Gerichtsstandes bei direkten Anschlussflügen

LG Hannover: Gerichtsstandes bei direkten Anschlussflügen

Ein Fluggast nahm ein Luftfahrtunternehmen wegen der erheblichen Verspätung eines Fluges aus mehreren Teilstrecken für eine Ausgleichszahlung in Anspruch.

Auf die Berufung des Klägers hin verwies das Landgericht Hannover die Klage zur Neuverhandlung zurück an das Amtsgericht, welches in erster Instanz seine Zuständigkeit verneint hatte.

LG Hannover 20 S 20/11 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom 04.10.2011
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 04.10.2011, Az: 20 S 20/11
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 4. Oktober 2011

Aktenzeichen 20 S 20/11

Leitsatz:

2. Bei direkten Anschlussflügen ist nicht ausschließlich der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich dafür, welches Gericht für eventuelle Ausgleichsansprüche zuständig ist.

Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, eine Flugreise von Hannover über Paris nach Rio de Janeiro gebucht. Der zweite Teilflug erreichte sein Ziel mit einer 12-stündigen Verspätung, wofür der Reisende vor dem Amtsgericht Hannover eine Ausgleichszahlung verlangte.

Das Gericht wies die Klage jedoch ab, weil es in der Flugreise zwei eigenständige Flüge sah, wonach der Erfüllungsort des verspäteten Fluges Paris und nicht Hannover und das Amtsgericht folglich nicht zuständig sei. Auf die Berufung des Klägers hin hob das Landgericht Hannover das Urteil wieder auf und verwies den Fall an das Amtsgericht zur Neuverhandlung zurück, weil bei direkten Anschlussflügen nicht der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich sei, sondern das Endzeil der Reise.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Februar 2011 im schriftlichen Verfahren erlassene Urteil des Amtsgerichts Hannover – 434 C 12890/10 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahren zu entscheiden hat.

Gründe:

5. Der Kläger verlangt von der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 600,00 € aus Luftbeförderung nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

6. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten folgende Flüge:

Hannover-​Paris CDG, Flugnummer …, 24.06.2010, ab 19.50 Uhr, an 21.20 Uhr

Paris CDG – Rio de Janeiro, Flugnummer …, 24.04.2010, ab 23.20 an 05.20 Uhr

Rio des Janeiro – Paris CDG, Flugnummer …, 11.07.2010

Paris CDG – Hannover, Flugnummer …, 12.07.2010

7. Das Flugzeug von Paris nach Rio des Janeiro, das am 25.06.2010 in Rio de Janeiro um 05.20 Uhr ankommen sollte, landete dort erst um 17.52 Uhr.

8. Der Kläger ist der Ansicht, das Amtsgericht Hannover sei nach Artikel 5 Nr. 1 b), 2. Spiegelstrich Brüssel I-​Verordnung (EuGVGO) sowie aus § 29 Absatz 1 ZPO zuständig.

9. Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, der Hinflug von Hannover nach Rio de Janeiro habe als Beförderungsleistung aus zwei Flügen i.S.d. Artikel 2 lit h der Verordnung Nr. 261/2004 bestanden, nämlich aus dem ersten Flug von Hannover nach Paris und dem zweiten Flug von Paris nach Rio de Janeiro, so dass Ort des Abflugs und damit  Erfüllungsort für den Flug von Paris nach Rio de Janeiro als maßgeblichem Reiseabschnitt Paris sei.

10. Die Berufungskammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts nicht.

11. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein aus Hin- und Rückflug bestehender Beförderungsvertrag nicht als einheitlicher Flug im Sinne von Art 3 Abs. 1 Buchstabe a FluggastrechteVO anzusehen (EuGH, Urteil vom 10.07.2008 – C 173/07), weil der Begriff „Endziel“ in Art 2 Buchstabe h FluggastrechteVO als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen als der Zielort des letzten Fluges definiert werden kann. Hieraus hat der EuGH die Schlussfolgerung gezogen, dass das Endziel mit dem ersten Abflugsort nicht identisch sein kann.

12. Daraus ergibt sich nicht nur, dass Hin- und Rückflug als gesonderte Flüge im Sinne von Art 3 FluggastrechteVO anzusehen sind, sondern auch, das bei direkten Anschlussflügen nicht ausschließlich der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 14.10.2010 – Xa ZR 15/10).

13. Auch wenn der BGH diese Ausführungen im Wesentlichen im Rahmen der Frage gemacht hat, ob bei der Bemessung der Anspruchshöhe allein auf den Zielort des einzelnen Beförderungsvorgangs abzustellen ist oder auch die Zielorte von direkten Anschlussflügen im Sinne von Art 2 Buchstabe h FluggastrechteVO zu berücksichtigen sind, ist die Kammer der Auffassung, dass das Argument des Bundesgerichtshofes, bei direkten Anschlussflügen sei nicht ausschließlich der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgebend, auch bei der Frage anzuwenden ist, welches Gericht für Ausgleichsansprüche zuständig ist.

14. Zuständig ist danach das Amtsgericht Hannover.

15. Das angefochtene Urteil war dementsprechend gemäß § 538 Absatz 2 Nr. 3 ZPO aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hannover zurückzuverweisen.

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