Unterbringung in nichtenglischstämmiger Gastfamilie bei einer Sprachreise

AG Heidelberg: Unterbringung in nichtenglischstämmiger Gastfamilie bei einer Sprachreise

Der Kläger hatte für seinen Sohn eine Sprachreise gebucht. Im Zuge dessen wurden ihm Informationen über die Gastfamilie mitgeteilt. Da er diese nicht für englischstämmig hielt, trat er von der Reise zurück. Er verlangt Rückerstattung der geleisteten Anzahlung.

Das Gericht wies die Klage ab. Für einen Rücktritt sei ein Reisemangel nötig. Dieser hätte hier bedeuten müssen, dass der Erfolg der Reise, nämlich die Vermittlung der englischen Sprache und Kultur an den Sohn des Klägers, gefährdet sein müsste. Der Kläger hätte hierüber keinen Nachweis führen können, insbesondere reiche schon der vermeintlich nicht englische Nachname der Gastfamilie nicht aus. Daher bestehe kein Erstattungsanspruch.

AG Heidelberg 60 C 202/97 (Aktenzeichen)
AG Heidelberg: AG Heidelberg, Urt. vom 23.07.1998
Rechtsweg: AG Heidelberg, Urt. v. 23.07.1998, Az: 60 C 202/97
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Amtsgericht Heidelberg

1. Urteil vom 23. Juli 1998

Aktenzeichen 60 C 202/97

Leitsatz:

2. Eine Sprachreise wird nicht dadurch mangelhaft, dass die Gastfamilie ethnische Wurzeln außerhalb des Gastlandes hat. Vielmehr muss die Vermittlung der Sprache und Kultur des Gastlandes erheblich erschwert sein.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für seinen Sohn eine Sprachreise nach England gebucht. Im Zuge dessen wurden ihm Informationen über die Gastfamilie mitgeteilt. Er hielt die Gastfamilie aufgrund ihres Nachnamens nicht für englischstämmig. Deshalb und wegen einiger Rechtschreibfehler in dem Informationsblatt nahm er an, dass eine Vermittlung der englischen Sprache nicht stattfinden könne. Er behauptet zudem, dass eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer von 6 auf 3 Monate erfolgt sei. Dies wird von der Beklagten bestritten. Aus den vorgenannten Gründen trat der Kläger von der Reise zurück. Er verlangt Rückerstattung der geleisteten Anzahlung.

Das Gericht wies die Klage ab. Für einen Rücktritt sei ein Reisemangel nötig. Dieser hätte hier bedeuten müssen, dass der Erfolg der Reise, nämlich die Vermittlung der englischen Sprache und Kultur an den Sohn des Klägers, gefährdet sein müsste. Dass eine Gastfamilie, die vermutlich ethnische Wurzeln in einem anderen Land hat, die Sprache, insbesondere die gesprochene Sprache, nicht erfolgreich vermitteln könne, sei nicht grundsätzlich anzunehmen. Das gleiche gelte für die gerügten Rechtschreibfehler. Die Verkürzung der Aufenthaltsdauer habe der Kläger nicht beweisen können. Daher bestehe kein Rücktrittsgrund und damit kein Erstattungsanspruch.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. (ohne Tatbestand nach § 495 a ZPO)

Entscheidungsgründe

6. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

7. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückerstattung des Anzahlungsbetrages gemäß § 651 e Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu, da er die diesbezüglichen Voraussetzungen, das Vorliegen eines Reisemangels, nicht ausreichend dargelegt bzw. nachgewiesen hat.

1.

8. Von einem Mangel der Reise aufgrund der mangelhaften Auswahl der Gastfamilie konnte nicht ausgegangen werden. Unter einem Reisemangel ist gemäß § 651 c Abs. 1 BGB ein Fehler zu verstehen, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhebt oder mindert. Zwar liegt der Nutzen einer Sprachreise im Ausland in erster Linie im Erwerb von Sprachkenntnissen sowie im Kennenlernen der dortigen Kultur. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß dies in der ausgewählten Gastfamilie nicht möglich gewesen wäre.

9. Dies bezieht sich zum einen auf die behaupteten eingeschränkten Sprachkenntnisse der englischen Sprache. Der Kläger führt als Nachweis hierfür allein Rechtschreibfehler in der von der Gastfamilie ausgefüllten „HOST FAMILY INFORMATION“ an. Er verweist insbesondere auf vermeintliche Fehler bei der Groß- und Kleinschreibung. Es kann jedoch nicht als falsch angesehen werden, wenn stichwortartige Angaben großgeschrieben werden, dies wird von dem Kläger selbst vorgenommen insoweit, als er „HOST FAMILY INFORMATION“ jeweils groß schreibt (auf As. 63). Abgesehen davon ist anzumerken, daß Fehler bei Groß- und Kleinschreibung oder der ebenfalls vom Kläger monierten Getrenntschreibung keine Rückschlüsse darauf zulassen, ob der betreffende in der Lage ist, sich mündlich gut in der jeweiligen Sprache auszudrücken. Allein hierauf kommt es aber bei einem Aufenthalt eines Gastschülers, der zudem eine Schule besuchen soll, um dort weitere Fertigkeiten zu erlangen, an.

