Lärm außerhalb der Hotelanlage als Reisemangel
LG Hannover: Lärm außerhalb der Hotelanlage als Reisemangel
Eine Reisende forderte die Erstattung des Reisepreises und eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit nachdem sie aufgrund von Baulärm ihre Abu Dhabi-Reise vorzeitig abbrach. Die Klage wurde abgewiesen, da eine Zeugenbefragung ergab, dass er Lärm bloße Unannehmlichkeiten nicht überschritt.
LG Hannover | 6 O 196/10 (Aktenzeichen) |
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LG Hannover: | LG Hannover, Urt. vom 18.04.2012 |
Rechtsweg: | LG Hannover, Urt. v. 18.04.2012, Az: 6 O 196/10 |
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Leitsatz:
2. Baulärm, der am Strand die Gesprächslautstärke nicht übersteigt und bei geschlossenem Fenster des Hotelzimmers nicht zu hören ist, stellt bloß eine Unannehmlichkeit dar.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin forderte die Erstattung des Reisepreises und eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, nachdem sie und ihr mitreisender Ehemann eine Abu Dhabi-Reise vorzeitig abbrachen, weil sie sich von Baulärm belästigt fühlten. Die beklagte Reiseveranstalterin organisierte den verfrühten Heimflug, bestritt aber das Vorliegen eines erheblichen Mangels.
Nach einer Zeugenbefragung wies das Landgericht Hannover die Klage ab. Zwar war der Vortrag des als Zeuge vernommenen Ehemanns der Klägerin detailliert, widersprach jedoch den übereinstimmenden Aussagen anderer Zeugen. Diese hatten ausgesagt, dass der Lärm am Strand wie fernes Donnergrollen klang und Gespräche bei normaler Lautstärke nicht verunmöglichte. Bei geschlossenen Fenstern sei er im Hotel nicht zu hören gewesen, Beschwerden von anderen Gäste habe es nicht gegeben. Damit war für das Gericht nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung, sondern allenfalls einer Unannehmlichkeit auszugehen, sodass der vorzeitige Reiseabbruch nicht rechtmäßig war und keine Ausgleichs- und Ersatzansprüche seitens der Klägerin bestanden.
Tenor:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Die Klägerin begehrt die Rückzahlung eines Teils des von ihr entrichteten Reisepreises sowie – zum Teil aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes – Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
6. Im Januar 2010 buchte die Klägerin für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Abu Dhabi für die Zeit vom 25.02. bis 12.03.2010 mit Unterbringung und Frühstück im 6*-Hotel … zu einem Preis von insgesamt 7.984,00 Euro. Während des Aufenthaltes der Klägerin im … wurden täglich Arbeiten durchgeführt, bei denen Steine als Brandungsschutz und zum Bau eines künstlichen Strandes in das Wasser eingebracht wurden. Zudem wurde an einer Baustelle mit mehreren Hochhäusern gearbeitet, die sich gegenüber der dem Meer abgewandten Seite der Hotelanlage befand. Ab dem 28. Februar wurden auf dem Gelände des … Vorbereitungen für die Laureus Sports Awards getroffen. Die Klägerin wandte sich an die örtliche Reiseleiterin der Beklagten, Frau … . Diese bot der Klägerin an, in ein anderes Zimmer des … umzuziehen. Das lehnte die Klägerin ab. Sie brach die Reise ab, nachdem die Reiseleiterin der Beklagten ihr und ihrem Ehemann wunschgemäß einen vorzeitigen Rückflug am 05.03.2010 besorgt hatte.
7. Die Klägerin verlangt die Rückerstattung des Reisepreises, wobei sie sich die Hälfte des anteiligen Reisepreises für 8 Tage in Höhe von 2.129,07 Euro zugunsten der Beklagten anrechnen lässt und lediglich 5.854,93 Euro fordert. Darüber hinaus macht sie für sich und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Ansprüche auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe der Hälfte des Reisepreises geltend.
8. Die Klägerin behauptet, die Arbeiten für den Brandungsschutz hätten in einer Entfernung von ca. 60 Meter vom Badestrand des Hotels stattgefunden. Der dadurch verursachte Lärm sei so stark gewesen, dass es nicht möglich gewesen sei, sich am Strand mit normaler Lautstärke zu unterhalten.
9. Auch durch die Arbeiten an den Hochhäusern sei es zu erheblichen Lärmbeeinträchtigungen durch Baumaschinen gekommen. Es seien Baukräne eingesetzt worden, die quietschende Geräusche verursacht hätten. Zudem seien in der gesamten Garten- und Poolanlage des Hotels Hammerschläge sowie Schleif- und anderen baustellentypische Geräusche zu vernehmen gewesen. Die Bautätigkeiten an der Hochhausanlage hätten den gesamten Tag über ohne nennenswerte Pausen stattgefunden. Die davon ausgehende erhebliche Lärmbeeinträchtigung sei durch den Einsatz von Motoren, Bauaufzügen, Krantätigkeiten mit erheblichen Quietschgeräuschen, Pressluft- und anderen Hämmern sowie Kreissägen ausgegangen.
