Kündigung wegen erheblicher Mängel eines Gastschulaufenthaltes

AG Frankfurt: Kündigung wegen erheblicher Mängel eines Gastschulaufenthaltes

Der Kläger hat bei einem Reiseveranstalter einen Gastschulaufenthalt in den USA für seine Tochter gebucht. Die Dauer betrug 10 Monate. Der Reiseveranstalter organisierte für den Aufenthalt sowohl Schule als auch Gastfamilie.

Aufgrund diverser Umstände, die der Kläger für seine Tochter als nicht zumutbar einstufte, hat der Kläger eine Unterbringung in einer neuen Gastfamilie gefordert. Diese ist vom Reiseveranstalter organisiert wurden, jedoch hat der Kläger seinen Rücktritt vom Vertrag. Die Tochter flog zurück und der Kläger fordert eine Minderung um 4000,00 € wegen erheblicher Reisemängel.

Das Amtsgericht (kurz: AG) Frankfurt hat die Klage abgewiesen, da der Reiseveranstalter Abhilfe bezüglich der Reisemängel schuf indem er eine neue Gastfamilie sowie Schule für die Tochter des Klägers fand und dies dem Kläger mitteilte. Somit war der Rücktritt von der Reise nicht mehr erforderlich.

AG Frankfurt 30 C 551/08 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 09.09.2008
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 09.09.2008, Az: 30 C 551/08
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 09. September 2008

Aktenzeichen 30 C 551/08

Leitsätze:

2. Ein Vertrag kann gekündigt werden, wenn die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt wird.

Die Kündigung ist erst zulässig, wenn der Reiseveranstalter eine vom Reisenden angemessen bestimmte Frist verstreichen lies, ohne Abhilfe zu leisten oder es dem Veranstalter nicht möglich ist Abhilfe zu leisten, der Veranstalter die Abhilfe verweigert oder die Kündigung durch besonderes Interesse vom Reisenden gerechtfertigt wird.

Die Kündigung ist nicht zulässig, wenn der Veranstalter fristgerecht Abhilfe geschaffen hat und dies dem Kunden mitgeteilt wurde.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hat bei dem beklagten Reiseveranstalter einen Gastschul-Reisevertrag geschlossen um seiner Tochter einen Gastschulaufenthalt in den USA für eine Dauer von 10 Monaten zu ermöglichen.

Die Tochter wurde bei einer Familie mit 3 Kindern untergebracht, der Gastvater war Techniker und die Gastmutter in der Kinderbetreuung tätig. Des Weiteren verfügte die Familie über 2 Hunde.

Reiseantritt der Tochter war am 27.08.2007. Der Kläger behauptet die Gastmutter hätte aufgrund ihrer Tätigkeit noch 2 weitere Kleinkinder im Haus leben lassen und wäre mit der Haushaltsführung überfordert gewesen. Außerdem hätten die Kleinkinder nachts regelmäßig eingenässt, wodurch eine gewisse Geruchsbelästigung durch die zum Trocknen aufgestallten Matratzen stattfand. Das Zimmer der Tochter verfügte weder über Tisch noch Stuhl, sodass sie Korrespondenz und Hausaufgaben auf dem Boden verrichten musste. Ihre Zimmertür war nicht verschließbar, somit konnten sowohl Kinder als Hunde immer in ihr Zimmer gelangen. Die Badezimmertür lies sich ebenfalls nicht abschließen.

Am 01.09.2007 rügte der Kläger die Mängel gegenüber der Reiseveranstaltung und wurde mit einem Schreiben am 07.09.2007 aufgefordert die Mängel bis zum 17.09.2007 zu beheben, sowie bis zum 09.09.2007 ein Gespräch zwischen Tochter und einer kompetenten Kontaktperson der Partnerorganisation zu organisieren.

Am 14.09.2007 zog die Tochter aus der Gastfamilie aus und die Reiseveranstaltung organisierte für die Tochter eine neue Gastfamilie sowie Gastschule.

Die Reiseveranstaltung schrieb dies im Schreiben vom 14.09.2007, der Kläger gab jedoch an dieses Schreiben erst am 20.09.2007 erhalten zu haben. Am 18.09.2007 wurde der Kläger noch einmal um Bestätigung gebeten ob er wirklich vom Vertrag zurücktreten wolle. Am 20.09.2007 antwortete der Kläger mit der Aufforderung den Rückflug seiner Tochter zu organisieren, da diese aufgrund der Umstände psychisch nicht mehr in der Lage war weiterhin ihren Gastschulaufenthalt zu bestreiten. Der Rückflug fand am 23.09.2007 statt.

