Schadensersatz und Schmerzensgeld für Sturz auf nasser Marmortreppe

LG Frankfurt: Schadensersatz und Schmerzensgeld für Sturz auf nasser Marmortreppe

Ein Reisender stürtze auf der regennassen Marmortreppe des Hotels und verletzte sich. Vor Gericht erklagte er ein Schmerzensgeld und Schadensersatz, da eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Hotelbetreiber und somit den Reiseveranstalter vorlag.

LG Frankfurt 2-24 S 146/07 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 17.01.2008
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 17.01.2008, Az: 2-24 S 146/07
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 17. Januar 2008

Aktenzeichen 2-24 S 146/07

Leitsatz:

2. Beim Ausrutschen auf einer nassen Treppe verletzt der Hotelier seine Verkehrssicherungspflicht.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Reise mit Unterbringung in einem Hotel gebucht. Eines abends regnete es stark. Die Treppen, die von der Gartenanlage des Hotels ins Hotel führten waren nass. Der Kläger rutschte darauf aus und zog sich Verletzungen zu. Deswegen klagte er auf Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Das Gericht gibt dem Kläger recht. Rutscht ein Reisender auf einer regennassen Treppe aus poliertem Marmor aus, so liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Hotelbetreiber vor, wenn der von der Treppe ausgehenden Gefährdung durch eine rutschhemmende Unebenheit vor der Kante der Treppenstufe oder wenigstens durch einen warnenden Hinweis hätte abgeholfen werden können. Diese Verkehrssicherungspflichtverletzung musste sich die beklagte Reiseveranstalterin anrechnen lassen, da das Hotel ihr Leistungsträger war. Das Gericht stellte fest, dass den Kläger ein Mitverschulden traf, da er die Treppe bereits kannte und mit Rutschgefahr rechnen konnte und da er an der Brüstung hätte Halt suchen können. So erhielt er 800,- € Schmerzensgeld für seine Verletzungen und 76,- € Schadensersatz für Taxi- und Arztkosten.

Beide Parteien legten anschließend beim Landgericht Frankfurt Berufung ein, jedoch ohne Erfolg, da das Amtsgericht die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten sowie das Mitverschulden des Klägers zurecht angenommen und die Ansprüche korrekt ermittelt hatte.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 43% und die Beklagte zu 57% zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

7. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.

1.

8. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld in Höhe von 800,– Euro und auf Schadenersatz in Höhe von 76,67 Euro gem. § 651f I BGB hat.

A.

9. Das Amtsgericht hat den Unfallhergang, also das Ausrutschen des Klägers auf der feuchten Marmortreppe auf der obersten Stufe, in nicht zu beanstandender Weise festgestellt.

10. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

B.

11. Im Hinblick auf den Sturz des Klägers auf der feuchten Marmortreppe liegt eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vor.

12. Verkehrssicherungspflicht bedeutet nicht, dass gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen getroffen werden müssen. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst vielmehr diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.

13. Das Amtsgericht hat zu Recht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung angenommen.

14. Bei der unstreitig im feuchten Zustand glatten Treppe (polierter Marmor) handelt es sich um eine Treppe, die eine erhöhte Gefahrenquelle darstellt. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass glatte Steinflächen auf Treppen bei Feuchtigkeit zu einer erheblichen Rutschgefahr führen. Dies gilt umso mehr, als vorliegend die erste Stufe von oben defekt gewesen ist und dies somit die Gefahrenlage nochmals erhöht hat. Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus den vorgelegten Lichtbildern des Klägers zweifelsfrei die Beschädigung der obersten Stufe. Bezeichnend sind auch, die von der Beklagten selbst vorgelegten Lichtbilder (Bl. 50 – 52 d.A.), auf denen zu sehen ist, dass die defekte Stufe nunmehr mit einem Warnkegel besonders gekennzeichnet ist. Weiterhin hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass es in dem Urlaubsdomizil durchaus Treppen gab, die rutschsicher ausgeführt waren.

15. Der Vortrag des Klägers, dass der Sturz „unausweichlich“ gewesen sei, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Treppe benutzt hat, in dem Wissen, dass er nunmehr zwangsläufig stürzen würde, wenn er diese „aufrecht“ und nicht – wie von der Berufung angeführt – in „sitzenderweise“ bzw. „auf allen Vieren“ begeht. Zutreffend hat das Amtsgericht weiterhin ausgeführt, dass der von der Treppe ausgehenden Gefährdung durch eine rutschhemmende Unebenheit vor der Kante der Treppenstufe oder wenigstens durch einen warnenden Hinweis hätte abgeholfen werden können. Jedenfalls hätte die ausgetretene oberste Treppenstufe erneuert bzw. repariert werden müssen.

16. Nach all dem kann nicht von der Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos gesprochen werden. Vielmehr hat eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgelegen.

17. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Hotel bzw. den Club und seine Einrichtungen in erster Linie den Hotel- bzw. Clubbetreiber. Daneben hat auch der Reiseveranstalter eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit der Vertragshotels bzw. Ferienclubs. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.

18. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Beklagte selbst eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

19. Jedenfalls liegt aber aus den oben genannten Gründen eine Verkehrsicherungspflichtverletzung des Hotels als Leistungsträger vor, die der Beklagten gem. §§ 651f I, 278 BGB zuzurechnen ist.

20. Da der Reiseveranstalter dem Reisenden auf Grund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren schuldet, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, fallen jedenfalls auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, das heißt infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er einzustehen hat, unter den Mangelbegriff.

