Haftung des Eisenbahnunternehmens für Kraftfahrzeugschäden

AG Dortmund: Haftung des Eisenbahnunternehmens für Kraftfahrzeugschäden

Ein Fahrzeughalter forderte von einem Bahnunternehmen Schadensersatz, weil sein Pkw beim Transport durch die Beklagte beschädigt worden war. Der Klage wurde stattgegeben, da das Bahnunternehmen von der Annahme des Kfz bis zur Auslieferung verschuldensunabhängig haftet.

AG Dortmund 427 C 9900/07 (Aktenzeichen)
AG Dortmund: AG Dortmund, Urt. vom 30.03.2011
Rechtsweg: AG Dortmund, Urt. v. 30.03.2011, Az: 427 C 9900/07
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Amtsgericht Dortmund

1. Urteil vom 30. März 2011

Aktenzeichen 427 C 9900/07

Leitsätze:

2. Der Beförderer haftet verschuldensunabhängig für Schäden am Reisegepäck, die zwischen Übernahme und Auslieferung entstehen.

Der Beförderer ist hinsichtlich der Unabwendbarkeit von Schäden und der Ergreifung aller gebotenen Vorsichtsmaßnahmen beweisbelastet.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte die Beklagte, die Deutsche Bahn, mit der Überführung seines Pkw von Narbonne in Frankreich nach Kornwestheim in Deutschland beauftragt. Nach der Auslieferung stellte er Schäden an der Windschutzscheibe und Karosserie fest, für die er sodann Schadensersatz verlangte.

In einem Teilurteil erkannte das Amstgericht Düsseldorf dem Kläger die Erstattung der Windschutzscheibenreparatur an. Nach der Berufung der Beklagten hiergegen verwies das Landgericht Dortmund den Streit an das Amtsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Kostenentscheidung zurück.

Die Argumentation der Beklagten, wonach sie nicht haften müsse, da der Scheibenschaden möglicherweise Folge eines Steinschlags und die übrigen bei der Verladung, also bei unterbrochener Fahrt entstanden waren, worauf sie keinen Einfluss hätte, verfing nicht. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte als Beförderer verschuldensabhängig für alle Schäden haften musste, die zwischen der Übernahme des Fahrzeugs und seiner Auslieferung an den Kunden entstanden waren. Unter Berücksichtigung der Wertminderung des Pkw und seiner Teile erhielt der Kläger 1.301,73 EUR nebst Zinsen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.301,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2007 zu zahlen zzgl. 148,75 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/7 und die Beklagte zu 6/7 mit Ausnahme der Kosten des Berufungsverfahrens, die die Beklagte trägt.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Kläger seinerseits kann die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen ihn durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger macht vorliegend Schadenersatz aus einem Transport mit dem DB Auto Zug geltend.

6. Der Kläger buchte per Internet bei der Beklagten den Transport seines Pkw Audi A 8 mit dem amtl. Kennzeichen XXX-​X XXX am 26.06.07 von Narbonne (Frankreich) nach Kornwestheim (Deutschland). Das Fahrzeug wurde auf einen Transportwaggon verladen, wobei nach klägerischer Behauptung das Fahrzeug bis auf eine kleine Delle hinter der Fahrertür ohne sichtbare Beschädigungen gewesen sei, wie sich auch aus der Meldung über den Fahrzeugzustand vor Verladung (Bl. 6 d.A.) ergebe. Bei Abholung des Fahrzeugs am 27.06.007 am Ankunftsort sei das Fahrzeug jedoch erheblich beschädigt gewesen, was auch im Protokoll (Bl. 7 d.A.) vermerkt sei. So habe sich in der Windschutzscheibe ein Loch befunden, hinter der Fahrertür ein langer, deutlich sichtbarer und tiefer Kratzer und außerdem sei die Stoßstange hinten zerkratzt und das Rücklicht hinten rechts beschädigt gewesen.

