Schadenersatz wegen einer Zugverspätung

LG Essen: Schadenersatz wegen einer Zugverspätung

Eine Strecke der Deutschen Bahn wird wegen des Verdachts eines Suizidversuchs gesperrt. Dadurch entstaden für Zugreisende Verspätungen, für die sie nun Schadensersatz fordern.

Das Landesgericht Essen entscheidet, dass es sich bei dem Verdacht auf einen Suizidversuch um höhere Gewalt handelt, die die Bahn nicht selbst verschuldet. Deshalb haftet sie nicht für den dadurch entstandenen Schaden. Bei der Streckensperrung handelt es sich zudem um ein unvorhersehbares Ereignis, weswegen von der Deutschen Bahn nicht verlangt werden kann, dass sie für den davon betroffenen Zug umgehend einen Umleitungsplan mit genauen Ankunftszeiten anbietet.

LG Essen 13 S 142/02 (Aktenzeichen)
LG Essen: LG Essen, Urt. vom 24.09.2002
Rechtsweg: LG Essen, Urt. v. 24.09.2002, Az: 13 S 142/02
AG Essen, Urt. v. 14.03.2002, Az: 21 C 392/01
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Landgericht Essen

1. Urteil vom 24. September 2002

Aktenzeichen 13 S 142/02

Leitsatz:

2. Bei einer Streckensperrungen wegen Verdachts auf einen Suizidversuch handelt es sich um höhere Gewalt. Eine daraus entstehende Verspätung ist nicht Verschulden der Bahn, weswegen sie für eventuelle Verspätung auch nicht haftet.

Zusammenfassung:

3. Wegen des Verdachts auf einen Suizidversuchs, wurde ein Streckenabschnitt der Bahn gesperrt. Es entstanden Verspätungen für die Bahnreisenden für die sie Entschädigung fordern.

Bei einem Verdacht auf einen Suizidversuch handelt es sich um höhere Gewalt, die die Bahn nicht selbst verschuldet. Sie haftet deshalb nicht für den durch die Verspätung entstehenden Schaden. Bei einer Streckensperrung handelt es sich außerdem um ein unvorhersehbares Ereignis. Von der Deutschen Bahn kann nicht verlangt werden kann, dass sie für den betroffenen Zug umgehend einen Umleitungsplan mit genauen Ankunftszeiten anbietet. Zudem darf sie davon ausgehen, dass Fahrgäste, die ihr Reiseziel zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen müssen, eigenverantwortlich über ihre weitere Beförderung entscheiden.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das am 14. März 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Essen – 21 C 392/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil kommt nicht in Betracht. Die Kammer lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen.

6. Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.

7. Entgegen der Auffassung der Kläger ist ein Schadenersatzanspruch wegen Ausfalls des Zuges, der sie direkt zum Flughafen befördern sollte, gemäß § 17 EVA ausgeschlossen. Die vorgenannte Vorschrift ist privatrechtlicher Art, so dass hinsichtlich der Anwendbarkeit auf den privatrechtlichen Beförderungsvertrag keine Bedenken bestehen (vgl. dazu auch Finger, EVA, § 1 Anm. 1 b). Im Übrigen würde ein Anspruch auch an fehlendem Verschulden der Beklagten scheitern; der Verdacht eines Suizidversuchs, der zur Streckensperrung führte, stellt einen Akt höherer Gewalt dar.

8. Das Amtsgericht hat auch zu Recht einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen Fehlverhaltens von Bediensteten in Zusammenhang mit dem Vorfall verneint.

9. Den von den Klägern im Berufungsverfahren auch nicht angegriffenen zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts zu der Behauptung der Kläger, es sei fälschlich durchgesagt worden, dass von Neuss aus direkt ein Zug zum Flughafen fahre, schließt sich die Kammer an.

10. Die weiteren Vorwürfe der Kläger, die Beklagte habe es verabsäumt, genaue Ankunftszeiten durchzusagen oder, falls ihr dies nicht möglich gewesen sein sollte, jedenfalls dies durchzugeben, rechtfertigen ebenfalls keinen Schadenersatzanspruch. Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist nicht gegeben.

11. Dass die Mitarbeiter der Beklagten nicht in der Lage waren, genaue Ankunftszeiten durchzugeben, steht außer Frage. Es handelte sich um ein unvorhergesehenes Ereignis; der Zug stand auch schon länger als vorgesehen auf dem Bahnhof Duisburg, bevor er dann weiterfuhr in Richtung Neuss. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Tagesbericht wurde die Strecke auch erst um 19.45 Uhr gesperrt. Auch im Computerzeitalter kann von der Beklagten nicht verlangt werden, für die dann sofort betroffenen Züge – der Zug der Kläger erreichte den Bahnhof Duisburg erst um 19.50 Uhr – umgehend einen Umleitungsplan mit genauen Ankunftszeiten anbieten zu können.

12. Die Beklagte musste auch nicht darauf hinweisen, dass ihr die Angabe genauer Ankunftszeiten nicht möglich war, weil sie davon ausgehen konnte, dass die Fahrgäste dies ohne weiteres selbst erkennen konnten. Die Gäste mussten davon ausgehen, dass es sich hier um ein unvorhergesehenes Ereignis handelte, weil die Bahn sonst Verspätungen oder Umleitungen schon frühzeitig mitgeteilt hätte und nicht erst in Duisburg. Da der Zug erstens in Duisburg schon verspätet weiterfuhr und zweitens jetzt umgeleitet wurde, lag auch mehr als nah, dass es insgesamt zu erheblichen Verspätungen kommen konnte, die die Beklagte nicht genau vorausberechnen konnte. Ein Hinweis der Beklagten, dass Fahrgäste, die es besonders eilig hatten, zum Flughafen zu gelangen, ein Taxi nehmen sollten, war erst recht entbehrlich. Da die Beklagte nicht wissen konnte, welchen Flug welcher Fahrgast zum Flughafen noch erreichen musste, war hier die Eigeninitiative jedes einzelnen Gastes erforderlich. Gerade die Kläger, die spätestens um 21.00 Uhr zum Einchecken am Flughafen sein mussten, konnten sich, für sie selbst erkennbar, bei dem Stopp in Duisburg mit ungewissen Aussichten auf den weiteren Zeitablauf bei Benutzung der Bahn auf keinerlei Experimente einlassen und hätten vernünftigerweise von sich aus ein Taxi nehmen müssen. So war z. B. auch noch völlig offen, wieviel Zeit das von der Beklagten mitgeteilte erforderliche Umsteigen in Neuss erfordern würde. Davon, dass die Fahrgäste derart naheliegende vernünftige Überlegungen selbst anstellen würden, durfte die Beklagte auch ausgehen.

13. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

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