Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten

AG Hamburg: Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten

Reisende forderten von einem Reisebüro die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klage wurde abgewiesen, weil die Anwältin eingeschaltet worden war, ehe sich die Beklagte im Verzug befunden hatte.

AG Hamburg 4 C 426/11 (Aktenzeichen)
AG Hamburg: AG Hamburg, Urt. vom 07.11.2012
Rechtsweg: AG Hamburg, Urt. v. 07.11.2012, Az: 4 C 426/11
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Amtsgericht Hamburg

1. Urteil vom 7. November 2012

Aktenzeichen 4 C 426/11

Leitsatz:

2. Um eine Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten zu begründen, muss die Einschaltung notwendig gewesen und zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, an dem sich der Schuldner bereits im Verzug befand.

Zusammenfassung:

3. In einem Streit um Ansprüche aus einem Reisevertrag schalteten Reisende eine Anwältin ein. Am Vortrag hatten sie mit einwöchiger Frist ihre Ansprüche beim Reisebüro angemeldet. Vor der Hauptverhandlung nahmen sie einen Teil der Forderungen zurück, sodass das Gericht nur noch über die Anwaltskosten zu entscheiden hatte.

Das Amtsgericht Hamburg wies die Klage ab. Um eine Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten zu begründen, muss die Einschaltung notwendig gewesen und zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, an dem sich der Schuldner bereits im Verzug befand. Das war hier nicht der Fall.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

5. Der Streitwert wird auf 568,34 € festgesetzt.

Gründe:

6. Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht den gesamten Akteninhalt.

7. Die zulässige Klage ist nicht begründet, da den Klägern der geltend gemachte Zahlungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.

8. Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 238,00 € der Hauptforderung und in Höhe von weiteren 5,00 € Mahnkosten war nur noch über den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 330,34 € zu entscheiden.

9. Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten kommt nur ein Verzugsschadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB in Betracht. Dazu müßte die vorgerichtliche Einschaltung der Rechtsanwältin jedoch nicht nur erforderlich gewesen, sondern auch zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, zu dem sich die Beklagte mit einer Leistung gegenüber den Klägern bereits in Verzug befand. Das ist nicht der Fall.

10. Die Auskehrung der Gutschrift über 238,00 € erfolgte unstreitig am 10.05.2011 und damit vor Beauftragung der späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die Kläger haben zwar nicht ausdrücklich dazu vorgetragen, wann sie die Anwältin beauftragt haben. Aus ihrem Vortrag ergibt sich jedoch, dass dies nach dem 10.05.2011 war. Denn sie haben vorgetragen, dass sie die Beklagte mit Schreiben vom 09.05.2011 nochmals selbst aufforderten, den Guthabenbetrag auszuzahlen. Ausweislich dieses als Anlage K2 eingereichten Schreibens setzten die Kläger eine letzte Frist von einer Woche, bevor sie einen Anwalt beauftragen wollten. Daher ist davon auszugehen, dass die Kläger ihre Anwältin jedenfalls noch nicht am folgenden Tag, dem 10.05.2011, beauftragt haben, zumal diese auch erst mit Schreiben vom 26.05.2011 tätig wurde. Im Übrigen wäre es Sache der Kläger gewesen, zum Datum der Beauftragung konkret vorzutragen.

11. Im Hinblick auf die darüber hinaus mit anwaltlichem Schreiben vom 26.05.2011 von der Beklagten verlangten Übersendung einer Reisebestätigung und eines Sicherungsscheins bestand ebenfalls kein Verzug. Die Kläger haben nicht dargelegt, woraus ihnen ein Anspruch auf Übersendung dieser Unterlagen gerade gegenüber der Beklagten als Reisebüro zustehen sollte. Der Anspruch aus § 651a Abs. 3 S. 1 BGB auf Übergabe einer Reisebestätigung richtet sich allein gegen den Reiseveranstalter. Dieser war hier aber nicht die Beklagte. Die Beklagte war vielmehr als Reisebüro lediglich Vermittler der bei der Firma … gebuchten Pauschalreise (vgl. Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rn. 701 f). Auch die Pflicht zur Absicherung des Insolvenzrisikos und damit zur Übergabe des Sicherungsscheins trifft gemäß § 651k Abs. 1, 3 S. 1 BGB den Reiseveranstalter. Den Reisevermittler trifft insoweit nur eine Kontrollpflicht gemäß § 651k Abs. 4 BGB (vgl. dazu auch Führich, a.a.O., Rn. 598). Es bestand also auch insoweit kein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte als Reisebüro.

12. Weitere Ansprüche haben die Kläger mit dem anwaltlichen Schreiben vom 26.05.2011 nicht geltend gemacht. Soweit die Kläger in dem späteren anwaltlichen Schreiben vom 06.07.2011 (Anlage K5) auch einen Versicherungsnachweis und eine Buchungsbestätigung für den Mietwagen verlangen, fehlt es schon an der Darlegung eines Verzuges in Bezug auf die Herausgabe dieser Unterlagen. Im Übrigen war die außergerichtliche Geschäftsgebühr zu diesem Zeitpunkt bereits durch die vorangegangene Tätigkeit der Anwältin angefallen, so dass auch vor diesem Hintergrund kein gesonderter Ersatzanspruch besteht.

13. Da im Hinblick auf die Auszahlung von 238,00 € bei Beauftragung der Rechtsanwältin kein Verzug (mehr) bestand und Ansprüche auf Übersendung bestimmter Unterlagen gegenüber der Beklagten als Reisevermittler nicht bestanden, scheidet ein Verzugsschadensersatzanspruch aus.

14. Im Übrigen wäre die Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühr auf einem Gegenstandswert von 2.280,00 € deutlich überhöht, da es lediglich um die Übersendung der Reiseunterlagen ging und dies zu einem Zeitpunkt noch vier Monate vor geplantem Reiseantritt. Eine Nichtdurchführung der Reise stand nicht zur Debatte. Daher kann nicht der Reisepreis Grundlage der Gebührenberechnung sein, sondern nur das Interesse der Kläger am Erhalt der genannten Unterlagen. Dieser Gegenstandswert dürfte ganz erheblich unter dem Reisepreis liegen, ohne dass es dazu hier einer Entscheidung bedarf.

15. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

16. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

17. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO, 63 Abs. 2 GKG. Da die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht als Nebenforderung, sondern im Streitverfahren als Hauptforderung geltend gemacht wurden, sind sie dem Streitwert hinzuzurechnen.

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