7. Der Kläger hat die Windschutzscheibe reparieren lassen, wofür er gem. Rechnung Reifen X vom 02.07.07 (Bl. 79 d.A.) 504,81 EUR aufgewandt hat. Weiter verlangt er für die Reparatur der Karosserie- und Lackschäden gem. Kostenvoranschlag Reifen X vom 02.07.07 netto 1.006,20 EUR (Bl. 78 d.A.). Daneben  begehrt er für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit an seine Prozessbevollmächtigten gezahlte Gebühren i.H.v. 261,21 EUR.

8. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.07 eine Schadenregulierung abgelehnt hat, beantragt der Kläger mit der am 29.10.07 zugestellten Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.511,01 EUR nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegende Zinsen hieraus seit dem 10.07.2007 und weitere 261,21 EUR.

9. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. Die Beklagte bestreitet die Forderung dem Grunde und der Höhe nach. Sie meint, dass schon dem Grunde nach ein Anspruch nicht bestehe. Eine Haftung komme allenfalls für die Zeit zwischen Übernahme durch den Beförderer bis zur Auslieferung in Betracht, wobei die eigentlichen Verladevorgänge nicht hierzu zählen würden, da dies Eigengeschäfte des jeweiligen Fahrzeugführers seien. Mithin habe sie allenfalls für Schadenseintritte während des rollenden Transports. Insoweit bestreitet die Beklagte, dass vorliegend tatsächlich der vom Kläger vorgetragene Schaden während dieser „Haftungszeit“ entstanden sei. So könne nämlich allenfalls der an der Windschutzscheibe angegebene Schaden in den unmittelbaren Transportvorgang fallen, wobei Steinschlag oder Einwirkung durch Vandalismus in Frage käme. Für beides hafte der Beförderer jedoch wegen Art. 36 § 2 CIV nicht, da er derartige Schäden nicht abwenden könne. Hinsichtlich der übrigen Schäden komme schon vom äußeren Erscheinungsbild ein Entstehend während des rollenden Transportes nicht in Betracht. Diese sprächen eher dafür, dass sie etwa durch andere Fahrzeugführer beim Aufsuchen ihrer jeweiligen Fahrzeuge und unvorsichtigem Hantieren mit Gepäckstücken entstanden sein könnten. Hierfür hafte sie nicht.

11. Letztlich meint die Beklagte, dass auch eine verschuldensunabhängige Haftung etwa nach dem Haftpflichtgesetz oder der Eisenbahnverkehrsordnung oder etwa den Vorschriften des Handelsgesetzbuches nicht in Betracht komme. Darüber hinaus verweist sie auch auf den Haftungsausschluss in ihren Tarifen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Schließlich könne, worauf in den Hinweisen an die Kunden auch ausdrücklich verwiesen werde, eine besondere Transportversicherung abgeschlossen werden. Wenn der Kunde dies nicht macht, könne er im Schadensfall dann den Schaden auch nicht einfach auf die Beklagte abwälzen.

12. Zu guter Letzt komme auch bzgl. der Schadenshöhe nur ein Ersatz in Höhe der Werteinbuße in Betracht. Unabhängig davon müsse auch ein Abzug neu für alt berücksichtigt werden, da das klägerische Fahrzeug immerhin bereits 16 Jahre alt gewesen sei mit einer Laufleistung von 220.000 km.

13. Hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltskosten meint die Beklagte, dass diese nach allen einschlägigen Schadenregulierungsvorschriften im internationalen wie auch im nationalen Eisenbahntransportrecht nicht gefordert werden können. Regulierungsfähig sei insoweit allenfalls Schadenersatz in Höhe der Werteinbuße der beschädigten Sache, wobei sie auf Art. 42 § 1 COTIF/CIV bzw. §§ 1, 25 EVO i.V.m. §§ 429, 432 HGB verweist.

14. Der Kläger repliziert und meint, dass der Anspruch auf die Anwaltskosten als Nebenforderung geltend gemacht werde und nicht als Hauptsachebetrag und die von der Beklagten angeführten Vorschriften solchen Verzugsschaden nicht ausschließen würde.

15. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

16. Das Gericht hat den Kläger gem. § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin U, wobei wegen der Ergebnisse insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 19.11.2008 (Bl. 73 – 76 d.A.) verwiesen wird. Das Gericht hat mit Teilurteil vom 19.11.2008 dem Kläger die Kosten für die Windschutzscheibenreparatur zugesprochen und unter dem 29.12.2008 Beweisbeschluss durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der sonstigen Schäden und deren Beseitigungskosten erlassen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sachverständigengutachten der Dipl.-​Ing. X vom 10.02.2009 (Bl. 123 – 137 d.A.) Bezug genommen.

17. Auf die gegen das Teilurteil vom 19.11.2008 seitens der Beklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Dortmund im Urteil vom 07.09.2010 das Teilurteil aufgehoben und die Sache -auch über die Kosten des Berufungsverfahrens- zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe:

18. Die Klage ist im zuerkannten Umfang begründet.

19. Dem Kläger steht nach Ansicht des Gerichts ein Anspruch auf insgesamt 1.301,73 EUR aufgrund der Beschädigungen an seinem Fahrzeug zu, der sich zusammensetzt aus den Reparaturkosten für die Windschutzscheibe in Höhe von 504,81 EUR und den Nettokosten für eine Beseitigung der übrigen Schäden in Höhe von 796,92 EUR lt. eingeholtem Sachverständigengutachten.

20. Die Haftung der Beklagten für den vorliegenden Transport mit dem Auto-​Reise-​Zug regelt sich ausschließlich nach dem Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 09. Mai 1980 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 03. Juni 1999 (COTIF) mit den hierin in Art. 6 § 1 lit. a) angegebenen einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (CIV) als „Anhang A zum Übereinkommen“. Gem. Art. 25 CIV gelten dabei für Fahrzeuge das Kapitel III über die Beförderung von Reisegepäck, soweit nichts anderweitig geregelt ist. Dies ist für die Haftung bei Beschädigung nicht der Fall, sodass für die Haftung vorliegend in Kapitel III Art. 36 § 1 CIV maßgebende ist. Danach haftet der Beförderer für den Schaden, der durch Beschädigung des Reisegepäcks in der Zeit von der Übernahme durch den Beförderer bis zur Auslieferung entsteht. Dabei handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um eine verschuldensunabhängige Haftung, da ein Verschulden nicht gefordert ist (so auch LG Hildesheim DAR 2003, 274, 275 und AG Hildesheim NJW-​RR 2005, 471 ff. zu Art. 35 § 1 CIV a.F., der identisch ist mit Art. 36 § 1 CIV i.d.F. ab 01. Juli 2006; siehe auch LG Darmstadt VersR 2005, 944 f.). Lediglich bei Eingreifen von Haftungsbefreiungsgründen (Art. 36 § 2 und 3 CIV) ist der Beförderer von der Haftung befreit. Insoweit handelt es sich bei der Haftung nach Art. 36 § 1 CIV auch nicht etwa um eine Haftung wegen vermuteten Verschuldens, wobei die Vermutung widerlegt werden könnte.

