Probleme mit Kabinendruck des Flugzeugs als außergewöhnlicher Umstand

AG Nürnberg: Probleme mit Kabinendruck des Flugzeugs als außergewöhnlicher Umstand

Die Flugreisenden forderten eine Ausgleichszahlung aufgrund der 6-stündigen Ankunftsverspätung ihres Fluges. Die beklagte Fluggesellschaft führte Probleme mit dem Kabinendruck als außergewöhnliche Umstände an, wurde aber dennoch verurteilt, da technische Defekte zum gewöhnlichen Flugbetrieb gehören.

AG Nürnberg 18 C 1210/13 (Aktenzeichen)
AG Nürnberg: AG Nürnberg, Urt. vom 05.04.2013
Rechtsweg: AG Nürnberg, Urt. v. 05.04.2013, Az: 18 C 1210/13
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Amtsgericht Nürnberg

1. Urteil vom 5. April 2013

Aktenzeichen 18 C 1210/13

Leitsatz:

2. Probleme mit dem Kabinendruck sind dem Flugbetrieb innewohnende Risiken und somit keine außergewöhnlichen Umstände.

Zusammenfassung:

3. Die Flugreisenden forderten eine Ausgleichszahlung, weil ihr Flug von Nürnberg nach Antalya mit 6 Stunden Verspätung landete. Die Fluggesellschaft verweigerte die Zahlung und berief sich auf außergewöhnliche Umstände in Gestalt von Problemen mit dem Kabinendruck, die erst nach dem pünktlichen Start aufgetreten waren. Vor dem Amtsgericht Nürnberg reichten die Reisenden Klage ein.

Das Gericht gab der Klage statt, denn aufgrund der großen Verspätung waren die Kläger den Gästen eines annullierten Fluges gleichzusetzen und zu entschädigen. Außergewöhnliche Umstände lagen nicht vor, da technische Defekte wie die vorliegenden Probleme mit dem Kabinendruck beim gewöhnlichen Flugbetrieb auftreten können. Die Kläger erhielten enstprechend der Flugentfernung jeweils 400,- €.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss:

5. Der Streitwert wird auf 800,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

6. Die Kläger machen Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und der Rates (im Folgendem: VO) geltend.

7. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Nürnberg nach Antalya gebucht. Der Hinflug von Nürnberg nach Antalya startete zwar mit der geplanten Abflugzeit am 26.02.2011 um 09:30 Uhr. Die geplante Ankunftszeit war am 26.02.2011 um 13:35 Uhr. Tatsächlich erreichten die Kläger den Flughaften Antalya aufgrund eines Problems mit dem Kabinendruck jedoch erst um 19:35 Uhr mit einer Ankunftsverspätung von 6 Stunden.

8. Mit Schreiben vom 04.04.2011 machten die Kläger Ausgleichansprüche in Höhe von 400,00 EUR je Person nach Art. 7 Abs. 1 VO bei der Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 08.04.2011 lehnte die Beklagte eine Zahlung ab. Mit Schreiben vom 03.05.2011 unter Fristsetzung zum 13.05.2011 forderten die Kläger die Beklagte erneut erfolglos zur Zahlung auf.

9. Die Kläger tragen vor, dass ihnen die geltend gemachten Ausgleichsansprüche zustünden. Technische Probleme des eingesetzten Flugzeuges sei kein außerordentlicher Umstand im Sinne der Verordnung und damit sei kein Entlastungsgrund für die Beklagte gegeben. Ein Ausgleichanspruch bestünde nach der aktuellen Rechtssprechung des EuGH auch dann, wenn keine Abflugverspätung vorliege, aber das Endziel später als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht würde.

10. Die Kläger beantragen:

11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2011 zu bezahlen.

12. Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

13. Die Beklagte trägt vor, dass für Ausgleichsansprüche nach der Verordnung Voraussetzung sei, dass eine Abflugverspätung außerhalb der Toleranzgrenze des Art. 6 der VO vorliege, die sich in einer Ankunftsverspätung von größer/gleich 3 Stunden manifestiere.

14. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen.

15. Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

16. Die zulässige Klage ist begründet.

I.

17. Den Klägern stehen die geltend gemachten Ausgleichsansprüche gemäß Art. 7 VO in Höhe von insgesamt 800,00 EUR zu.

18. Gemäß Art. 7 Abs. 1 VO beträgt die Ausgleichszahlung je Fluggast 400,00 EUR, mithin hier insgesamt 800,00 EUR.

19. Nach der ständigen Rechtssprechung des EuGH hat ein Fluggast nicht nur bei einer Annullierung, sondern auch bei einer großen Verspätung Anspruch auf eine Ausgleichsleistung, wenn er einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleidet, EuGH Urteil v. 09.11.2009, NJW 2010, 43.

20. Dies war vorliegend der Fall.

21. Nach der Rechtssprechung des EuGH ist das Vorliegen einer Verspätung für die in Art. 7 VO vorgesehene Ausgleichszahlung anhand der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel zu beurteilen, vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2013, AZ: C-​11/11. Nach dieser aktuellen Entscheidung des EuGH kommt es allein auf die Verspätung an, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel, d.h. am Zielort des letzten Fluges, festgestellt wird. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO ist nicht von der Einhaltung der in Art. 6 VO genannten Voraussetzungen abhängig. Der Umstand, dass ein Flug bei Abflug keine Verspätung hatte, wirkt sich daher nicht auf die Pflicht der Fluggesellschaften aus, die Fluggäste eines Fluges zu entschädigen, wenn dieser Flug sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreicht.

22. Daher ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass der streitgegenständliche Flug zwar planmäßig abgeflogen ist. Entscheidend ist nach der eindeutigen Rechtssprechung des EuGH, dass der Flug sein Endziel mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden erreicht hat.

23. Soweit die Beklagte Probleme mit dem Kabinendruck des Flugzeuges vorgebracht hat, so stellen technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeuges gelegentlich auftreten können, für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände dar, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, die nach Art. 7 VO erforderliche Ausgleichszahlung zu leisten, vgl. BGH, NJW 2010, 1070.

24. Nach alledem war der Klage stattzugeben.

25. Die Verzinsung der Klageforderung erfolgt aus Verzugsgesichtspunkten, §§ 286, 288 BGB.

II.

26. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

27. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

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