Vorliegen außergewöhnlicher Umstände durch Witterungsbedingungen

LG Frankfurt: Vorliegen außergewöhnlicher Umstände durch Witterungsbedingungen

Der Kläger forderte eine Ausgleichszahlung wegen der Annullierung seines Fluges von Frankfurt nach Paris. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil Schneechaos am Zielflughafen außergewöhnliche Umstände darstellte.

LG Frankfurt 2-24 S 110/13 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 14.03.2014
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 14.03.2014, Az: 2-24 S 110/13
AG Franfurt, Urt. v. 15.05.2013, Az: 29 C 1954/11(21)
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Landgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 14. März 2014

Aktenzeichen 2-24 S 110/13

Leitsatz:

2. Starker Schneefall am Zielflughafen stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug am 24.12.2010 von Frankfurt am Main nach Paris gebucht. Dieser wurde annulliert, weil in Paris heftiger Schneefall herrschte. Vor dem Amtsgericht Frankfurt forderte der Kläger eine Ausgleichszahlung, bekam jedoch kein Recht.

Auch seine Berufung vor dem Landgericht blieb ohne Erfolg. Die Annullierung beruhte auf außergewöhnlichen Umständen, weil am Zielflughafen schlechte Witterungsbedingungen herrschten. Diese waren für die Beklagte weder vorherseh- noch beherrschbar. Die Annullierung konnte auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermieden werden, denn die Annullierung einiger Flüge war notwendig, um den Flugbetrieb ingesamt am Laufen zu halten. Dass in Frankfurt kein Schneegestöber herrschte spielte keine Rolle, da der Flieger zwar hätte abheben, aber nicht landen können.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 15.5.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Az. 29 C 1954/11(21) – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

5. Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

6. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

7. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

8. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleichsleistung gemäß Art 5 Abs. 1, Art 7 Abs. 1 der VO(EG) 261/2004 zu. Der Kläger hat auch keinen darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte.

9. Zwar wurde der Flug am 24.12.2010 von Frankfurt am Main nach Paris annulliert, weshalb der Kläger seinen Weiterflug nach Punta Cana verpasste. Er musste deshalb mit einem anderen Flug zu seinem Zielort befördert werden.

10. Gleichwohl steht dem Kläger wegen der Annullierung kein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung zu, weil die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist (Art. 5 Abs. 3 VO(EG) 261/2004).

11. Wie sich aus allen Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen ergibt, herrschten am 24.12.2010 auf dem Flughafen in Paris Wetterbedingungen, die zu einer Reduzierung der Flugbewegungen geführt haben. Die Zeugin P. hat angegeben, dass der Schneefall am 24.12.2010 derart heftig gewesen sei, dass der Flughafen bzw. die Start- und Landebahnen laufend von Schnee und Eis befreit werden mussten und auch die Enteisungsmaschinen selbst enteist werden mussten. Dies habe die Kapazitäten des Flugbetriebes erheblich eingeschränkt. Durch die Räumungs- und Enteisungsmaßnahmen sei die Fluglast erheblich reduziert worden. Diese Angaben werden von der Zeugin B. und der Auskunft der Deutschen Flugsicherung bestätigt. Sowohl die Zeugin B. als auch die Deutsche Flugsicherung bestätigen, dass es Informationen gab, wonach wegen der Witterungsbedingungen der Flugverkehr gesteuert worden sei. Diese Angaben stehen zudem in Einklang zu den Meldungen der Medien über die Zustände am Flughafen in Paris am 24.12.2010, in denen von heftigen Schneefällen in Paris berichtet wurden.

12. Witterungsbedingungen, die zur Annullierung eines Fluges fuhren, können grundsätzlich außergewöhnliche Umstände darstellen. In dem Erwägungsgrund Nr. 14 werden Wetterbedingungen als Beispiel eines außergewöhnlichen Umstands genannt.

13. Soweit in der Berufungsbegründung darauf abgestellt wird, dass es in Frankfurt am Main kein Schneechaos gegeben habe, ist dieser Umstand unerheblich, da der Flug von Frankfurt am Main nach Paris deswegen annulliert wurde, weil das Flugzeug in Paris nicht landen konnte.

14. Insofern ist es auch unerheblich, dass von der Deutschen Flugsicherung keine Annullierung des Fluges verlangt worden sei. Denn maßgeblich waren die Umstände am Flughafen in Paris. Für die Flugbewegungen am Flughafen in Paris ist die Deutsche Flugsicherung nicht zuständig.

15. Selbst wenn im Winter mit Schneefall gerechnet werden muss, können gleichwohl auch im Winter Wettersituationen auftreten, die den Flugverkehr im besonderen Maße beeinträchtigen. Ein solcher Fall hat nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme vorgelegen.

16. Die Annullierung konnte auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermieden werden. Wenn infolge von besonderen Wetterverhältnissen der Flugverkehr nur eingeschränkt aufrechterhalten kann, dann bedeutet dies, dass einzelne Flüge ausfallen müssen, weil nicht alle Flüge stattfinden können. Zwar wird nach der Rechtsprechung des BGH hierzu gefordert, dass die Fluggesellschaft darlegen muss, welche anderen personellen, materiellen und finanziellen Mittel ihr zur Verfügung standen, um den Flug zum geplanten Zeitpunkt durchzuführen und aus welchen Gründen es ihr gegebenenfalls nicht zumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen (vgl. BGH Urt. vom 14.10.2010, Az. Xa ZR 15/10, R. 29, zit. nach juris). Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme gab es aber keine zumutbaren Alternativen, um den Kläger noch rechtzeitig nach Paris zu befördern, damit der den Anschlussflug erreichen konnte. Denn die Zeugin P. hat nachvollziehbar angegeben, dass die Beklagte eine Entscheidung treffen musste, welche Flüge sie angesichts der reduzierten Fluglast ausfallen lassen musste. Die Entscheidung, vorrangig die Lang- und Mittelstreckenflüge auszuführen und die Kurzstreckenflüge ausfallen zu lassen, ist aus den von der Zeugin P. dargestellten Gründen nicht zu beanstanden.

17. Zwar besteht trotz der Annullierung die Verpflichtung der Beklagten gemäß Art 8 VO(EG) 261/2004, den anderweitig zum Endziel zu befördern. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte aber nachgekommen, indem sie eine Beförderung des Klägers zum Endziel mit einer anderen Fluggesellschaft organisiert hat.

18. Weitergehende Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Ist aufgrund der Witterungsverhältnisse am Flughafen in Paris von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen, ist der Beklagten wegen der Annullierung des Fluges kein Verschulden vorzuwerfen.

19. Schadensersatzansprüche setzen aber grundsätzlich Verschulden voraus. Soweit sich Schadenspositionen auf Betreuungsleistungen i.S.d. Art 8 Abs. 1 VO(EG) 261/2004 beziehen, hat das Amtsgericht in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass solche Schäden nicht hinreichend dargelegt sind. In dieser Hinsicht hat der Kläger seinen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht ergänzt.

20. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos war (§ 97 Abs. 1 ZPO).

21. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

22. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des § 522 ZPO vom 21.10.2011 nicht erreicht wird.

23. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es liegt eine Einzelfallentscheidung vor. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze zu Art 5 Abs. 3 VO(EG) 261/2004 werden dem Urteil zugrunde gelegt.

24. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit des Urteils des Amtsgerichts beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

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