21. Vorliegend steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass hinsichtlich des Schadens an der Windschutzscheibe diese bei Übernahme durch die Beklagte in Narbonne am 26.06.2007 unbeschädigt war, zum Zeitpunkt der Auslieferung am 27.06.2007 in Kornwestheim aber beschädigt war, d.h. einen Einschlag aufwies. Gleiches gilt zur Überzeugung des Gerichts auch für die übrigen Schäden an dem Fahrzeug, und zwar hinsichtlich des langen Kratzers hinter der Fahrertür, der zerkratzten Stoßstange hinten und auch der Beschädigung an dem Rücklicht hinten rechts. Der Kläger selbst und seine Ehefrau als Zeugin haben dies zweifelsfrei bekundet. Auch das seitens der Beklagten aufgenommene Schadensprotokoll weist das Vorhandensein der Schäden auf. Diese sind auch auf den von der Beklagten vorgelegten Fotos, die die Mitarbeiter der Beklagten am Ankunftsort gemacht haben, eindeutig und zweifelsfrei zu erkennen. Da bei Übernahme der Fahrzeuge diese von Mitarbeitern der Beklagten auf äußerliche Schäden untersucht werden, wobei Schäden dann ggf. in einem Protokoll festgehalten werden, solche aber bei Übernahme in Narbonne eben nicht festgestellt worden sind, der Schaden insbesondere an der Windschutzscheibe und auch der lange Kratzer an der Fahrzeugseite nicht im geringsten etwa hätten übersehen werden können, hat das Gericht keine Zweifel, dass tatsächlich diese Schäden eben zwischen Übernahme des Fahrzeugs durch die Beklagte und Auslieferung an den Kläger entstanden sind. Hinzu kommt, dass die Zeugin U glaubhaft auch die Angaben des Klägers bestätigt hat, dass eben die Schäden bei Ablieferung des Fahrzeugs in Narbonne nicht vorhanden waren. Auch der Sachverständige hat letztlich die geschilderten Schäden am Fahrzeug, und zwar den deutlichen Kratzer an der hinteren linken Tür, die Kratzer und Deformierungen der hinteren Stoßstange im linken Bereich sowie den Riss in dem darüber liegenden rechten Rücklicht bestätigt.

22. Nach den obigen Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass hier eine Haftung der Beklagten für die Fahrzeugschäden gegeben ist. Insoweit könnte die Beklagte allenfalls von der Haftung gem. Art. 36 § 2 oder 3 CIV befreit sein. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Beschädigung durch ein Verschulden des Reisenden selbst, eine nicht vom Beförderer verschuldete Anweisung des Reisenden, besondere Mängel des Reisegepäcks oder durch Umstände verursacht worden ist, welche der Beförderer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht hat abwenden können (Art. 36 § 2 CIV). Insoweit könnte, wie die Beklagte wohl auch zum Ausdruck gebracht hat, allenfalls der letzte Grund der Unabwendbarkeit und fehlenden Vermeidbarkeit etwa vorliegen. Dabei ist davon auszugehen, dass hierfür die Beklagte jedoch in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig  ist (vgl. LG Hildesheim a.a.O.). Unvermeidbar ist dabei ein Ereignis dann, wenn der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, nach den Umständen möglichen und vernünftigerweise noch zumutbaren Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können. Dabei reicht  es in jedem Falle nicht aus, dass die Beklagte vorträgt, der Schaden an der Windschutzscheibe könne seiner Art nach durch Steinschlag oder Vandalismus in Form des Werfens mit Gegenständen durch Dritte von außen auf den Wagon entstanden sein. Insoweit können dies zwar mögliche Ursachen sein, andere sind jedoch nicht ausgeschlossen oder fernliegend. So könnte die Beschädigung der Windschutzscheibe auch durch Vandalismus Dritter verursacht worden sein, wobei sich der oder die Täter z.B. auf dem Wagon befunden haben. D.h. es ist nicht ausgeschlossen, dass der Schaden während des Standes des Transportzuges eingetreten ist. Insoweit ist auch nicht erforderlich, ob überhaupt ein wirksamer Schutz gegen eine Beschädigung durch Dritte möglich ist, sondern es geht um die konkreten Umstände des Einzelfalls. Insoweit wäre es an der Beklagten darzulegen, dass der Zug konkret während er hier in Rede stehenden Fahrt nicht unbotmäßigen Gefahren ausgesetzt war, die Beklagte als das gebotene Maß an Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, um tatsächlich die auf dem Zug beförderten Fahrzeuge wirksam zu schützen, und zwar auch dann, wenn der Zug etwa gestanden hat (vgl. insoweit auch die Ausführungen des LG Hildesheim a.a.O. zu Graffiti-​Schäden). Es fehlt insoweit an jeglicher Darlegung dazu, dass und in welcher Weise etwa die Beklagte für die Sicherheit der Fahrzeuge während des gesamten Transportes gesorgt hat. Nach alledem fehlt es daher nach Ansicht de s Gerichts an der Darlegung, dass die konkreten Beschädigungen des Fahrzeugs ein für sie nicht vermeidbares und unabwendbares Ereignis darstellen.