Der Kläger fordert von der Reiseveranstaltung eine Preisminderung um 4000,00 €. Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage jedoch abgelehnt, da der Reiseveranstalter die Missstände fristgerecht beseitigt hat und somit einem Fortsetzen des Aufenthaltes nichts mehr im Wege stand.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger begehrt von der Beklagten Minderung eines Gastschul-​Reisevertrages.

6. Der Kläger hatte bei der Beklagten für seine damals 16jährige Tochter einen Gastschulaufenthalt in den USA für die Dauer von 10 Monaten gebucht.

7. Die Beklagte schuldete dem Kläger aus dem Vertrag die Vorbereitung des Aufenthaltes, den Hin- und Rücktransport in das Gastschulland, die Unterbringung in einer Gastfamilie, die Teilnahme am Unterricht einer High School sowie die Betreuung vor Ort während der Dauer des Gastschulaufenthaltes; der Kläger hat hierfür einen Reisepreis von 6.095,00 Euro gezahlt.

8. Die Tochter wurde bei der Familie … Montfort, Wisconsin untergebracht und besuchte die Iowa Grant High School.

9. Vor Antritt der Reise wurde dem Kläger die Gastfamilie beschrieben und mitgeteilt, dass der Gastvater von Beruf Techniker, die Gastmutter im Bereich Kinderbetreuung tätig sei. Ferner wurde mitgeteilt, dass die Gastfamilie drei Kinder im Alter von 2, 4 und 6 Jahren sowie zwei Hunde habe.

10. Am 27.08.2007 trat die Tochter die Reise an, blieb jedoch nur bis zum 14.09.2007 in der Gastfamilie und flog am 23.09.2007 wieder zurück nach Deutschland.

11. Mit Schreiben vom 01.09.2007 (Samstag) rügte der Kläger diverse Mängel gegenüber der Beklagten, zudem wurde die Beklagte mit Schreiben vom 07.09.2007 aufgefordert, bis zum 09.09.2007 ein ausgiebiges Gespräch zwischen einer kompetenten Kontaktperson der Partnerorganisation und seiner Tochter zu arrangieren und bis zum 17.09.2007 den Umzug in eine neue Gastfamilie zu veranlassen bzw. die Missstände zu beseitigen.

12. Die Beklagte antwortete hierauf zunächst mit Zwischenbescheid vom 04.09.2007 und sodann mit Schreiben vom 07.09.2007.

13. Mit Schreiben vom 14.09.2007, dessen Zugangsdatum zwischen den Parteien streitig ist, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie eine neue Gastfamilie und Schule für die Tochter gefunden habe und teilte dem Kläger die genauen Daten der neuen Familie, Schule und Kontaktperson mit. Per Fax und E-​Mail vom 18.09.2007 wurde der Kläger von der Beklagten um verbindliche Willensäußerung gebeten, ob er trotz der neuen Gastfamilie … vom Vertrag zurücktreten wolle.

14. Mit Schreiben vom 20.09.2007 forderte der Kläger die Beklagte darauf hin auf, den Rückflug seiner Tochter zu organisieren; am 23.09.2007 flog die Tochter wieder nach Deutschland zurück.

15. Mit seiner Klage macht der Kläger eine Minderung um 4.000,00 Euro geltend.

16. Der Kläger behauptet, der Aufenthalt in der Familie … sei für seine Tochter unzumutbar gewesen.

17. Neben den eigenen drei Kindern habe die Gastmutter noch zwei weitere Kleinkinder betreut, so dass sie sich „selbstredend“ durch die Haushaltsführung überfordert zeigte, was sich darin zeigte, dass sich häufig die Geschirrberge in der Küche auftürmten und die Sauberkeit und Reinheit der Wohnräume zu wünschen übrig ließ.

18. Die Kleinkinder hätten in der Nacht regelmäßig ihre Betten eingenässt, so dass mit den zum Trocknen aufgestellten Matratzen eine gewisse Geruchsbelästigung verbunden war.

19. Das Zimmer, welches seiner Tochter zur Verfügung gestellt worden sei, habe über keinen Stuhl und keinen Tisch verfügt, so dass die Tochter die Hausaufgaben und Korrespondenz auf dem Boden liegend verrichten musste, da das Haus ansonsten überbelegt war.

