Haftung des Reiseveranstalters bei vertaner Urlaubszeit

LG Hannover: Haftung des Reiseveranstalters bei vertaner Urlaubszeit

Die Kläger forderten Reisepreiserstattung und Schmerzensgeld, nachdem sie sich bei einem Hotelurlaub eine Salmonellenvergiftung zugezogen hatten.

Das Landgericht Hannover gewährte Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, aber kein Schmerzensgeld für über den Urlaub andauernde Krankschreibung.

LG Hannover 3 S 335/88 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom 09.03.1989
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 09.03.1989, Az: 3 S 335/88
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 09. März 1989

Aktenzeichen 3 S 335/88

Leitsätze:
2. Das Nettoeinkommen kann nicht ausschlaggebend für die Bemessung einer Entschädigung für vertane Uraubszeit sein.

Gewährleistungsansprüche bestehen nur für den vom Mangel betroffenen Reisezeitraum.

Schmerzensgeldanspruch setzt unerlaubtes Handeln als Ursache voraus.

Zusammenfassung:
3. Vorliegend klagten Reisende gegen eine Reiseveranstalterin, nachdem sie sich beim Essen im Hotel eine Salmonellenvergiftung zugezogen hatten und in der Folge die zweite Urlaubshälfte bettlägerig verbrachten und auch nach der Heimkehr noch krankgeschrieben waren. Sie forderten die volle Erstattung des Reisepreises und ein Schmerzensgeld. Die Beklagte verteidigte sich mit der mit 20 von  400 nur geringen Zahl weiterer Hotelgäste, die erkrankt seien, sodass die Infektion im Hotel nicht eindeutig sei.

Das Landgericht Hannover entschied, ein Versicherungsschreiben weise die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Erkrankung nach und gewährte in zweiter Instanz die anteilige Erstattung des Reisepreises für die von dem Mangel in Form der Erkrankung betroffene zweite Urlaubshälfte. Der Entschädigungssatz für die entgangene Urlaubsfreude wurde dabei abweichend von früherer Rechtsprechung der Kammer nicht mehr am Nettoeinkommen bemessen, sondern anhand einer Gesamtwürdigung der Beeinträchtigung. Anspruch auf Schmerzensgeld bestand nicht, da kein unerlaubtes Handeln, sondern eine Schlechtleistung der Beklagten ursächlich für den erlittenen Schaden war.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Kläger wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 2. August 1988 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.595,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1988 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 66 % und die Beklagte zu 34 %.

Gründe:

5. Die Berufung ist teilweise begründet.

6. Den Klägern steht gemäß §§ 651 d, 651 f Abs. 2 BGB für die vom 19. bis 26. September 1987 durchgeführte Flugpauschalreise nach …, Hotel …, ein Anspruch auf Gewährleistung in Höhe von insgesamt 1.595,00 DM zu. Eine weitergehende Entschädigung für den Umstand, daß die Kläger, nachdem am 22.9.1987 ein Gala Diner stattgefunden hatte, vom 23. bis 26.9.1987 bettlägerig an Salmonellenvergiftung erkrankt und sie auch noch nach Urlaubsrückkehr längere Zeit krankgeschrieben waren, ist hingegen nicht gerechtfertigt.

7. Die Kläger haben gemäß § 651 d BGB einen Anspruch auf anteilige Reisepreisminderung für die Zeit, die sie infolge der Erkrankung im Bett verbringen mußten. Dafür haftet die Beklagte, weil davon auszugehen ist, daß die Kläger die unstreitig gegebene Salmonellenvergiftung sich durch die in der gebuchten Unterkunft eingenommene Verpflegung zugezogen haben.

