Begriff „Flughafen“ nach Warschauer Abkommen

OLG Frankfurt: Begriff „Flughafen“ nach Warschauer Abkommen

Ein Unternehmen nimmt ein anderes Transportunternehmen in Anspruch auf Schadensersatz, aufgrund von verschwundener Transportware.

Das Gericht entschied, dass die Klage keinen Erfolg hat. Die Ware sei ausreichend gesichert gewesen.

OLG Frankfurt 5 U 23/09 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 11.12.2009
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 11.12.2009, Az: 5 U 23/09
LG Oldenburg , Urt. v. Datum, Az: 13 O 2498/08
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 11.12.2009

Aktenzeichen: 5 U 23/09

Leitsatz:
2. Öffentlich zugängliche Bereiche an Flughäfen müssen besonders gesichert werden.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Transport und die Lagerung von Handy-Oberschalen in mehreren Paletten zu einem Festpreis mit der Beklagten vereinbart. Nach dem Transport und der Einlagerung bei dem beklagten Unternehmen fehlte Transportgut.

Der Kläger begehrt Schadensersatz für den behaupteten Verlust von 2.400 Stück Handy-Oberschalen in einem behaupten Wert von 90.829,68 €.

Das Gericht entschied, dass die Klage zurückgewiesen wird. Der geltend gemachte Schaden trat, die Klägerbehauptungen zu seiner Entstehung unterstellt, während einer Luftbeförderung i.S,d. Art. 18 Abs.1 WA 1955 ein. Der Bereich, in dem die Ware lag ist zwar öffentlich zugänglich, darf aber nur mit einer besonderen Erlaubnis mit Fahrzeugen befahren werden. Alle Besucher unterliegen einer fakultativen Kontrolle. Wer sich der Kontrolle entzieht, wird des Geländes verwiesen. Weiterhin werden zusätzlich Personenstichproben durchgeführt. Dem entsprechend ist die D mit einem hohen Zaun umschlossen und wird durch Tore sowie Streifengänge gesichert.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.11.2008 verkündete Urteil der 14. Kammer für Handelssachen des LGs Frankfurt am Main wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die durch die Nebenintervention in erster Instanz verursachten Kosten die Streithelferin zu tragen hat.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die durch die Nebenintervention im Berufungsverfahren verursachten Kosten hat die Streithelferin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

5. Die Klägerin verlangt in erster Linie als Zessionarin, in zweiter Linie als Prozessstandschafter der – nach ihrer Behauptung – Transportversicherungen der A GmbH & Co KG (künftig nur: A) Schadensersatz für den behaupteten Verlust von 2.400 Stück Handy-Oberschalen in einem behaupten Wert von 90.829,68 €.“

6. Die A beauftragte die Beklagte zu festen Kosten mit der Verbringung oder deren Organisation einer Sendung von deren Lager nach L1, die im Lufttransport ausgeführt werden sollte. Auf den Auftrag wird verwiesen (Anl. K 3, Bl. 13 d.A.). Die aus mehreren Paletten bestehende Sendung wurde am 7.7.2005 von der Streithelferin im Auftrag der A bei dieser aufgenommen und am gleichen Tag gegen Quittung bei dem von der Beklagten mit der Entgegennahme beauftragten Lagerhalter, der B GmbH, eingeliefert, die ihr Lager im Gebäude … der sogenannten D auf oder an dem Flughafen in O1 unterhielt, wo auch die Beklagte in Gebäude … A geschäftsansässig ist. Streitig ist, ob die Sendung zu diesem Zeitpunkt noch vollständig war. Am Nachmittag des 8.7.2005 stellte die Beklagte bei einer zur Kontrolle vorgenommenen Verwiegung eine Gewichtsdifferenz fest, die darauf beruhte, dass gegenüber dem vorgesehenen Zustand 2.400 Stück Handyoberschalen fehlten.

7. Die Klägerin hat mit ihrer am 8.7.2008 eingereichten und 6.8.2008 zugestellten Klage Schadensersatz verlangt. Die von der A mit der Verbringung nach O1 beauftragte F GmbH ist ihr beigetreten. Sie haben behauptet, die Sendung sei bei der A ordnungsgemäß gepackt worden und bereit gestellt worden (Beweis: Zeugen Z1 und Z2). Sie sei unverändert bei der B GmbH eingeliefert worden.

8. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 90.829,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, beginnend mit dem 21.7.2005, zu zahlen.

9. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klage sei verfristet, weil ein Lufttransport vorgelegen habe und die Einlieferung bei der B GmbH auf einem Flughafen erfolgt sei.

11. Das LG hat durch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen entschieden. Es hat die Klage abgewiesen, weil die Klagefrist des Art.29 WA 1955 nicht eingehalten worden sei und weil der Verlust in der Obhut der Beklagten nicht ausreichend vorgetragen worden sei. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und zu den Entscheidungsgründen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 84- 89 d.A.).

12. Die Berufung der Klägerin macht geltend, dass die Entscheidung nicht durch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hätte ergehen dürfen, weil ein Einverständnis der Parteien gefehlt habe. Bei der Durchführung eines Kammertermins hätte die Klägerin noch zur Lage des Gebäudes … und zum Charakter der D vortragen können. Dort bestehe freier Zutritt und der Bereich stehe dem öffentlichen Verkehr offen (Beweis: Augenschein). Die Sendung sei auch nach dem Bereitstellen unter Aufsicht geblieben (Zeugen Z3 und Z2) und von dem Fahrer der Streithelferin unversehrt abgeliefert worden (Zeuge Z4).

13. Die Klägerin und die Streithelferin beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 90.829,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.7.2005 an die Klägerin zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

15. Die Beklagte verteidigt das Urteil: Das Gebäude … und die D gehörten zum Flughafen, wie aus der als solcher unstreitigen Ausweisordnung des Flughafenbetreibers G AG folge (Anl. B 2, Bl. 185 ff. d.A.).

16. Es ist Beweis erhoben worden über die Zugehörigkeit des Gebäudes … der D im Juli 2005 zu einem Flughafengelände durch Vernehmung des Zeugen Z5, des Leiters der Ausweisstelle der Flughafenbetreiberin. Zu den Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 16.10.2009 Bezug genommen (Bl. 254 – 257 d.A.). Die Parteien und die Streithelferin haben sich mit einer Endentscheidung des Rechtsstreits beim Einzelrichter einverstanden erklärt (Bl. 231, 236, 239 d.A.).

17. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler i.S.d. § 513 Abs.1 ZPO, weil sie im Ergebnis zutreffend ist.

18. Der mit der Klage verfolgte Schadensersatzanspruch ist, sofern er überhaupt entstanden wäre, mit Ablauf der Ausschlussfrist des Art.29 Abs.1 WA 1955 erloschen. Die Versäumung dieser Frist führt in ihrem Anwendungsbereich zum Untergang der Forderung. Die Frist begann zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Juli 2005, zu dem die Sendung in L1 nach ihrer Entgegennahme am 7.7.2005 zeitnah hätte ankommen sollen (Art.29 Abs.1 Satz 2 WA 1955) und war als Zweijahresfrist bei der Klageeinreichung am 8.7.2008 abgelaufen.

19. Art.29 Abs.1 WA 1955 ist anzuwenden, weil ein dem Abkommen unmittelbar unterfallender Lufttransport vereinbart war und dieser bereits mit der Einlieferung in dem Lager der B GmbH in O1 begonnen hatte.

20. Es war ein dem Abkommen unmittelbar unterfallender Lufttransport vereinbart.

21. L1 ist und war wie L2 Vertragsstaat des Warschauer Abkommens 1955, sodass Abgangs- und Bestimmungsort gemäß Art. 1 Abs.2 WA 1955 im Gebiet von Vertragsstaaten lagen (vgl. Koller, wie oben, Art.1 WA 1955). L1 war im maßgeblichen Zeitpunkt dem Montrealer Übereinkommen nicht beigetreten (vgl. Koller, wie vor, Art.1 MÜ, Stand zum 1.3.2006). Es lag auch nach den Parteivereinbarungen eine internationale Güterbeförderung durch Luftfahrzeuge gegen Entgelt vor (Art.1 Abs.1 WA 1955). Mit den höchstrichterlichen Entscheidungen vom 2.4.2009 und vom 14.2.2008 (I ZR 183/05 – TranspR 2008, 323 – Rz.18 bei juris) ist klar gestellt worden, dass CMR und WA 1955 den Begriff des Beförderungsvertrags autonom bestimmen und die Fixkostenspedition, wie sie hier beauftragt war, unmittelbar erfassen, unabhängig davon, ob dies im nationalen Recht ausdrücklich bestimmt ist. Daraus folgt, dass die längere Verjährungsfrist des § 439 Abs.1 Satz 2 HGB in diesen Fällen über §§ 463, 459 HGB nicht zur Anwendung kommt. Der Vorrang des Luftfahrtabkommens gälte auch, wenn man einen multimodalen Transport annehmen wollte (§ 452 Satz 1 HGB am Ende).

