Schadenersatzansprüche und das Warschauer Abkommen
AG Frankfurt: Schadenersatzansprüche und das Warschauer Abkommen
Eine gehbehinderte Kreuzfahrtteilnehmerin konnte aufgrund einer Gepäckverspätung nicht an einer Antarktisfahrt teilnehmen und verlangte Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit. Die Klage wurde abgewiesen, da die Ansprüche der Klägerin vorgerichtlich bereits abgegolten worden waren.
AG Frankfurt | 30 C 1844/05 (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 13.01.2006 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 13.01.2006, Az: 30 C 1844/05 |
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Leitsatz:
2. Bei einer Gepäckverspätung besteht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Zusammenfassung:
3. Eine gehbehinderte Südamerikakreuzfahrtteilnehmerin hatte mit der Reiseveranstalterin vereinbart, Spezialausrüstung nachzuliefern. Diese traf aber verspätet ein, sodass die Reisende nicht teilnehmen konnte. Vorgerichtlich erhielt sie von der Beklagten zunächst 200 $, später weitere 1.037,58 €. Vor dem Amtsgericht Frankfurt verfolte sie mit ihrer Klage das Begehren nach weiteren 1.900,- € wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Dieses stellte fest, dass die Gepäckverspätung der eigens für die Klägerin verabredeten Lieferung der erforderlichen Ausrüstung einen erheblichen Reisemangel darstellte. Das rechtfertigte eine Minderung des Reisepreises um 50% für die betroffenen Reisetage. Da der Reisepreis 5.780,- € betrug und die Antarktisfahrt 7 Tage dauerte, war der Ausgleichsanspruch der Klägerin durch die vorgerichtliche Zahlung bereits abgegolten.
Ferner stand ihr Schadensersatz nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nicht zu, da weder das Warschauer Abkommen noch deutsches Recht einen solchen aus einer Gepäckverspätung, wie vorliegend, ableiten. Die Klage wurde abgewiesen.
Tenor:
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten reisevertragliche Gewährleistungsrechte geltend.
6. Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine in Südamerika startende und endende Kreuzfahrt gebucht, die inklusive Hin-und Rückflug 5.780,- Euro kostete. Die Reise fand im Zeitraum 3.11. bis 21.11.2004 statt, wobei im Zeitraum 5.11. bis 11.11.2004 die Antarktis befahren wurde. Da die Klägerin stark gehbehindert ist, stellte sie unter Mitwirkung der Beklagten für den Antarktisteil der Reise eine Ausrüstungsliste (Kopie Bl. 18 d.A.) zusammen. Bei ihrer Ankunft in Südamerika stellte die Klägerin fest, dass der Koffer, der die für die Antarktisreise erforderlichen Kleidungsstücke und Hilfsmittel enthielt, fehlte. Er wurde erst am 11.11.2004 nachgeliefert, so dass die Klägerin die Antarktisreise ohne die eigens dafür angeschafften Gegenstände durchführen musste, mit der Folge, dass der Erholungswert dieses Teils der Reise erheblich eingeschränkt war.
7. Wegen der Gepäckverspätung zahlte der Leistungsträger der Beklagten, die vor ort zunächst 200 US-Dollar, später weitere 1.037,58 Euro. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung weiterer 1.900,- Euro.
8. Wegen des klägerischen Vorbringens im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 23.5.05 (Bl. 1-3 d.A.) sowie vom 29.11.05 (Bl. 17 d.A.).
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.900,- Euro nebst 5% Zinsen seit dem 27.12.2004 zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
11. Sie macht geltend, reisevertragliche Minderungsansprüche seien mit den Zahlungen der mehr als ausgeglichen. Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude stünden der Klägerin aus Rechtsgründen nicht zu. Wegen des Beklagtenvorbringens im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 27.9.05 (Bl. 14 und 15 d.A.) sowie vom 15.12.05 (Bl. 28 und 29 d.A.).
Entscheidungsgründe:
12. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.900,- Euro zu. Soweit reisevertragliche Gewährleistungsansprüche bestanden haben, sind diese durch die vorprozessualen Zahlungen der erfüllt worden.