8. Dies wird von der Beklagten unter Hinweis auf anderweitige Erkrankungsmöglichkeiten mit der Behauptung in Abrede genommen, von den insgesamt 464 Hotelgästen seien lediglich 20 erkrankt gewesen, weshalb die Hotelverpflegung nicht ursächlich sein könne. Grundsätzlich ist zwar der Urlauber verpflichtet, notfalls den Beweis dafür zu erbringen, daß die von der Beklagten erbrachte Reiseleistung, nämlich die Verpflegung, mängelbehaftet war. Nach der Rechtsprechung der Kammer (VuR 1987, 217) kehrt sich diese Beweislastregel aber zum Nachteil des Reiseveranstalters um, wenn ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die den Anschein erwecken, daß der Reisemangel zum Organisationsbereich des Veranstalters gehört. Das ist bei Salmonellenvergiftungen durchweg dann der Fall, wenn eine nicht unerhebliche Zahl der Hotelgäste im gleichen Zeitraum und in gleicher Weise erkrankt ist. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob dies schon dann der Fall ist, wenn 20 von 464 Gästen erkranken. Auch eine solche, relativ geringe Zahl kann jedoch ausreichen, wenn etwa feststeht, daß sie alle an einem bestimmten Hotelessen teilgenommen und die Erkrankung unmittelbar danach aufgetreten ist. Jedenfalls bedarf es hier dazu keiner weiteren Sachaufklärung etwa mit Rücksicht darauf, daß die Kläger ihrerseits behauptet haben, insgesamt seien sogar 120 Gäste erkrankt gewesen. Die Beklagte muß sich nämlich das Schreiben ihrer eigenen Haftpflichtversicherung vom 15.12.1987 entgegenhalten lassen, in welchem es u.a. heißt:

9.  „In der 2. Septemberhälfte 87 erkrankten leider im o.e. Hotel diverse … an Magen-​Darm-​Krankheit … Jedenfalls ist … bereit, den hier betroffenen Gästen eine Rückerstattung zu leisten, die sich an der Anzahl der nachgewiesenen jeweiligen Urlaubskrankentage ausrichtet …

… Leider besteht immer die Möglichkeit, daß, unerkennbar für die Küchendienste von Hotels, die gekaufte Ware partiell mit Erregern behaftet sein kann“.

10. Mit diesem Schreiben, das die Versicherung direkt an den Kläger gerichtet hat, wird die Einstandspflicht anerkannt, und das muß sich die Beklagte zurechnen lassen.

11. Zur Höhe ist der Minderungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO mit dem vollen anteiligen Gesamtreisepreis der halben Urlaubswoche zu bemessen, wie es die Kläger geltend gemacht haben. Wer am Urlaubsort bettlägerig erkrankt, kann für die Zeit der Erkrankung 100 % des anteiligen Gesamtreisepreises erstattet verlangen, weil der Gesamtwert der Reise betroffen ist (vgl. Kammerurteil v. 22.9.1983, NJW 1984, 2417) und kein Restwert für diese Zeit der Urlaubs verbleibt. Entsprechend ihrem Antrag können die Kläger danach die Hälfte des gezahlten Reisepreises zurückverlangen. Das macht den Minderungsbetrag von 1.315,00 DM aus, auf den jedoch bereits gezahlte 600,00 DM anzurechnen sind, so daß ein Minderungsanspruch von insgesamt weiteren 715,00 DM begründet ist.

12. Den Klägern steht ferner für die Urlaubszeit vom 23. bis 26.9.1987 infolge der zugezogenen Salmonellenvergiftung und bettlägerigen Erkrankung wegen insoweit nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 880,00 DM zu.

13. Die Kammer geht mit der nunmehr als herrschend anzusehenden Rechtsmeinung davon aus, daß es sich bei der Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651 f Abs. 2 BGB um einen sog. immateriellen Schadensersatzanspruch handelt (z.B. Tonner in: Münchener Kommentar, 2. Aufl. (1988), § 651 f Rdn. 35; ferner jetzt ausführlich LG Frankfurt NJW – RR 1988, 1451 = VuR 1988, 324 mit zahlreichen weiteren Nachweisen unter Aufgabe der früheren Kammerrechtsprechung NJW 1983, 1127 und NJW 1982, 2452). Diese rechtliche Einordnung trägt den Überlegungen des Gesetzgebers Rechnung. Sie liefen darauf hinaus, dem Urlauber unter Berücksichtigung nur aller denkbaren Umstände eine Entschädigung für vertanen Urlaub zukommen zu lassen (vgl. § 18 Abs. 2 des RegE 1976 mit Begründung, Bundestags-​Drucksache 7/5141 vom 6.5.1976, abgedruckt bei Klatt, Gesetz über den Reisevertrag, Seite 101 ff./143; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, … Bundestags-​Drucksache 8/2343 vom 4.12.1978, abgedruckt bei Klatt aaO. Seite 199 ff./213; ferner Bundesrats-​Drucksache 29/1/79 vom 31.1.1979, abgedruckt bei Klatt aaO. Seite 253). Zwar hat der Bundesgerichtshof (NJW 1983, 35; 1983, 218) sich zum Rechtscharakter von § 651 f Abs. 2 BGB nicht festgelegt, jedoch ebenfalls betont, daß eine Gesamtwürdigung aller Einzelumstände zu erfolgen habe.