22. Der geltend gemachte Schaden trat, die Klägerbehauptungen zu seiner Entstehung unterstellt, während einer Luftbeförderung i.S,d. Art. 18 Abs.1 WA 1955 ein. Nach Art.18 Abs.2 WA 1955 umfasst die Luftbeförderung den Zeitraum, in dem sich die Sendung in der Obhut der Beklagten auf einem Flughafen befand. Mit der Einlieferung vom 7.7.2005 durch die von der Klägerin beauftragte Frachtführerin, die Streithelferin, bei der B GmbH in dem Gebäude … der D befand sich die Sendung in der Obhut des Luftfrachtführers, der Beklagten. Denn der von der Beklagten mit der Annahme beauftragte Lagerführer gehörte zu den Leuten i.S.d. Art.20 WA 1955, für die Beklagte einzustehen hat.

23.  Das Gebäude … der D befand sich auf dem Flughafen.

24. Diese Zugehörigkeit des Gebäudes … der D zum Flughafen in O1 kann dabei nicht wegen Art. 18 Abs.3 WA 1955 dahin stehen. Freilich wäre es eine Verladung im Sinne dieser Bestimmung, wenn das Gebäude … noch nicht zum Flughafen rechnen würde. Die Beweisvermutung kommt hier aber trotzdem nicht zum Tragen, weil der Ort des behaupteten Schadensereignisses nicht in Zweifel steht. Ob dieser Ort auf der Grundlage des Luftfahrtabkommens auf dem Flughafen oder nur an einem Flughafen liegt, ist keine Frage, die wegen Beweisnot des Versenders zum Nachteil des Luftfrachtführers vermutet werden müsste (vgl. Koller, wie oben, Art.18 Rz.14).

25. Der behauptete Verlust trat „auf einem Flughafen“ ein, weil das Gebäude … der D Teil des Flughafens war.

26. Das WA 1955 sagt selbst nicht, was unter dem Begriff eines Flughafens zu verstehen ist, sodass das Abkommen auszulegen ist. Nach Art.31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (BGBl. II 1985, 926, 939, vgl. auch Koller, wie oben, vor Art.1 CMR) ist ein völkerrechtlicher Vertrag auszulegen nach „Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zweckes“.

27. Der Wortlaut ist dabei gemäß Art. 36 WA 1955 ausschließlich der französischen Fassung zu entnehmen. Auf die in englischer und spanischer Sprache erfolgten Fassungen des WA 1955 kommt es nicht an, soweit der Text zu Art.18 im Zusatzprotokoll von Den Haag gegenüber dem WA 1929 unverändert blieb (vgl. Koller, wie oben, Art.36 WA 1955 Rz.1). Der französische Wortlaut sieht für die üblichen deutschen Begriffe „auf einem Flughafen“ die Originalfassung vor mit: „… dans un aérodrome…“. „Aérodrome“ ist zu übersetzen mit „Flugplatz“, während der deutsche Begriff des Flughafens im Französischen ausgedrückt wird mit „aéroport“ (vgl. www. translate.google.com; auch Langenscheids Großwörterbuch Deutsch/Französisch, 1968). Daraus folgt indessen wenig, weil es nicht erhellt, ob „aérodrome“ ein engerer Bereich oder gar ein Teilbereich sein kann von „aéroport“. Denn auch nach deutschem Sprachverständnis, wie es in § 6 Abs.1 LuftVG zum Ausdruck kommt, ist Flugplatz der Oberbegriff, umfasst er nämlich Flughäfen, Landsplätze und – hier nicht bedeutsam – Segelfluggelände. Die begriffliche Unschärfe – Flughafen oder Flugplatz – wird deutlich bei Kronke (MüKo/HGB, 1997, Art.18 WA 1955), der den Bereich mit beiden Begriffen bezeichnet.