21. Dies ist der Beklagten hier nicht gelungen. Jedenfalls für den Leistungsträger war im Hinblick auf die beschädigte und bei Nässe rutschanfällige Treppe die Verwirklichung der Gefahr eines Treppensturzes erkennbar.

C.

22. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass den Kläger gem. § 254 I BGB ein Mitverschulden trifft. Dieses hat das Amtsgericht mit 1/3 bewertet, was nicht zu beanstanden ist.

23. Zu Recht hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass der Kläger die Treppe kannte, da er bereits zwei Tage zuvor schon in das Appartement eingezogen war. Bei genügender Vorsicht hätte der Kläger bemerken können, dass die Treppe wegen des Regens nass und rutschgefährlich war. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Treppe zuvor noch nicht in feuchtem Zustand erlebt hat. Für den Kläger war nämlich erkennbar, dass es sich bei der Treppe um polierten Marmor gehandelt hat. Daher war es auch für einen durchschnittlichen Reisenden naheliegend und erkennbar, dass eine solche Treppe bei Feuchtigkeit rutschig sein kann.

24. Auch wenn die Treppe über keinen Handlauf im herkömmlichen Sinne verfügt hat, so wäre es doch möglich gewesen an der Brüstung der Treppe bei Benutzung einen gewissen Halt zu finden.

25. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist ein anzunehmendes Mitverschulden des Klägers von 1/3 sachgerecht.

D.

26. Aufgrund der Verkehrssicherungspflichtverletzung steht dem Kläger ein Schmerzensgeld gem. §§ 651f I, 253 II BGB zu.

27. Das Amtsgericht hat im Ergebnis ein Schmerzensgeld von 800,– Euro für angemessen erachtet. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat eine Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommen. Insbesondere hat es die Verletzungsfolgen infolge des Treppensturzes sachgerecht bewertet. Insoweit schließt sich die Kammer den amtsgerichtlichen Ausführungen an.

28. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war als Bewertungsfaktor auch das Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen, weshalb sich im Ergebnis ein Schmerzensgeldanspruch von 800,– Euro ergibt.

E.

29.  Aufgrund der Verkehrssicherungspflichtverletzung hat der Kläger einen Schadenersatzanspruch gem. § 651f I BGB.

30. Zutreffend hat das Amtsgericht die Schadenspositionen Taxikosten (15,– Euro) und Arztkosten (100,– Euro) für begründet erachtet. Aufgrund des Mitverschuldens war die Schadenersatzforderung i.H.v. insgesamt 115,– Euro um 1/3 zu kürzen. Danach ergibt sich ein Schadenersatzanspruch in Höhe von insgesamt 76,67 Euro.

31. Zutreffend hat das Amtsgericht die Mietwagenkosten in Höhe von 75,– Euro für nicht ersatzfähig gehalten. Zu Recht hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass der Mietwagen überwiegend zu einer Zeit angemietet worden ist, in der der Kläger und seine Familie von der Beklagten anderweitig untergebracht war. Insoweit hat der Kläger auch zweitinstanzlich nicht ausreichend dargetan, dass nach der Umquartierung weiterhin ein Mietwagen notwendig war, um zu dem Hotel zu gelangen, in dem das Abendessen gereicht worden ist. Insbesondere ist nicht substanziiert zu der Entfernung vorgetragen worden.

32. Zutreffend hat das Amtsgericht die vom Kläger begehrte Unkostenpauschale von 25,– Euro nicht zugesprochen. Anders als im Verkehrsunfallrecht, wo eine Unkostenpauschale anerkannt ist, gilt dies für das Reiserecht gerade nicht. Vielmehr hat der Reisende, also hier der Kläger, die tatsächlich angefallenen Unkosten im Einzelnen darzulegen und zu spezifizieren. Der Kläger hat aber weder erstinstanzlich noch zweitinstanzlich die weiteren Unkosten nach Art und Höhe ausreichend dargetan. Insoweit kam auch ein Ersatz für etwaige Fahrtkosten nicht in Betracht.

2.

33. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen des Sturzes infolge der glatten Treppe gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB in Höhe von 474,– Euro hat.

34. Danach ergibt sich ein Minderungsbetrag von 474,– Euro.

3.

35. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gemäß § 651f II BGB in Höhe von 158,– Euro hat.

36. Nach der Rechtsprechung der Kammer liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50 % gerechtfertigt ist.

37. Dies hat das Amtsgericht bei seiner Berechnung berücksichtigt.

38. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht als Entschädigung die Hälfte des auf den Kläger entfallenen maßgeblichen Tagesreisepreises angesetzt hat. Bei einem maßgeblichen Reisepreis von 632,– Euro für den Kläger ergibt sich bei einer achttägigen Reise ein Tagesreisepreis von 79,– Euro. Der hälftige Tagesreisepreis beläuft sich somit auf 39,50 Euro. Dies übersieht die Anschlussberufung, die ihrer Berechnung nämlich den vollen Tagespreis zugrunde gelegt hat. Für 6 Tage ergibt sich danach ein Entschädigungsbetrag von 237,– Euro. Als Bewertungsfaktor war aber auch wiederum das Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen, weshalb sich im Ergebnis ein Entschädigungsbetrag von 158,– Euro ergibt.

39. Nach all dem sind die Berufung und die Anschlussberufung unbegründet und waren entsprechend zurückzuweisen.

III.

40. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

41. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

42. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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