14. Bei der Höhe der den Klägern zustehenden Entschädigung hält die Kammer einen Betrag von je 120,00 DM pro Person und Tag für angemessen. Das ergibt bei 4 betroffenen Tagen und 2 Personen zusammen 880,00 DM.

15. In Abweichung von ihrer früheren Rechtsprechung geht die Kammer bei entsprechender Anwendung der Überlegungen zu § 847 BGB zunächst davon aus, daß dann, wenn ein Urlaubstag als „vertan“ feststeht, stets ein gewisser Entschädigungsmindestbetrag pro Person und Tag gerechtfertigt ist. Soweit besondere Anhaltspunkte (Grad und Schwere der Beeinträchtigung, Nettoeinkommen, Höhe des Reisepreises und Verschulden des Reiseveranstalters am Reisemangel) es rechtfertigen, ist darüber hinaus ein weitergehender Entschädigungsanspruch begründet, ohne daß dafür eine Höchstgrenze einschlägig ist. Damit weicht die Kammer für die Frage, ob für die Entschädigung ein Höchstbetrag Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung einer Entschädigungsforderung ist, von der Entscheidung des LG Frankfurt vom 19.9.1988 (NJW – RR 1988, 1451 = VuR 1988, 324) teilweise ab. Im einzelnen sind dafür folgende Überlegungen maßgeblich:

16. Die Kammer hat bisher bei der Berechnung der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB den Standpunkt vertreten, daß für die Bemessung der Entschädigung der Nettoverdienst Anknüpfungspunkt sei, weil nur so der Aufwand für die Beschaffung eines unbezahlten Ersatzurlaubes abgegolten werden könne (vgl. z.B. Kammerentscheidung vom 2.4.1987 – 3 S 80/86 – in VuR 1987, 217; ebenso LG Stuttgart NJW-​RR 1986, 349; OLG Düsseldorf NJW-​RR 1986, 1175). Zum Nachteil des Reisenden konnte dies zur Folge haben, daß von einer Entschädigung ganz abzusehen war, wenn zu den Einkommensverhältnissen nicht spezifiziert vorgetragen wurde, wie es auch hier der Fall ist.

17. Weder der Nachweis des tatsächlichen Nettoeinkommens noch die Frage, ob überhaupt ein Einkommen erzielt wird, kann jedoch ausschlaggebend dafür sein, ob eine ansonsten für berechtigt gehaltene Entschädigung für „vertane“, aber mit finanziellem Aufwand erworbene Urlaubstage zu leisten ist. Vielmehr müssen alle nur denkbaren einschlägigen Umstände bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden. Wenn nämlich die Gewährleistungsvorschrift des § 651 f Abs. 2 BGB aufgrund ihres Rechtscharakters die Funktion hat, alle Einzelumstände einer Gesamtwürdigung zuzuführen, um den Urlauber für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit angemessen zu entschädigen, muß folgerichtig auch bei der Berechnung der Entschädigungshöhe mehr als nur ein möglicher Berechnungsfaktor zum Tragen kommen. Darauf hat auch der BGH aaO. hingewiesen. Deshalb vermag insofern die Entscheidung des LG Frankfurt vom 19.9.1988 aaO. nicht zu überzeugen. Sie betont zunächst ebenfalls bei der Frage, wie diese Norm rechtlich einzuordnen ist, daß alle „Umstände des Einzelfalls“ wie der gezahlte Reisepreis, der Umfang der Beeinträchtigung und das Einkommen des Reisenden gleichrangig zu berücksichtigen seien, Legt dann jedoch dann gleichwohl nur einen Faktor der Entschädigungsbemessung zugrunde, nämlich entsprechend den Statistikwerten zur Einkommenshöhe ein durchschnittliches Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen je Tag mit 100,00 DM für einen völlig verlorenen Urlaubstag.