28. Die Systematik des Luftfahrtabkommens selbst erlaubt keine verlässlichen weiteren Erkenntnisse: Die Beförderung zum Zweck der Verladung (Art.18 Abs.3 WA 1955) kann auf dem Flughafen stattfinden oder außerhalb eines solchen. Zur Auslegung kann aber auf eine Begriffbestimmung im Anhang 14 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt (BGBl. II 1956, 412) verwiesen werden, dem L1 am 4.4.1947 beigetreten ist. Dort ist (zitiert nach Müller-Rostin ZLW 1991, 137, 139, ders .auch in Giemulla, WA, Lose Blatt, Stand Juli 2003 Rz.19 zu Art.18) ausgeführt, dass unter Flughafen „ein festgelegtes Gebiet auf dem Lande …(einschließlich Gelände, Anlage und Ausrüstung)“ zu verstehen ist, „das ganz oder teilweise für Bewegungen von Luftfahrzeugen bestimmt ist.“ Die Deutung entspricht auch dem übereinstimmenden Verständnis ausländischer Gerichte (vgl. Nachweise bei Müller-Rostin in Giemulla, wie oben, Rz. 19; auch Kronke, wie oben, in Fn. 54 Art.18 WA 1955). Demgegenüber wird von Koller allerdings auch auf die Zugänglichkeit abgestellt (Koller, wie vor, Art.18 WA 1955 Rz.9).

29. Die Zwecke des Luftfahrtabkommens (vgl. Giemulla, wie oben, Einl. WA Rz.1), nämlich Vereinheitlichung und – historisch bedingt – Schutz der damals aufstrebenden Luftfahrt vor ruinösen Schadensersatzforderungen legen ein Verständnis nahe, das nicht nur den engsten Bereich des Flugfelds in den Schutzbereich des Abkommens einbezieht, sondern auch die damit zwangsläufig verbundenen Einrichtungen zum Gütertransport oder der Beförderung. Die funktionale Betrachtung (vgl. dazu Kronke, wie oben, Rz.29) ist jedenfalls unterstützend heranzuziehen, wenn es um die Abgrenzung des Flughafengebiets geht. Dem entsprechend war der hiesige 17. Zivilsenat bereits früher (OLG Frankfurt vom 21.5.1975, 17 U 191/74 – NJW 1975, 1604, 1605) davon ausgegangen, dass die Lagerhallen des Luftfahrtunternehmens K AG sich auf dem Flughafen befinden (im Ergebnis so auch BGH vom 2.4.2009, wie oben).

30. Die Halle … der D erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen, liegt also auf den Flughafengelände.

31. Das ergibt sich jedoch nicht aus einer Feststellung des LGs, an die das Berufungsgericht etwa nach § 529 Abs.1 Ziff.1 ZPO gebunden wäre. Zu der im LGlichen Urteil insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellung (LGU S. 5, 4. Absatz, Bl. 88 d.A. „auf einem Flughafen“) sind konkrete Anhaltpunkte zu Zweifeln entstanden, weil das LG diese Feststellung verfahrenfehlerhaft getroffen hat. Es hat durch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen entschieden, ohne dass das nach § 349 Abs.3 HGB nötige Einverständnis vorgelegen hat und hat dadurch Vortrag der Klägerin verkürzt, den diese angekündigt hatte (Protokoll vom 21.11.2008, S.2, Bl. 81 d.A.).

32. Die Stellung der Sachanträge war nicht als Einverständnis in die Entscheidungsbefugnis der Vorsitzenden anstelle der vollbesetzten Kammer auszulegen, wie es § 349 Abs.3 ZPO aber verlangt. Allein die Antragstellung kann nicht als Einverständnis verstanden werden, weil die Parteien auch bei dem vorbereitenden Tätigwerden des Vorsitzenden zur Vermeidung einer Säumnisentscheidung die Anträge stellen müssen. Ein Schluss auf die Wahl der Entscheidungsperson folgt daraus nicht (vgl. Zöller/Greger, ZPO; 27. Aufl. 2009, § 349 Rz.19; Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009; § 359 Rz. 19: eindeutige schlüssige Handlung nötig). An dieser rechtlichen Einordnung ändert auch die Entscheidung des BVerfG vom 5.6.1998 nichts. § 31 BVerfGG bindet dazu nicht, weil es nur um die Tatsachengrundlage einer Zulässigkeitsfrage ging. Dort hatte der Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen anstelle der vollbesetzten Kammer eine Vorlage an das Verfassungsgericht beschlossen, also in einer hier nicht vergleichbaren Prozesslage entschieden.