20. Auch habe sich die Zimmertür nicht verriegeln lassen, die Tür sei vielmehr immer nur angelehnt gewesen, so dass es den Hunden und Kleinkindern jederzeit möglich war, unangekündigt das Zimmer zu betreten.

21. Auch die Tür zum Badezimmer, in welchem sich die einzige Toilette des Hauses befand, habe nicht abgeschlossen werden können.

22. Von der Gastfamilie sei kurz nach der Ankunft der Tochter ein Kontakt zu einem in der Nachbarschaft wohnenden Mädchen hergestellt worden, welches aber offenbar Drogen konsumiere. Obwohl die Tochter den Kontakt zum Mädchen sofort abgebrochen und dies der Gastmutter erklärt hatte, sei von der Gastmutter gleichwohl vorgeschlagen worden, am nächsten Tag eine gemeinsame Unternehmung mit dem Mädchen zu machen.

23. Der Kläger behauptet, das Schreiben der Beklagten vom 14.09.2007 erst am 20.09.2007 erhalten zu haben. Nachdem die Beklagte nunmehr eine neue Gastfamilie und Schule gefunden habe, hätte rein theoretisch dem Gastschulaufenthalt seiner Tochter nun nichts mehr im Wege gestanden, seine Tochter habe sich jedoch in einem derart schlechten psychischen Zustand befunden, dass nur noch die Heimreise geblieben sei.

24. Der Kläger ist der Ansicht, zur Kündigung des Vertrages wegen Reisemängeln gemäß § 651 e BGB berechtigt gewesen zu sein.

25. Der Kläger beantragt,

26. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2008 zu zahlen.

27. Hilfsweise beantragt der Kläger,

28. die Beklagte zu verurteilen, bezüglich des von ihm für seine Tochter … gebuchten Gastschulaufenthaltes mit einem Gesamtreisepreis von 6.095,00 Euro ihre eigene Kalkulation und die Kalkulation ihrer in den USA ansässigen Partnerorganisation offen zu legen und die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern.

29. Die Beklagte beantragt,

30. die Klage abzuweisen.

31. Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger nicht zur Kündigung nach § 651 e BGB berechtigt gewesen sei. Zum einen hätten keine gravierenden Mängel vorgelegen bzw. sei Abhilfe seitens der Gasteltern zugesagt worden, zum anderen sei durch die Organisation einer neuen Gastfamilie und Schule Abhilfe geschaffen worden, welche der Kläger aber ohne stichhaltige Gründe ablehnt habe.

32. Sie habe durch die vorzeitige Abreise der Tochter auch keine Aufwendungen erspart, da sie ihre Arbeit geleistet, die Flüge und die Partnerorganisation bezahlt und von der Partnerorganisation auch kein Geld zurückbekommen habe.

33. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34. Klage und Hilfsklage sind unbegründet.

35. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Minderung des vereinbarten Entgelts für den Gastschulaufenthalt seiner Tochter zu.

36. Gemäß § 651l Abs. 4 BGB konnte der Kläger den Vertrag bis zur Beendigung der Reise jederzeit kündigen. Bei einer Kündigung ist der Reiseveranstalter jedoch berechtigt, den vereinbarten Reisepreis abzüglich der ersparten Aufwendungen zu verlangen.

37. Dies gilt jedoch nach § 651l Abs. 4 S. 5 BGB nicht, wenn der Kläger nach § 651e BGB oder § 651j BGB kündigen kann.

38. Der Kläger war weder nach § 651j BGB, noch nach § 651e BGB zur Kündigung des Vertrages berechtigt.

39. Ein Fall bei Vertragsabschluß nicht voraussehbarer höherer Gewalt (§ 651j BGB) liegt unzweifelhaft nicht vor, entgegen der Ansicht des Klägers war dieser aber auch nicht zur Kündigung wegen erheblicher Mängel berechtigt.

40. Gemäß § 651e BGB kann zwar ein Vertrag gekündigt werden, wenn die Reise infolge eines Mangels der in § 651c BGB bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt wird. Gemäß § 651 e Abs. 2 BGB ist die Kündigung aber erst zulässig, wenn der Reiseveranstalter eine ihm vom Reisenden bestimmte angemessene Frist hat verstreichen lassen, ohne Abhilfe zu leisten, oder eine Abhilfe nicht möglich, vom Veranstalter verweigert oder die sofortige Kündigung des Vertrages durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird.

41. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger geltend gemachten Mängel überhaupt Reisemängel der in § 651 c BGB bezeichneten Art darstellen und ob durch diese die Reise „erheblich“ beeinträchtigt wurde, da die Beklagte Abhilfe geschaffen hat.

42. Die Beklagte hat für die Tochter des Klägers eine neue Gastfamilie und Schule gesucht und gefunden und dem Kläger dies auch vor der Abreise der Tochter am 23.09.2007 mitgeteilt.

43. Selbst wenn dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 14.09.2007 erst am 20.09.2007 zugegangen sein sollte, wofür es keine vernünftige Erklärung gibt, wäre dies immer noch drei Tage vor dem Abflug der Tochter nach Deutschland gewesen.

44. Auf jeden Fall haben den Kläger aber das Fax und die E-​Mail der Beklagten vom 18.09.2007 erreicht. In diesen Schreiben wurde dem Kläger ebenfalls mitgeteilt, dass eine neue Gastfamilie gefunden sei und der Kläger um verbindliche Willensäußerung gebeten, ob er trotz der neuen Gastfamilie … vom Vertrag zurücktreten wolle.

45. Der Kläger hatte daher noch vor der Rückreise seiner Tochter Kenntnis von der erfolgreichen Abhilfe der Beklagten, so dass er insoweit auch selbst zugibt, dass nunmehr „rein theoretisch“ dem Gastschulaufenthalt seiner Tochter nichts mehr im Weg gestanden hätte.

46. Dass sich seine Tochter in einem derart schlechten psychischen Zustand befunden haben soll, dass nur noch die Heimreise blieb, ändert nichts daran, dass die Beklagte Abhilfe, also Mängelbeseitigung geleistet hat.

47. Das Gericht kann auch kein „besonderes Interesse des Reisenden“ im Sinne des § 651e Abs. 2 S. 2 BGB sehen, das eine sofortige Kündigung des Vertrages rechtfertigen würde.

48. Ein besonderes Interesse des Reisenden an der sofortigen Kündigung liegt vor, wenn das Vertrauen des Reisenden auf eine ordnungsgemäße Abhilfe schwer erschüttert ist (Führich, Reisrecht, 5. Aufl. 2005, Rz. 371). Dies ist der Fall, wenn zahlreiche Mängel vorhanden sind, so dass es aussichtslos erscheint, sie vor Urlaubsende zu beseitigen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 06.09.2004, Az. 16 U 41/04).

49. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte noch vor der Kündigung und der Abreise der Tochter Abhilfe geleistet hatte, in dem sie eine neue Gastfamilie und Schule organisiert hatte, kann daher nicht mit Erfolg darauf abgestellt werden, dass das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Abhilfe schwer erschüttert gewesen wäre.

50. Angesichts der weiteren Tatsache, dass die Tochter planmäßig 10 Monate in den USA bleiben sollte und hiervon lediglich 3 Wochen bei der Familie … in Montfort, Wisconsin verbrachte, bestand für den Kläger auch kein Grund zur Annahme, dass es aussichtslos erscheint, die gerügten Mängel vor Ende des Aufenthaltes seiner Tochter in den USA zu beseitigen.

51. Aufgrund der erfolgten Abhilfe durch die Beklagte bestand für den Kläger daher kein Kündigungsrecht nach § 651e BGB.

52. Der Kläger war jedoch gemäß § 651l BGB zur Kündigung des Vertrages berechtigt.

53. Gemäß § 651l Abs. 4 BGB kann der Reisende den Vertrag bis zur Beendigung der Reise jederzeit kündigen.

54. Für die Kündigung eines Vertrages über einen Gastschulaufenthalt enthält § 651l Abs. 4 BGB in Satz 1 und Satz 2 eine vom allgemeinen Reisevertragsrecht abweichende Regelung, die sich weitgehend an § 649 BGB anlehnt (vgl. Palandt-​Sprau, 67. Aufl. 2008, Rn. 7 zu § 651l BGB).

55. Der Veranstalter behält den Anspruch auf den Reisepreis abzüglich einer etwa anzurechnenden Ersparnis. Die Möglichkeit eines anzurechnenden anderweitigen Erwerbs des Veranstalters infolge der Kündigung des Vertrages nach Reisebeginn liegt allerdings angesichts der langfristigen organisatorischen Vorbereitung, die ein Gastschulaufenthalt erfordert, so fern, dass sie – anders als nach dem Wortlaut des § 649 BGB – nicht berücksichtigt wird.

