Rückbeförderungspflicht des Reiseveranstalters nach Kündigung des Reisevertrages
LG Frankfurt: Rückbeförderungspflicht des Reiseveranstalters nach Kündigung des Reisevertrages
Ein Reisender wurde am Urlaubsort von der Reiseveranstalterin vertragswidrig in ein anderes Hotel verlegt.
Das Landgericht Frankfurt entschied, dass der Kläger daraufhin rechtmäßig vom Reisevertrag zurückgetreten war, sodass die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verurteilt wurde.
LG Frankfurt | 2-24 S 306/83 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 30.04.1984 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 30.04.1984, Az: 2-24 S 306/83 |
AG Frankfurt, Urt. v. 12.07.1983, Az: 30 C 10653/81 | |
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Leitsatz:
2. Ein „Fortuna“-Reisevertrag, bei welchem dem Reisenden die Unterkunft erst bei Ankunft am Urlaubsort mitgeteilt wird, sieht ein nur einmaliges Gestaltungsrecht des Reiseveranstalters vor.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine sogenannte „Fortuna“-Reise gebucht, welche vorsah, dass ihm das Hotel erst bei Ankunft am Urlaubsort mitgeteilt würde. So geschehen verbrachte er zwei Nächte in einem Hotel, das zufriedenstellend war. Sodann wurde ihm von der Beklagten mitgeteilt, er werde in ein anderes Hotel verlegt. Dort stellte er erhebliche Mängel an der Ausstattung fest, die ihr vor Ort der Beklagten rügte. Eine weitere Ersatzunterbringung lehnte er ab und reiste vorzeitig ab.
Vor dem Amtsgericht Frankfurt fortderte er von der Beklagten Schadensersatz für die vertragswidrige Verlegung, entgangene Urlaubsfreude und Kosten der selbst organisierten Heimreise. Das Amtsgericht wies die Klage weitgehend ab und gewährte lediglich eine Ausgleichszahlung für den durch den Umzug in das zweite Hotel verlorenen Urlaubstag.
Auf die Berufung des Klägers hin gab das Landgericht Frankfurt der Klage in weiten Teilen statt. Demnach sei bereits die Verlegung des Reisenden vertragswidrig gewesen, da der „Fortuna“-Reisevertrag lediglich ein einmaliges Gestaltungsrecht der Reiseveranstalterin bezüglich der Unterkunft vorsehe und keine beliebige Verlegung des Reisenden. Da die Vertragskündigung des Klägers rechtskräftig und die Beklagte zu seiner Rückbeförderung verpflichtet war, musste sie neben dem Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude auch die Flugkosten bezahlen. Abgezogen vom Ausgleichsanspruch wurden die Kosten für die ersten beiden, mangelfrei in Anspruch genommenen Hotelübernachtungen.
Tenor:
4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.7.1983 – 30 C 10653/81 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.173,57 DM nebst 4% Zinsen seit 1.10.1981 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/6 die Beklagte 5/6.
Tatbestand:
5. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Reiseveranstalterin Schadensersatz wegen einer Pauschalreise nach Mallorca in der Zeit vom 29.7.1981 bis 12.8.1981.
6. Der Kläger buchte am 17.7.1981 in einer Agentur der Beklagten für sich und eine weitere Reisende eine „Fortuna-Reise“ nach Mallorca zum Preis von 1.948,– DM. Eine Fortuna-Reise ist eine von der Beklagten angebotene Vertragsform, bei der im Zeitpunkt der Buchung das zu buchende Hotel (bzw. Appartement) noch nicht festgelegt wird. Unter der Überschrift „Sie sparen 10 – 25 %“ wird diese Vertragsart im Reiseprospekt der Beklagten wie folgt angeboten:
7. „Eine Hotelzusage bei Buchung kann allerdings nicht erfolgen. Unsere Reiseleitung nennt Ihnen sofort nach Ankunft an Ihrem Reiseziel ihr Hotel oder Appartement.