33. Die vom Berufungsgericht damit zum Bereich des Flughafens neu zu treffende Feststellung beruht auf der Aussage des Zeugen Z5 vor dem Berufungsgericht (Protokoll vom 16.10.2009, Bl. 254 ff. d.A.), die gestützt wird durch die schriftliche Erklärung des Flughafenbetreibers, sowie auf der als solcher unstreitigen Ausweisordnung des Flughafenbetreibers und der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 6.10.2009 vorgelegten Lageskizze (Bl. 253 d.A.), deren Richtigkeit zwischen den Parteien nicht streitig ist. Nach der Ausweisordnung des Flughafenbetreibers stellt sich die D als sogenannter öffentlich zugänglicher Betriebsbereich des Flughafens dar, wie in Ziff. 4.1 umschrieben (Bl. 188 R d.A.). Dieser Bereich ist zwar öffentlich zugänglich, darf aber nur mit einer besonderen Erlaubnis mit Fahrzeugen befahren werden. Nach Ziffer 10 der Ausweisordnung unterliegen auch dort alle Besucher einer fakultativen Kontrolle. Wer sich der Kontrolle entzieht, wird des Geländes verwiesen. Nach der Aussage des Zeugen Z5 finden insoweit Personenstichproben statt. Dem entsprechend ist die D mit einem hohen Zaun umschlossen und wird durch Tore sowie Streifengänge gesichert, wie der Zeugen Z5 berichtet hat.

34. Der Zeuge Z5 ist, weil ohne Eigeninteresse, glaubwürdig ist, Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Äußerungen sind weder durch die Aussage selbst noch durch sein Aussageverhalten aufgekommen und auch von den Prozessbeteiligten nicht geäußert worden.

35. Damit ist sowohl die Festlegung des Bereichs der D als Flughafengelände festzustellen, aber auch die Beschränkung freien Zutritts, wie sie Koller fordert. Sogar unter funktionalen Aspekten, wenn man überhaupt darauf abstellen wollte, ist die D dem Flughafen zuzuordnen: Nach der Lageskizze befindet sich dort der Kontrollturm Süd, also eine für den Flugbetrieb heute unerlässliche Einrichtung. Die Lagerhallen selbst sind gleichfalls funktional dem Flugbetrieb zuzuordnen. Der Zeuge Z5 hat ausgesagt, dass die abgefertigten Sendungen von der D unmittelbar, d.h. ohne einen anderen Verkehrsbereich zu durchqueren, an das Bodenverkehrsunternehmens übergeben werden, das sie zu den Flugzeugpositionen bringt. Die Lagerhallen der Abfertigungsunternehmen sind damit für einen sinnvollen Flugbetrieb nötig.

36. Dass das Vorfeld und die Landebahnen von der D mit einem weiteren hohen Zaun abgetrennt sind, der den sogenannten kritischen Bereich umschließt, ist ohne durchgreifende Bedeutung. Der sog. kritische Bereich dient dem eigentlichen Flugbetrieb. Die zusätzliche Abtrennung ist – auf der Hand liegend – durch Sicherheitsaspekte veranlasst.

37. Soweit die Klägerin für ihre Behauptung, die D stehe dem öffentlichen Verkehr offen, die Einnahme eines Augenscheins beantragt hat, war dem Antrag nicht zu entsprechen. Die auf den gegenwärtigen Zustand bezogene Beweisbehauptung ist für die Verhältnisse im Juli 2005 unerheblich, auch als Hilfstatsache für die Verhältnisse der Vergangenheit ist sie nicht ausreichend beweisschlüssig. Hierauf sind die Parteien mit Verfügung vom 3.7.2009 (Bl. 255 d.A.) hingewiesen worden.

38. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, diejenige zu den Kosten der Nebenintervention aus § 101 Abs.1 ZPO. Der Vollstreckbarkeitsausspruch beruht auf §§ 708 Nr.10 und 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen: Grundsätzliche Bedeutung hat die Bestimmung des Begriff des Flughafens i.S.d. Art.18 Abs.2 WA 1955 nicht, weil der Begriff, abgesehen von einer hier nicht relevanten streitigen erweiternden Auslegung für externe Abfertigungsgebäude eines Großflughafen, in der Fachliteratur weitgehend geklärt ist und in der gerichtlichen Praxis, soweit ersichtlich jedenfalls in L2, nicht zu öffentlich gewordenen Deutungsproblemen geführt hat. Auch drängt das Montrealer Übereinkommen, das nur auf die Obhut des Luftfrachtführers abstellt (Art. 18 Abs.3 MÜ), den Anwendungsbereich des WA 1955 zurück.

39. Die nachgereichten Schriftsätze vom 1.12.2009 und 9.12.2009 rechtfertigen keine Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

40. Streitwert für das Berufungsverfahren: 90.829,68 €.

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