Rücktrittsrecht des Gastschülers bei Nichtberücksichtigung ausgesuchter Gastfamilie
AG Köln: Rücktrittsrecht des Gastschülers bei Nichtberücksichtigung ausgesuchter Gastfamilie
Eine Mutter buchte für ihre Tochter einen Gastschulaufenthalt in den USA. Beim Treffen mit dem Reiseveranstalter wurde vereinbart, dass die Region und die Gastfamilie, die die Tochter bzw. ihre Mutter ausgesucht haben ebenfalls in der Auswahl berücksichtigt werden.
Das angegebene Wunschziel wurde vom Reiseveranstalter jedoch nicht berücksichtigt und somit auch nicht in die Auswahl einbezogen, daraufhin trat die Mutter vom Vertrag zurück.
Die Mutter klagt gegen den Reiseveranstalter vor dem Amtsgericht (kurz: AG) Köln auf Erstattung der vollen Anzahlung.
AG Köln | 134 C 267/08 (Aktenzeichen) |
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AG Köln: | AG Köln, Urt. vom 21.04.2009 |
Rechtsweg: | AG Köln, Urt. v. 21.04.2009, Az: 134 C 267/08 |
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Leitsätze:
2. Wenn in einer mündlichen Zusatzabrede zwischen den Parteien eines Gastschulaufenthaltsvertrages vereinbart wird, dass nicht nur der Reiseveranstalter sondern auch der Gastschüler bzw. seine Eltern eine Wunschfamilie und Region angeben so ist diese bei der Auswahl zu berücksichtigen.
Lehnt der Reiseveranstalter es ab die Wunschfamilie in der Auswahl zu berücksichtigen so liegt eine Pflichtverletzung seinerseits und somit ein Reisemangel vor.
Dieser Reisemangel berechtigt den Schüler zum Rücktritt vom Gastvertrag mit Anspruch auf die volle Rückzahlung des Reisepreises.
Zusammenfassung:
3. Die Mutter der Klägerin buchte für diese einen Gastschulaufenthalt für 1 Jahr in den USA. Beim Treffen mit dem Reiseveranstalter wurde vereinbart, dass die Region und die Gastfamilie, die die Klägerin bzw. ihre Mutter ausgesucht haben ebenfalls in der Auswahl berücksichtigt werden.
Die Mutter gab die Unterlagen ab und gab als Wunschziel für die Klägerin eine Gastfamilie in Connecticut und den Nord-Osten der USA an. Die Mutter erhielt dann einen Brief von der vom Veranstalter ausgesuchten Gastfamilie in Texas. Sie rief den Reiseveranstalter an und teilte mit, dass die Klägerin unter gar keinen Umständen nach Texas wolle und es bereits eine Gastfamilie und Gastschule in Connecticut gibt die sie aufnehmen würden.
Der Reiseveranstalter lehnte eine Berücksichtigung der Gastfamilie ab und bestand darauf die Klägerin in Texas zu platzieren. Daraufhin trat die Mutter vom Vertrag zurück.
Der Veranstalter zahlte jedoch nur einen 838,72 € der Anzahlung zurück und behielt 1.621,29 € als Stornokostenpauschale zurück.
Die Klägerin klagt gegen den Reiseveranstalter vor dem Amtsgericht (kurz: AG) Köln auf Erstattung der vollen Anzahlung.
Das AG Köln gab der Klägerin Recht. Der beklagte Reiseveranstalter hatte zwar nicht zugesichert, dass die Wunschfamilie und Region ausgewählt werden, hat allerdings beim Vorgespräch angegeben, dass die Wunschfamilie und Region in der Auswahl berücksichtigt werden würden. Die Beklagte lehnte jedoch die Wunschfamilie und Region von Anfang an ab und berücksichtigte sie nicht wie vereinbart in der Auswahl. Da die Beklagte also die Verpflichtung verweigerte stand der Klägerin die Kündigung zu.
Einen Anspruch auf Stornokostenpauschale hat die Beklagte nicht, da es sich um eine Kündigung und keinen Rücktritt handelt. Anspruch auf Erstattung der bereits erbrachten Leistungen besteht laut dem AG Köln ebenfalls nicht.
Die Beklagte wurde verurteilt 1621,29 € nebst Zinsen an die Klägerin zu 1 zu zahlen und die Anwaltsgebühren des Klägers zu 2 zu übernehmen.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt,
an die Kläger 1.621,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen,
den Kläger zu 2) von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 316,18 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung der Kläger in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
5. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das Schulaufenthalte im Ausland anbietet, organisiert und durchführt.