10. Die Familie … lebt seit über 10 Jahren in England. Deren Kinder sind dort geboren. Anhaltspunkte dafür, daß die Gastfamilie die englische Kultur nicht kennengelernt hätte bzw. diese nicht üben würde, bestehen nicht. Der Kläger schließt wohl allein aus dem Namen der Gastfamilie, … daß diese Familie aus einem Kulturkreis stamme und diesen nach wie vor pflege, der dem englischen Kulturkreis ungleich wäre. Wo genau die Familie jedoch herstammt, kann allein dem Namen nicht entnommen werden, es fehlen jegliche konkreten Anhaltspunkte dafür, daß die Familie die englische Kultur nicht übernommen hätte und daher dem Gastschüler im Rahmen seines Aufenthaltes nicht hätte näher bringen können. Der Vergleich mit einer türkischen Familie in Deutschland kann nicht gezogen werden, insbesondere deshalb, weil auch türkische Familien in Deutschland sich unterschiedlich das deutsche Kulturgut aneignen oder nicht. Pauschalierungen können ebensowenig vorgenommen werden, wie die Schlußfolgerung des Klägers infolge des Namens der Gastfamilie, die beklagtenseits ausgesucht wurde, diese könne den englischen Kulturkreis nicht vermitteln, da sie nicht ursprünglich aus England stamme. Dies gilt umso weniger als die Kinder in der Gastfamilie, mit denen der Schüler vornehmlich zu tun gehabt hätte, bereits in England geboren wurden.

11. Schließlich ist auch die Unterbringung in einer englischstämmigen Gastfamilie nicht als zugesicherte Eigenschaft anzusehen. Als zusicherungsfähig gelten alle Beziehungen der Reise und der einzelnen Reiseleistungen zur Umwelt, also ihre tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die zufolge ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung einen Einfluß auf den Nutzen und die Wertschätzung der Reise zu üben pflegen (Münchner Kommentar — Tonner, 3. Auflage 1997, § 651 c Rz. 10). Der Einfluß der Herkunft der Gastfamilie auf den Nutzen der Reise ist im vorliegenden Fall nicht erwiesen, so daß diese keine zusicherungsfähige Eigenschaft darstellt.

2.

12. Die vermeintliche Verkürzung der Aufenthaltsdauer von 6 auf 3 Monate konnte gleichfalls nicht nachgewiesen werden, weshalb auch hierauf der geltend gemachte Anspruch nicht gestützt werden konnte.

13. Es ist vorliegend unerheblich, ob eine Verkürzung tatsächlich vorgenommen oder falsch Auskunft hierüber erteilt wurde. Die falsche Auskunft stellt eine Nebenpflichtverletzung dar, die gleichfalls anspruchsbegründend gewesen wäre, vorliegend jedoch nicht nachgewiesen werden konnte.

14. Weder ergibt sich eine entsprechende Auskunft aus den Eintragungen in dem dem Kläger übersandten „Academic Year/Term programme“ (As. 27). Hier fehlt zwar die Eintragung eines Rückfluges zu dem von dem Kläger gewünschten Abreisetermin, hieraus kann jedoch noch nicht geschlossen werden, daß sich die Aufenthaltsdauer ändere. Im übrigen konnte den Aussagen der Zeugen A. und D. nicht entnommen werden, daß sie von Mitarbeitern der Beklagten irgendeine Information über die Dauer der Reise enthalten hätten. Lediglich die Zeugin … hat ausgesagt, ihr sei telefonisch mitgeteilt worden, ein sechsmonatiger Aufenthalt sei nicht möglich. Die Zeugin …, die mit Frau … gesprochen hat, schloß hingegen aus, eine solche Aussage getroffen zu haben. Insofern bestehen widersprüchliche Angaben, wobei das Gericht keine Anhaltspunkte dafür hat, der einen Zeugin größeren Glauben zu schenken, als der anderen. Beide Zeuginnen stehen in einen Näheverhältnis zu einer der Parteien (Frau … ist bei der Beklagten beschäftigt, Frau … ist die Ehefrau des Klägers). Danach ist der dem Kläger obliegende Hauptbeweis nicht als erbracht anzusehen, denn das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, daß eine tatsächliche Verkürzung der Aufenthaltsdauer mitgeteilt worden wäre.

15. Nachdem der Hauptbeweis insofern nicht erbracht wurde, hat das Gericht gemäß § 360 S. 2 ZPO nach Einräumung rechtlichen Gehörs im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9.7.1998 davon Abstand genommen, den beklagtenseits zum Gegenbeweis benannten Zeugen … gemäß Beweisbeschluß vom 11.12.1997 noch einzuvernehmen. Die Zeugin …, die als einzige Zeugin eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer bekundete, gab gleichfalls an, sie habe mit einer weiblichen Mitarbeiterin bei der Beklagten gesprochen, so daß der Gesprächspartner, der Zeuge …, es nicht gewesen sein konnte. Die Zeuginnen … und … hingegen gaben ihrerseits nicht an, es sei eine Verkürzung seitens des Gesprächspartners erwähnt worden, allein die Angabe, der Herr am Telefon meinte, wir sollen es dann sein lassen (Angabe der Zeugin …, As. 163) genügt nicht, um einen Reisemangel zu begründen.

16. Letztlich liegen auch die Voraussetzungen des § 651 a Abs. 4 S. 2 BGB nicht vor, wonach ein Rücktritt bei einer Änderung der Reiseleistung besteht, eine solche Änderung ist, wie oben bereits dargestellt, nicht nachgewiesen worden.

17. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 ZPO, 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

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