Kündigung eines Vertrages über Gastschulaufenthalt im Ausland

AG Köln: Kündigung eines Vertrages über Gastschulaufenthalt im Ausland

Die Kläger hatten mit der Beklagten einen Vertrag über einen Gastschulaufenthalt geschlossen. Von diesem sind sie zurückgetreten und verlangen die geleistete Anzahlung zurück.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Zuordnung an eine Charter School statt einer High School liege ein Rücktrittsgrund für die Kläger.

AG Köln 126 C 206/18 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 05.11.2018
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 05.11.2018, Az: 126 C 206/18
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 05.11.2018

Aktenzeichen 126 C 206/18

Leitsatz:

2. Die Zuordnung an eine Charter School statt einer High School ist ein Grund, von dem zugrundeliegenden Vertrag zurückzutreten.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten mit der Beklagten einen Vertrag über einen Gastschulaufenthalt in den USA geschlossen. Von diesem sind sie zurückgetreten und verlangen die geleistete Anzahlung zurück.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Zuordnung an eine Charter School statt einer High School liege ein Rücktrittsgrund für die Kläger. Gerade die Besonderheiten des Schullebens und einer klassischen High School seien elementare Bestandteile eines solchen Gastaufenthalts.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.082,00 EUR (in Worten: zweitausendzweiundachtzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.06.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.06.2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Kläger zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner gegenüber der Beklagten keinen Betrag in Höhe von 915,00 EUR schulden.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der beklagten Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Beklagte organisiert unter anderem Gastschulaufenthalte für Schüler im Ausland. Die Kläger schlossen mit der Beklagten unter dem 08.09.2017 einen „Vertrag zum Auslandsaufenthalt“ab. Gegenstand des Vertrages war ein Aufenthalt der gemeinsamen Tochter der Kläger in den USA in der Zeit von August / September 2018 bis Dezember 2018 / Januar 2019. Unter Ziffer 1 des Vertrages heißt es: „Das Programm beinhaltet einen Schulaufenthalt in den USA mit privater Unterbringung bei einer Gastfamilie und Unterricht an einer lokalen High School“.Unter „6. Rücktritt“ heißt es weiter: „Vor der Abreise können unsere Teilnehmer jederzeit zurücktreten. (…) Dabei fallen folgende Rücktrittsgebühren an: (…) Nach erfolgter Platzierung in einer Gastfamilie: 30 % des Reisepreises.“Die auf den Gesamtpreis von 10.410,00 EUR anfallende Anzahlung in Höhe von 2.082,00 EUR entrichteten die Kläger fristgerecht.

6. Mit E-Mail vom 29.11.2017 sandte die Beklagte den Klägern Informationen über die ihr zugeteilte Gastfamilie, sowie die Schule zu, die die Tochter der Kläger besuchen sollte. Dabei handelte es sich nicht um die lokale High School, sondern um eine Charter School. Mit E-Mail vom 01.12.2017 baten darum die Kläger die Beklagte um Neuzuteilung und Platzierung an einer „echten High School“. Die Beklagte lehnte dies mit E-Mail vom 05.12.2017 ab und führte zur Begründung an, dass es sich um eine gute Schule handele, die als High School gelte und mit der sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht habe. Daraufhin kündigten die Kläger mit Schreiben vom 03.01.2018 den Vertrag zum Auslandsaufenthalt und forderten die Beklagte zur Erstattung der geleisteten Anzahlung auf. Dies lehnte die Beklagte mit Hinweis auf die Rücktrittsgebühren ab und verlangte im Gegenzug Zahlung von weiteren 915,00 EUR als Rücktrittsgebühr.

7. Die Kläger sind der Ansicht, die Zuteilung an eine Charter School habe sie zur Kündigung des streitgegenständlichen Vertrages berechtigt.

8. Die Kläger beantragen,

9. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger den Betrag in Höhe von 2.082,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

10. festzustellen, dass die Kläger als Gesamtschuldner gegenüber der Beklagten keinen Betrag in Höhe von 915,00 EUR schulden,

11. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger seien vom Vertrag zurückgetreten, obwohl sie die ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt habe. Darum könne sie von den Klägern gemäß den Allgemeinen Vertragsbedingungen 30 % des Reisepreises – insgesamt 2.997,00 EUR verlangen.

15. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

16. Die nach §§ 260, 256 ZPO zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

17. Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Anzahlung aus §§ 651 l Abs. 4 S. 5 BGB (a.F.) i.V.m. § 651 e BGB (a.F.). Der Gastschulvertrag ist durch Kündigung vom 03.01.2018 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet worden (Sprauin: Palandt, 73. Auflage, § 651 e Rn. 5). Nach § 651 Abs. 4 S. 1 BGB (a.F.) kann der Reisende den Vertrag über einen Gastschulaufenthalt bis zur Beendigung der Reise jederzeit kündigen. Reisender im vorgenannten Sinne sind die Kläger als Vertragspartner. Die Beklagte vermag mit dem Einwand, zum Einbehalt eines Teilbetrages berechtigt zu sein, nicht gehört zu werden. Denn die den Reisenden treffenden Kostentragungsregeln des § 651 l Abs. 4 S. 2, 3 BGB (a.F.) finden nach § 651 l Abs. 4 S. 4 BGB (a.F.) keine Anwendung, wenn der Reisende nach § 651 e BGB (a.F.) kündigen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben. Nach § 651 e Abs. 1 BGB (a.F.) kann der Reisevertrag gekündigt werden, wenn die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt ist. Die den Klägern zur Verfügung gestellte Reise war mangelhaft im Sinne des § 651 c BGB (a.F.). Eine Reise ist mit einem Mangel behaftet, wenn die Ist-Beschaffenheit, das heißt die tatsächliche Beschaffenheit der Reise, von derjenigen abweicht, welche die Vertragsparteien bei Vertragsschluss vereinbart haben, und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert wird (Sprauin: Palandt, 73. Auflage, § 651 c Rn. 2). Im Gastschulvertrag ausdrücklich vereinbart war die Zuordnung der Tochter an eine High School, welche unstreitig nicht erfolgte. Der avisierte Besuch einer Charter School ist nicht geeignet, einer juristischen Bewertung der Zuordnung als mangelhaft entgegen zu treten. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte mit der Charter School gute Erfahrungen gemacht hat, und ob die Qualität der Charter School der einer High School entspricht. Denn da die Charter School unstreitig keine High School ist, stellt auch die Zuordnung an eine solche nicht die vertraglich vereinbarte Leistung dar.

18. Mit der unterbliebenen Zuordnung an eine High School ist auch der Nutzen des Gastschulaufenthaltes erheblich gemindert. Der Schulbesuch stellt bei Absolvieren eines Gastschuljahres im Ausland neben der Auswahl einer Gastfamilie die zentralste Rolle dar. Dies gilt bereits in zeitlicher Hinsicht, da der tägliche Schulbesuch nebst sportlicher Aktivitäten nach Beendigung des Unterrichts regelmäßig bis in den Nachmittag hinein reicht. Das Angebot, an den nachschulischen Aktivitäten auch als Schülerin der Charter School teilnehmen zu dürfen, reicht nicht aus. So stellt doch gerade die Tatsache, dass all dies an einem Ort wahrzunehmen ist, einen Reiz an der amerikanischen High School dar. Zudem ist auch von nicht zu vernachlässigendem Vorteil, den Besuch einer High School in den Lebenslauf einpflegen zu können, die potentiellen Arbeitgebern allein des Namens wegen als solche geläufig ist.

19. Eine Fristsetzung war nach § 651 e Abs. 2 S. 2 BGB (a.F.) entbehrlich, da die Beklagte mit E-Mail vom 05.12.2017 die Abhilfe verweigert hat.

20. Die Beklagte vermag die Rückzahlung des bereits entrichteten Vertrages auch nicht mit Erfolg unter Berufung auf eine ihr zustehende Gebühr zu verweigern. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Gesetz, noch aus dem streitgegenständlichen Vertrag. Die gesetzlich im Falle der Kündigung wegen eines Mangels zugesprochene Entschädigung für bereits erbrachte Reiseleistungen kann nach § 651 Abs. 3 S. 3 BGB (a.F.) nicht verlangt werden, wenn die bisherigen Leistungen infolge der Aufhebung des Vertrags für den Reisenden kein Interesse haben. So liegt der Fall hier, denn jedwede bereits erbrachte Leistung der Beklagten – wie etwa das Suchen und Finden einer Gastfamilie – stellt für die Kläger aufgrund der Abstandnahme von der Reise keinen Nutzen dar.

21. Auch Ziffer 6 der Vertragsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach sind an den Rücktritt des Reisenden Bedingungen geknüpft, deren Wirksamkeit dahinstehen kann, da statt eines Rücktrittes die Kündigung erklärt wurde.

22. Auch die auf Feststellung einer Nichtschuld gerichtete Klage ist in der Sache begründet. Nach Vorgenanntem schulden die Kläger der Beklagten die in Ziffer 6 der Vertragsbedingungen enthaltenen Rücktrittsgebühren nicht. Die Kläger sind vom Gastschulvertrag gerade nicht zurückgetreten. An die erfolgte Kündigung sind entsprechende Folgen nicht geknüpft.

23. Da sich die Beklagte aufgrund der Abhilfe-Verweigerung im Verzug mit einer Leistung befand, hat sie den Klägern die ihnen angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR als Verzugsschaden zu erstatten, §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

24. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. Die Klage wurde der Klägerin am 13.06.2018 zugestellt.

25. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

26. Der Streitwert wird auf 2.814,00 EUR festgesetzt.

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