10. Für die Laureus Sports Awards sei direkt vor dem Balkon des Zimmers der Klägerin eine große Bühne montiert und unter anderem ein Metallgerüst aufgebaut worden. Zudem seien Ausstellungsflächen errichtet und eine Bestuhlung für Hunderte von Menschen aufgebaut worden. Es sei es zu Geräuschen durch Hammerschläge, Schleifarbeiten und das Aufeinanderwerfen von Metallstangen gekommen. Auch sei ein Generator eingesetzt worden, der ununterbrochen laut gelaufen sei. Von den Arbeiten sei erheblicher Lärm von morgens bis abends ausgegangen, der bis zur Abreise der Klägerin angedauert habe. Ein Verweilen im Zimmer sei selbst bei geschlossenen Fenstern nicht zumutbar gewesen. Ein Umzug innerhalb des Hotels wäre zwecklos gewesen, da der Lärm so stark gewesen sei, dass er überall in den Zimmern zu hören gewesen sei.
11. Da Abhilfe nicht möglich gewesen sei, habe die Klägerin der Reiseleiterin erklärt, dass sie die Reise abbrechen möchte bzw. aufgrund der gravierenden Mängel abbrechen müsse und darauf bestanden, so schnell wie möglich nach Hause fliegen zu können.
12. Die Klägerin meint, sie habe den Reisevertrag zu Recht gemäß § 651 e Abs. 1 S. 1 BGB gekündigt, so dass die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet sei. Darüber hinaus habe die Beklagte für die Klägerin und ihren Ehemann, den Zeugen Wiese, Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu leisten.
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.846,93 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.06.2010 zu bezahlen.
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Nebenkosten in Höhe von 775,64 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
die Klage abzuweisen.
15. Sie behauptet, die Arbeiten zum Bau des Brandungsschutzes hätten in ca. 1000 Meter Entfernung zum Hotel stattgefunden. Eine Lärmbelästigung sei davon nicht auszugegangen. Allenfalls bei ungünstiger Windrichtung sei etwas zu hören gewesen. Auch die Baustelle, die etwa 1,5 Kilometer von der Hotelanlage entfernt gewesen sei, habe keine Lärmbelästigung verursacht. Für die Laureus Sports Awards seien nur an einem Vormittag ein Backdropgestell errichtet und Tische und Stühle für ein Dinner aufgestellt worden.
16. Die Beklagte behauptet ferner, der Klägerin sei außer dem Umzug innerhalb des Hotels ein Umzug in ein anderes Hotel angeboten worden. Auch das habe sie abgelehnt. Die Klägerin hätte in die Hotels … , … oder aber auch nach Dubai ins … oder ins … umziehen können.
17. Weiter trägt die Beklagte vor, eine Kündigung des Reisevertrages sei nicht ausgesprochen worden. Das habe die Klägerin vorprozessual selbst so gesehen. Denn in ihrem Schreiben vom 08.03.2010 gehe sie zutreffend von einer einvernehmlichen Veränderung des Rückflugtermins auf den 05. März aus.
18. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19. Das Gericht hat gemäß Beschlüssen vom 30. März 2011 und vom 24. November 2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … sowie Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen … und … .Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung am 10.08.2011 sowie auf das Schreiben des Zeugen … vom 14.09.2011 und die Schreiben des Zeugen … vom 30.09.2011 und 24.12.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
20. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Reisepreises noch ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu.
21. Voraussetzung für alle von ihr geltend gemachten Ansprüche ist nach den §§ 651 e, 651 f, 651 d BGB das Vorliegen eines Mangels im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB, der den Wert oder die Tauglichkeit der Reise zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhebt oder mindert. Dass ein solcher Mangel vorlag, hat die Klägerin nicht bewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass von den Arbeiten für den Brandungsschutz und auf der Baustelle gegenüber der dem Wasser abgewandten Seite der Hotelanlage sowie im Zusammenhang mit den Laureus Sports Awards Lärm ausging, der die Reise mehr als nur geringfügig beeinträchtigt hat.
