag erfolgte der Weiterflug nach Rio de Janeiro, wo die Kläger gegen 18.00 Uhr das Schiff erreichten.Die Kläger fordern eine Reisepreisminderung für drei Urlaubstage im Umfang von 199,21 € pro Tag und Person, d.h. in Höhe von insgesamt 1.195,26 €. Weiterhin fordern sie Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude in Höhe von 350,00 € je Person, mithin in Höhe von insgesamt 700,00 €. Die Beklagte hatte den Klägern zusammen ein Bordguthaben in Höhe von 300,00 € gewährt und nach der Reise den Reispreis in Höhe von insgesamt 497,00 € zurückgezahlt. Die vorgenannten Beträge berücksichtigen die Kläger mit der Klageforderung.

7. Die Kläger tragen vor, sie hätten sich aufgrund der Notlandung in einer lebensgefährlichen Situation befunden. Weiterhin sind sie der Auffassung, die Verzögerungen seien von der Beklagten zu vertreten.

8. Nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung am 01.10.2014 keinen Antrag stellten erging gegen sie antragsgemäß ein klageabweisendes Versäumnisurteil. Gegen dieses, den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 07.10.2014 zugestellte Versäumnisurteil legten die Kläger durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2014, eingegangen per Fax am 17.10.2014, Einspruch ein.

9. Die Kläger beantragen nunmehr,

1.

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Rostock vom 01.10.2014 aufzuheben;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.098,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Betrag von 1.900,00 € ab dem 08.04.2014 zu zahlen;

3.

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger Schadenersatz zu leisten für entstandene vorgerichtliche Kosten anwaltlicher Tätigkeit in Höhe von 255,85 €.

10. Die Kläger hatten zunächst Zahlung in Höhe von 1.108,50 € gefordert und die Klage dann im Umfang des den Betrag von 1.098,26 € übersteigenden Betrages mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

11. Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

12. Die Kläger haben gegen die Beklagte gemäß §§ 651d Abs. 1, 651 c Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises im Umfang von 2 1/2 Tagesreisepreise, mithin in Höhe von 996,08 €.

13. Abzüglich der bereits erhaltenen 797,00 € verbleibt eine berechtigte Forderung in Höhe von 199,08 €.

14. Gemäß § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Vorliegend war die Reise aufgrund der verspäteten Anreise mangelhaft.

15. Ist die Reise mangelhaft, mindert sich nach § 651 d Abs. 1 BGB für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB. Nach § 638 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welches zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln (§ 638 Abs. 3 S. 2 BGB). Sie besteht regelmäßig nicht in einem festen Betrag, sondern wird in einem Prozentsatz des Reisepreises ausgedrückt. Dabei wird der Gesamtpreis und nicht nur der auf die mangelhafte Teilleistung entfallene Teilpreis zugrunde gelegt. Bei einer Kreuzfahrt ist eine Gesamtbetrachtung der Reise erforderlich. Sie weist regelmäßig eine bestimmte Prägung auf, die nicht lediglich durch Fahrtroute und -dauer sowie die Ausstattung des Kreuzfahrtschiffes bestimmt wird, sondern wesentlich auch durch die touristischen Schwerpunkte, die sich aus den verschiedenen angelaufenen Häfen und den dort angebotenen Landgängen und Besichtigungen sowie gegebenenfalls besonders reizvolle Meeres- und Küstenpassagen ergeben, die auf komfortable Weise und unter kundiger Führung zu sehen und zu erfahren, die Kreuzfahrt dem Teilnehmer möglich machen soll. Einzelne Teile des Reiseprogramms können dabei unterschiedliches Gewicht gewinnen (BGH MDR 2013, 1151). Daher ist bei der Berechnung der Minderung grundsätzlich an den Gesamtreisepreis anzuknüpfen. Damit wird der Minderung ein Tagesgesamtpreis zugrunde gelegt, von dem aus dann ein prozentualer Abschlag vorgenommen wird, welcher mit der Zahl der beeinträchtigten Tage multipliziert wird (Führich Reiserecht 6. Aufl., Rn. 299).

16. Ausgehend von vorgenannten Grundsätzen war die eigentliche Schiffsreise vom 22.02.14 bis 24.02.14 in einem solchen Umfang gemindert, dass der Reisepreis anteilig für zwei volle Tage zurückzuzahlen ist. Unter Berücksichtigung des unstrittigen Sachvortrages der Beklagten, dass ein Einchecken auf dem Schiff am 22.02.2014 ab 16.00 Uhr möglich gewesen wäre und der Tatsache, dass die Kläger das Schiff am 24.02.2014 gegen 18.00 Uhr erreichten ist festzustellen, dass für die Kläger der Urlaub auf dem Schiff um zwei Tage und zwei Stunden verkürzt war.