6. Die Klägerin zu 1. beabsichtigte 1 Jahr in den USA als Gastschülerin zu verbringen. Am 16.11.01 kam es zu einem Gespräch zwischen der Klägerin zu 1., ihrer Mutter und Frau S., einer Mitarbeiterin der Beklagten. Die Klägerin zu 1. erhielt von der Beklagten ein Informationsblatt „Dein Gespräch bei Into Schüleraustausch“, in dem ausgeführt ist, „wenn Du als Austauschschüler in die USA möchtest … hast Du die Möglichkeit, einen kostenlosen Regionenwunsch anzugeben…eine Garantie, dass Du in dieses Gebiet vermittelt wirst, ist damit jedoch nicht verbunden!“
7. Auf einem Anmeldebogen gab die Klägerin zu 1. als Wunschregion Connecticut und Nord-Ost der USA an. Am 30.11.07 gab die Klägerin bei der Beklagten ihre Unterlagen ab, die Beklagte schickte der Klägerin zu 1. am 19.11.08 einen „Vertrag zum Auslandsaufenthalt“ zu. Diesen Vertrag unterschrieben die Klägerin zu 1. und ihre Eltern. Die Eltern der Klägerin zu 1. zahlten an die Beklagte insgesamt 2.760,00 €.
8. Am 07.04.08 erhielt die Klägerin zu 1. einen Brief von einer C. D. aus Texas. Die Mutter der Klägerin zu 1. erklärte der Beklagten, dass die Klägerin zu 1. auf keinen Fall nach Texas wolle und benannte eine Gastfamilie in Connecticut, die bereit sei, die Klägerin zu 1. aufzunehmen. Mit E-Mail vom 11.04.2008 und Schreiben vom 14.04.2008 teilte die Beklagte mit, dass sie die genannte Gastfamilie nicht berücksichtigen könne und bestand darauf, dass die Klägerin zu 1. in Texas platziert wird. Die Eltern der Klägerin zu 1. traten daraufhin mit Schreiben vom 14.04.08 von dem Vertrag zurück.
9. Die Beklagte zahlte 838,72 € zurück und machte im Übrigen eine Stornopauschale geltend.
10. Die Kläger verlangen nun Rückzahlung der Anzahlung in Höhe weiterer 1.621,29 € .
11. Die Kläger behaupten, bei dem Gespräch am 16.11.2007 hätten die Klägerin zu 1. und ihre Mutter klargestellt, dass sie ausschließlich an einem Aufenthalt im Nord-Osten der USA interessiert seien. Die Beklagte habe erklärt, dies sei kein Problem. Es sei mehrfach zur Bedingung für den Abschluss des Vertrages gemacht worden, dass die Klägerin zu 1. nach Connecticut vermittelt werde. Es sei der Klägerin zu 1. zugesichert worden, dass ihr Wunsch zu realisieren sei. Die Mutter der Klägerin zu 1. habe telefonisch eine Gastfamilie und eine Schule benannt, die bereit gewesen seien, die Klägerin zu 1. aufzunehmen. Anschließend habe es mehrere vergebliche Versuche gegeben, die Geschäftsführer der Beklagten telefonisch zu erreichen.
12. Die Kläger sind der Ansicht, der Vertrag sei wirksam wegen Erklärungsirrtums angefochten worden.
13, Die Kläger sind außerdem der Ansicht, die Stornoklausel im Vertrag sei unwirksam, sie behaupten, ein Schaden sei der Beklagten durch Anfechtung/Rücktritt nicht entstanden.
15. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag von 1.621,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.05.2008 zu zahlen.
16. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 316,18 € freizustellen.
19. Die Beklagte behauptet, bei dem Bewerbungsgespräch am 16.11.2007 sei zwar das Thema Connecticut angesprochen worden, die Mitarbeiterin der Beklagten habe aber erklärt, es sei keinesfalls möglich für eine Region oder gar einen Einzelstaat eine Garantie abzugeben, man könne lediglich Wünsche zu bestimmten Regionen äußern. Bereits mit E-Mail vom 07.04.08 seien der Klägerin zu 1. die Gastfamilie, der Ort des Gastschulaufenthaltes und der Bundesstaat genannt worden, weitere Einzelheiten seien ihr mit Schreiben vom 11.04.2008 übersandt worden. Die von den Klägern benannte Gastfamilie habe noch nicht den Status einer Gastfamilie gehabt, es hätte auch eine passende High School dazu gefunden werden müssen. Zudem habe es in dieser Gegend keinen örtlichen Mitarbeiter gegeben, der die Klägerin während ihres Aufenthaltes hätte betreuen können. Es wäre mit außerordentlichem Aufwand verbunden gewesen, extra für die Klägerin eine örtliche Betreuerin anzustellen.
20. Die Beklagte beruft sich auf die Stornogebühr aus § 2 des Vertrages und behauptet, sie habe erhebliche Unkosten gehabt, auch sei der entgangene Gewinn zu berücksichtigen.
21. Es ist Beweis erhoben worden gem. Beweisbeschluss vom 10.02.09; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31.03.09 verwiesen.
22. Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Partein sowie auf die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23. Die Klage ist zulässig und begründet.
24. Die Kläger haben gegen die Beklagte aus §§ 651 a, 651 e, 346 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des restlichen Reisepreises in Höhe von 1.621,29 €.
25. Die Kläger sind zur Kündigung des Vertrages gem. § 651 e BGB berechtigt gewesen.
26. Die Schreiben der Eltern der Klägerin zu 1. vom 14.04.08, in denen sie sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen haben und vom Vertrag zurückgetreten sind, können als Kündigungserklärung ausgelegt werden.
27. Die Kündigungsmöglichkeit gem. § 651 e BGB besteht bereits vor Beginn der Reise (vgl. Führich, Reiserecht, Randnr. 355).
28. 651 e BGB setzt voraus, dass die Reise infolge eines Mangels der in § 651 c bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt wird. Ein Mangel im Sinne von § 651 c liegt darin, dass die Beklagte die von der Mutter der Klägerin zu 1. benannte Gastfamilie nicht berücksichtigt hat. Darin ist eine Pflichtverletzung zu sehen, die sich auf den Nutzen der Reise auswirkt und deshalb zu einem Reisemangel führt.
29. Zwar haben die Kläger nicht bewiesen, dass die Vermittlung in eine Gastfamilie in den Nord-Osten der USA zugesichert worden ist oder zur Bedingung des Vertrages gemacht worden ist, jedoch ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass es bei dem Vorgespräch am 16.11.07 mit Frau S. zu einer von dem Inhalt des vorformulierten Gesprächsprotokolls abweichende Vereinbarung gekommen ist. Wie die Mutter der Klägerin zu 1. und die Zeugin S. übereinstimmend ausgesagt haben, ist vereinbart worden, dass nicht nur die Beklagte eine Gastfamilie sucht, sondern dass auch die Klägerin zu 1. und ihre Mutter eine Gastfamilie sowie eine Schule suchen können. Zudem ist besprochen worden, dass die von den Eltern der Klägerin zu 1. benannte Gastfamilie sowie die Schule von der Beklagten überprüft werden müssen, und dass auch ein Betreuer gesucht werden muss. Bei dem Gespräch war klar, dass in dem gewünschten Ort kein Betreuer vorhanden ist.
30. Diese in einem Bewerbungsgespräch getroffene mündliche Vereinbarung ist zwar in dem schriftlichen „Vertrag zum Auslandsaufenthalt“ nicht enthalten, aber auch von den übrigen Hinweisen des Informationsblattes „Dein Gespräch bei Into Schüleraustausch“ sind nicht alle Regelungen in dem schriftlichen Vertrag aufgeführt, aus diesem Grunde wird davon ausgegangen, dass die in dem Vorgespräch getroffenen Regelungen zusätzlich zu dem schriftlichen Vertrag gelten sollten.
31. Die Beklagte hat sich an die mündlich getroffene Vereinbarung nicht gehalten. Sie hat der Klägerin zu 1. eine Gastfamilie in Texas angeboten, hat aber ohne weitere Prüfung abgelehnt, die von der Mutter der Klägerin zu 1. ausgesuchte Gastfamilie zu berücksichtigen. Auch wenn die Beklagte keine Zusage dahingehend gegeben hatte, dass nach Überprüfung die von der Klägerin zu 1. ausgesucht Gastfamilie ausgewählt wird, war doch vereinbart, dass diese Gastfamilie mit in die Auswahl genommen wird. Die Beklagte jedoch hat diese Gastfamilie von vorne herein abgelehnt und keine Auswahl getroffen. Dass die Gastfamilie noch nicht von der Beklagten überprüft war und auch kein Betreuer vor Ort war, ist bereits bei dem Vorgespräch am 16.11.07 bekannt gewesen.
32. Einer Fristsetzung gem. §§ 651 e Abs. 2 BGB hat es vor der Kündigung nicht bedurft, denn die Beklagte hat mit E-Mail vom 11.04. und mit Schreiben vom 14.04. die Erfüllung der Verpflichtung verweigert.
33. Infolge der Kündigung ist die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet.
34. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Zahlung der Stornopauschale aus Ziff. 6 des Vertrages erloschen, denn Ziff. 6 betrifft nur den Rücktritt, nicht aber den Fall der Kündigung aus § 651 e BGB.
35. Auch steht der Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der von ihr erbrachten Aufwendungen aus §§ 651 e Abs. 3 Satz 2 BGB zu; die Klägerin hat wegen des Wechsels zu einem anderen Reiseveranstalter kein Interesse mehr an den Leistungen der Beklagten gehabt, § 651 e Abs. 3 Satz 3 BGB.
36. Der Zinsanspruch der Kläger sowie der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten beruhen auf §§ 280, 286, 288 BGB.
37. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 709 ZPO.
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