8. Die Unterbringung erfolgt vorwiegend in …-Vertragshotel kann aber auch ausnahmsweise in Hotels erfolgen, die nicht im Prospekt erwähnt sind. Und wir versprechen Ihnen, daß dieses Haus auf jeden Fall in Ausstattung und Leistung über dem von Ihnen bezahlten Reisepreis liegt.“
9. Bei Ankunft am Zielort wurden der Kläger und seine Begleiterin in der Stadt P in dem Hotel „…“, einem 5-Sterne-Hotel untergebracht, mit dessen Ausstattung und Service die Reisenden zufrieden waren. Am 4.8.1981 wurde dem Kläger von der örtlichen Reiseleitung eröffnet, daß er am nächsten Tag in ein anderes Hotel umquartiert werde, da das Hotel V anderweit besetzt werde, Am 5.8.1981 wurden der Kläger und seine Begleitung in das Hotel „…“ in C …, ein 1-Sterne-Hotel, verlegt, mit dessen Leistungen sie nicht zufrieden waren. Am 6.8.1981 ließ der Kläger bei dem örtlichen Reiseleiter eine Niederschrift über verschiedene Mängel aufnehmen, in der es heißt:
10. „Gast bemängelt folgendes im Hotel Haiti:
1.) Feldbetten mit Schaumgummiauflage statt normaler Betten.
2.) Badewanne teilweise angerostet
3.) Salzwasser als Duschwasser
4.) Luftabzug im Bad stark geruchsbelästigend, riecht penetrant
5.) Bettwäsche weist Flecken auf
6.) Essen nicht genießbar.“
11. Der Kläger und seine Begleiterin flogen am 7.8.1981 per selbst gebuchtem Charterflugzeug vorzeitig nach F am Main zurück. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Erstattung der zusätzlichen Rückflugkosten in Höhe von 1.058,68 DM, der Vergütung für die letzten 4 Tage nicht in Anspruch genommener Leistungen in Höhe von 556,57 DM sowie Schadensersatz wegen entgangenen Urlaubsgenusses in Höhe von 50 % des Reisepreises = 974,– DM. Er macht geltend, daß die Verlegung in das Hotel … vertragswidrig erfolgt und das weitere Verweilen in diesem Hotel wegen der in der Niederschrift erwähnten Mängel unzumutbar gewesen sei. Die örtliche Reiseleitung habe einen vorzeitigen Rückflug für den 7.8.1981 zunächst zugesagt, dies aber nicht eingehalten. Darauf habe er auf eigene Initiative den Rückflug in die Wege geleitet.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.589,25 DM nebst 4 % Zinsen seit 1.10.1981 zu zahlen.
13. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
14. Sie hat vorgetragen, daß die Verlegung in das Hotel … zulässig gewesen sei. Der Kläger habe als Fortuna-Reisender keinen Anspruch darauf gehabt, in einem 5-Sterne-Hotel untergebracht zu werden. Bei Ankunft auf dem Flughafen in P sei ihm eröffnet worden, daß die Unterbringung in dem 5-Sterne-Hotel … lediglich für eine Woche erfolge. Auf die Tatsache, daß die weitere Unterbringung im 1-Sterne-Hotel … erfolgt sei, könne der Kläger sich nicht berufen, da ihm gleichzeitig das 5-Sterne-Hotel … angeboten worden sei, das er aber abgelehnt habe.
15. Zu den von dem Kläger gerügten Mängeln hat die Beklagten vorgetragen; Es treffe zwar zu, daß die im Zimmer aufgestellten Betten aus einem Matratzenrahmen mit Federung und Klappfüßen bestanden hätten. Die Badewanne habe vier, höchstens fünf, markstückgroße Absplitterungen aufgewiesen. Im gesamten Hotel werde kein Salzwasser als Dusch- oder Badewasser verwandt. Der Luftabzug sei nicht mit dem Bad des Nebenzimmers verbunden gewesen. Die verbrauchte Luft werde über einen elektrisch betriebenen Ventilator über Dach abgesaugt. Zur angeblich mit Flecken versehenen Bettwäsche sei der Kläger darauf hingewiesen worden, daß nach Überprüfung die Bettwäsche selbstverständlich gegen einwandfreie Bettwäsche ausgetauscht werden würde. Das Essen sei im Verhältnis zum gezahlten Preis von guter, durchschnittlicher Quantität und Qualität gewesen.
16. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 12.7.1983 die Beklagte zur Zahlung von 139,14 DM verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Im Hinblick auf den durch Umzug verlorenen Urlaubstag sei die Erstattung des anteiligen Reisepreises gerechtfertigt. Weitergehende Ansprüche seien jedoch ausgeschlossen, da der Kläger das ersatzweise angebotene 5-Sterne-Hotel … nicht angenommen habe. Auch ein Anspruch auf Erstattung der für 4 Tage nicht in Anspruch genommenen Leistungen stehe dem Kläger nicht zu, da der Kläger eine Ersparnis der Beklagten nicht unter Beweis gestellt habe.
17. Gegen das am 16.8.1983 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.9.1983 Berufung eingelegt und diese am 13.10.1983 begründet Er rügt, daß das Amtsgericht sich nicht mit den Mängeln in dem Hotel „…“ auseinandergesetzt habe und bestreitet nach wie vor, daß ihm ein Umzug in das Hotel „…“ angeboten worden sei.
auf die Berufung hin das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.7.1983, Aktenzeichen 30 C 10653/81 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die bereits zugesprochenen 139,14 DM weitere 2.450,11 DM an den Kläger zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
20. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe:
21. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, mithin zulässig. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg.
22. Dem Kläger steht gem. §§ 651 e, 651 f II BGB ein Anspruch auf Zahlung von 2.173,57 DM zu.
1.
23. Der Kläger war aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten berechtigt, den Reisevertrag vorzeitig gemäß § 651 e I BGB zu kündigen.
a)
24. Bereits die von der Beklagten am 5.8.1981 veranlaßte anderweitige Unterbringung im Hotel „…“ in C stellt eine Vertragsverletzung dar, die den Kläger zur Kündigung berechtigte. Der Kläger hatte mit der bei Ankunft am Zielort erfolgten Zuweisung des Hotels … einen Anspruch darauf erlangt, die gesamte Urlaubszeit mit seiner Begleiterin in diesem Hotel zu wohnen und versorgt zu werden. Die Argumentation der Beklagten mit der „Fortuna-Buchung“ geht fehl. Inhalt eines Reisevertrages mit Fortuna-Buchung ist, die im Reiseprospekt der Beklagten enthaltene Zusage, daß ihre Reiseleistung dem Reisenden sofort nach Ankunft das Hotel oder Appartement nennt. Eine Auslegung dieser Zusage nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ergibt, daß der Beklagten nur ein einmaliges Gestaltungsrecht zusteht, mit dessen Ausübung sie die bis dahin unbestimmte Leistung betreffend Unterkunft und Verpflegung konkretisieren kann.
25. Ist dies einmal geschehen, so ist – ebenso wie bei einer Gattungsschuld – die zunächst unbestimmte Leistung endgültig konkretisiert und gilt von Anfang an als geschuldet. Jede andere Auslegung geht an dem Wortlaut der Zusage und dem überwiegenden Interesse des Reisenden, während seines kurzfristigen Urlaubsaufenthaltes einen festen Standort zu haben und nicht mehrfach das Hotel wechseln zu müssen, vorbei.
26. Der Reisende hat ein Interesse daran, in dem – gebuchten oder gemäß Fortuna zugewiesenen – Hotel zu bleiben, da es auch zu einem ungestörten Urlaubsgenuß gehört, in der gewählten örtlichen und von Mitmenschen geprägten Atmosphäre zu verbleiben, ganz abgesehen von dem lästigen Ein- und Auspacken der Koffer und der mit dem Umzug verlorenen Zeit.