17. Über den bereits festgestellten Minderungsanspruch im Umfang von zwei Tagesreisepreisen hinaus rechtfertigt die verzögerte Anreise eine weitere Minderung im Umfang eines halben Tagesreisepreises. Ursprünglich hätten die Kläger Brasilien (Santos) am Morgen des 22.04.2014 erreicht. Statt dessen landeten die Kläger erst am 24.02.2014 Nachmittags in Brasilien (Rio de Janeiro). Die Zwischenlandung in Sao Paulo ist in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen, da damit kein Erholungswert verbunden war. Die mit der verspäteten Anreise verbundenen erheblichen Unannehmlichkeiten sowie der ausgefallene Aufenthalt zwischen Landung und Betreten des Schiffes im Ausgangsort der Schiffsreise stellen ebenfalls eine Schlechtleistung im o.g. Sinne dar, die zu einer Minderung des Reisepreisanspruchs der Beklagten in Höhe eines halben Tagesreisepreises führt. Zusammenfassend verkürzte sich der Aufenthalt in Südamerika vom 22.02.14 morgens bis zum 24.02. am frühen Abend. Dies sowie die mit der Anreise verbundenen erheblichen Unannehmlichkeiten rechtfertigen die Feststellung eines Minderungsanspruchs im Umfang von 2 1/2 Tagesreisepreise.

18. Bei der Berechnung des Tagesreisepreises ist von einer Reisedauer von 14 Tagen auszugehen. Diese Reisedauer betrifft die eigentliche Schiffsreise. Nicht entschieden werden muss, ob die übrigen Tage als An- und Abreisetage bei der Minderung nicht zu berücksichtigen sind. Denn bei einer entsprechenden Minderung würde der Tagesreisepreis nicht mit 14 Tagen sondern mit 16 Tagen berechnet werden. In diesem Fall wäre der Minderungsanspruch der Kläger, ausgehend von einer berechtigten Minderung im Umfang von 2 1/2 Tagesreisepreisen geringer als der jetzt festgestellte Minderungsanspruch.

19. Zusammenfassend errechnet sich ein berechtigter Minderungsanspruch ausgehend von einem Reisepreis in Höhe von 5.578,00 € und einer 14-​tägigen Kreuzfahrt, d.h. bei einem Tagesreisepreis in Höhe von 398,43 € und einer berechtigten Minderung im Umfang von 2,5 Tagesreisepreisen in Höhe von insgesamt 996,08 €. Abzüglich der bereits erhaltenen 797,00 € (das Bordguthaben kam den Klägern wirtschaftlich zu Gute und ist mit zu berücksichtigen) verbleibt ein berechtigter Minderungs- und damit Rückzahlungsanspruch in Höhe von 199,08 €.

20. Soweit die Kläger vortragen, sie hätten sich in einer lebensgefährlichen Situation befunden ist dies strittig. Objektiv tragen die Kläger nicht ausreichend dafür vor, dass eine solche Feststellung getroffen werden kann. Die zweifellos subjektiv für die Kläger sehr belastende Situation einer Notlandung eines Flugzeuges nach Auftreten von Brandgeruch in der Kabine rechtfertigt für sich noch keine Berücksichtigung bei der Bewertung, ob die Reise mangelhaft war, wenn wie hier keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür festzustellen sind, dass tatsächlich eine bedrohliche Notsituation vorgelegen habe. Das Auftreten technischer Defekte beim Flug und eine damit verbundene Zwischenlandung zum Ausschluss einer Gefahrensituation gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 15.07.2008 (NJW 2008, 2775) dargelegten Grundsätze sind vorliegend nicht anwendbar. Denn dort wurde als feststehend zugrundegelegt, dass es auf einem Flug zu einem Beinahabsturz gekommen sei.

21. Letztlich rechtfertigt auch der Umstand, dass sich die Kläger nach ihrem Vortrag während den ersten Tagen der Schiffsreise nicht ihrer Erholung widmen konnten, weil sie sich um die Mängelanzeige kümmerten, keinen Minderungsanspruch. Hier fehlt es bereits am Vortrag objektiver Tatsachen für eine Feststellung, dass durch eine Schlechtleistung der Beklagten eine Mängelanzeige notwendigerweise ununterbrochen mehrere Tage in Anspruch nahm. Abgesehen davon machen die Kläger für die nach Erreichen des Schiffs folgenden Tage auch keine konkrete Minderung geltend.

22. Weiterhin besteht kein Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude. Gemäß § 651f BGB setzt ein solcher Anspruch voraus, dass die erheblichen Beeinträchtigungen des Urlaubs, welche hier zweifellos für die ersten beiden Tage festzustellen wären, durch die Reiseveranstalterin, d.h. durch die Beklagte zu vertreten sind. Dies kann nicht festgestellt werden. Unstrittig war die ursprüngliche Flugverzögerung auf einen Streik am Flughafen Frankfurt/Main zurückzuführen. Die weitere Flugverzögerung resultierte dann aufgrund eines technischen Defektes im Flugzeug. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Beklagte oder deren Erfüllungsgehilfen den Streik oder den technischen Defekt im Flugzeug zu vertreten hätten.

23. Die Nebenforderungen sind aufgrund des Zahlungsverzuges der Beklagten im Umfang ihrer Verurteilung gemäß §§ 286 ff. BGB begründet. Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nur in Höhe der Kosten, die sich nach dem Gegenstandswert errechnen, mit dem die Kläger vorliegend obsiegen.

24. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 344 ZPO.

25. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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