Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für Kinder
AG Kleve: Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für Kinder
Die Kläger begehrten für sich und ihre gemeinsames Kind Schadensersatz wegen eines durch Überbuchung vereitelten Hotelurlaubs in Spanien und die Erstattung eienr Reiserücktrittsversicherung.
Das Amtsgericht Kleve gab der Klage in ersterem Punkt statt, schloss jedoch die Möglichkeit entgangener Urlaubsfreude für Kleinkinder aus und wertete die Versicherung nicht als Teil der Reiseleistung.
AG Kleve | 3 C 239/98 (Aktenzeichen) |
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AG Kleve: | AG Kleve, Urt. vom 20.07.1998 |
Rechtsweg: | AG Kleve, Urt. v. 20.07.1998, Az: 3 C 239/98 |
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Leitsätze:
2. Eine Reiserücktrittsversicherung wird bei einer vereitelten Urlaubsreise nicht erstattet, da die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme davon nicht betroffen ist.
Für Kinder steht der Erlebnis- (im Gegensatz zum Erholungs-) Charakter einer Reise im Vordergrund, sodass durch einen mit den Eltern zuhause verbrachten Urlaub keine entgangene Urlaubsfreude entsteht.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten für sich und ihr 3-jähriges Kind eine Pauschalreise nach Spanien bei der Beklagten gebucht. Vor Ort stellten sie fest, dass das Hotel überbucht war, sodass sie nach Hause zurückkehrten. Sie forderten von der Reiseveranstalterin die Erstattung des Reisepreises, sowie Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude für alle drei Personen, sowie die Rückerstattung einer abgeschlossenen Reiserücktrittsversicherung.
Das Amtsgericht Kleve gewährte die Erstatttung des Reisepreises, da die geschuldete Leistung von der Beklagten nicht erbracht worden war. Den Eltern stand auch Ersatz für entgangene Urlaubsfreude zu, jedoch nicht dem Kleinkind. Für dieses sei durch den Hin- und Rückflug nach Spanien bereits der Erlebnischarakter der Reise erfüllt gewesen und es habe dennoch den Urlaub mit seinen Eltern verbringen können. Anspruch auf Erstattung der Reiserücktrittsversicherung bestand nicht, da diese nicht Teil der vereitelten Reiseleistung war und in Anspruch hätte genommen werden können.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 220,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.05.1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 20 % und die Kläger jeweils zu 40 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 700,– DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.
Tatbestand:
5. Die Kläger machen Gewährleistungsansprüche aus einem Reisevertrag geltend.
6. Sie buchten für sich und ihr 3-jähriges Kind eine Flugreise nach Spanien auf die Insel Fuerteventura in das Hotel … für die Zeit vom 08. bis zum 22.11.1997. Der Reisepreis mit Halbpension betrug insgesamt 4.113,– DM. Für eine Reiserücktrittsversicherung zahlten sie 69,– DM.
7. Bei Ankunft am Urlaubsort erfuhren die Kläger, daß das Hotel ausgebucht war. Ein gleichwertiges Ersatzhotel konnte die Beklagte nicht zur Verfügung stellen. Auch Verlangen der Kläger erfolgte am 10.11.1997 der Rückflug nach Deutschland.
8. Vorprozessual zahlte die Beklagte insgesamt 5.372,– DM.
9. Die Kläger begehren die Erstattung des Reisepreises zzgl. Reiserücktrittsversicherung in Höhe von insgesamt 4.182,– DM und Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für beide Kläger in Höhe von jeweils 1.500,– DM.
10. Desweiteren begehren sie Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für das 3-jährige Kind in Höhe von 500,– DM. Hierzu tragen sie vor, es stelle für ein 3-jähriges Kind eine außerordentliche Beeinträchtigung dar, wenn es anstelle eines unter freiem Himmel verbrachten Badeurlaubes zwei Wochen in der Wohnung der Eltern im kalten Deutschland verbringen müsse.
12. die Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils einen Betrag in Höhe von 1.155,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.05.1998 zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
15. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
16. Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 4.113,– DM gem. § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alternative BGB.
17. Die Kläger haben den Reisepreis an die Beklagten geleistet. Der Rechtsgrund für diese Leistung ist nachträglich entfallen, da die Kläger den Reisevertrag wirksam gem. § 651 e BGB gekündigt haben. Die Reise war vereitelt, nachdem die Beklagte das gebuchte Hotel nicht zur Verfügung stellen konnte.