27. Soweit die Beklagte meint, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß gegen Zahlung des Fortuna-Preises von 1.948,– DM für 2 Personen und 2 Wochen in einem 5-Sterne-Hotel untergebracht zu werden, geht dies an dem Kern der Sache vorbei. Die Fortuna-Buchung enthält für beide Vertragspartner ein Risikoelement. Der Reisende verzichtet auf die Wahl und Buchung eines bestimmten Objektes und geht damit das Risiko ein, im Rahmen des versprochenen Zielgebietes in eine örtlich von ihm nicht akzeptierte Gegend eingewiesen zu werden sowie ein Hotel zugewiesen zu erhalten, das einen niedrigen Standard hat (zu den Grenzen des Bestimmungsrechts vgl. Bartl, Reiserecht, 2. Aufl. 1981, Rdnr. 194; LG Frankfurt, 31.10.1977, 2/24 S 160/77). Umgekehrt hat der Reiseveranstalter die Möglichkeit, entsprechend der jeweiligen Marktlage noch nicht ausgebuchte, aber von ihm reservierte Hotels noch kurzfristig zu belegen. Sind das aber teure, anspruchsvolle Hotels, so kann er die mit Zuweisung des Hotels eingetretene Konkretisierung nicht später durch Hinweis auf den geringen Pauschalpreis wieder rückgängig machen (vgl. auch Tempel Materielles Recht im Zivilprozeß, 1984, § 6 II, b (2)). Insoweit muß er die zu seinen Lasten wirkende Fortuna gegen sich gelten lassen. Falls ihm dies wirtschaftlich nicht vertretbar erscheint, bleibt es ihm selbstverständlich überlassen, den Reisenden erst gar nicht in das teure Hotel einzuweisen.
28. Ein im Widerspruch zu dieser Rechtslage bei der einmaligen Zuweisung seitens der örtlichen Reiseleitung erklärter Vorbehalt, daß die Zuweisung nicht für die gesamte Dauer des Aufenthaltes gelte, ist vertragswidrig und unbeachtlich. Ebensowenig ist erheblich, ob die örtliche Reiseleitung dem Kläger lt. Behauptung der Beklagten auch das Hotel „…“ als Ersatzunterkunft angeboten haben soll, da auch diese Ersatzzuweisung vertragswidrig war bzw. gewesen wäre und von dem Kläger hätte abgelehnt werden können.
b)
29. Nach dieser Rechtslage war der Kläger am 6.8.1981 berechtigt, den Reisevertrag vorzeitig nach § 651 e BGB zu kündigen. Nach der von der Kammer gehandhabten Praxis liegt ein erheblicher, die Kündigung rechtfertigender Grund vor, wenn die Mängel eine Minderung von mindestens 20 % rechtfertigen (LG Frankfurt, NJW 1983, 2884). Die örtliche Verlegung des Aufenthaltes von der Stadt Palma nach dem schätzungsweise 60 km entfernten Can Picafort rechtfertigt bereits eine Minderung des Reisepreises von 20 % (vgl. LG Frankfurt, NJW 1983, 233). Hinzu kommt der gegenüber dem Hotel … geringere Standard des Hotels „…“, den die Beklagte ernsthaft nicht in Abrede stellt und mit dem der Kläger nach der Konkretisierung seines Anspruchs auf ein 5-Sterne-Hotel sich nicht abfinden lassen mußte. Diese Minderung beträgt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tagespreise (Victoria: 128,52; Haiti: 65,– DM; Fortuna: 47,50 DM) mindestens weitere 20 %. Die weiteren von dem Kläger gerügten, teilweise zugestandenen Mängel (rostige Badewanne, mit Flecken versehene Bettwäsche) rechtfertigen eine weitere Minderung von 10 % des Reisepreises.
30. Zur Kündigung bedurfte es auch keiner erneuten Fristsetzung mit Androhung der Kündigung, da der örtlichen Reiseleitung ihr vertragswidriges Verhalten bekannt und das sofortige Bestehen auf Rückkehr durch ein besonderes Interesse des Klägers gerechtfertigt war (§ 651 e II S. 2 BGB). Für den Kläger und seine Begleiterin war es unzumutbar, in dem Hotel … zu verbleiben, aber auch, unter erneutem Umzug in das Hotel … oder ein anderes gleichwertiges Ersatzhotel einen weiteren Urlaubstag zu verlieren.
2.
31. Die wirksam ausgesprochene Kündigung verpflichtete die Beklagte gemäß § 651 e III S. 1 und 2 BGB zur Rückzahlung des gesamten Reisepreises, abzüglich einer Entschädigung für erbrachte Leistungen, soweit sie für den Kläger von Interesse waren. Im Hinblick darauf, daß der Aufenthalt im Hotel „Victoria“ unstreitig in Ordnung war, ist auf jeden Fall der Anspruch des Klägers auf Zahlung des anteiligen Reisepreises für die nicht in Anspruch genommenen 4 Tage gerecht fertigt, der nach nicht angegriffener Berechnung 556,57 DM ausmacht.
