Durchführung des verspäteten Zubringerfluges durch anderes Luftfahrtunternehmen
LG Darmstadt: Durchführung des verspäteten Zubringerfluges durch anderes Luftfahrtunternehmen
Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung, weil sie wegen eines verspäteten Zubringers ihren Anschluss verpassten. Das Gericht verurteilte die Fluggesellschaft, die die Buchungsbestätigung ausstellte, obwohl sie den ersten Flug nicht selbst ausgeführt hatte.
LG Darmstadt | 25 S 75/16 (Aktenzeichen) |
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LG Darmstadt: | LG Darmstadt, Urt. vom 15.02.2017 |
Rechtsweg: | LG Darmstadt, Urt. v. 15.02.2017, Az: 25 S 75/16 |
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Leitsatz:
2. Das Luftfahrtunternehmen, das den Flugschein für eine einheitlich gebuchte, mehrgliedrige Flugreise austellt, haftet für die erhebliche Verspätung am Reiseziel auch dann, wenn sie Folge der geringfügigen Verspätung eines von einer anderen Fluggesellschaft durchgeführten Teilfluges ist.
Zusammenfassung:
3. Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung, weil sie aufgrund der Verspätung ihres Zubringerfluges von Leipzig nach Frankfurt auf dem Anschluss nach Havanna nicht befördert wurden.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht Rüsselsheim sah keinen Ausgleichsanspruch für Nichtbeförderung, weil zum Landezeitpunkt der Abfertigungsvorgang des Anschlussfluges bereits abgeschlossen war. Ferner sah es die beklagte Fluggesellschaft nicht in der Ausgleichspflicht für die Verspätung, weil der Zubringer von einem anderen Unternehmen durchgeführt worden war.
Die Kläger gingen vor dem Landgericht Darmstadt in Berufung. Dieses bestätigte das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Ablehnung eines Ausgleiches für Nichtbeförderung, denn das pünktliche Erscheinen der Fluggäste zur Abfertigung ist Voraussetzung für diesen Anspruch. Jedoch musste die Beklagte sehr wohl für die Verspätung einstehen, denn sie hatte die Flugscheine für beide Flugstrecken verkauft und ausgestellt und als ausführendes Luftfahrtunternehmen und Luftbeförderungsvertragspartner der Kläger die Garantie dafür übernommen.
Gründe:
4. In dem Rechtsstreit pp. weist die Kammer nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage auf folgendes hin:
5. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass hier kein Anspruch wegen verweigerter Beförderung (Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 1 lit c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden VO)) bestand. Die Beklagte musste die Kläger in Frankfurt nicht noch an Bord nehmen, weil der Einsteigevorgang bereits abgeschlossen war. Das gilt selbst dann, wenn sich das Flugzeug nach Havanna noch in der Parkposition am Flugsteig befunden hat, als die Reisenden den Ausgang erreichten (ebenso BGH, Urteil vom 07. Mai 2013, Az.: X ZR 127/11, zitiert nach juris Rdnr. Rn. 5 und 6).
6. Nicht geteilt wird von der Kammer aber die Ansicht des Amtsgerichts Rüsselsheim, dass hier kein Anspruch wegen Verspätung nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) VO besteht, weil Zubringer- und Anschlussflug nicht von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt wurden.
7. Ein Ausgleichsanspruch ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil nur der erste Flug verspätet war und diese Verspätung weniger als drei Stunden betragen hat.
8. Bei direkten Anschlussflügen kann ein Anspruch auf Ausgleichsleistung nämlich auch dann bestehen, wenn die Verspätung eines Flugs dazu geführt hat, dass der Fluggast einen Anschlussflug nicht erreicht hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs maßgeblich, ob ein Zeitverlust von drei Stunden oder mehr am Endziel eingetreten ist (EuGH NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 Rn. 57 – Sturgeon u.a.; NJW 2013, 671 = RRa 2012, 272 Rn. 40 – Nelson u.a.). Endziel ist gemäß der auch in diesem Zusammenhang maßgeblichen Definition in Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein, bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges (EuGH NJW 2013, 1291 = RRa 2013, 78 Rn. 37 – Folkerts; BGH NJW-RR 2013, 1065 = RRa 2013, 237 Rn. 11). Das war hier also Havanna.