18. Die bei diesem Berechnungsweg ausdrücklich für maßgeblich erklärten Gesichtspunkte der Rechtsklarheit und Vorhersehbarkeit haben erheblichen praktischen Wert. Die aus der Vorhersehbarkeit der Berechnungsweise ergebende Rechtsklarheit kann aber den Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit nicht ersetzen oder in den Hintergrund treten lassen. Immerhin ist zu bedenken, daß die als vergleichbar herangezogene Entwicklung der Schmerzensgeldtabelle (vgl. z.B. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeld-​Beträge, 13. Aufl. 1987) auch nur eine relative Vorhersehbarkeit für die Begründetheit von Schmerzensgeldbeträgen im Einzelfall ergibt, denn dort wird lediglich die Höhe des von den einzelnen Gerichten zugesprochenen Schmerzensgeldes für bestimmte Körperverletzungen angeführt, so daß sich daraus allenfalls ein grober Anhaltspunkt zur weiteren Orientierung entnehmen läßt, während die besonderen Umstände des Einzelfalls stets noch gesonderter Beachtung bedürfen, ganz zu schweigen davon, daß die Geldpreisentwicklung es nicht selten rechtfertigt, Entscheidungen aus zurückliegenden Jahren betragsmäßig anzupassen. Gerade für einen Regelhöchstbetrag gibt die Schmerzensgeldtabelle nichts her.

19. Unabhängig von diesen Bedenken spricht gegen einen Regelhöchstbetrag das Anliegen des Gesetzgebers bei der Normierung von § 651 f Abs. 2 BGB. Es wurde bewußt davon abgesehen, einen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festzulegen, weil dem Tatrichter ein weiterer Ermessensspielraum zur Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eingeräumt werden sollte (Recken WM 1987, 889/892 f.; siehe auch § 18 Abs. 2 des Regierungsentwurfs mit Begründung, Bundestags-​Drucksache 7/5141 vom 6.5.1976, abgedruckt bei Klatt aaO. Seite 143/213). Auf einen solchen starren Maßstab liefe ein Regelhöchstbetrag hinaus. Auch soweit Abschläge vom Regelhöchstbetrag mit Rücksicht auf Grad und Schwere der Beeinträchtigung durch den Reisemangel für angebracht gehalten werden, ergibt dies keineswegs den gewünschten klaren Berechnungsweg. Der einzelnen Berechnung zugrunde gelegt wird nämlich die Höhe des Minderungssatzes, der jedoch ebenfalls – selbst bei Berücksichtigung der sog. Frankfurter Tabelle (NJW 1985, 113) – letztlich im Wege der Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt wird und nicht ohne Schwierigkeiten vorhersehbar ist. Ebenso wie die eine Reisepreisminderung rechtfertigenden Umstände sind deshalb die für die Höhe der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB maßgeblichen Umstände im Rahmen tatrichterlichen Ermessens frei zu würdigen. Dieser Weg ermöglicht es, alle für den Einzelfall einschlägigen Faktoren einzubeziehen, ohne daß bestimmte Personengruppen, die z.B. wie Schüler, Hausfrauen und Rentner ohne eigenes Einkommen sind, allein aufgrund des eingeschlagenen Berechnungswegs Schwierigkeiten bei der Entschädigungsbemessung haben. Einzige Voraussetzung bleibt, daß überhaupt eine Entschädigung in Betracht kommt, was dann der Fall ist, wenn der Urlaub „vertan“ ist. Mit der jetzt als herrschend anzusehenden Rechtsprechung ist von einer „erheblichen“ Reisebeeinträchtigung und einem „vertanen“ Urlaubstag dann auszugehen, wenn eine anteilige Reisepreisminderung von 50 % ab in Betracht kommt (LG Frankfurt NJW 1985, 143; OLG Düsseldorf NJW-​RR 1986, 280; LG Hannover NJW-​RR 1986, 213; OLG Frankfurt NJW-​RR 1988, 632).

20. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer es für gerechtfertigt, bei vertanem Urlaub dem Urlauber einen Mindestanspruch von regelmäßig 50,00 DM je Tag zuzusprechen, wobei die Kammer diesen Mindestbetrag entsprechend der Schmerzensgeldpraxis bei § 847 BGB gemäß § 287 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt. Auch bei einem in diesem Rahmen zu berücksichtigenden Mindestmaß an Beeinträchtigungen hält die Kammer einen geringeren Betrag gegenwärtig nicht für denkbar. Dabei wird insbesondere darauf abgestellt, daß der durchschnittliche Preis einer Pauschalreise knapp 100 DM pro Tag beträgt.