32. Soweit das Amtsgericht dem Kläger die Beweislast dafür aufbürden will, daß die Beklagte durch den vorzeitigen Abflug etwas erspart habe, verkennt sie die dem § 651 e III 2 zugrundeliegende Rechtslage, wonach der Reiseveranstalter seine ihm verbleibende Entschädigung darlegen muß (Baumgärtel-Strieder, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, 1981, § 651 e, Anm. 2).
3.
33. Der Kläger kann weiter Erstattung der Flugkosten von 1.058,68 DM verlangen, da die Beklagte nach der Kündigung verpflichtet war, den Kläger und seine Begleiterin vorzeitig zurückzubefördern (§ 651 e IV BGB). Dem vorzeitigen Rückbeförderungsverlangen ist die Beklagte nicht dadurch nachgekommen, daß sie dem Kläger einen Rückflug für den 9.8.1981 anbot. Nach der Kündigung vom 6.8.1981 war es dem Kläger und seiner Begleiterin nicht zuzumuten, noch 3 Tage in dem Hotel „…“ zu verweilen. Der Reiseveranstalter ist nämlich im Falle der Kündigung zur unverzüglichen Rückbeförderung verpflichtet. Ein Zeitraum, der über 1-2 Tage hinausgeht, ist nach Auffassung der Kammer bei einem Zielort wie Mallorca, an dem tägliche Rückflüge stattfinden, nicht mehr unverzüglich. Soweit in der Literatur die Meinung vertreten wird, dem Reisenden sei ein Zuwarten von 2-3 Tagen stets zumutbar (vgl. etwa Löwe, MK, § 651 e Rdnr. 29; Staudigl-Schwerdtner, § 651 e, Rdnr. 51), vermag die Kammer dieser Auffassung nicht zu folgen. Wenn dem Reiseveranstalter gestattet wäre, das nächste, ihm zur Verfügung stehende Charterflugzeug anzubieten, würde § 651 e IV S. 2 BGB im wesentlichen leerlaufen (vgl. hierzu Bartl, Reisevertragsgesetz § 651 e, Rdnr. 96). Nach Auffassung der Kammer bedarf es vielmehr einer Abwägung im Hinblick auf die durch die Kündigungsgründe indizierte Dringlichkeit der vorzeitigen Rückreise gegenüber den Belangen des Reiseveranstalters. In den Fällen, die eine „erhebliche Beeinträchtigung der Reise“ darstellen, ist ein längeres Verweilen am Urlaubsort für den Reisenden in der Regel unzumutbar.
34. Der Beklagten war hier zumutbar, unter Ausnutzung ihrer zu den Flugunternehmen bestehenden Kontakte bei einem Flughafen wie Palma einen früheren Rückflug als erst am 9.8.1981 ausfindig zu machen und dem Kläger anzubieten.
4.
35. Der Kläger kann schließlich gemäß § 651 f II BGB Ersatz wegen erheblicher Beeinträchtigung der Urlaubsreise verlangen. Sowohl der Umfang der mangelhaften Unterbringung im Hotel „…“ als auch der vorzeitige Abbruch der Reise sprechen für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise. Wie oben ausgeführt bestand insgesamt ein Minderungsanspruch in Höhe von 50 % des Reisepreises, der nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des OLG Frankfurt (Urteil vom 29.2.1984, 17 U 55/83) die Bejahung eines Anspruchs aus § 651 f II BGH rechtfertigen. Die Kammer geht bei der Bemessung des Schadensersatzes von dem Arbeitseinkommen aus, das der Kläger für unbezahlten Urlaub aufwenden muß (vgl. NJW 1983, 1127), dessen Dauer die Kammer hier auf mindestens 4 Tage schätzt. Ausgehend von dem nachgewiesenen Nettoeinkommen des Klägers von 4.187,50 DM (Bescheinigung des Steuerberaters vom 24.1.1984, Bl. 157 d.A.) ergibt sich ein Ersatzanspruch von 4 x 139,58 DM = 558,32 DM.
5.
36. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Die Beklagte ist durch Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 8.9.1981 mit Fristsetzung vom 30.9.1981 vergeblich zur Zahlung aufgefordert worden.
6.
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