9. Der Flug von Frankfurt nach Havanna war nach dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO auch als direkter Anschlussflug anzusehen.
10. Der Begriff des direkten Anschlussflugs ist in der Verordnung nicht ausdrücklich definiert. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich bislang ebenfalls nicht ausdrücklich mit diesem Begriff befasst. Dem Wortlaut nach ist ein Anschlussflug ein Flug, der einem anderen Flug nachfolgt und dazu dient, den Fluggast vom Ziel des ersten Flugs zu einem anderen Zielort weiterzubefördern. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Direkt ist ein Anschlussflug, wenn zwischen den beiden Flügen kein allzu großer Zeitraum liegt, was hier ebenfalls der Fall war.
11. Ausweislich der von den Klägern vorgelegten Buchungsbestätigung (Bl. 7 der Akte, K1) lag hier eine einheitliche Buchung vor. Die Kläger haben bei der Beklagten Flüge von Leipzig über Frankfurt nach Havanna und zurück von Varadero über Frankfurt nach Leipzig gebucht. Da somit die Beklagte die Zusammenstellung der aufeinanderfolgenden Flüge durch Ausgabe ihrer Buchungsbestätigung gebilligt hat, dürfte hier auch ein Ausgleichsanspruch bestehen.
12. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass ein Ausgleichsanspruch jedenfalls dann bestehen kann, wenn mehrere aufeinanderfolgende Flüge bei dem Luftfahrtunternehmen gebucht werden, das auf Ausgleichszahlung in Anspruch genommen wird (EuGH, NJW 2013, 1291 = RRa 2013, 78 Rn. 18 – Folkerts [dazu ergänzend BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – Xa ZR 80/10, RRa 2011, 84 Rn. 1]; Beschluss vom 4. Oktober 2012 – C-321/11, NJW 2013, 363 = RRa 2012, 279 Rn. 10, 34 – Rodríguez Cachafeiro u.a.). Allerdings wurden in diesen Fällen beide Flüge von demselben Luftfahrtunternehmen ausgeführt, bei dem auch gebucht worden war.
13. Der Unterschied, dass hier der Zubringerflug von einer anderen Fluggesellschaft ausgeführt wurde, dürfte jedoch nicht ins Gewicht fallen. Die Kläger haben nicht etwa selbst mehrere separate Buchungen bei unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen für aufeinander folgende Flüge vorgenommen (für diesen Fall geht jedenfalls die Kommission in ihren Leitlinien zur Auslegung der Verordnung davon aus, dass kein Ausgleichsanspruch besteht (Leitlinien der Kommission vom 10. Juni 2016, C(2016) 3502 final, S. 18 unter 4 d A ii)), sondern die Beklagte hat den Klägern beide Flüge von Leipzig nach Frankfurt und von Frankfurt nach Havanna verkauft und mit ihrer Buchungsbestätigung hierfür ihre Einstandspflicht erklärt.
14. Vorgelegt hat der BGH dem EuGH mittlerweile die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auch dann bestehen kann, wenn ein Fluggast wegen einer relativ geringfügigen Ankunftsverspätung einen direkten Anschlussflug nicht erreicht und dies eine Verspätung von drei Stunden und mehr am Endziel zur Folge hat, die beiden Flüge aber von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen ausgeführt wurden und die Buchungsbestätigung durch ein Reiseunternehmen erfolgte, das die Flüge für seinen Kunden zusammengestellt hat (BGH, EuGH-Vorlage vom 19. Juli 2016, Az.: X ZR 138/15, zitiert nach juris).
15. Diese Konstellation besteht im Streitfall allerdings nicht, weil die Buchungsbestätigung durch die Beklagte selbst erstellt wurde.
16. Im Ergebnis ist nach Ansicht der Kammer hier somit ein Ausgleichsanspruch zu bejahen. Zu erwägen wäre darüber hinaus, ob die Revision zugelassen wird.
17. Vor diesem Hintergrund wird der Beklagten geraten anzuerkennen.
18. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung.
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