13. Unstreitig traf der Koffer der Klägerin, der die für die Antarktisreise erforderlichen Utensilien enthielt, erst am 11.11.2004, mithin am Ende dieses Reiseteils ein. Die Klägerin musste also die 7-tägige Antarktisreise ohne die von ihr zuvor dafür eigenes angeschafften Sachen, insbesondere warme Kleidung sowie Treckingstock, durchführen. Angesichts der Tatsache, dass der Beklagten die besonderen gesundheitlichen Probleme der Klägerin bekannt waren, stellt die verspätete Zurverfügungstellung besagten Koffers einen erheblichen Reisemangel im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB dar. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts rechtfertigt dieser Reisemangel eine Minderung von 50% des auf die betroffenen 7 Tage anteilig entfallenden Reisepreises (§ 651 d BGB in Verbindung mit § 287 ZPO). Der auf 7 Tage anteilig entfallende Gesamtreisepreis beträgt 2.247,77 Euro, 50% davon sind 1.123,89 Euro. Auf diesen Betrag sind jedoch die von der vorprozessual gezahlten 200 US-Dollar sowie 1.037,58 Euro anzurechnen. Unstreitig wollte die nämlich den Schaden ausgleichen, der dadurch entstanden ist, dass der Klägerin die besagten Gegenstände erst verspätet zur Verfügung gestellt wurden. Da materielle Schäden durch die Verzögerung nicht in Rede standen, kann nicht angenommen werden, dass die etwa eine eigene Verpflichtung gegenüber der Klägerin gemäß Artikel 22 Warschauer Abkommen ausgleichen wollte. Wäre das Gepäck der Klägerin beschädigt worden oder etwa völlig in Verlust geraten, müsste die Zahlung der Beklagten wohl als Entschädigung gemäß Artikel 18 und Artikel 22 Warschauer Abkommen angesehen werden, mit der Folge, dass eine Anrechnung dieser Zahlungen auf die Gewährleistungsrechte gegenüber der Beklagten nicht erfolgen könnte. Da vorliegend jedoch der Koffer nachgeliefert wurde, ohne dass irgendwelche materiellen Schäden in Rede stehen, muss die Zahlung der Beklagten zugerechnet werden, da sie ersichtlich dem Umstand geschuldet war, dass die Klägerin ihren Urlaub ohne ihre Sachen verbringen musste. Somit wollte die der Beklagten als Leistungsträger ersichtlich die reisevertraglichen Gewährleistungsrechte, die der Klägerin gegenüber der Beklagten zustanden, ausgleichen. Auch hat die Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen, für vorgenannten Reisemangel habe die Zahlungen als Minderung geleistet, ohne dass diesem Vortrag von Klägerseite entgegengetreten worden wäre. Damit ist für den vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Zahlungen der Beklagten an die Klägerin auf die dieser gegenüber der Beklagten zustehenden reisevertraglichen Minderungsansprüche erfolgten. Da insoweit sogar eine Überzahlung vorliegt, bestehen Minderungsansprüche nicht mehr.
14. Soweit die Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651 f Abs. 2 BGB) gestützt wird, ist sie gleichfalls unbegründet. Entsprechende Schadensersatzansprüche bestehen nicht. Die Beklagte macht insoweit zu Recht geltend, sich auf die Privilegierungen des Warschauer Abkommens berufen zu können. Dies ergibt sich aus § 651 h Abs.. 2 BGB: Gelten für eine von einem Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung internationale Übereinkommen oder auf solchen beruhende gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Anspruch auf Schadensersatz nur unter bestimmten Voraussetzungen oder Beschränkungen entsteht oder geltend gemacht werden kann oder unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen ist, so kann sich auch der Reiseveranstalter gegenüber dem Reisenden hierauf berufen. Ein derartiges Übereinkommen stellt das Warschauer Abkommen dar. Der hier in Rede stehende Flug von x nach y unterfällt dem Geltungsbereich des Warschauer Abkommens. In diesem Geltungsbereich sind gemäß Artikel 24 Abs. 1 des Abkommens die Schadensersatzansprüche in Artikel 18 und Artikel 19 des Warschauer Abkommens abschließend geregelt. Weder Artikel 18 noch Artikel 19 des Warschauer Abkommens gibt jedoch dem Fluggast im Falle des Verlustes, der Beschädigung, oder der Verspätung seines Reisegepäcks einen Anspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit im Sinne von § 651 f Abs. 2 BGB. Gemäß § 651 h Abs. 2 BGB kann demnach ein Reisender, der eine Flugreise im Rahmen eines Pauschalarrangements gebucht hat, gegenüber dem Reiseveranstalter keinen Schadensersatzanspruch wegen vertanen Urlaubs geltend machen, wenn sein Fluggepäck am Urlaubsort verspätet eintrifft (vgl.: OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1993, Seite 1147; Amtsgericht Frankfurt am Main, Reiserecht Aktuell 2002, Seite 22;). Hinsichtlich reisevertraglicher Gewährleistungsrechte, die ihren Grund in der Verspätung des Reisegepäcks bei der Luftbeförderung haben, ist im Geltungsbereich des Warschauer Abkommens der Reisende auf Minderung beschränkt, Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden kann nicht verlangt werden. Da die Minderungsansprüche bereits erfüllt worden sind, war der weitergehenden Klage somit der Erfolg zu versagen.
15. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
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