21. Damit geht die Kammer im übrigen davon aus, daß Fälle möglich sind, bei denen der „vertane“ Urlaub mit höheren Beträgen entschädigt werden muß, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Als Faktoren kommen dabei Grad und Schwere der Urlaubsbeeinträchtigung, das Nettoeinkommen des Urlaubers, der gezahlte Reisepreis und das Verschulden des Veranstalters in Betracht. Trotz der sachlichen Nähe der Entschädigungsbestimmung für vertanen Urlaub zu der Festsetzung des Schmerzensgeldes nach § 847 BGB scheidet der bei der Entschädigung von Körperverletzungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund unerlaubter Handlung heranzuziehende Aspekt der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes hier aus (ebenso LG Frankfurt aaO.; anderer Ansicht Tonner aaO. Rdn. 47; Bendref, Ersatz der vertanen Urlaubszeit im deutschen und österreichischen Recht, 1988, Seite 32). Diese besondere Funktion, die das Schmerzensgeld neben der Ausgleichsfunktion für den erlittenen Schaden hat, rechtfertigt sich daraus, daß die Körperverletzung oder Gesundheitsbeeinträchtigung auf eine unerlaubte Handlung zurückzuführen ist, also auf eine solche, der ein besonderer Unrechtscharakter zukommt. Dies ist mit einer Minder- bzw. Schlechtleistung aufgrund Reisevertrags nicht vergleichbar.

22. Da die Kläger hier zu ihren Einkommensverhältnissen nichts vorgetragen haben, kommen im konkreten Fall für die Schätzung des Entschädigungsbetrags lediglich das Maß der Beeinträchtigung, der gezahlte Reisepreis und das Verschulden der Beklagten als Berücksichtigungsfaktoren in Betracht. Der Reisepreis betrug hier pro Person 1.315,00 DM für eine Woche, und lag damit deutlich über dem durchschnittlichen Preis einer Pauschalreise. Ferner ist es den Klägern nicht möglich gewesen, den letzten 4 Tagen ihres Urlaubs einen Restwert abzugewinnen, weil sie während dieser Zeit unstreitig bettlägerig erkrankt waren. Anderseits kann das Verschulden der Beklagten an der durch die Verpflegungsleistung verursachten Salmonellenvergiftung nur gering angesetzt werden. Es ist bekannt, daß gerade in südlichen Ländern leicht derartige Krankheitserreger auftreten, worauf bereits das Amtsgericht hingewiesen hat. Im Hinblick darauf hält die Kammer über den Regelmindestbetrag hinausgehend eine Entschädigung von 120,00 DM pro Person und Tag für angemessen (§ 287 ZPO). Das ergibt für 4 Tage und 2 Personen insgesamt den Betrag von 880,00 DM.

23. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 651 f Abs. 1 BGB in Höhe des anteiligen Reisepreises für die erste Urlaubshälfte, weil sie kranker aus dem Urlaub zurückgekehrt sind, als sie ihn angetreten haben. Ein Gewährleistungsanspruch besteht nur für die Zeit des Urlaubs, die durch einen Reisemangel betroffen ist. Das war hier die zweite Wochenhälfte, für die die Kläger im Rahmen der Reisepreisminderung den anteiligen Reisepreis zurückerstattet erhalten, und für den sie darüber hinaus auch eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude erhalten. Während der ersten Urlaubshälfte haben die Kläger vom Reiseveranstalter jedoch die Leistung erhalten, die ihnen versprochen war. Dabei war ihnen der Urlaubswert auch für jeden einzelnen Tag vor der Erkrankung zugute gekommen. Die Frage, wie lange ein Urlaubswert vorhält, fällt nicht in den Gewährleistungsbereich, für den der Reiseveranstalter einzustehen hat. Deswegen ist es ihm auch nicht anzurechnen, wenn der zunächst genossene Urlaubswert durch die spätere Erkrankung verloren ging. Gerade dafür sind die Kläger durch die zugesprochene Reisepreisminderung und die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit schadlos gehalten worden.

24. Die zugesprochenen Zinsen sind gemäß §§ 284, 288 BGB begründet.

25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

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