23. Soweit die Beklagte zu guter Letzt auf die Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 12. Febr. 2008, Az.: 1 S 109/07 verweist, worin das Gericht für dort vorliegende Schäden davon ausgegangen ist, dass diese nicht bei der Montage oder Demontage der Radvorleger entstanden sein konnten, vielmehr auf Grund Ausführungen des Sachverständigen vermutet wurde, das diese Schäden eher durch vorbeilaufende Fahrgäste mit Gepäckstücken verursacht worden seien, sodass dafür der Haftungsausschluss greife, vermag das erkennende Gericht dem nicht zu folgen. Derartige Beschädigungen sind nämlich nicht unvermeidbar oder unabwendbar, da dem vorgebeugt werden könnte.

24. Nach alledem ist daher vorliegend sowohl hinsichtlich der Beschädigung der Windschutzscheibe als auch der übrigen Schäden eine Haftung der Beklagten gegeben. Soweit diese sich übrigens auf Vorschriften der EVO bzw. des HGB oder gar auf ihre Tarife und Allgemeinen Geschäftsbedingungen beruft, greift dies nicht. Die Haftung nach der CIV ist gem. Art. 5 zwingend und ausschließlich und abweichende Vereinbarungen, die nicht in den Vorschriften der CIV ausdrücklich zugelassen sind, sind unwirksam, soweit nicht eine Verpflichtung des Beförderers in derartigen Vorschriften oder Bedingungen über die CIV hinausgeht.

25. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung richtet sich diese nach Art. 42 § 1 CIV. Danach besteht die Entschädigung bei Beschädigungen in der Höhe, die der Wertminderung des Reisegepäcks bzw. hier des beförderten Fahrzeugs entspricht. Die Wertminderung ist dabei mangels anderweitiger Anhaltspunkte unter Berücksichtigung erforderlicher Reparaturkosten gem. § 287 ZPO zu schätzen. Dies bedeutet, dass einerseits die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten bzgl. der reparierten Windschutzscheibe i.H.v. 504,81 EUR (brutto) sowie im Übrigen die vom Sachverständigen in seinem Gutachten ermittelten Reparaturkosten für die übrigen Schäden i.H.v. 796,92 EUR (netto) den maßgeblichen Betrag ausmachen, da in diesem Umfang das Fahrzeug als wertmäßig gemindert anzusehen ist. Ein Abzug etwa neu für alt bzw. auch eine Wertverbesserung kommt, wie auch der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, nicht in Betracht. Bei der erneuerten Windschutzscheibe ist auch davon auszugehen, dass eine solche auch keinem messbaren Verschleiß unterliegt. Der Anspruch ist daher in Höhe von 1.301,73 EUR gerechtfertigt.

26. Der Anspruch auf die Verzugszinsen ist gem. §§ 280, 286, 288 BGB begründet, da die Beklagte eine Haftung ernsthaft und endgültig verneint hat. Insoweit ist auch der Anspruch auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten aus Verzug begründet, da die anwaltliche Inanspruchnahme nach Verzugseintritt erfolgt ist und dies angesichts aller Umstände auch als erforderlich anzusehen ist.

27. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, wobei die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt der Klägerin aufzuerlegen waren, da es hier nur um das sich mit dem Anspruch auf die Kosten bzgl. der Windschutzscheibe befassende Teilurteil handelte und die Beklagte insoweit nach der jetzigen Endentscheidung unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

28. Für eine isolierte Zulassung der Berufung, soweit die Klage abgewiesen wurde, lagen keinerlei der nach § 511 Abs. 4 ZPO erforderlichen Gründe vor.

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