56. Insoweit besteht auch ein Unterschied zu der in § 651i Abs. 2 Satz 3 BGB getroffenen Regelung über die Höhe der Entschädigung bei einem Rücktritt vor Reisebeginn: dort geht das Gesetz von der zumindest theoretischen Möglichkeit eines die Höhe der Entschädigung beeinflussenden Erwerbs des Reiseveranstalters durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen aus.

57. Vorliegend bleibt es dabei, dass nur die Ersparnis anzurechnen ist. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe ihre Höhe nicht so substantiiert dargelegt, wie dies nach § 651l Abs. 4 Satz 2 BGB und der vergleichbaren Vorschrift des § 649 Satz 2 BGB erforderlich sei.

58. Die Beklagte hat substantiiert dargelegt, wie sich ihre Kalkulation zusammensetzt und dass sie durch den vorzeitigen Abbruch des Gastschulaufenthaltes der Tochter des Klägers keine weiteren Aufwendungen erspart hat.

59. Dass mit dem begonnenen Aufenthalt der Tochter des Klägers in den USA Aufwendungen des Beklagten auch über die Flugkosten hinaus verbunden waren, die nicht durch den vorzeitigen Abbruch erspart worden sind, liegt auf der Hand und wird durch das Klagevorbringen nicht widerlegt.

60. Von ersparten Personalkosten kann nicht ausgegangen werden. Zum einen sind die Personalkosten feste Kosten, die die Beklagte vorhalten muss und bei denen man sich schlecht vorstellen kann, dass sie sich nennenswert verringern, wenn ein Reisender bzw. Gastschüler Betreuungsleistungen vor Ort oder Leistungen im Rahmen der Nachbereitung nicht oder nur teilweise in Anspruch nimmt.

61. Da der Kläger im Rahmen des § 651l Abs. 4 BGB die Darlegungs- und Beweislast für ersparte Aufwendungen des Reiseveranstalters trägt, da die Kündigung auf seinen persönlichen Gründen beruht (vgl. Führich, aaO, Rz. 616), nützt es nichts, wenn der Kläger die Kalkulation der Beklagten mit Nichtwissen bestreitet.

62. Die Beklagte hat ihrer Verpflichtung, offen zu legen, für welche Leistungen welche Aufwendungen veranschlagt wurden und welche Aufwendungen davon in Anbetracht der verkürzten Reisedauer tatsächlich angefallen sind (vgl. AG Bensheim, Urteil vom 04.08.2004, Az. 6 C 541/04) Genüge getan, so dass mangels substantiierten Vortrags des Klägers kein Anlass besteht, der Beklagten eine weitergehende Offenlegung ihrer Kalkulation aufzugeben (vgl. LG Köln, Urteil vom 02.03.2004, Az.: 11 S 279/03).

63. Insbesondere kann der Beklagten nicht auferlegt werden, die Kalkulation ihrer in den USA ansässigen Partnerorganisation offen zu legen. Zum einen ist hierzu keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, zum anderen wäre die Beklagte hierzu auch nicht in der Lage und könnte ihrerseits die Offenlegung gegenüber ihrer Partnerorganisation auch nicht erzwingen. Unabhängig hiervon kommt es aber auch inhaltlich nicht auf die interne Kalkulation der Partnerorganisation an, da die Beklagte – auf welcher Kalkulationsbasis auch immer – unstreitig umgerechnet 2.155,00 Euro gezahlt und hiervon keinen Cent rückerstattet bekommen hat.

64. Die Beklagte hatte bezüglich der von der Partnerorganisation zu erbringende Leistungen Aufwendungen in Höhe von umgerechnet 2.155,00 Euro, die sie vollständig aufgewendet und von denen sie nichts zurückerhalten hat, so dass ihr infolge der Kündigung insoweit keine Aufwendungen erspart wurden.

65. Da der Kläger auch keine konkreten Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, offen zu legen, für welche Leistungen welche Aufwendungen veranschlagt wurden, nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen ist, besteht auch keine Veranlassung, die Beklagte die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskünfte an Eides statt versichern zu lassen (§ 259 Abs. 2 BGB).

66. Auch die Hilfsanträge sind damit unbegründet, so dass die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen war.

67. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

68. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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