18. Die Kläger haben allerdings keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Reiserücktrittsversicherung. Die Reiserücktrittsversicherung ist nicht Bestandteil des Reisepreises. Es handelt sich vielmehr um eine vermittelte Fremdleistung des Reiseveranstalters (vgl.: Führich, Reiserecht, S. 128). Die damit verbundene Leistung, die Möglichkeit des kostenlosen Rücktritts im Krankheitsfall, hätten die Kläger bei Bedarf auch in Anspruch nehmen können.
19. Die Kläger haben einen Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit in Höhe von 1.700,– DM gem. § 651 f Abs. 2 BGB gegen die Beklagte.
20. Wie oben ausgeführt, war die Reise für die Kläger vereitelt. Bei der Bemessung des Schadenersatzes wegen vertaner Urlaubszeit orientiert sich das Gericht an der Entscheidung des LG Frankfurt vom 19.09.1988 (NJW-RR 1988, S. 1451). Danach steht dem Reisenden pro vertanem Urlaubstag ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 100,– DM zu. Bricht der Reisende den Urlaub vorzeitig ab, ist dieser Betrag wegen der Möglichkeit, die Urlaubszeit am Heimatort sinnvoll zu nutzen, um 50 % zu reduzieren.
21. Für die Zeit vom 08. bis zum 10.11.1997 (3 Tage) steht den Klägern demnach ein Ersatzbetrag in Höhe von 100,– DM pro Tag, insgesamt also 600,– DM, zu. Für die weiteren 11 Urlaubstage, die die Kläger in Deutschland verbracht haben, steht ihnen ein Ersatzanspruch in Höhe von 50,– DM pro Tag, insgesamt also weitere 1.100,– DM, zu.
22. Die Kläger haben dagegen keinen Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit gem. §§ 651 f Abs. 2; 328 BGB für ihr dreijähriges Kind.
23. Grundsätzlich können allerdings auch Kinder einen Anspruch auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit haben (vgl.: BGH, NJW 1983, S. 218 (220); Führich, Reisevertragsrecht, S. 297). Denn es handelt sich um einen immateriellen Schadensersatzanspruch, der demgemäß nicht nur demjenigen zustehen kann, der den Urlaub durch eine Arbeitsleistung und ein damit verbundenes Einkommen verdient hat.
24. Ob und in welchem Umfang Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit zu zahlen ist, richtet sich allerdings nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist, inwieweit die Reise für den einzelnen Reisenden beeinträchtigt worden ist. Für Kinder haben viele Urlaubserlebnisse eine andere Bedeutung als für Erwachsene. So mag sie etwa ein Urlaub enttäuschen, bei denen die erwarteten Angebote für Spiel und Sport ausgeblieben sind oder kaum Möglichkeiten bestanden haben, Gleichaltrigen zu begegnen, während die Eltern die erholsame Ruhe genießen. Umgekehrt treffen andere Reisemißhelligkeiten Kinder erfahrungsgemäß weniger schwer als Erwachsene (vgl. dazu: BGH, NJW 1983, 218 (220)). Es erscheint angemessen zu sein, bei der Bestimmung, ob Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit Kindern zu gewähren ist, nicht auf einen Erholungswert, sondern auf einen Erlebniswert des Urlaubs abzustellen (so Tonner in Münchner Kommentar zum BGB zu § 651 f Rdnr. 63). Aus der Sicht eines 3-jährigen Kindes hatte schon der Hin- und Rückflug mit einem Flugzeug nach Spanien und zurück nach Deutschland einen Erlebniswert. Am Heimatort wieder angekommen hatte das Kind die Möglichkeit, die Tage mit seinen Eltern zur Freizeitgestaltung zu verbringen. Daß diese Freizeitgestaltung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte, sondern in der Wohnung der Kläger oder zum Beispiel in deutschen Hallenbädern stattfand, schmälerte den Erlebniswert der Urlaubszeit für das Kind nicht so weitgehend, daß hierfür eine Entschädigung in Geld angebracht wäre.
25. Insgesamt bestehen demnach Zahlungsansprüche in Höhe von 5.813,– DM. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten in Höhe von 5.372,– DM verbleibt ein Betrag in Höhe von 441,– DM. Für jeden der beiden Kläger ergibt dies den zuerkannten Betrag in Höhe von 220,50 DM.
26. Der Zinsausspruch beruht auf § 291 BGB.
27. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1; 100 Abs. 1; 708 Nr. 11; 711 ZPO.
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