22. Zwar hat der Zeuge … ausgesagt, aufgrund der Geräusche der Arbeiten für den Brandungsschutz sei es nicht durchgehend möglich gewesen, sich am Strand mit normaler Lautstärke zu unterhalten. Der Lärm sei nicht nur draußen in der Hotelanlage, sondern – wenn auch weniger stark als am Strand – selbst bei geschlossenem Fenster in ihrem Zimmer zu hören gewesen. Es sei ein lauter Krach gewesen, so als ob man mit Gewalt einen Stein gegen die Wand werfe. Außerdem habe man auch Motorgeräusche gehört. Weiter hat der Zeuge bekundet, am dritten Tag ihres Aufenthalts sei mit dem Arbeiten auf der Baustelle gegenüber der Hotelanlage begonnen worden. Die dadurch verursachten Geräusche seien relativ laut gewesen – und zwar fast so, wie wenn man mit einem Hammer gegen ein Blech schlage. Die Geräusche dieser Arbeiten hätten sie bei geschlossenem Fenster in ihrem Zimmer allerdings nicht wahrgenommen. Für die Laureus Sports Awards sei vor ihrem Zimmer ein Metallgerüst aufgebaut und eine große Bühne montiert worden. Zudem seien Ausstellungsflächen errichtet worden. Es habe unter anderem Geräusche von Hammerschlägen und Gerüstarbeiten gegeben. Darüber hinaus sei ein Generator eingesetzt gewesen, der ununterbrochen gelaufen sei. Die Geräusche von diesen Arbeiten, die nicht nur einen Tag lag, sondern bis zu ihrer Abreise gedauert hätten, seien nicht nur draußen in der Hotelanlage, sondern auch in ihrem Zimmer – sogar bei geschlossenem Fenster – zu hören gewesen.
23. Demgegenüber gab es nach den Darstellungen der Zeugen … und … keinen Lärm, der das Maß hinzunehmender Unannehmlichkeiten überschritt.
24. Denn der Zeuge … hat ausgeführt, der Lärm von den Arbeiten für den Brandungsschutz sei nicht so stark gewesen, dass am Strand eine Unterhaltung mit normaler Lautstärke nicht möglich gewesen sei. Das Geräusch habe an den Donner eines weit entfernten Gewitters erinnert. Das Hotel sei gut gebucht gewesen und es habe keine anderen Beschwerden bezüglich einer Lärmbelästigung in den Gästezimmern gegeben. Zu den Arbeiten auf der Baustelle gegenüber der dem Meer abgewandten Seite der Hotelanlage hat der Zeuge geschrieben, diese Baustelle sei in der Zeit vom 25.02. bis 05.03.2010 bereits in einer Phase gewesen, in der keinerlei geräuschintensive Arbeiten mehr angefallen seien. Die Fundamente und der Rohbau seien fertig gewesen und es sei mit dem Innenausbau begonnen worden. Weiter hat der Zeuge angegeben, die Aufbauarbeiten für die Laureus Sports Awards seien zu keiner Zeit geräuschintensiv und deshalb auch in den Gästezimmern nicht zu hören gewesen. Die Frage danach, ob für die Laureus Sports Awards lediglich ein Red Carpet mit entsprechendem Backdrop errichtet und Tische und Stühle und für ein Dinner aufgestellt worden seien, hat der Zeuge bejaht. Zudem hat er angegeben, dass das Aufstellen bzw. Verlegen an einem Tag geschehen sei.
25. Auch der Zeuge … hat mitgeteilt, dass eine Unterhaltung am Strand mit normaler Lautstärke trotz der Brandungsschutzarbeiten möglich und der von diesen Arbeiten ausgehende Lärm in den Hotelzimmern nicht zu hören gewesen sei. Er hat weiter erklärt, es habe keinerlei Lärmbelästigungen von der Baustelle gegenüber der dem Meer abgewandten Seite der Hotelanlage gegeben. Die Arbeiten für die Laureus Sports Awards habe man in den Hotelzimmern nicht hören können. Es seien lediglich ein Red Carpet/Backdrop und Tische/Stühle aufgebaut worden. Das Backdropgestell sei an einem Tag errichtet bzw. wieder abgebaut worden. Die gesamten Arbeiten für diesen Event hätten ca. 2 Tage gedauert, jedoch gemessen daran, dass nur einige Stunden dafür jeweils verwendet worden seien.
26. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, ob die Angaben des Zeugen … oder diejenigen der Zeugen … und … zutreffen. Zwar spricht für die Darstellung des Zeugen Wiese, dass sie sehr detailliert ist. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Angaben der Zeugen … und … miteinander übereinstimmen. Nicht zu verkennen ist zudem, dass der Zeuge … als Ehemann der Klägerin, die auch ihn betreffende Ansprüche aus abgetretenem Recht verfolgt, ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte. Das könnte allerdings auch für die Zeugen … und … gelten, die bei der Beklagten angestellt sind.
27. Aus diesen Gründen ist die Beklagte weder verpflichtet, einen Teil des Reisepreises an die Klägerin zurückzuzahlen noch hat sie Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu gewähren.
28. Da die Klage in Bezug auf die Hauptforderung unbegründet ist, steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorprozessualen Anwaltskosten zu.
29. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
30. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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